In der deutschen Rentendebatte wird regelmäßig der Blick auf Österreich gerichtet. Aufmerksamkeit erregen dabei insbesondere die deutlich höheren gesetzlichen Rentenleistungen in unserem Nachbarland. Wie finanzieren die Österreicher diese hohen Renten? Wie unterscheidet sich generell das österreichische Rentensystem vom deutschen, insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Rentenreformen und Inflationserfahrungen in Österreich? Und welche Handlungsoptionen können wir für Deutschland ableiten?
Die deutlich höheren Rentenleistungen und zuletzt auch sehr hohen Rentenanpassungen in unserem Nachbarland sorgen für Diskussionen. Auch im politischen Diskurs wird eine einheitliche Rentenversicherung für alle Erwerbstätigen nach dem Vorbild Österreichs von SPD, Grünen, der Linken und neuerdings vom Bündnis Sarah Wagenknecht für Deutschland gefordert. Präsent ist das Rentensystem Österreichs auch in der wissenschaftlichen Debatte, wie jüngst im Gutachten des Sachverständigenrates (2023) sowie in Publikationen von Buslei et al. (2023a) und Blank et al. (2016, 2018, 2021).
Dieser Beitrag liefert eine aktuelle Übersicht der wesentlichen Unterschiede des österreichischen und deutschen Rentensystems. Die jüngsten Inflationsentwicklungen wirken sich im preisindexierten österreichischen System anders aus. Den Österreichern ist es möglich, rund 50 % höhere Rentenleistungen zu finanzieren. Die Analyse zeigt, welche Einflussfaktoren diesen Unterschied erklären können. Im Vergleich zu älteren Studien (Alshut-Mann & Thiede, 2017; Buslei et al., 2023a) nutzen wir aktuellere Daten und eine differenziertere Zerlegung der Finanzierungsunterschiede. Die jüngsten Rentenreformen in Österreich sollen dazu beitragen, die Erwerbsbeteiligung Älterer zu erhöhen, was auch in Deutschland verfolgt wird. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Artikel mögliche Lehren der österreichischen Rentenpolitik für Deutschland.
Hälfte der Renten-Unterschiede durch höhere Bundesmittel und Beitragssätze finanziert
Die durchschnittliche gesetzliche Brutto-Rente in Österreich – die dort als Pension bezeichnet wird – betrug im Jahr 2022 rund 1.646 Euro pro Monat. Sie lag damit 47 % über dem Leistungsniveau Deutschlands (1.120 Euro). Wie schaffen es die Österreicher diese vergleichsweise hohen Renten zu finanzieren? Möglich ist dies zum einen durch einen höheren, seit 1988 stabilen Rentenbeitragssatz von 22,8 % in Österreich – im Vergleich zu 18,6 % in Deutschland. Allein dieser Beitragssatz-Unterschied erklärt rund ein Drittel der Renten-Differenz (+156 Euro, vgl. Abbildung 1). Bei einer Übertragung der österreichischen Beitragssätze auf Deutschland wäre zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz mit 40,9 % schon heute höher ausfällt als in Österreich mit 39,05 %.
Abbildung 1
Erklärungsfaktoren für die höhere Durchschnittsrente in Österreich
Dargestellt ist der isolierte Effekt der einzelnen Faktoren. * Eine Erhöhung der Bundesmittel in Folge einer Steigerung der Beitragssätze in Deutschland ist nicht berücksichtigt. ** Der Posten „andere Faktoren“ umfasst unter anderem die niedrigere Erwerbsquote in Österreich. Durch die multiplikative Verknüpfung von Beitragssatz, Abdeckung und Demografie ist der Gesamteffekt dieser Faktoren mehr als die Summe der Einzeleffekte. Dieser zusätzliche kumulative Effekt ist im Posten „andere Faktoren“ ebenso abgebildet.
Quelle: eigene Berechnungen für 2022.
Überdies zahlt der Bundeshaushalt in Österreich einen höheren Zuschuss pro Rente in das System ein. Diese stärkere Bundesmittelfinanzierung macht etwa 100 Euro der Differenz zwischen der österreichischen und der deutschen Durchschnittsrente aus. Folglich ist rund die Hälfte des Unterschieds in den Rentenhöhen auf die höheren Beitragssätze und Bundesmittel in Österreich zurückzuführen (vgl. Abbildung 1).
Hingewiesen sei darauf, dass die dargestellten Durchschnittsrenten den gewichteten Mittelwert aller Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten abbilden. Zudem handelt es sich um Brutto-Renten inklusive aller Sozialversicherungsbeiträge. Private und betriebliche Renten, die in Deutschland eine deutlich größere Rolle spielen, bleiben ausgeblendet. Von den niedrigeren gesetzlichen Renten kann daher in Deutschland nicht auf niedrige Alterseinkommen geschlossen werden. Weitere Erläuterungen zur Berechnung in Kasten 1.
Kasten 1
Berechnungsgrundlage für die Erklärung der Rentenunterschiede zwischen Österreich und Deutschland
Für die Berechnung wird in beiden Ländern das Gesamtsystem der gesetzlichen Rentenversicherung betrachtet. In Österreich ist entsprechend auch die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen inkludiert.
Die Herleitung der wesentlichen Determinanten der Rentenunterschiede erfolgt über die Budgetgleichung der Rentenversicherung. Dabei gilt, dass die Ausgaben den Einnahmen in jedem Jahr weitestgehend entsprechen (Gleichung 1). Die Ausgaben bestehen im Wesentlichen aus Rentenausgaben, die sich durch die Rentenanzahl R und die durchschnittliche Rente P ergeben (Gleichung 2). Die Einnahmeseite speist sich aus Beitragseinahmen, die an die Zahl der Beitragszahler B, den durchschnittlichen beitragspflichtigen Lohn w sowie den Beitragssatz b gekoppelt sind. Zusätzlich bilden die Mittel des Bundes BM einen wichtigen Einnahmeposten in beiden Ländern. Beiträge anderer Sozialversicherungsträger B_SV (wie Krankengeld) sowie sonstige Ausgaben Asonst (wie Rehaleistungen) und Einnahmen E sonst vervollständigen die Budgetgleichung
(1) Ausgaben = Einnahmen
(2) P * R + A sonst = B * b * w + BM + B_SV + E sonst
Stellt man die Gleichung (2) nach P, der durchschnittlichen Rente, um, so ergibt sich die folgende Gleichung (3) zur Erklärung der Rentenhöhe.
(3) P = * b * w + + +
(4) ≈ * EQ *
- der demografische Faktor, Verhältnis der Erwerbsbevölkerung J im Alter 20 bis 64 Jahren zur älteren Bevölkerung G im Alter 65+,
- die Erwerbstätigenquote EQ im Alter 20 bis 64 Jahren als Indikator für die Arbeitsmarktbeteiligung und
- ein Partizipationsfaktor, welcher sich aus dem Erwerbstätigen-Partizipationsfaktor Part B und dem Renten-Partizipationsfaktor Part R ergibt. Die Variable Part B bemisst dabei das Verhältnis der Beitragszahler zur Gesamterwerbstätigenzahl im Alter 20 bis 64 Jahre. Der Renten-Partizipationsfaktor Part R misst das Verhältnis der Gesamt-Renten, die an Personen im Alter 65+ ausgezahlt werden, relativ zur Bevölkerung im Alter 65+.
Die vorgenommene Isolierung der Faktoren Demografie, Arbeitsmarkt und Rentenabdeckung ist mit Einschränkungen verbunden und als grobe Schätzung zu verstehen. Für weitere Details zur Berechnung, den Limitierungen und genutzten Daten siehe DRV Bund (2024).
Selbstständige und weniger Verbeamtungen stützen das System
Maßgeblich für die Finanzierung der Renten ist zudem, wie viele erwerbsfähige Personen einer Erwerbstätigkeit nachgehen und welcher Anteil der Erwerbstätigen beitragspflichtig ist. In Deutschland zeigen die Daten, dass rund 81 % der erwerbsfähigen Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sind, in Österreich hingegen nur 77 %. Entscheidend ist jedoch auch der Anteil der Erwerbstätigen, der in das gesetzliche Rentensystem Beiträge einzahlt. Dieser fällt mit 94 % in Österreich deutlich höher aus als in Deutschland mit 79 % (ohne Minijobber).1
Die breitere Abdeckung ist dabei ein Resultat der obligatorischen Absicherung aller (nicht geringfügig verdienenden) Selbstständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). In Deutschland hingegen zahlen nur 0,3 Mio. der rund 3,9 Mio. Selbstständigen im Haupterwerb Beiträge in die GRV ein. Selbstständige unterliegen dabei in Österreich geringeren Rentenversicherungsbeitragssätzen (17 % bis 20 % je nach Branche) als abhängig Beschäftigte (22,8 %). Der Bund füllt mit der sogenannten Partnerleistung bei den Selbstständigen den Differenzbetrag zum vollen Beitragssatz in Höhe von 22,8 % auf.
Ein weiterer Grund für die höhere Abdeckung in der österreichischen Rentenversicherung liegt in der sinkenden Verbeamtungspraxis (vgl. Abbildung 2). Diese führt dazu, dass ein zunehmender Anteil Erwerbstätiger im öffentlichen Dienst Beiträge in die GRV zahlt und damit das System finanziert. Insgesamt können der höhere Anteil der von der GRV abgedeckten Erwerbstätigen und die damit verbundenen höheren Einnahmen rund 160 Euro der Differenz der Durchschnittsrenten erklären (Abbildung 1). Langfristig hingegen resultieren aus diesen zusätzlichen Beitragszahlungen jedoch auch höhere Rentenansprüche und -ausgaben.
Abbildung 2
Sinkender Anteil Beamter in Österreich
Werte für Deutschland umfassen auch Richter und Zeitsoldaten.
Quelle: eigene Darstellung basierend auf Statistisches Handuch der österreichischen SV (2022), Destatis (2023).
Jüngere Bevölkerung ermöglicht höhere Renten
Möglich ist das höhere Leistungsniveau in Österreich auch durch eine jüngere Bevölkerungsstruktur im Jahr 2022: Während in Österreich rund 3,2 Personen im Erwerbsalter (20 bis 64 Jahre) einer Person im Rentenalter (65+ Jahre) gegenüberstehen, beträgt dieses Verhältnis in Deutschland nur 2,7 (vgl. Abbildung 3). Allein diese vorteilhaftere demografische Struktur ermöglicht höhere Rentenzahlungen im Umfang von rund 140 Euro und erklärt damit rund ein Viertel des Rentenunterschieds (vgl. Abbildung 1). Die jüngere österreichische Bevölkerung ist dabei ein Ergebnis der etwas später geborenen Babyboomer-Generation und der höheren Netto-Zuwanderung im Zeitraum 2002 bis 2010 relativ zur Gesamtbevölkerung (vgl. Abbildung 3). Insgesamt unterstreicht dieser Demografie-Vergleich, dass das höhere Leistungsniveau Österreichs nicht allein durch nationale Rentenregeln determiniert ist. Vielmehr spielen auch demografische Faktoren eine Rolle, welche nicht unmittelbar auf Deutschland übertragen werden können. Das österreichische Rentensystem weist jedoch auch eine Reihe weiterer Unterschiede auf, die für die Debatte wesentlich sind.
Abbildung 3
Demografische Trends im Vergleich
Quelle: eigene Darstellung basierend auf Eurostat (2023).
Rentenanspruch erst nach 15 Versicherungsjahren
Während in Deutschland fünf Beitragsjahre („Wartezeit“) ausreichen, um einen Rentenanspruch zu erlangen, müssen Versicherte in Österreich mindestens 15 Jahre an Versicherungszeit vorweisen. Bei Nichterfüllung verbleiben die Beiträge bei der Versichertengemeinschaft. Eine Beitragserstattung wie in Deutschland ist nicht möglich. Würde man in Deutschland gleichfalls nur Renten berücksichtigen, denen mindestens 15 Versicherungsjahre zugrunde liegen, würde die durchschnittliche Brutto-Monatsrente in der allgemeinen Rentenversicherung bei den Altersrenten rund 125 Euro höher ausfallen (Buslei et al., 2023a, S. 158). Allein bei den Altersrenten hätten dann rund 1,5 Mio. Bezieher keinen Rentenanspruch mehr, wovon vier von fünf Personen Frauen wären.
Demografische und wirtschaftliche Risiken trägt in Österreich allein der Bundeshaushalt
In Österreich finanziert der Bund jegliches Defizit der GRV über die sogenannte „Ausfallhaftung“. Eine Anpassung des Beitragssatzes ist nicht vorgesehen. Seit dem Jahr 1988 liegt der Beitragssatz unverändert bei 22,8 %. Demografische und wirtschaftliche Risiken werden folglich in Österreich allein von den Steuerzahlenden getragen. In Deutschland hingegen tragen nach geltendem Recht auch die Beitragszahlenden und Rentenbeziehenden diese Risiken.
Hohe Rentenanpassungen mitgetragen vom Bund
Auch bei der Rentendynamisierung gibt es Unterschiede. Während die Renten in Österreich jährlich an die Preisentwicklung angepasst werden (mit Abweichungen nach Rentenhöhe)2, folgt die Anpassung der Renten(-anwartschaften) in Deutschland der Lohnentwicklung (mit Dämpfungsfaktoren). In einem „normalen“ wirtschaftlichen Umfeld (reales Lohnwachstum) ist eine lohnorientierte Rentenanpassung höher als eine Inflationsanpassung: So lagen die durchschnittlichen jährlichen Rentenanpassungen in Deutschland in den letzten zehn Jahren (2014 bis 2023) mit + 2,7 % (für Westdeutschland) über den Anpassungen in Österreich (+2,3 %, für Durchschnittsrentner). Im jüngsten Hochinflationsumfeld sind die Rentenanpassungen in Österreich mit 5,8 % in 2023 (Deutschland: 4,4 %) und historischen 9,7 % im Jahr 2024 deutlich höher (Deutschland: 4,6 %).3 Als Nachteil der Preisanpassung in Österreich in Zeiten hoher Inflation zeigt sich, dass die Renten voraussichtlich deutlich schneller steigen (+9,7 % in 2024) als die Löhne (Prognose 2024: +7,8 %, vgl. WIFO, 2024) und damit die Beitragseinnahmen. Auch dieses finanzielle Risiko trägt in Österreich allein der Bund. Laut Haushaltsplan könnte die Ausfallhaftung des Bundes unter anderem aus diesem Grund im Jahr 2024 zweistellig wachsen (Prognose PVA-Bundesbeitrag: +25 %, vgl. BMF, 2023).
Eine Inflationsanpassung – ähnlich dem österreichischen Modell – wird unter anderem vom Sachverständigenrat als Reformoption für Deutschland diskutiert. Mit einer Inflations-, statt Lohnanpassung der Bestandsrenten ab dem Jahr 2024 könnte der Beitragssatz zur GRV im Vergleich zum Status quo4 im Jahr 2035 1,6 Prozentpunkte niedriger ausfallen (SVR, 2023, S. 352).5 Die unterschiedliche Indexierung von Zugangs- und Bestandsrenten führt zu einem sinkenden, zugangsjahrspezifischen Rentenniveau während der Rentenbezugszeit. Daher wird die Einführung der Inflationsindexierung der Bestandsrenten in Deutschland – vergleichbar mit der Situation in Österreich – oft mit einem höheren bzw. stabilisierten Rentenniveau zum Rentenbeginn diskutiert (Kommission Verlässlicher Generationenvertrag, 2020, S. 80; oder Wissenschaftlicher Beitrat BMWi, 2021, S. 31-35). Allerdings würde auch das durchschnittliche Rentenniveau vor Steuern stärker sinken, sodass eine Inflationsindexierung in Deutschland mit einer um über drei Prozentpunkte höheren Armutsrisikoquote für Ältere einhergehen könnte (Buslei et al., 2023b, S. 36–37).
Stärkere Mindestsicherung innerhalb der Rentenversicherung
Unterschiede bestehen auch in der Aufstockung geringer Renten: Die steuerfinanzierte, einkommensgeprüfte Ausgleichszulage erhöht Renten in Österreich für Haushalte mit geringen Gesamteinkommen. Eine zusätzliche Erhöhung ist durch einen Ausgleichszulagenbonus (bzw. Pensionsbonus) möglich. Dieser Bonus ist an den Mindesterwerb von Pflichtbeiträgen gekoppelt (mind. 30 Beitragsjahre), ähnlich wie beim deutschen Grundrentenzuschlag (33 Jahre Grundrentenzeiten). Insgesamt wird in Österreich damit stärker auf steuerfinanzierte Aufstockungsleistungen innerhalb des Rentensystems gesetzt. Rund jeder zwölfte Rentenbeziehende (8 %) erhält eine Ausgleichszulage. In Deutschland wird nur jede 23. Rente (4 %) mit dem Grundrentenzuschlag aufgestockt. Außerhalb des Rentensystems ist die Mindestsicherung in Deutschland hingegen ausgeprägter (vgl. Tabelle 1). Betrachtet man im Ergebnis die Armutsrisikoquote im Alter, so ist diese gemäß Eurostat (2024) in Österreich mit 15 % etwas niedriger als in Deutschland (18 %). Österreich hat eine Reihe von Reformen auf den Weg gebracht, die teilweise auch in Deutschland diskutiert werden.
Tabelle 1
Bedarfsgeprüfte Leistungen im Alter im Vergleich
Österreich | Deutschland | ||||
---|---|---|---|---|---|
Instrument | Ausgleichszulage | Ausgleichszulagen-/ Pensions-Bonus | Sozialhilfe | Grundrentenzuschlag | Grundsicherung im Alter |
Institutionell angesiedelt | innerhalb des Rentensystems | außerhalb des Rentensystems | innerhalb des Rentensystems | außerhalb des Rentensystems | |
Abdeckung | 8 % der Rentner | 1 % der Rentner* | 1 % der Bevölkerung Alter 65+ | 4 % der Renten | 4 % der Bevölkerung Alter 65+ |
monatliche Höhe in Euro, Jahresdurchschnitt | 414 | 159* | 741** | 86 | ca. 520** |
Werte generell für 2022.
* Werte für Dezember 2020 basierend auf Monitoringbericht des Bundesministeriums für Soziales (2021). ** Werte für Österreich und Deutschland unterschiedlich definiert und daher eingeschränkt vergleichbar. Österreich: Sozialhilfe insgesamt pro Bedarfsgemeinschaft. Deutschland: Nettobedarf pro Leistungsbeziehendem ab Altersgrenze.
Quelle: Statistik Austria (2024), Destatis (2023), DRV Bund (2023), Bundesministerium für Soziales Österreich.
Graduelle Angleichung der Beamtenpensionen an die gesetzliche Rente
Seit dem Jahr 2005 erfolgt eine graduelle Harmonisierung der Berechnung der Beamtenpension an das System der gesetzlichen Rente. Für neu in den Dienst eintretende bzw. junge Staatsbedienstete (Eintritt ab 2005 oder ab Geburtsjahr 1976) werden die Beamtenpensionen nach den gleichen Regeln bemessen wie in der GRV (Pensionsharmonisierungsgesetz, Artikel 14). Für ältere Staatsbedienstete gelten Übergangsregelungen. Diese Regelangleichung trägt gemeinsam mit der abnehmenden Verbeamtungspraxis dazu bei, dass die Ausgaben für Beamtenpensionen in den kommenden Jahren stark sinken werden, von 3,3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2022 auf voraussichtlich 0,7 % im Jahr 2060 (BMF, 2022).
Anders als vielfach behauptet, sind Beamte weiterhin auch in Österreich außerhalb der allgemeinen Rentenversicherung abgesichert. Dabei zahlen Bundesbeamte im Vergleich zu Deutschland einen Beitrag zwischen 10,25 % und 12,4 % der Beitragsbemessungsgrundlage zur Finanzierung der aktuellen Pensionsansprüche. Zudem leisten pensionierte Beamtinnen und Beamte einen Pensionssicherungsbeitrag, der je nach Pensionsantrittsjahr und Geburtsjahr zwischen 0 % und 3,3 % beträgt. Auch der Bund als Dienstherr zahlt einen Pensionsbetrag in Höhe von 12,55 %. Diese Mittel fließen als Einnahmen ins Bundesbudget (Untergliederung 23) und decken rund 29 % der Beamtenpensionsausgaben (vgl. BMKÖS, 2024, S. 7).
Anhebung des Rentenalters für Frauen von 60 auf 65 Jahre
In Österreich konnten Frauen bis 2023 noch mit 60 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand treten, Männer erst ab 65 Jahren. Damit hat Österreich eines der niedrigsten Regelrentenalter für Frauen aller OECD-Staaten (OECD, 2023). Ab dem Jahr 2024 wird das gesetzliche Renteneintrittsalter für Frauen jedoch schrittweise bis zum Jahr 2033 auf 65 Jahre erhöht und an das der Männer angeglichen.
Abschlagsfreie Frührente abgeschafft
Bis zum Jahr 2022 bestand in Österreich die Möglichkeit eines abschlagsfreien vorzeitigen Renteneintritts nach einer langen Versicherungskarriere (45 Jahre) – ähnlich wie mit der „Rente ab 63“ in Deutschland. Im Jahr 2022 wurde diese Regelung jedoch durch einen Frühstarterbonus ersetzt, der mehr Frauen erreichen soll. Dieser Bonus honoriert Beitragsmonate zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr (maximal 60 Euro pro Monatsrente). Mit der Regelung soll „der erforderliche Anstieg“ des effektiven Renteneintrittsalters gefördert werden (BMF, 2021).
Förderung von Erwerbstätigkeit im Alter
Um Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung Älterer zu schaffen, verabschiedete Österreich Ende 2023 ein zusätzliches Reformpaket. Wer über das Regelrentenalter hinaus weiterarbeitet, wird künftig einen höheren Rentenzuschlag erhalten. Konkret wird der jährliche Bonus von 4,2 % auf 5,1 % erhöht (im Vergleich zu Deutschland mit 6 %). Die Reform sieht zudem vor, dass der Bund einen Teil der Rentenversicherungsbeiträge von Beschäftigten übernimmt, die neben dem Rentenbezug erwerbstätig sind. In Deutschland hingegen ist ein Hinzuverdienst über der Regelaltersgrenze generell nicht rentenversicherungspflichtig. Im Vergleich zu Österreich erfolgt der Aufbau weiterer Rentenansprüche nur auf Antrag und ohne Beitragsübernahme des Bundes.
Finanzielle Nachhaltigkeit der Rentensysteme?
Die aktuell jüngere österreichische Bevölkerung wird laut dem Ageing Report der EU-Kommission (2024) im Zeitraum 2022 bis 2070 wesentlich stärker altern als die deutsche.6 Zugleich wird der Anteil der öffentlichen Renten und Pensionsausgaben7 am BIP im gleichen Zeitraum in Österreich von 13,7 % auf 14 % steigen, während dieser in Deutschland von 10,9 % auf 12,4 % wächst (EU-Kommission, 2024, S. 204).8 Das durchschnittliche Leistungsniveau (Benefit Ratio) wird in beiden Ländern voraussichtlich bis 2070 ähnlich stark abnehmen (AT: -17,1 %, D: -18,6 %).9 Dass trotz der stärkeren Alterung der Ausgabenanteil in Österreich weniger stark steigt als in Deutschland, ist auf den stärkeren Rückgang des Verhältnisses von Renten zur Bevölkerung im Rentenalter 65+ (Participation Ratio) zurückzuführen. Gründe hierfür sind die steigende Regelaltersgrenze für Frauen und ein im Vergleich stärkerer, erwarteter Rückgang der Hinterbliebenenrenten.
Abgeleitete Handlungsoptionen für Deutschland
Die Analyse zeigt, dass die um 47 % höheren Rentenleistungen in Österreich rund zur Hälfte durch höhere Beitragssätze und Bundesmittel pro Rente ermöglicht werden. Rund ein Viertel des Rentenunterschieds ergibt sich durch eine günstigere Demografie in Österreich, die nicht unmittelbar auf Deutschland übertragen werden kann. Überdies trägt die breitere Abdeckung der Erwerbstätigenbevölkerung zur Finanzierung der höheren Renten in Österreich bei.
Anders als in Deutschland sind in Österreich alle Selbstständigen obligatorisch in der GRV abgesichert. Damit kann in unserem Nachbarland sichergestellt werden, dass auch Selbstständige von den umfassenden Umverteilungselementen der GRV (vgl. Tabelle 1) profitieren können. Trotz immer wiederkehrender Koalitionsvorhaben wurde eine obligatorische Altersabsicherung aller Selbstständigen in Deutschland bislang nicht umgesetzt. Vor diesem Hintergrund kann es hilfreich sein, auf die Erfolgsfaktoren der Einbeziehung der Selbstständigen in Österreich zu schauen: Ein Faktor dabei ist, dass diese Gruppe einen geringeren Rentenversicherungs-Beitragssatz leisten muss (17 % bis 20 %) und der Differenzbetrag zum vollen Beitragssatz (22,8 %) vom Bund getragen wird.
Einen Ansatzpunkt für Deutschland bietet auch das österreichische Modell der Abdeckung der Beamten. Die graduelle Harmonisierung der Berechnung der Beamtenpension an das System der gesetzlichen Rente mindert Gerechtigkeitsdebatten, wie sie in Deutschland immer wieder geführt werden. Die Finanzierung über einen separaten „Topf“, in den auch aktive und pensionierte Beamten (sowie der Dienstgeber) Beiträge einzahlen, reduziert die Belastungen des Staates bei der Finanzierung der Beamtenpensionen. Gleichfalls erhöht die deutlich rückläufige Verbeamtungspraxis in Österreich die Zahl der Beitragszahler in der GRV und damit die Finanzierungsbasis dieses Systems. Gerade diese Stellschraube einer geringeren Verbeamtungspraxis ist in der deutschen Debatte noch wenig thematisiert.
Im Hinblick auf die Rentenanpassung geht Österreich ebenfalls einen anderen Weg. Die genutzte Preisindexierung der Renten führte über längere Zeiträume betrachtet zu geringeren Rentenanpassungen im Vergleich zu Deutschland. Im jüngsten Hochinflationsumfeld hingegen resultierte die Indexierungsregel in einer deutlich höheren Rentenanpassung sowie einem Auseinanderdriften der lohnbasierten Beitragseinnahmen und inflationsindexierten Rentenausgaben. Der Blick nach Österreich zeigt damit die Finanzierungsrisiken einer Inflationsanpassung, die auch für Deutschland diskutiert wird. Getragen werden diese und andere Risiken dabei in Österreich allein vom Bund. Es ist fraglich, ob eine ähnlich hohe Risikotragung des Bundes in Deutschland politisch mehrheitsfähig wäre.
Der Schwerpunkt der jüngsten Reformen in Österreich lag in der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung Älterer. Mit diesem Ziel wurde unter anderem die Möglichkeit einer abschlagsfreien Frühverrentung – ähnlich der Rente ab 63 in Deutschland – im Jahr 2022 abgeschafft und durch einen Frühstarterbonus ersetzt. Damit setzte Österreich auf eine Kompromisslösung zur Beseitigung der bestehenden Frühverrentungsanreize, von der auch Frauen stärker profitieren können.
Zusammenfassend zeigt sich, dass eine eins-zu-eins-Übertragung des österreichischen Rentensystems nicht unmittelbar möglich ist. Gleichzeitig bietet der Blick in unser Nachbarland eine Reihe möglicher Reformoptionen und Denkanstöße für Deutschland.
- 1 Für die Quellen der dargestellten Daten siehe DRV Bund (2024).
- 2 Die Rentenanwartschaften hingegen werden in Österreich mit der Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen angepasst.
- 3 Zusätzlich stützte Österreich durch höhere Einmalzahlungen die Kaufkraft der Rentenbeziehenden (Deeken und Freudenberg, 2023, vgl. Tabelle 2).
- 4 D. h. ohne Berücksichtigung des Rentenpakets II.
- 5 Bei einer späteren Umsetzung würden die finanziellen Effekte deutlich geringer ausfallen, da die Rentenanpassungen auch im Status quo durch den Nachhaltigkeitsfaktor im Zeitraum 2028 bis 2035 voraussichtlich stark gedämpft werden.
- 6 Der prognostizierte Altenquotient (65+) im Jahr 2070 beträgt in Österreich 57 und in Deutschland 55.
- 7 Zu den Public Pensions zählen im Ageing Report neben der GRV auch die Beamtenpensionen.
- 8 Vgl. Buslei et al. (2023a, S. 26–43) für eine detaillierte Gegenüberstellung der EU-Projektionen beider Länder der Ageing Reports aus den Jahren 2018 und 2021.
- 9 In Deutschland wirken der Nachhaltigkeits- und der Beitragssatzfaktor in der Rentenanpassungsformel ausgabendämpfend. In Österreich spielen neben Veränderungen in der Beamtensicherung (siehe oben), die Inflationsanpassung, die Absenkung des Steigerungspunktes und die Anhebung des berücksichtigten Zeitraums bei der Rentenberechnung in der Pensionsversicherung eine wichtige Rolle.
Literatur
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Blank, F., Logeay, C., Türk, E., Wöss, J. & Zwiener, R. (2018). Ist das österreichische Rentensystem nachhaltig? Wirtschaftsdienst, 98(3), 193–199.
Blank, F., Logeay, C., Türk, E., Wöss, J. & Zwiener, R. (2021). Deutlich höhere Renten in Österreich als in Deutschland – methodische Aspekte des Vergleichs. Zeitschrift für Sozialreform, 67(3), 211–259.
BMF – Bundesministerium der Finanzen Österreich. (2021, Juni). Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen zum Bericht über die Einhaltung der Fiskalregeln 2020-2025 des Fiskalrates.
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BMF – Bundesministerium für Finanzen Österreich. (2023). Bundesvoranschlag 2024 Untergliederung 22: Pensionsversicherung.
BMKÖS – Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. (2024). Monitoring der Pensionen der Beamtinnen und Beamten im Bundesdienst 2024.
Buslei, H., Geyer, J. & Haan, P. (2023a). „Vorbild“ Österreich? – Welche Unterschiede bestehen in den Rentenleistungen im Vergleich zu Deutschland und wie lassen sie sich erklären? FNA-Journal, 1/2023.
Buslei, H., Geyer, J. & Haan, P. (2023b). Zur Entwicklung der Altersarmut bei Änderungen der Rentenanpassungsregeln und weiterer Reformen [Forschungsprojekt im Auftrag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung].
Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen. (2024). Beitragsrechtliche Werte in der Sozialversicherung 2024.
Deeken, T. & Freudenberg, C. (2023). Inflation trifft Rente: Welche Maßnahmen haben unsere Nachbarländer im Vergleich zu Deutschland ergriffen? Deutsche Rentenversicherung, 2/2023, 133–151.
Destatis. (2023). Finanzen und Steuern – Personal des öffentlichen Dienstes, Fachserie 14 Reihe 6.
DRV Bund – Deutsche Rentenversicherung Bund. (2024, 21. Januar). Methodenpapier. rentenupdate, Ausgabe #3.
Europäische Kommission. (2024). The 2024 Ageing Report. Economic and Budgetary Projections for the EU Member States (2022-2070). Institutional Paper, 279.
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Sozialversicherung. (2022). Statistisches Handbuch der österreichischen Sozialversicherung 2022.
SVR – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. (2023). Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investiere. Jahresgutachten 23/24.
WIFO – Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung. (2024, März). WIFO Konjunkturprognose.
Wissenschaftlicher Beirat Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). (2021). Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung.