Deutsche Gemeinden besitzen ein hohes Maß an politischen Selbstverwaltungsrechten und -pflichten, sowohl auf der Einnahmen- als auch Ausgabenseite. Neben den freiwilligen Ausgaben für öffentliche Güter übernehmen dabei Gemeinden immer häufiger auch vom Bund delegierte Aufgaben, wie beispielsweise die Unterbringung sozialhilfeberechtigter Personen (seit 2005) oder die Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kleinkinder im Alter von unter drei Jahren (seit 2008); oftmals ohne vollständige Ausgleichstransfers durch den Bund (Holler et al., 2017). Auch vor diesem Hintergrund sehen sich viele Gemeinden gezwungen, die Hebesätze der Gewerbesteuer und der Grundsteuer als die beiden ertragsstärksten kommunalen Steuern in regelmäßigen Abständen zu erhöhen. So zeigt sich, dass der durchschnittliche kommunale Hebesatz der Gewerbesteuer auf den operativen Gewinn der in den Gemeinden ansässigen Betriebe im Zeitraum der Jahre 2010 bis 2020 um durchschnittlich 9 % angestiegen ist, insbesondere in kleineren Gemeinden. Auch der Hebesatz der Grundsteuer auf im Eigentum befindliche Grundstücke und deren Gebäude stieg im gleichen Zeitraum stark an, um sogar ca. 17 % im bundesweiten Mittel (eigene Berechnungen).
Verschiedene Forschungsbeiträge legen dar, dass Erhöhungen des lokalen Hebesatzes der Grundsteuer zu kommunalen Steuermehreinnahmen ohne große Effizienzverluste führen (Blesse et al., 2019 oder Merlo et al., 2023). Dieser Zusammenhang zeigt sich für die Gewerbesteuer hingegen nicht. So finden beispielsweise Blesse et al. (2019) in ihrer Analyse für den Zeitraum von 1995 bis 2010, dass Erhöhungen der Gewerbesteuer keine statistisch signifikanten Steuermehreinnahmen nach sich zogen. In die gleiche Richtung deuten die Ergebnisse von Büttner (2003) und Merlo et al. (2023), die in ihren Analysen mit Fokus auf Baden-Württemberg beziehungsweise Hessen und Nordrhein-Westfalen ebenfalls zur Schlussfolgerung kommen, dass kommunale Erhöhungen des Hebesatzes der Gewerbesteuer keine quantitativ bedeutenden Steuermehreinnahmen generierten, sondern vielmehr zu einer Erosion der Steuerbasis führten. Gründe hierfür könnten sowohl die Abwanderung von Betrieben wie auch die Verlagerung von Unternehmensgewinnen an andere Standorte im In- oder Ausland sein. Die Eignung der Gewerbesteuer als Instrument zur Generierung zusätzlicher Steuermehreinnahmen kann somit zumindest kritisch hinterfragt werden.
Darüber hinaus zeigt sich, dass Anpassungen des Hebesatzes der Gewerbesteuer betriebliche Entscheidungen prägen, beispielsweise das Lohnsetzungsverhalten von Firmen (Fuest et al., 2018), die Standortwahl sich neugründender Betriebe (Riedel et al., 2020) oder die Durchführung geplanter Sachinvestitionen (Link et al., 2024). In einem neuen Forschungspapier weisen wir nach, dass Änderungen in der Gewerbesteuer auch die betrieblichen Ausgaben in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie den Innovationsoutput von Firmen im signifikanten Maße beeinflussen (Lichter et al., im Erscheinen).
Betriebliche F&E-Aktivitäten im Fokus politischer Maßnahmen
Innovationen sind der Motor wirtschaftlichen Wachstums (Solow, 1957; Romer, 1990). Ein Großteil zukunftsweisender Produkte und Prozesse entsteht dabei durch Firmen, die durch ihre Investitionen in F&E neues Wissen generieren, die eigene Produktivität steigern und somit ihr langfristiges Wachstum sichern (Aghion & Javarel, 2015 oder Kogan et al., 2017). Aus gesellschaftlicher Sicht ist jedoch festzustellen, dass das privatwirtschaftliche Niveau an Ausgaben für F&E unter dem sozial gewünschten Niveau zurückbleibt (Jones & Summers, 2020), unter anderem weil Unternehmen die gesamtwirtschaftlichen Erträge ihrer Investitionen in F&E nicht vollständig internalisieren können.
Staatliche Anreiz- und Förderprogramme zur Ausweitung betrieblicher Aktivitäten im Bereich der Forschung und Entwicklung erscheinen vor diesem Hintergrund aus ökonomischer Sicht begründbar und wünschenswert. In der Tat nutzt eine Vielzahl an Ländern verschiedene Instrumente der steuerlichen Förderung betrieblicher F&E-Aktivitäten. Auch in Deutschland existiert seit dem 1. Januar 2020 mit der sogenannten Forschungszulage im Rahmen des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz, FZulG, BGBl. 2019 I S. 2763 ff.) ein explizites steuerliches Förderinstrument betrieblicher F&E-Aktivitäten. Unternehmen können seit Einführung des Gesetzes 25 % der förderfähigen Aufwendungen, insbesondere die Gehälter des beschäftigten F&E-Personals, auf die Ertragsteuerschuld anrechnen, wobei derzeit die betriebliche Höchstförderung pro Wirtschaftsjahr auf 1 Mio. Euro beschränkt ist.1 Die (vorgesehene) Evaluation der Forschungszulage steht bisher noch aus. Studienergebnisse aus anderen Ländern lassen jedoch erwarten, dass die spezifische steuerliche Förderung F&E-aktiver Unternehmen wirkt. So führten beispielsweise großzügigere steuerliche Abzugsmöglichkeiten betrieblicher F&E-Ausgaben von der Steuerbemessungsgrundlage im Vereinigten Königreich als auch in Kanada bei betroffenen Unternehmen zu höheren F&E-Ausgaben und einer höheren Zahl angemeldeter Patente (Guceri & Liu, 2019; Agrawal et al., 2020; Dechezleprêtre et al., 2023). Anders als im Fall der Forschungszulage zielen die zwei beschriebenen Politikmaßnahmen – wie die meisten anderen spezifischen steuerlichen Förderinstrumente für betriebliche F&E-Aktivitäten – explizit nur auf kleine bis mittelgroße Unternehmen ab.
Betriebliche Entscheidungen zum Umfang der durchgeführten F&E-Aktivitäten sollten jedoch auch maßgeblich durch die Höhe allgemeiner Steuern auf Unternehmensgewinne beeinflusst werden. Theoretische Modelle legen dar, wie höhere Ertragsteuern betriebliche Investitionen reduzieren (Chetty & Saez, 2010); insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung, da diese im Allgemeinen mit größerer Unsicherheit und höherem Risiko behaftet sind (Hall & Lerner, 2010). Dies erschwert die Finanzierung mittels Fremdkapital, sodass ein (relativ) großer Teil der F&E-Ausgaben von Unternehmen durch Eigen- statt Fremdkapital finanziert wird. Höhere Ertragsteuern belasten allerdings wiederum besonders stark solche Ausgaben, die durch Eigenkapital finanziert sind, da diese Finanzierungskosten nicht von der Steuerbemessungsgrundlage abziehbar sind. Aus theoretischer Sicht sollten also Änderungen in der Ertragsbesteuerung betriebliche F&E-Aktivitäten signifikant beeinflussen.
Bedeutende lokale Unterschiede in der Ertragsbesteuerung von Unternehmen
Unsere Studie (Lichter et al., im Erscheinen) untersucht diesen theoretisch-modellierten Zusammenhang empirisch und nutzt dabei zur Identifikation des ursächlichen Effekts lokale, das heißt, gemeindespezifische Unterschiede in der Ertragsbesteuerung innerhalb Deutschlands über die Zeit. Diese Variation entsteht zum einen aus der Entscheidungshoheit der Gemeinden über den Hebesatz der Gewerbesteuer, die diesen unabhängig und in jedem Jahr neu festlegen. Des Weiteren wirkten bis in das Jahr 2008 bundesweite Reformen der Unternehmen- und Einkommensteuer aufgrund geltender Abzugsregeln der Gewerbesteuerzahlungen vom Steuermessbetrag dieser Steuern lokal unterschiedlich. In unserer Studie modellieren wir die entstehende Variation für den Zeitraum von 1987 bis 2021. Wir beobachten rund 10.000 Änderungen im Hebesatz der Gewerbesteuer in allen westdeutschen Gemeinden.2 Darüber hinaus gab es im gleichen Zeitraum 20 Reformen der Unternehmen- und Einkommensteuer mit gemeindespezifischen Auswirkungen auf die Höhe der Ertragsbesteuerung von Unternehmen.
Abbildung 1
Gemeindespezifische Auswirkungen auf die Ertragsbesteuerung von Unternehmen
Die linke Abbildung zeigt die Verteilung aller Änderungen der Gewerbesteuer westdeutscher Gemeinden über den Zeitraum 1987 bis 2021. Die rechte Grafik zeigt die lokale Variation in Änderungen der Ertragsbesteuerung, die durch die Unternehmensteuerreform 2008 entstanden.
Quelle: Darstellung basierend auf Lichter et al. (im Erscheinen).
Abbildung 1 illustriert die Änderungen des Hebesatzes der Gewerbesteuer über den betrachteten Zeitraum sowie exemplarisch die gemeindespezifischen Auswirkungen der Unternehmensteuerreform von 2008. Das Histogramm zu den Auswirkungen der rund 10.000 Anpassungen der Hebesätze der Gewerbesteuer in der linken Grafik der Abbildung 1A zeigt zunächst auf, dass mehr als 90 % der beobachteten Änderungen Erhöhungen des Hebesatzes ausmachen. Des Weiteren fällt auf, dass die meisten Änderungen des Hebesatzes, egal ob Senkungen oder Erhöhungen, mit durchschnittlich ca. 0,8 Prozentpunkten beziehungsweise 5 % relativ zum Ausgangswert des Hebesatzes moderat ausfielen. Entgegengesetzt zu den Erhöhungen der Gewerbesteuer stehen dagegen im Allgemeinen die Auswirkungen der bundesweiten Reformen der Einkommen- und Unternehmensteuern. Exemplarisch dafür stellt die rechte Grafik in Abbildung 1B die gemeindespezifischen Auswirkungen der 2008er Reform der Unternehmensteuer dar, welche aus dem Wegfall der Abzugsmöglichkeit der Gewerbesteuerzahlungen von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer resultierten. Die Grafik verdeutlicht, dass der reforminduzierte Rückgang in der Ertragsbesteuerung um bis zu 2 Prozentpunkte zwischen den Gemeinden variierte.
Insgesamt kam es in Deutschland im betrachteten Zeitraum zu einem substanziellen Rückgang in der Ertragsbesteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften. Dieser variierte jedoch deutlich aufgrund signifikanter Unterschiede in der Ausgestaltung der Hebesätze der Gewerbesteuer. In unserer Studie nutzen wir jede der rund 10.000 Hebesatzänderungen sowie die gemeindespezifischen Auswirkungen der bundesweiten Reformen als separate Schocks zur Identifikation des Einflusses der lokalen Ertragsbesteuerung auf betriebliche F&E-Aktivitäten.
Als Hauptgrundlage zur Messung betrieblicher F&E-Tätigkeiten greifen wir dabei auf die alle zwei Jahre stattfindende Befragung aller F&E-aktiven Betriebe in Deutschland durch den Stifterverband zurück, der diese Umfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchführt (Stifterverband, 2021). Diese Umfrage ist Teil der Berichtserstattung Deutschlands zur inländischen F&E-Tätigkeit an die EU und OECD und enthält eine Vielzahl an Informationen zu betrieblichen Ausgaben in Bereich Forschung und Entwicklung. Besonders wichtig für unsere Studie: Dank der engen Kooperation mit dem Stifterverband erhielten wir Zugriff auf die Adresse, die Rechtsform, sowie den Klarnamen jedes befragten Betriebes. Dies ermöglichte es zum einen, die Höhe der jährlichen Gewerbesteuerbelastung jedem Betrieb zuzuweisen, zum anderen, die lokal variierenden Auswirkungen der bundesweiten Unternehmen- und Einkommensteuerreformen den jeweiligen Personen- und Kapitalgesellschaften zuzuordnen, sowie zusätzliche Daten zu den jährlichen Patentanmeldungen einzelner Betriebe aus der Datenbank des Europäischen Patentamts an die Befragungsdaten mittels maschinellen Lernens zu spielen. Patentanmeldungen dienen dabei als Maß des betrieblichen Innovationsoutputs.3
Die detaillierten Informationen zu den F&E-Aktivitäten der beobachteten Betriebe über die Zeit sowie die beschriebene Variation in der lokalen Ertragsbesteuerung erlaubt die Schätzung des ursächlichen Zusammenhangs allgemeiner Ertragsteuern auf betriebliche Ausgaben und Erfolge im Bereich der Forschung und Entwicklung mittels eines sogenannten Event Study Ansatzes (Suárez Serrato & Zidar, 2016 oder Schmidheiny & Siegloch, 2023). Wir berechnen dazu wie ein Betrieb seine F&E-Aktivitäten relativ zum Vorjahr der Steueränderung anpasst und vergleichen diese Anpassung mit Betrieben aus derselben Region und demselben Wirtschaftszweig, die aber in anderen Gemeinden sitzen und deshalb nicht von der Steueränderung betroffen waren. Indem wir nur relative Anpassungen innerhalb von Betrieben und Gemeinden vergleichen, kontrolliert unser empirisches Modell dafür, dass Betriebe und Gemeinden natürlich inhärent unterschiedlich sind. Ebenfalls bildet das Modell die Möglichkeit ab, dass es über den Beobachtungszeitraum hinweg regional- oder industrie-spezifische Einflüsse gab, die direkte Auswirkungen auf die Entscheidungen der Firmen und die Hebesatzgestaltung der Gemeinden gehabt haben dürften.
Lokale Änderungen der Ertragsteuer beeinflussen die betrieblichen F&E-Aktivitäten
Abbildung 2 zeigt den geschätzten Effekt der lokalen Ertragsbesteuerung auf die jährlichen betriebsspezifischen F&E-Ausgaben. Die Abbildung erlaubt drei Kernaussagen: Zunächst lässt sich erkennen, dass Betriebe ihre Ausgaben im Bereich F&E – relativ zu vergleichbaren Betrieben ohne veränderte Belastung in der Ertragsbesteuerung – zurückfahren, wenn sie selbst einer Steuererhöhung ausgesetzt sind (untere Kurve). Der geschätzte Effekt wächst dabei zunächst mit der Zeit an und bleibt ca. vier Jahre nach der Änderung der lokalen Ertragsbesteuerung konstant. Gleichzeitig lässt sich erkennen, dass Betriebe ihre F&E-Ausgaben erhöhen, wenn es zu lokalen (Ertrag)Steuersenkungen kommt (obere Kurve). Der geschätzte Effekt einer Steuererhöhung entspricht dabei dem Effekt einer Steuersenkung mit Blick auf die zeitliche Entwicklung als auch hinsichtlich der absoluten Größe. Steuererhöhungen und -senkungen wirken symmetrisch. Die geschätzten Effekte sind aus ökonomischer Sicht bedeutend. Betrachtet man Steuererhöhungen und -senkungen gemeinsam, führt eine Anpassung der Ertragsbesteuerung um einen Prozentpunkt im Durchschnitt zu einer Änderung der F&E-Ausgaben betroffener Betriebe um langfristig 8 % (d. h. acht Jahre nach der Reform).
Abbildung 2
Effekt der lokalen Ertragsbesteuerung auf die betriebsspezifischen F&E-Ausgaben
Die Grafik zeigt Punktschätzer und 95% Konfidenzintervalle. Alle geschätzten Effekte sind relativ zu dem Jahr vor der Steuerreform zu interpretieren. Details zum empirischen Modell sowie der Identifikation der Effekte finden sich in Lichter et al. (im Erscheinen).
In unserer Studie zeigen wir darüber hinaus, dass eine steuerinduzierte Reduktion der F&E-Tätigkeiten sowohl intern durchgeführte als auch an externe Partner vergebene Projekte betrifft. Ebenso reduzieren Firmen aufgrund einer Steuererhöhung nicht nur die Ausgaben für F&E-spezifisches Kapital und Material, sondern (in etwas geringerem Umfang) auch die Beschäftigung im Bereich der Forschung und Entwicklung. Dabei reagieren, wie theoretisch erwartet, insbesondere die Betriebe auf Änderungen in der Ertragsbesteuerung, die starken Kreditrestriktionen unterworfen sind und somit einen höheren Teil ihrer Ausgaben für F&E mittels Eigenkapital finanzieren müssen. Hingegen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen kleineren und größeren Betrieben. Dies ist insofern bemerkenswert, da sich viele spezifische steuerliche Förderinstrumente explizit an kleinere Firmen richten. Signifikante Unterschiede zeigen sich allerdings für Betriebe mit bzw. ohne rechtliche Verflechtungen zu anderen Firmen. Unsere Ergebnisse weisen statistisch signifikant stärkere Effekte für solche Betriebe auf, die Teil einer Unternehmensgruppe sind; möglicherweise, weil diese ihre Forschungsaktivitäten leichter innerhalb der Unternehmensgruppe verschieben können (Griffith et al., 2014). Die steuerinduzierten Reduktionen für Ausgaben im Bereich der Forschung und Entwicklung spiegeln sich darüber hinaus auch im Innovationserfolg der betroffenen Betriebe wider. Eine Erhöhung der lokalen Ertragsbesteuerung führt zu einem signifikanten Rückgang in der Zahl der angemeldeten Patente. Bemerkenswert ist dabei, dass lediglich 25 % aller beobachteten F&E-aktiven Betriebe überhaupt jemals ein Patent anmelden, und gar nur 4 % in jedem Jahr. Patentanmeldungen sollten daher lediglich als Annäherungsvariable für den Innovationserfolg von Betrieben gesehen werden.
Implikationen für die Ausgestaltung deutscher Steuerpolitik zur Förderung von F&E
Die Ergebnisse unseres Forschungsbeitrags (Lichter et al., im Erscheinen) zeigen, wie Änderungen der Ertragsteuern die F&E-Aktivitäten von Betrieben signifikant beeinflussen. Gleichzeitig scheinen weitere Erhöhungen der Gewerbesteuer häufig nur einen geringen oder keinen Effekt auf kommunale Steuereinnahmen zu haben (Blesse et al., 2019). Sollte also die Last der Ertragsbesteuerung gesenkt werden, um die F&E-Aktivitäten der ansässigen Unternehmen anzukurbeln und somit Wachstumsimpulse zu setzen? Im Prinzip lautet die Antwort „ja“. Allerdings sollten Steueranreize stets zielgenau sein. Eine pauschale Absenkung der Gewerbesteuer würde auch solche Unternehmen begünstigen, die niemals innovativ tätig sein werden.
Konkret würde nach unseren Schätzungen eine Absenkung der Ertragsbesteuerung um einen Euro die F&E-Aktivitäten betroffener Betriebe um circa 26 Cents erhöhen. Spezifische steuerliche Anreize wie die bereits erwähnten erweiterten Abzugsmöglichkeiten für F&E-aktive Firmen wären im Vergleich deutlich wirksamer als pauschale Steuersenkungen für alle Unternehmen (Guceri & Liu, 2019; Dechezleprêtre et al., 2023). Vor diesem Hintergrund dürfte die im Januar 2020 in Deutschland eingeführte Forschungszulage als spezifisches steuerliches Förderinstrument deutlich vorteilhafter sein – auch wenn eine spezifische Evaluation des Programms noch aussteht. Aus rein ökonomischen Effizienzüberlegungen wäre sogar eine stärkere Förderung der größeren und damit produktiveren Unternehmen überlegenswert (Akcigit et al., 2022).
- 1 Der abzugsfähige Höchstbetrag lag zunächst bei 500.000 Euro, wurde im Zuge der Coronakrise allerdings zeitlich befristet (bis in das Jahr 2026) auf 1 Mio. Euro erhöht.
- 2 Unserer Analyse beschränkt sich auf Westdeutschland, da Gemeinden zur Schätzung des empirischen Designs auf einen einheitlichen administrativen Gebietsstand transformiert werden müssen. Die Vielzahl an Gebietsreformen in Ostdeutschland in den 1990er und 2000er Jahren verkompliziert diesen Schritt substanziell.
- 3 Die Befragungsdaten des Stifterverbands und Daten der Patentanmeldungen weisen keinen identischen Betriebsschlüssel auf, ein simples Zusammenführen der Daten ist nicht möglich. Aufgrund der Vielzahl an Beobachtungen in beiden Datensätzen wäre ein manueller Abgleich nicht durchführbar, sodass wir auf Methoden maschinellen Lernens zurückgreifen. Details zum Prozedere finden sich in Lichter et al. (im Erscheinen).
Literatur
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