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Hochtechnologien gelten als die Branchen der Zukunft. Europa will hier nicht den Anschluss verlieren. Auch gegen Lieferengpässe und Produktionsengpässe durch gestörte Lieferketten will sich Europa besser wappnen. Mit dem „European Chips Act“ will die Europäische Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mehr als 40 Mrd. Euro ausgeben, um die europäische Halbleiter-Produktion von gegenwärtig 10 % auf dann 20 % der globalen Produktion zu steigern. Halbleiter sind nicht nur in Gebrauchsgegenständen wie Handys, Laptops und Autos, sie sind auch unverzichtbar, wenn die grüne und digitale Wende gelingen soll. Photovoltaikanlagen, nachhaltige Produktion und E-Mobilität – all das braucht Computerchips. Der „European Chips Act“ ist daher die Antwort der EU auf den „Chips-Act“ der USA, der mehr als 50 Mrd. US-$ für Halbleiter vorsieht, um die Produktion zu sichern, zu modernisieren und auszubauen.

Sind diese Subventionen gerechtfertigt? Das Hauptargument der Politik für diese Subventionen ist geostrategisch. Deutschland und die EU, wie auch die USA, wollen bei systemisch wichtigen Produkten nicht von Importen, insbesondere aus China bzw. Taiwan, abhängig sein. Man hat Angst, dass der Konflikt um Taiwan dazu führen könnte, dass Taiwan als Quelle für Halbleiter ausfällt. Taiwanesische Produzenten haben gegenwärtig einen Anteil am globalen Halbleiter-Markt von rund 20 %, in einigen Produkten liegt der Anteil bei 50 %. Um hier eine Unabhängigkeit zu erreichen, reicht es allerdings nicht, Halbleiterfabriken zu subventionieren. Man müsste die gesamte Lieferkette für Halbleiter in die strategische Planung einbeziehen. Viele der Vorprodukte (wie z. B. Maschinen zur Produktion) und Rohstoffe (wie z. B. seltene Erden) für Halbleiter würden weiterhin nicht in Europa produziert, auch wenn die Endfertigung im Lande wäre.

Darüber hinaus kann man argumentieren, dass Halbleiter für die Automobil- oder die Maschinenbauindustrie in Deutschland strategisch wichtig sind, Halbleiter für Computer oder Handys (die jetzt in Magdeburg bei Intel subventioniert werden sollen) aber nicht. Intel stellt aber nur Halbleiter für Computer und Handys her. Gleichzeitig ist sehr unklar, ob das Ausmaß der Subventionen (in Magdeburg bei Intel z. B. mehr als 700.000 Euro pro Arbeitsplatz, ähnlich bei Infineon in Dresden) zu rechtfertigen ist, oder ob man nicht lieber in Forschung und Entwicklung sowohl an Universitäten als auch bei Privatunternehmen investieren sollte. Empirisch ist jeder Euro, der in Forschung und Entwicklung investiert wird, stark korreliert mit zukünftigem positivem Wirtschaftswachstum und einem Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens. Bei der Subventionierung der Produktion, völlig unabhängig davon wie „strategisch“ sie sein mag, ist es in der Vergangenheit dagegen oft so gewesen, dass die Unternehmen nur genauso lange bleiben wie Subventionen fließen, beziehungsweise es woanders noch höhere Subventionen gibt.

Im Prinzip können Subventionen Fehlallokationen in der Wirtschaft verschlimmern oder verbessern. Das hängt davon ab, ob die Subventionen bestehende Friktionen eliminieren oder selbst Verzerrungen in der Allokation von Ressourcen hervorrufen. Neben den geostrategischen Argumenten ist die „Friktion“, auf die man mit Subventionen reagiert, die Subventionierung der Halbleiter-Produktion in einem anderen Land, besonders in den USA. Es ist aber fraglich, ob selbst zu subventionieren die beste strategische Antwort auf Subventionen in anderen Ländern ist. Vor dem Hintergrund eines engen Arbeitsmarktes, gerade für hochqualifizierte Arbeitskräfte, wäre es wahrscheinlich besser und günstiger, subventionierte Chips aus anderen Ländern zu importieren.

Es ist ja auch so, dass die geostrategischen Argumente bei Importen aus den USA nicht stichhaltig sind. Wenn die Beziehungen zu den USA so weit erodieren, dass die USA deutschen Unternehmen keine Halbleiter mehr verkaufen wollen, wird wohl auch die Nachfrage nach Halbleitern in Deutschland fallen, da dann wohl auch keine Autos oder Maschinen mehr in die USA exportiert werden können. Im Übrigen würde dann Intel wohl seine Fabrik in Magdeburg ebenfalls schließen. Alles in allem sollten wir den Fehler der USA nicht mit einem eigenen Fehler beantworten.

Interessant ist, dass das inzwischen auch in der Bundesregierung nicht mehr unumstritten ist. So hat Bundesfinanzminister Christian Lindner die Höhe der Förderung des US-Konzerns Intel in Magdeburg infrage gestellt und dabei betont, dass der Staat sich von internationalen Unternehmen nicht erpressbar machen sollte. Im Großen und Ganzen ist es also sehr zweifelhaft, ob Deutschland und Europa an diesem Subventionswettbewerb teilnehmen sollten, bei dem sie am Ende nur verlieren können. Steuergelder wären höchstwahrscheinlich anderswo besser angelegt.

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0041