An einer Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts wird man nicht vorbeikommen. Bei keinem diskutierten Reformmodell ist aber zu erwarten, dass sich die Einhaltung der öffentlichen Haushaltsdisziplin besser als zuvor durchsetzen lässt. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag dafür geworben, die Sanktionskompetenz bei regelwidrigem Verhalten von der Gemeinschaftsebene auf die zwischenstaatliche Ebene zu verlagern. Damit ließe sich die Glaubwürdigkeit der Sanktionsdrohung steigern. Die Verlagerung würde keinen Verzicht auf die eingeführten Fiskalregeln bedeuten.
Staatsverschuldung gleicht einem Vertrag zulasten Dritter, nämlich zulasten nachwachsender Generationen. Ein solcher Vertrag ist nicht nur moralisch fragwürdig, er ist auch finanzpolitisch riskant. Diese Erfahrung hatte zuletzt Liz Truss machen müssen. Als die frisch gewählte Premierministerin des Vereinigten Königreichs versuchte, großzügige Steuernachlässe auf Pump zu finanzieren, reagierten die Finanzmärkte panisch. Das englische Pfund fiel auf ein historisches Tief und erzwang den Amtsrücktritt nach nur 45 Tagen.
Hätten die Briten den Euro, hätte es nicht so weit kommen müssen. Zwar hätten die Zinsen für britische Staatsanleihen möglicherweise leicht angezogen und hätte der Euro gegenüber dem US-Dollar etwas an Wert verloren, aber ansonsten hätte Liz Truss weitermachen können. Schließlich erreichte die britische Staatsverschuldung im September 2022 lediglich 98 % der Wirtschaftsleistung. Das war zwar mehr als in den vergangenen 60 Jahren, aber ziemlich durchschnittlich für die Verhältnisse im Euroraum. Italien leistet sich eine Quote von ca. 150 % und Griechenland gar eine von annähernd 200 %.
Solche Quoten ermöglicht der Euro, indem er die Währungs- und Zinswirkungen der Verschuldung einzelner Mitgliedstaaten im Euroraum diffundieren lässt. Wenn die italienische Quote um 15 Prozentpunkte anwächst, ist das so, als würde die Schuldenquote im Euroraum gerade mal um knapp 1 Prozentpunkt zulegen. Diese Pufferung der Auswirkungen bei gemeinsamer Währung schafft ein Problem für die öffentliche Haushaltsdisziplin. Sie schwächt die mitgliedstaatlichen Anreize, bei nationaler Verschuldung stärkere Zurückhaltung zu üben. Das hat zweifelllos die Zunahme der gemeinsamen Verschuldungsquote von 67 % bei Einführung des Euro auf zuletzt 95 % begünstigt.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt
Der Verschuldungsanstieg kommt indes nicht überraschend. Man hatte ihn gar als Gefahr antizipiert und deshalb noch vor Einführung des Euro den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt – kurz: Euro-Stabilitätspakt – beschlossen. Mit ihm sollte sichergestellt werden, dass die Höhe der öffentlichen Verschuldung auf 60 % und die Neuverschuldung auf 3 % des BIP begrenzt bleiben. Bei regelwidrigem Verhalten sollten Sanktionen greifen, die aber in der Folge nie konsequent angewandt wurden. So ließ sich nicht verhindern, dass die Währungsunion immer stärker den Charakter einer Schuldenunion annahm. Daran haben auch Überarbeitungen des Regelwerks in den Jahren 2011 bis 2013 wenig ändern können. Auf diese hatte man sich als Antwort auf die griechische Staatsschuldenkrise verständigt (etwa Busch et al., 2021; Mühlbach, 2022). Inzwischen droht die lasche Haushaltsdisziplin die ganze EU zu erfassen. Ob die jüngsten Reformvorschläge der Europäischen Kommission (2022) geeignet sind, den Fiskalregeln stärkere Verbindlichkeit zu verleihen, muss man leider bezweifeln (Wyplosz, 2022). Ganz im Gegenteil hat die Coronapandemie der Schuldenproblematik eine neue Dimension hinzugefügt. Um besonders betroffene Länder, wie Italien, unterstützen zu können, erfand man den Wiederaufbaufonds NextGenerationEU, der mit Schulden der EU finanziert wird. Den rechtlichen Einwand, dass der EU-Vertrag eine gemeinschaftliche Verschuldung gar nicht vorsieht, hat man mit dem Hinweis auf die außergewöhnliche Bedrohungslage übergangen. Nun setzt man in Deutschland alle Hoffnungen auf die Einmaligkeit des Regelbruchs. Diskussionen um die Finanzierung des notwendigen Wiederaufbaus der Ukraine sowie der anstehenden Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft geben indes Anlass zu zweifeln, dass es bei der Einmaligkeit bleibt.1 Die naheliegende Frage, weshalb der Euro anders als das englische Pfund bisher nicht krisenhaft reagiert hat, ist nicht leicht zu beantworten und muss hier offen bleiben. Was auch immer die Gründe sein mögen, es wäre sicherlich verantwortungslos, die Grenzen der Staatsverschuldung in der EU testen zu wollen. Gefragt sind vielmehr Ideen, wie in Europa eine Umkehr in der Haushaltspolitik herbeigeführt werden kann.
Der Suche nach Lösungen muss eine Klärung der Problemverursachung vorausgehen. Zwei Ursachen geraten dabei in den Blick. Da ist zunächst die geschilderte Neigung von Staaten, die nachteiligen Auswirkungen einer übermäßigen Verschuldung in der Währungsunion zu vergemeinschaften. Man kann auch von einer Externalisierung der Währungs- und Zinswirkungen sprechen. Solches Verhalten kann sich nur deswegen ausbreiten, weil die in den Verträgen vorgesehene Sanktionierung in der Praxis nicht greift. Und das ist die zweite Problemursache: In den Verträgen hat man die Sanktionskompetenz der Gemeinschaftsebene zugeordnet und damit dem direkten Zugriff der Mitgliedstaaten entzogen. Wie in vielen Lebensbereichen zu sehen, bedeutet kollektive Verantwortung fehlende oder zumindest verwässerte Verantwortung. Will man diesen vertraglichen Konstruktionsfehler beheben, drängen sich zwei Lösungsstrategien auf. Entweder stärkt man die Machtbefugnisse der europäischen Ebene in einem Maße, die letztlich die Fortentwicklung der EU zu einem Bundesstaat erfordert. Oder man holt die Sanktionskompetenz auf die Ebene der Mitgliedstaaten zurück. Da letzteres die realistischere Option ist, soll allein diese genauer betrachtet werden.
Neuordnung der Sanktionskompetenz
Die Verlagerung der Sanktionskompetenz auf die Ebene der Mitgliedstaaten wird dann möglich, wenn man sich darauf verständigt, statt Fehlverhalten zu sanktionieren Wohlverhalten zu prämiieren. Statt Mitgliedstaaten bei übermäßiger Verschuldung Geldbußen anzudrohen, muss man ihnen beim Abbau übermäßiger Verschuldung helfen. Auf den ersten Blick mag diese Umkehr von Zahlungsverpflichtungen nicht einleuchten, weil sie dem als natürlich empfundenen Verursacherprinzip zuwiderläuft. Die Prämiierung von Wohlverhalten hat aber zwei entscheidende Vorteile. Erstens erlaubt sie Nutzen und Kosten eines Schuldenabbaus zwischen den Mitgliedstaaten fairer auszutarieren. Zweitens wirkt es glaubwürdiger, wenn ein verpflichteter Mitgliedstaat droht, die vereinbarte Prämienzahlung bei regelwidrigem Verhalten eines begünstigen Mitgliedstaats zu verweigern, als wenn die Staatengemeinschaft bei Fehlverhalten mit der Verhängung einer Geldbuße droht. Schließlich fehlt der europäischen Ebene die hoheitliche Gewalt, um eine fällige Geldbuße einzutreiben. Sie kann allenfalls Zahlungen aus dem Haushalt der EU reduzieren, was aber einen politisch auszuhandelnden Beschluss verlangt. Ein solcher ist nicht notwendig, wenn ein verpflichteter Mitgliedstaat die Zahlung einer auf Wohlverhalten konditionierten Prämie verweigert, weil von einem begünstigten Mitgliedstaat zugesagtes Wohlverhalten nicht eingehalten wurde. Eine entsprechende Sanktionierung wäre lediglich Vollzug eines gültigen Vertrages. Vorstellbar ist allenfalls, dass sich ein Staat bereit zeigt, die in Aussicht gestellte Prämie trotz Fehlverhaltens von Begünstigen auszuzahlen. In diesem Fall gibt es aber wenigstens eine Regierung, die das regelwidrige Entgegenkommen gegenüber ihren Wählern verantworten muss. Konkret könnte ein entsprechend umgestalteter Euro-Stabilitätspakt, wie folgt, aussehen.
Zunächst teilt man die Mitgliedstaaten in zwei Gruppen. Als finanzschwach sollen Länder mit überdurchschnittlicher Staatsschuldenquote gelten, als finanzstark solche mit unterdurchschnittlicher Quote. Die finanzstarken Länder werden dann zu konditionierten Transferzahlungen an die finanzschwachen verpflichtet. Daher kann man die finanzstarken Länder auch Geberländer nennen und die finanzschwachen Nehmerländer. Zum Abbau der Staatsverschuldung schließen Geber- und Nehmerländer einen Vertrag, und zwar auf zwischenstaatlicher Ebene und außerhalb des europäischen Gemeinschaftsrechts. Nach diesem Vertrag erhalten Geberländer das Recht, ihren Anteil an den vereinbarten Transferzahlungen bei vertragswidrigem Verhalten eines Nehmerlandes diesem vorzuenthalten. Das Recht der Sanktionierung bei vertragswidrigem Verhalten bleibt also den Geberländern vorbehalten und wird nicht an gemeinschaftliche Organe der EU abgetreten.
Um es noch etwas konkreter zu machen: Als überhängende Staatsschuld soll derjenige Teil der mitgliedstaatlichen Verschuldung gelten, der jenen Teil übersteigt, der sich im Euroraum bei durchschnittlicher Schuldenquote ergäbe. Von Nehmerländern wird sodann verlangt, dass sie jährlich einen Mindestprozentsatz ihrer überhängenden Staatsschuld abbauen. Sofern dies geschieht, erhalten sie einen festzulegenden Anteil der abgebauten Staatsschuld von den Geberländern als Transferzahlung erstattet. Wenn etwa der Mindestprozentsatz auf 3 % festgelegt würde und der erstattete Anteil auf ein Drittel, dann wären die Nehmerländer also verpflichtet, ihre überhängende Staatsschuld netto mindestens um 2 % pro Jahr zurückzuführen. Die Zahlungsverpflichtungen der Geberländer würden sich dagegen an deren Wirtschaftsstärke orientieren, weil das BIP im europäischen Kontext als Maßstab von Zahlungsfähigkeit gilt. Um den Geberländern die Finanzierung ihrer Zahlungsverpflichtung zu erleichtern, würde ihnen gestattet, sich entsprechend zu verschulden.
Man wird sich fragen, ob die Solidarität beim Schuldenabbau, die der Plan verlangt, durch bewusstes Fehlverhalten missbraucht werden kann. Als direkte Kosten von Fehlverhalten haben für ein vertragswidrig handelndes Nehmerland der entfallende Anspruch auf die vertraglich zugesagten Prämienzahlungen zu gelten. Konstruktionsbedingt wachsen diese Kosten mit der Höhe des Schuldenüberhangs. Im Umkehrschluss verschwinden die Kosten bei sinkendem Schuldenüberhang und winkt dann ein kostenloser Nutzen. Der besteht in einer aufgeschobenen ewigen Rente des vereinbarten Schuldenabbauanteils an der vertragswidrig ausgeweiteten Verschuldung. Die Gefahr eines missbräuchlichen Verhaltens ist also grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Sie lässt sich aber relativieren. Erstens lässt sich der Nutzen mindern, indem man die Phase ausweitet, in der vertragswidrig handelnde Nehmerländer Wohlverhalten zeigen müssen, bevor die Geberländer zur Zahlung von Schuldenabbauprämien zurückkehren. Zweitens wird vertragswidrig handelnden Ländern klar sein müssen, dass sie ihren eigenen Budgetspielraum bei wachsenden Schulden und Zinszahlungen zum eigenen Nachteil einschränken.
Eine Illustration mit Zahlen
Der Vorschlag soll kurz mit Zahlen aus 2021 illustriert werden (vgl. Tabelle 1). Dabei wird vereinfachend unterstellt, dass ein Mindestprozentsatz von 3 % und eine Erstattungsquote von einem Drittel vereinbart wurden und dass die Nehmerländer es schaffen, genau 3 % ihrer überhängenden Staatsschuld abzubauen. Die genannten Parameter müssten natürlich verhandelt werden und sind hier lediglich exemplarisch gemeint. Es ist klar, dass mit der Wahl der Erstattungsquote nicht nur das Ausmaß der Umverteilung zwischen Geber- und Nehmerländern festgelegt wird; die Stärke der Sanktionsdrohung und damit der Anreiz für Wohlverhalten der Nehmerländer wachsen auch mit der Höhe der Erstattungsquote.
Tabelle 1
Illustration des Schuldentilgungsplan, 2021
BIP in Mio. Euro | Staatsschuld in Mio. Euro | Staatsschuldenquote in % | Staatsschuld bei mittlerer EURO19-Quote | überhängende Staatsschuld | Transfer | Schuldentilgung/ -aufnahme |
resultierende Staatsschuld | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Belgien | 502.312 | 548.524 | 109,2 | 479.205 | 69.319 | -693 | -2.080 | 546.445 |
Deutschland | 3.601.750 | 2.470.801 | 68,6 | 3.436.070 | 12.238 | 12.238 | 2.483.038 | |
Estland | 31.445 | 5.534 | 17,6 | 29.998 | 107 | 107 | 5.641 | |
Finnland | 251.520 | 182.100 | 72,4 | 239.950 | 855 | 855 | 182.955 | |
Frankreich | 2.500.870 | 2.820.981 | 112,8 | 2.385.830 | 435.151 | -4.352 | -13.055 | 2.807.927 |
Griechenland | 181.675 | 353.357 | 194,5 | 173.318 | 180.040 | -1.800 | -5.401 | 347.956 |
Irland | 426.283 | 236.161 | 55,4 | 406.674 | 1.448 | 1.448 | 237.609 | |
Italien | 1.782.050 | 2.678.422 | 150,3 | 1.700.076 | 978.346 | -9.783 | -29.350 | 2.649.071 |
Lettland | 33.696 | 14.691 | 43,6 | 32.146 | 114 | 114 | 14.806 | |
Litauen | 56.179 | 24.550 | 43,7 | 53.595 | 191 | 191 | 24.741 | |
Luxemburg | 72.295 | 17.712 | 24,5 | 68.969 | 246 | 246 | 17.958 | |
Malta | 14.983 | 8.435 | 56,3 | 14.293 | 51 | 51 | 8.486 | |
Niederlande | 856.356 | 448.731 | 52,4 | 816.964 | 2.910 | 2.910 | 451.640 | |
Österreich | 406.148 | 334.260 | 82,3 | 387.465 | 1.380 | 1.380 | 335.640 | |
Portugal | 214.471 | 269.161 | 125,5 | 204.605 | 64.556 | -646 | -1.937 | 267.224 |
Slowakei | 98.523 | 61.281 | 62,2 | 93.991 | 335 | 335 | 61.616 | |
Slowenien | 52.208 | 38.895 | 74,5 | 49.807 | 177 | 177 | 39.072 | |
Spanien | 1.206.842 | 1.427.694 | 118,3 | 1.151.327 | 276.367 | -2.764 | -8.291 | 1.419.403 |
Zypern | 24.019 | 24.259 | 101,0 | 22.914 | 1.345 | -13 | -40 | 24.219 |
Euro19 | 12.313.624 | 11.747.197 | 95,4 | 2.005.123 | 0 | -40.102 | 11.707.095 |
Quelle: eigene Berechnungen mit Daten von Eurostat.
2021 betrug das BIP im Euroraum 12,3 Bio. Euro und die durchschnittliche Staatsschuldenquote lag laut Eurostat bei 95,4 %. Die deutsche Quote betrug übrigens 68,6 %. Länder mit überdurchschnittlicher Quote waren Belgien (109 %), Frankreich (113 %), Griechenland (195 %), Italien (150 %), Portugal (126 %), Spanien (118 %) und Zypern (101 %). All diese Länder wären 2021 als Nehmerländer einzuordnen gewesen. Ihre Schuldenüberhänge erreichten in der Summe 2,0 Bio. Euro. Nach dem skizzierten Plan und bei den angenommenen Parametern hätten die Geberländer 2021 die Nehmerländer mit 1 % bzw. 20 Mrd. Euro unterstützen müssen. Davon hätte Deutschland 12,2 Mrd. Euro tragen müssen. Die Summe erscheint überraschend hoch, spiegelt aber lediglich die wirtschaftliche Stärke Deutschlands als wichtigstes Geberland und ist im Übrigen von den angenommenen Parametern abhängig. Die Summe wäre der Preis, den Deutschland für die gewonnene Budgetdisziplin im Euroraum zu zahlen bereit sein müsste. Schließlich würde die Zahlungsverpflichtung nur greifen, wenn die Nehmerländer ihre überhängenden Staatsschulden um 3 mal 20 Mrd. Euro abbauten. Weil unterstellt wird, dass sich die Geberländer zwecks Finanzierung ihrer Transferleistung verschulden, würde die Staatsverschuldung im Euroraum per Saldo um 2 mal 20 Mrd. Euro abgenommen haben und hätten sich die Quoten leicht angeglichen. Mit zunehmender Angleichung würden die zwischenstaatlichen Transferzahlungen auch abnehmen.
Fazit
An einer Reform der Fiskalregeln wird man in Europa nicht vorbeikommen (Europäische Kommission, 2022; Stadler, 2023). Die Frage ist allenfalls, wie reformiert werden soll. Auf wissenschaftlicher Seite werden verschiedene Modelle diskutiert, darunter ein Fokuswechsel weg von Schulden- und Defizitquoten hin zu Ausgabenquoten sowie eine unterschiedliche Behandlung von konsumtiven und investiven Ausgaben (Mühlbach, 2022, mit Verweisen zur Literatur). Auf der politischen Ebene scheint man dagegen stärker die Idee zu verfolgen, nicht länger alle Mitgliedstaaten mit der gleichen Elle (One size fits it all) zu messen. Dafür werben die Europäische Kommission in ihrem Reformvorschlag vom November 2022 und noch jüngst der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in seinem Interview mit der FAZ (2023). Bei allen diskutierten Reformmodellen ist aber nicht zu erkennen, wie sich die Einhaltung öffentlicher Haushaltsdisziplin besser als zuvor durchsetzen lässt. Vor diesem Hintergrund wird mit diesem Beitrag dafür geworben, eine Verlagerung der Sanktionskompetenz bei regelwidrigem Verhalten von der Gemeinschaftsebene auf die zwischenstaatliche zu erwägen. Eine solche Verlagerung würde gleichwohl keinen vollständigen Verzicht auf die eingeführten Fiskalregeln nahelegen. Schließlich würde man weiterhin zu regeln haben, wie mit konjunkturellen Störungen und makroökonomischen Schocks umzugehen ist. Auch würden die Maastricht-Kriterien weiterhin als Beitrittsschwelle zur Währungsunion benötigt. Schließlich gilt es zu verhindern, dass ein Land mit eigener Währung erst exzessive Schuldenpolitik betreibt und dann dem Euro in der Absicht beitritt, dass ihm die Gemeinschaft beim Abbau der Verschuldung hilft.
Wolfgang Wiegard sei für kritisch-konstruktive Kommentare vielmals gedankt.
1 So plädiert etwa der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in einem Interview mit der FAZ (2023) offen für neue EU-Schulden.
Literatur
Busch, B. und B. Kauder (2021), Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Bestandaufnahme und Vorschläge für mehr fiskalpolitische Disziplin in Europa, iw-Analysen 142.
Europäische Kommission (2022), Communication on orientations for a reform of the EU economic governance framework, COM(2022) 583 final.
FAZ (2023), Wir brauchen neues Geld, 29. Januar, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/paolo-gentiloni-im-interview-eu-schulden-als-antwort-auf-us-milliardenpaket-18638385.html (6. März 2023).
Mühlbach, C. (2022), Ein Update für die europäischen Fiskalregeln, Wirtschaftsdienst, 102(6), 456-460, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/6/beitrag/ein-update-fuer-die-europaeischen-fiskalregeln.html (7. März 2023).
Stadler, W. (2023), Europas Finanzarchitektur im Umbruch, Wirtschaftsdienst, 103(2), 137-143, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/2/beitrag/europas-finanzarchitektur-im-umbruch-7310.html (7. März 2023).
Wyplosz, C. (2022), Reform of the Stability and Growth Pact: The Commission’s proposal could be a missed opportunity, VoxEU Column, https://cepr.org/voxeu/columns/reform-stability-and-growth-pact-commissions-proposal-could-be-missed-opportunity (9. März 2022).