Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Über die vergangenen zwei Dekaden haben die deutschen Exporte wertmäßig stark zugelegt. So wuchs das Exportvolumen nach den Daten des Statistischen Bundesamtes im Vorpandemiejahr 2019 mit 1.328 Mrd. Euro auf mehr als das Doppelte des Wertes aus dem Jahr 2000 (597 Mrd. Euro). Die wichtigsten Exportländer waren die USA, Frankreich, China, die Niederlande und das Vereinigte Königreich.

COVID-19-Pandemie

Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie 2020 ging mit massiven Einschränkungen des Welthandels, vor allem aufgrund von Transport- und Lieferkettenproblemen, einher. Die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft litt erheblich unter diesen Problemen, sodass die deutschen Exporte im Jahr 2020 auf 1.207 Mrd. Euro einbrachen (Destatis, 2023). Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der deutschen Exporte von Januar 2017 bis Januar 2023 in monatlicher Frequenz für Deutschlands wichtigste Zielländer sowie für die Russische Föderation. Es ist zu erkennen, dass die COVID-19-Pandemie den deutschen Handel mit den fünf wichtigsten Exportländern negativ beeinflusste. Besonders stark brach zunächst der Handel mit den USA, Frankreich und dem Vereinigten Königreich ein. Bereits Mitte 2020 begann der Erholungsprozess der deutschen Exporte. Bis Ende des Jahres 2021 hatte der Außenhandel mit den wichtigsten Zielländern wieder sein Vorkrisenniveau erreicht oder sogar bereits überschritten. Eine Ausnahme stellt hier der Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich dar, der auf niedrigerem Niveau stagnierte. Dieser Effekt dürfte auf dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zurückzuführen sein.

Abbildung 1
Entwicklung der Exporte Deutschlands in ausgewählte Zielländer, Januar 2017 bis Januar 2023
 Entwicklung der Exporte Deutschlands in ausgewählte Zielländer, Januar 2017 bis Januar 2023

Quelle: Destatis (2023); Daten ab 2022 provisorisch. Stand: 22. März 2023.

Überfall Russlands auf die Ukraine

Der Erholungsprozess von der COVID-19-Pandemie wurde durch den Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 jäh unterbrochen. Wie Abbildung 1 zeigt, wirkten sich die aus dem Überfall resultierenden direkten Handelseffekte und die ergriffenen Sanktionen auf die deutschen Exporte in die wichtigsten Zielländer unterschiedlich aus. So sind die Exporte Deutschlands in die USA seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine noch einmal deutlich gestiegen. Ein außergewöhnlich hohes Wachstum der wichtigsten Warengruppen von 2019 verzeichnet hier die Warengruppe der Pharmaprodukte, die von 2019 auf 2022 um 85 % zugelegt hat. Der Handel mit den Niederlanden und Frankreich zeigt ebenfalls einen leicht positiven, wenn auch deutlich weniger dynamischen Trend. Während die Exporte in das Vereinigte Königreich tendenziell weiterhin stagnieren, sind die Exporte nach China zuletzt sogar leicht rückläufig. Die Exporte nach Russland, die zur Einordnung ebenfalls abgebildet sind, sanken im Zuge der gegenseitigen Sanktionen deutlich auf ca. 1 Mrd. Euro monatlich. Ein großer Teil der Exportprodukte, die derzeit noch in die Russische Föderation geliefert werden, stammen aus den Gütergruppen der pharmazeutischen Erzeugnisse sowie der medizinischen Geräte und orthopädischen Vorrichtungen.

Politische Exportrisiken

Der internationale Handel mit Gütern und Dienstleistungen geht mit vielen Risiken einher. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat zuletzt nachdrücklich in Erinnerung gerufen, dass der Außenhandel nicht nur ökonomischen, sondern auch massiven politischen Risiken ausgesetzt ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche politischen Risiken der deutschen Exportstruktur innewohnen. Eine gebräuchliche Möglichkeit, politisches Risiko zu messen, ist die Nutzung von Demokratieindizes. Die Idee hinter diesem Vorgehen liegt darin, dass ein hohes Maß an demokratischer Kultur auch mit politischer Stabilität einhergeht. Dies erscheint zunächst einmal insofern sinnvoll, als dass autoritäre Regime für ihre Entscheidungen keine politischen Mehrheiten suchen und finden müssen und insofern die größtmögliche Handlungsfreiheit aufweisen, ihre eigenen Interessen zu realisieren. Ausländische Investoren und Handelspartner sind somit komplett von den diskretionären Entscheidungen autoritärer Regime abhängig. Der diskretionäre Spielraum demokratisch gewählter Regierungen ist hingegen an den Wählerwillen gebunden und somit typischerweise sehr viel kleiner und besser prognostizierbar. Dies spricht dafür, dass Demokratieindikatoren im Mittel gute Prädiktoren des politischen Risikos sein sollten.

Ein etablierter Demokratieindex wird seit 2006 von der britischen Zeitschrift „The Economist“ für 167 Länder herausgegeben (Economist, 2022), wobei Kriterien der Wahlprozess und sein Pluralismus, die Funktionalität der Regierung, die politische Teilhabe, die politische Kultur und die Bürgerrechte berücksichtigt werden. Der Index kann dabei Werte zwischen 0 (extrem undemokratisch) und 10 (extrem demokratisch) annehmen. Der Economist teilt die Länder dann auf Basis der Indexwerte in vier Gruppen ein: vollständige Demokratien (8 bis 10 Punkte), unvollständige Demokratien (6 bis maximal 8 Punkte), hybride Regime (4 bis maximal 6 Punkte) und autoritäre Regime (0 bis maximal 4 Punkte).

In Abbildung 2 zeigen wir, wie sich die Exporte Deutschlands im Jahr 2019 auf diese vier Ländergruppen verteilt haben. Der größte Teil der deutschen Exporte entfällt dabei auf die unvollständigen Demokratien, die immerhin 50 % aller deutschen Exporte ausmachen. Weitere 33 % der deutschen Exporte werden in vollständige Demokratien geliefert. Lediglich 4 % der deutschen Exporte gehen in Länder mit hybriden Regimen. In dieser Gruppe macht der Handel mit der Türkei (1,47 %) und Mexiko (1,03 %) den größten Teil aus. Immerhin 12 % der deutschen Exporte gingen 2019 in Länder mit autoritären Regimen. Allein 7,23 % entfallen dabei auf China, womit das Reich der Mitte das mit Abstand größte politische Exportrisiko für Deutschland darstellt.

Abbildung 2
Exporte Deutschlands in Länder unterschiedlichen politischen Risikos 2019
 Exporte Deutschlands in Länder unterschiedlichen politischen Risikos 2019

Quellen: Economist Intelligence (2022); Destatis (2023).

Abbildung 3 zeigt für die 20 wichtigsten Gütergruppen, in welche Länder mit unterschiedlichen Länderrisken geliefert wird. Der größte Teil der politisch hoch riskanten Exporte entfällt dabei auf Personenkraftwagen und Wohnmobile (2,44 %), Fahrgestelle, Motoren und andere Teile für Kraftfahrzeuge (1,65 %), Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung (1,38 %), Luftfahrzeuge (1,31 %), Maschinen (1,21 %) und pharmazeutische Erzeugnisse (1,07 %).

Abbildung 3
Exporte Deutschlands in Länder unterschiedlichen politischen Risikos 2019 nach Warengruppen
Exporte Deutschlands in Länder unterschiedlichen politischen Risikos 2019 nach Warengruppen

Quellen: Economist Intelligence (2022); Destatis (2023).

Literatur

Destatis (2023), Aus- und Einfuhr (Außenhandel): Deutschland, Monate, Länder, Warensystematik, Statistisches Bundesamt Wiesbaden.

Economist Intelligence (2022), Democracy Index 2021: The China challenge, Economist Group.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0085