Mit dem Eintritt der Baby-Boomer in den Ruhestand wird die Alterung der Gesellschaft in Deutschland zunehmend spürbar. In den kommenden Jahren schwächt sich die wirtschaftliche Dynamik ab, während die Ausgaben der sozialen Sicherungssysteme steigen. Dies gilt insbesondere für die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung. Die Rentenzahlungen an die älteren Kohorten werden durch die Beitragszahlungen der erwerbstätigen Kohorten finanziert. Steigt die Zahl der Rentner:innen stark an, gefährdet das die finanzielle Stabilität. Mögliche Maßnahmen sind neben einem Anstieg des Beitragssatzes auch eine geringere zukünftige Leistungserhöhung oder eine verkürzte Rentenbezugsdauer.
Entsprechende Ansätze waren in den Reformen der 2000er Jahre erkennbar. Seit 2005 sorgt der Nachhaltigkeitsfaktor dafür, dass bei einem steigenden Rentnerquotienten die Rentenentwicklung hinter der Lohnentwicklung zurückbleibt. Dies dämpft den Anstieg des Beitragssatzes und verteilt die demografisch bedingten Finanzierungslasten auf Rentner:innen und Beitragszahler:innen. Ähnliches gilt für die 2007 beschlossene schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre. Im letzten Jahrzehnt gab es jedoch vor allem Reformen, die die Leistungen ausgeweitet haben. Dazu zählen die Mütterrente und die Rente für besonders langjährig Versicherte, die es Personen mit einer Versicherungszeit von 45 Jahren ermöglicht, abschlagsfrei zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze in Rente zu gehen. Die 2018 beschlossenen Haltelinien können wiederum als Versuch gesehen werden, die betroffenen Alterskohorten gleichermaßen an den demografisch bedingten Lasten zu beteiligen. Das Sicherungsniveau vor Steuern darf danach nicht unter 48 % sinken, während für den Beitragssatz eine Obergrenze von 20 % gilt. Greifen allerdings beide Haltelinien, erfolgt der Ausgleich über den Bundeszuschuss und somit durch die Steuerzahler:innen. Die Reformen der letzten zehn Jahre zeigen, dass politische Mehrheiten für stabilitätssteigernde Maßnahmen immer schwieriger zu finden sind, wie bereits Sinn und Uebelmesser (2002) mit Verweis auf das steigende Alter des Medianwählers prognostiziert haben.
Das im Mai dieses Jahres vom Bundeskabinett beschlossene Rentenpaket II, das aktuell im Bundestag diskutiert wird, zeigt diese Schwierigkeit. Kernpunkt ist die Verlängerung der Haltelinie von 48 % für das Rentenniveau bis 2039, während die bisherige Obergrenze für den Beitragssatz entfällt. Dadurch werden die demografisch bedingten Lasten zukünftig allein von den Beitragszahler:innen (und den Steuerzahler:innen) getragen. Der Nachhaltigkeitsfaktor, der eine Lastenteilung zwischen Beitragszahler:innen und Rentner:innen vorsah, wird faktisch aufgehoben. Die Rentenentwicklung folgt wieder 1:1 der Lohnentwicklung. Das bedeutet auch, dass selbst eine Produktivitätssteigerung keine Entlastung für die Beitragszahler:innen bringen würde, da die Renten parallel steigen würden.
Als Ausgleich ist das Generationenkapital vorgesehen, ein kreditfinanzierter Kapitalstock, dessen Erträge die Beitragssatzentwicklung dämpfen sollen. Allerdings ist das Generationenkapital mit einer geplanten jährlichen Ausschüttung von etwa 10 Mrd. Euro ab 2036 zu klein (die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung betrugen bereits im Jahr 2022 etwa 360 Mrd. Euro) und kommt zu spät, um in den kommenden Jahren eine spürbare Entlastung zu bringen. Auch der Bundeshaushalt wird zukünftig vor wachsenden Herausforderungen stehen, die sich aus höheren Verteidigungsausgaben, steigenden Finanzierungsbedarfen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und Infrastrukturinvestitionen ergeben. Demgegenüber steht ein demografisch bedingt geringeres Potenzialwachstum, das die Dynamik der Steuereinnahmen schwächt.
Noch ist unklar, in welcher Form das Rentenpaket II von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird. Trotz einiger kritischer Stimmen auch aus der Koalition ist eine Verabschiedung im Herbst realistisch. Es ist jedoch zu erwarten, dass in einigen Jahren die fiskalischen Zwänge eine größere Korrektur der gesamten Staatsausgaben erforderlich machen, die auch den Sozialstaat mit einschließt. Eine nachhaltige Politik könnte darin liegen, die gezielte Unterstützung sozial Schwacher zulasten des allgemeinen Sicherungsniveaus stärker in den Vordergrund zu rücken. Umso wichtiger wäre es, schon jetzt deutlich zu machen, dass die Alterssicherung zunehmend Eigenverantwortung in Form von privater und betrieblicher Vorsorge erfordert. Sollte die durch das Rentenpaket II vermittelte Sicherheit die Bemühungen um mehr Eigenvorsorge schwächen, wäre dies gerade für die jüngeren Kohorten mit der größte negative Effekt des Pakets.
Literatur
Sinn, H.-W. & Uebelmesser, S. (2002). Pensions and the path to gerontocracy in Germany. European Journal of Political Economy, 19, 153–158.