Zunehmende Stadt-Land-Unterschiede beim Wohnen finden in der öffentlichen Diskussion und in der Regionalpolitik starke Beachtung. Der Artikel diskutiert, inwieweit Mikrodaten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) genutzt werden können, um die geänderten Wohnstandortpräferenzen besser zu verstehen. Anhand ausgewählter Indikatoren wird unter anderem deutlich, dass in den vergangenen Jahrzehnten Wohnungen in städtischen Randlagen und in ländlichen Regionen kontinuierlich an Attraktivität verloren haben.
Die Vielfalt der Ansprüche privater Haushalte an Wohnung und Wohnumgebung und die resultierende Standortwahl sind maßgeblich verantwortlich für die Herausbildung von Ungleichheiten zwischen Regionen, Gemeinden und Nachbarschaften. Um wirkungsvolle Maßnahmen zum Abbau räumlicher Ungleichgewichte entwickeln zu können, werden daher Kenntnisse über die Bedingungsfaktoren der Entstehung dieser Disparitäten benötigt. Weithin mangelt es aber an Informationen, die Aufschluss über Individuen, Haushalte und den räumlichen Kontext ihres Wohnstandorts geben. In diesem Beitrag stellen wir Möglichkeiten vor, die der Datensatz des deutschen Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) bietet, um der längerfristigen Entwicklung der Wohnstandortpräferenzen in Deutschland nachzugehen.
Überlegungen zur Erklärung der Standortwahl der Unternehmen und Haushalte haben ihre Wurzeln in der Theorie der Landnutzung (Von Thünen, 1875; Burgess et al., 1925). Neben anderen Einflussfaktoren spielt für die Wohnortwahl insbesondere die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes eine wesentliche Rolle. Aktuelle Studien, die die Motive für regionale Mobilitätsentscheidungen untersuchen (z.B. Deutz & Held (2023) für Stuttgart im Jahr 2021), zeigen, dass die Aufnahme einer neuen Tätigkeit nach wie vor das wahrscheinlichste Motiv für junge Menschen ist, in eine Großstadt zu ziehen. Hingegen veranlasst der Wunsch nach größerem Wohnraum in einer „grünen“ Umgebung die Haushalte dazu, von zentralen in eher periphere Stadtgebiete zu ziehen.
In den 2000er-Jahren führte in Europa (Haase et al., 2010) und Nordamerika (Couture & Handbury, 2017) eine Tendenz zur Reurbanisierung zu einem Anstieg der städtischen Wohnungspreise und zur Gentrifizierung (Christafore & Leguizamon, 2019). Nun erwarten Delventhal et al. (2022), dass der Anteil der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, dauerhaft steigen dürfte. Die somit nachlassende Bedeutung der Nähe zum Arbeitsplatz könnte zu einem verstärkten Drang in periphere Gebiete führen. Ramani und Bloom (2021) stellen in diesem Zusammenhang steigende Mieten und Wohnungspreise im Umland von Großstädten der USA fest und bezeichnen dies als „Donut-Effekt“.
In Deutschland kam die Nettozuwanderung in Großstädte während der Coronapandemie zwar zum Stillstand (Destatis, 2022; Rink et al., 2021). Allerdings hat sich während und nach der Pandemie kaum eine Abschwächung des längerfristigen Anstiegs der städtischen Immobilienpreise gezeigt, sodass fraglich ist, ob tatsächlich ein Wandel der Wohnstandortpräferenzen eingetreten ist.
Darüber Erkenntnisse zu sammeln, ist höchst bedeutsam für die Regionalpolitik. Die Besorgnis über räumliche Segregationsprozesse hat zu zahlreichen politischen Maßnahmen geführt, die darauf abzielen, die Lebensbedingungen in benachteiligten Gebieten zu verbessern und im Idealfall „gleichwertige Lebensverhältnisse” herzustellen (Gibbons et al., 2021; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, 2023). Dabei wird das Bestreben, eine soziale und regionale Polarisierung zu verhindern, als Politikziel im öffentlichen Diskurs kaum in Frage gestellt. Es besteht demnach ein erheblicher Bedarf an Forschung über die zur Segregation führenden Mechanismen und den tatsächlichen Handlungsspielraum der Politik zur Überwindung der durch die Segregation entstehenden Probleme.
SOEP als Grundlage
In Deutschland schränkt der begrenzte Zugang zu Regionalinformationen in Mikrodaten die Segregationsanalyse erheblich ein. Das 1984 gestartete SOEP ist eine jährliche Repräsentativbefragung privater Haushalte in Deutschland, die verschiedene Themen umfasst, z.B. Haushaltszusammensetzung, Wohnort, Einkommen und Beruf der Haushaltsmitglieder. Die Informationen über Haushalte und Einzelpersonen können zwar mit regionalen Identifikatoren verknüpft werden (Eilers et al., 2021). Allerdings ist es aufgrund zu geringer Fallzahlen kaum möglich, eine Stichprobe zu bilden, die für eine bestimmte Stadt oder Region repräsentativ wäre (Giesselmann et al., 2019).
Das SOEP kann dennoch genutzt werden, um den regionalen Kontext zu untersuchen, wenn verhältnismäßig allgemein gehaltene, grundsätzliche Kategorien gebildet werden (Goebel & Zimmermann, 2021). Durch Angaben der Haushalte über die Art ihrer Wohnung und ihrer Nachbarschaft, die im wellenspezifischen Haushaltsfragebogen bei Eintritt in die Erhebung oder bei einem Umzug festgehalten werden, entsteht die Möglichkeit, Kategorien des Wohnumfelds zu bilden (Knies & Spiess, 2007).
In der folgenden Analyse wird zwischen sechs Wohnumfeldtypen unterschieden, die wesentliche Faktoren der Standortwahl zusammenfassen. Diese umfassen die Nähe zu städtischer Infrastruktur und Arbeitsplätzen sowie Merkmale der Wohnung und Wohnumgebung (Boehm et al., 1991; Knox & Pinch, 2010):
- Ein- und Zweifamilienhäuser städtischer Wohngebiete,
- Mehrfamilienhäuser städtischer Wohngebiete mit überwiegend Nachkriegsbebauung,
- Mehrfamilienhäuser städtischer Wohngebiete mit überwiegend Vorkriegsbebauung,
- Mehrfamilienhäuser in zentralen Lagen städtischer Regionen,
- Ein- und Zweifamilienhäuser ländlicher Regionen und
- Mehrfamilienhäuser ländlicher Regionen.
Für die Einteilung der SOEP-Haushalte nach Wohnsitz in „städtischen“ oder „ländlichen“ Gemeinden wird eine Kategorisierung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung für das Jahr 2015 herangezogen, die das für diesen Beitrag vor allem relevante vergangene Jahrzehnt repräsentiert (BBSR, 2017) (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1
Städtische und ländliche Regionen, 2015
Ostberlin und Ostdeutschland sind nicht Teil der Stichprobe.
Quelle: eigene Darstellung auf Basis von BBSR (2017).
Die vorliegende Studie verwendet das SOEP-Core v38 aus dem Jahr 2023 (Steinhauer & SOEP-Gruppe, 2023). Weil sich die Bebauungsstruktur in den neuen Bundesländern zunächst sehr stark von der in den alten Bundesländern unterschied, bezieht sich die folgende Analyse auf Westdeutschland.
Wohnstandortpräferenzen im zeitlichen Verlauf
Die Verteilung der Haushalte auf die Wohnumgebungstypen ist über die vergangenen Jahrzehnte überwiegend stabil geblieben (vgl. Abbildung 2). Die am häufigsten gewählte Kategorie ist mit konstant gut 25% das Ein- oder Zweifamilienhaus in städtischen Regionen. Allerdings hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten innerhalb der weiteren Kategorien eine deutliche Verschiebung von Wohnungen in städtischen Wohngebieten mit überwiegend neuerer Bausubstanz (Typ 2) zu den – typischerweise zentraleren – Gebieten mit älterer Bausubstanz stattgefunden. Gemeinsam mit Wohnungen in zentralen Lagen städtischer Regionen stellen sie die zweitwichtigste Alternative dar, auf die aktuell jeweils etwa 20 % der Wohnstandorte aller Haushalte entfallen. Die zentralen Lagen werden seit den 1980er-Jahren kontinuierlich von mehr als 20 % der Haushalte als Standort gewählt. Erst in jüngster Zeit ging ihr Anteil an den Wohnstandorten insgesamt leicht zurück, während er in den städtischen Wohngebieten mit Vorkriegsbaubestand (Typ 3) deutlich anstieg, von etwa 10 % (2000) auf 20 % (2018).
Abbildung 2
Haushalte in Westdeutschland1
nach Wohnumgebungstypen
1 Nur Haushalte mit Angaben zur Wohnumgebung
Quelle: eigene Berechnung nach Angaben des SOEP. Gewichtet mit Hilfe von Gewichtungsfaktoren aus dem SOEP.
Da sich unsere Analyse mit der zeitlichen Veränderung der Bewertung von Nachbarschaftsmerkmalen befasst, ist es wichtig, dass die Hauptmerkmale, die für die Unterscheidung zwischen den Nachbarschaftskategorien ausschlaggebend sind, während des Untersuchungszeitraums konstant bleiben. Bedenken können sich insbesondere bei den städtischen Gebietstypen 2 und 3 ergeben, da die Einschätzung des Alters des Baubestands einer gewissen Unsicherheit unterliegt, obgleich die hier gewählte Unterscheidung zwischen Vor- und Nachkriegsbestand recht eindeutig ist. Was jedoch die grundlegenden Wohnungsmerkmale betrifft (durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung, Baujahr, Anzahl der Zimmer, Durchschnittsmiete und Wohnungspreise), so deuten die verfügbaren Statistiken darauf hin, dass die Zuordnung von Wohnungen zu den hier gewählten Kategorien über den Untersuchungszeitraum weitgehend konstant bleibt (Neumann & Schmidt, 2024).
Abbildung 2 stellt die Haushaltsverteilung nach Wohnumgebungstypen bis 2020 dar. Seit 2019 liefert das SOEP jedoch nur noch für einen vergleichsweise kleinen Teil der Gesamtstichprobe Informationen darüber, ob die Haushalte in ländlichen oder städtischen Regionen wohnen. Für die Jahre 2019 und 2020 konnten daher Merkmale des Wohnumfelds nur den Haushalten zugeordnet werden, die bereits 2018 teilgenommen und ihren Wohnort seitdem nicht verlagert hatten. Angesichts des weiter zunehmenden Anteils von Haushalten, die nicht den Wohnumgebungstypen zugeordnet werden können, wird das zuletzt erfasste Jahr 2021 nicht berücksichtigt. Die deskriptive Auswertung in der folgenden Tabelle 1 bezieht sich auf die Jahre 2000 und 2018.
Tabelle 1
Deskriptive Statistik für Westdeutschland (inklusive Westberlin)
alle | Wohnumgebungstyp | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | ||
2018 | |||||||
Zahl der Haushalte (in Mio.) | 28,6 | 7,3 | 2,4 | 5,6 | 5,8 | 3,5 | 3,3 |
Nettoeinkommen (Median)1 | 2.223 | 2.800 | 2.000 | 2.000 | 2.073 | 2.600 | 1.900 |
Haushaltsgröße (Mittelwert) | 1,8 | 2,1 | 1,6 | 1,6 | 1,7 | 2,0 | 1,6 |
Durchschnittsalter (Mittelwert) | 55,3 | 58,2 | 56,5 | 53,8 | 52,0 | 57,8 | 55,3 |
Wohnfläche (Mittelwert) | 94,1 | 121,5 | 73,3 | 71,3 | 81,1 | 122,0 | 82,5 |
Wohnkosten/m2 (Median) | 7,8 | 6,4 | 9,0 | 8,3 | 8,3 | 5,4 | 7,0 |
Migrationshintergrund (in %) | 24,3 | 18,6 | 29,0 | 30,3 | 29,4 | 13,4 | 24,6 |
(Fach-)Abitur (in %) | 34,1 | 42,7 | 30,4 | 31,6 | 36,2 | 30,6 | 22,0 |
2000 | |||||||
Zahl der Haushalte (in Mio.) | 27,0 | 6,9 | 4,2 | 3,0 | 6,4 | 3,0 | 2,7 |
Nettoeinkommen (Median)1 | 1.738 | 2.045 | 1.687 | 1.432 | 1.534 | 1.892 | 1.534 |
Haushaltsgröße (Mittelwert) | 1,9 | 2,2 | 1,8 | 1,7 | 1,8 | 2,2 | 1,9 |
Durchschnittsalter (Mittelwert) | 49,4 | 51,7 | 48,7 | 48,5 | 48,2 | 50,3 | 48,5 |
Wohnfläche (Mittelwert) | 88,9 | 113,3 | 71,7 | 69,8 | 75,8 | 111,7 | 82,7 |
Wohnkosten/m2 (Median) | 5,8 | 5,0 | 7,7 | 5,8 | 6,4 | 4,5 | 5,3 |
Migrationshintergrund (in %) | 17,3 | 13,6 | 22,7 | 21,0 | 20,1 | 10,1 | 14,1 |
(Fach-)Abitur (in %) | 28,6 | 32,3 | 28,0 | 29,7 | 31,7 | 21,5 | 18,3 |
1 Jeweilige Preise, in Euro; Wohnumgebungstypen: vgl. Abbildung 2.
Quelle: eigene Berechnung nach Angaben des SOEP – gewichtet mit Hilfe von Gewichtungsfaktoren aus dem SOEP.
Merkmale nach Wohnumgebungstypen
Wie zu erwarten ist, variieren sowohl Merkmale der Wohnung (Größe und Kosten/m² Wohnfläche) als auch der lokalen Wohnbevölkerung (Einkommen, Haushaltsgröße, Alter, Migrationshintergrund, Bildung) sehr deutlich zwischen den Wohnumgebungstypen (vgl. Tabelle 1).
Hinsichtlich der Sortierung nach Quartierskategorien ist es nicht überraschend, dass das Haushaltseinkommen im Durchschnitt bei Haushalten in Ein- und Zweifamilienhäusern höher ist als in Mehrfamilienhäusern und dass es in städtischen Gebieten (Typ 1), wo die Grundstückspreise über denen in ländlichen Regionen liegen, am höchsten ist. Für Haushalte mit hohem Einkommen erweisen sich ländliche Regionen offenbar als Standortalternative. Die verfügbaren Daten deuten auf einen zwar im Zeitverlauf etwas schwankenden, aber weitgehend stabilen Anteil der Haushalte mit hohem Einkommen (ca. 20 %) und einen stabilen Anteil der Haushalte insgesamt (ca. 10 %) in Ein- und Zweifamilienhäusern ländlicher Regionen hin (vgl. Abbildungen 2 und 3).
Der fortschreitende demographische Wandel zeigt sich sowohl im Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgrößen als auch im Anstieg des Durchschnittsalters, das in Haushalten, die in Ein- und Zweifamilienhäusern leben, inzwischen bei über 58 Jahren (in städtischen Regionen sogar darüber) liegt.
Die durchschnittlichen Wohnkosten je Quadratmeter sind am höchsten in städtischen Wohngebieten mit neuerem Baubestand, wobei die Wohnfläche im Mittel hier etwas größer ist als in städtischen Wohngebieten mit Altbau-, d. h. Vorkriegs-Baubestand. Somit ist von einer etwas wohlhabenderen Bevölkerung in Typ 2 im Vergleich zu Typ 3 auszugehen, wobei sich die durchschnittlichen Haushaltseinkommen in beiden Wohnumgebungstypen aneinander angeglichen haben.
Haushalte mit Migrationshintergrund waren im Jahr 2000 in den ländlichen Regionen noch unterrepräsentiert, ihr Anteil ist aber vor allem in Mehrfamilienhäusern ländlicher Regionen (Typ 6) stark angestiegen, von 14,1 % (2000) auf 24,6 % (2018), und liegt dort inzwischen beim Durchschnitt aller Regionen (24,3 %).
Hinsichtlich des Bildungsstands herrscht weiterhin eine deutliche Trennung zwischen städtischen und ländlichen Regionen vor. So ist der Anteil an Haushalten, in denen wenigstens ein Haushaltsmitglied über die Allgemeine oder Fach-Hochschulreife verfügt, in Ein- und Zweifamilienhäusern städtischer Regionen (Typ 1), fast doppelt so hoch wie in Mehrfamilienhäusern ländlicher Regionen (42 % gegenüber 22 %).
Die längerfristige Entwicklung über die vergangenen Jahrzehnte deutet auf eine konstante Differenzierung der Haushaltseinkommen zwischen Haushalten in Ein- und Zweifamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern hin, wobei die Einkommen vor allem in Mehrfamilienhäusern ländlicher Regionen (Typ 6) dauerhaft deutlich unter denen aller anderen Kategorien liegen. Der Anteil des oberen Einkommensquintils ging in dieser Kategorie von 13 % (2000) auf ca. 10 % (2018) zurück (vgl. Abbildung 3). Da der Anteil der Haushalte, für die keine Zuordnung zu den Wohngebietstypen möglich ist, wie erläutert, ab 2019 insgesamt anstieg und der Anteil der Haushalte im oberen Einkommensquintil in dieser Gruppe stark besetzt ist, verzichten wir in Abbildung 3 auf die Jahre 2019 und 2020.
Abbildung 3
Haushalte im oberen Quintil der westdeutschen Nettohaushaltseinkommen
nach Wohnumgebungstypen
Quelle: eigene Berechnung nach Angaben des SOEP – gewichtet mit Hilfe von Gewichtungsfaktoren aus dem SOEP.
Außer in Typ 6 ist der Anteil der Haushalte im oberen Einkommensquintil auch in Typ 2, den städtischen Wohngebieten mit neuerem Baubestand, zurückgegangen (vgl. Abbildung 3). Dieser Rückgang stimmt mit einem Bevölkerungsrückgang in dieser Wohnumgebung insgesamt überein (vgl. Abbildung 2).
Die deskriptive Auswertung deutet somit einerseits auf eine starke Persistenz der Wohnstandortpräferenzen hin, die insbesondere durch den Wunsch wohlhabenderer Haushalte nach Wohnen im Einfamilienhaus, bevorzugt in städtischen Regionen, geprägt sind. Als zweite Wunschalternative stellt sich das Wohnen in den zentralen Lagen städtischer Regionen heraus. In den vergangenen Jahren zeichnet sich darüber hinaus innerhalb der weniger zentralen städtischen Standorte eine Verschiebung von Randlagen hin zu zentraleren Wohngebieten ab. Zudem wird insgesamt eine eher abnehmende Attraktivität ländlicher Regionen deutlich, sofern Haushalte nach eher kompaktem Wohnraum in Mehrfamilienhäusern suchen.
Fazit
Der Beitrag zeigt auf, dass sich die Standortpräferenzen der Haushalte in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell stärker zu zentralen städtischen Standorten verlagert haben. Seit Beginn der Pandemie haben Verbesserungen der Informations- und Kommunikationstechnologie die Möglichkeiten der Standortwahl grundsätzlich erweitert. In den zehn größten Städten ist die Bevölkerung im Zeitraum von 2020 bis 2022 langsamer angestiegen als in Deutschland insgesamt (+1,8 % gegenüber +2,5 %). Ob dies als Anzeichen einer dauerhaft steigenden Nachfrage nach Wohnraum in peripheren Lagen gedeutet werden kann, bleibt zum Zeitpunkt der Untersuchung offen.
Die Aussicht auf eine kurz- bis mittelfristige Angleichung der Lebensstandards zwischen städtischem und ländlichem Raum ist angesichts der vorliegenden Ergebnisse in Zweifel zu ziehen. Dies bedeutet keinesfalls, dass jegliche diesbezügliche regionalpolitische Anstrengung aufgegeben werden sollten. Allerdings sollte die Zielformulierung entsprechend moderat gestaltet werden.
Das SOEP erweist sich als wertvolle Datengrundlage für vertiefende Analysen der Standortentscheidungen von Haushalten in Deutschland, mit denen die Wirkungsmechanismen regionaler Agglomerationsprozesse aufgezeigt werden können. Die Ergebnisse dieser Auswertungen können bei der Zielformulierung regionalpolitischer Programme berücksichtig warden. Die Nutzung dieser Informationen mit Regionalbezug dürfte in den kommenden Jahren intensiver ausfallen, wenn ihre Verfügbarkeit auch im Standardangebot des Datensatzes erhalten und nicht denjenigen Nutzenden vorbehalten bleibt, die eine Verknüpfung mit tiefer gegliederten Regionalinformationen beantragen.
Wir danken Rüdiger Budde und Sandra Schaffner für wichtige Hinweise.
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