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Bremen war 2015 das erste – und bislang einzige – Bundesland, das der Deutschen Fußball Liga (DFL) einen Teil der Polizeikosten für „Hochrisikospiele“ (u. a. das Derby Werder Bremen vs. Hamburger SV) in Rechnung gestellt hat. Die DFL klagte dagegen und bekam recht: Das Verwaltungsgericht Bremen erklärte die Kostenbeteiligung 2017 für rechtswidrig. Das Oberverwaltungsgericht Bremen (2018) und das Bundesverwaltungsgericht Leipzig (2019) gaben hingegen dem Land Bremen recht. Seit April 2024 wird der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Aus ökonomischer Sicht spricht einiges dafür, die Vereine an den Polizeikosten zu beteiligen. So würde ein Teil der negativen externen Effekte, die von den Spielen ausgehen (insbesondere Polizeieinsätze aufgrund von Ausschreitungen), durch die Vereine internalisiert. Die Polizeikosten würden nicht länger gänzlich vom Staat bzw. den Steuerzahler:innen getragen, was laut Umfragen eine Bevölkerungsmehrheit befürwortet (siehe zur ökonomischen Diskussion ausführlicher Mause, 2020). Wir nehmen das angelaufene BVerfG-Verfahren zum Anlass, um aus polit-ökonomischer Perspektive auf Probleme aufmerksam zu machen, die in der Polizeikosten-Debatte bislang vernachlässigt wurden.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Polizeikosten durch ex ante geplante Einsätze entstehen. Nach Spielen stellt sich oft die Frage, ob die Einsatzstärke, die vor dem Spiel angesetzt wurde, überhaupt notwendig war. Auf diese Kritik wird häufig entgegnet, dass wir es mit einem klassischen Präventionsparadoxon zu tun haben: es wird viel für Sicherheit aufgewandt – bleiben Ausschreitungen aus, stellt sich im Nachhinein die Frage, ob die Sicherheitsaufwendungen überhaupt notwendig waren, wobei eventuell erst das hohe Sicherheitsaufgebot diese Ausschreitungen verhindert haben könnte. Dagegen lässt sich argumentieren, dass erhöhte Polizeipräsenz naturgemäß zu mehr Anzeigen führt, weil das Dunkelfeld stärker ausgeleuchtet wird. Ein methodisches Grundproblem ist, dass Anzeigen zunächst Verdachtsmomente formalisieren. Es ist unklar, wie viele Anzeigen gegen Fans am Ende zu Verurteilungen (z. B. für Landfriedensbruch) führen. Außerdem kann es sein, dass eine hohe Polizeipräsenz erst initial zu Spannungen zwischen Fans und Einsatzkräften führt. Dadurch wird ex post eine hohe Einsatzstärke legitimiert, die allerdings durch Zwischenfälle begründet wird, die erst durch Einsatzstärke/-strategie hervorgerufen worden sein könnte.

Zudem stellt sich die Frage, wer die Definitionsmacht über den Begriff „Hochrisikospiel“ hat, und ob Einsprüche gegen eine solche Einstufung möglich sind. Bislang definiert die Polizei intern, wann ein solches Spiel vorliegt. Ein Einspruch gegen eine solche Einstufung ist bisher nicht möglich – aufgrund fehlender direkter Konsequenzen (wie es Kostenumlagen z. B. wären) allerdings auch irrelevant. Was bislang jedoch kaum berücksichtigt wird, ist, dass die Anreizstrukturen für Politiker:innen eventuell so ausgeprägt sind, dass eine generelle Heraufsetzung von Einsatzstärken bei Hochrisikospielen in ihrem Interesse sein kann; gerade auch dann, wenn Wahlen anstehen und eine Profilierung im Bereich „Innere Sicherheit“ angestrebt wird. Solange die Übernahme der Einsatzkosten allein bei den Bundesländern liegt, ist es im ökonomischen Interesse der Verantwortlichen, eine Abwägung zwischen Sicherheits- und Kostenaspekten zu treffen. Auf den ersten Blick mag es wünschenswert erscheinen, wenn Kostenüberlegungen beim Thema Sicherheit wegfielen. Allerdings dürfte eine einseitige Fokussierung auf enorme Einsatzstärken, deren Kosten vom Fiskus auf Dritte ausgelagert werden, gesamtgesellschaftlich nicht zwingend wohlfahrtssteigernd sein. Sobald der Sicherheit-Kosten-Trade-Off entfällt, kommt es zu der problematischen Doppelrolle der staatlichen Sicherheitsorgane, dass sie einerseits die Bedrohungslage selbst beurteilen (Einstufung als Hochrisikospiel) und andererseits zumindest von einer möglichst hohen Bedrohung profitieren. Auch wenn mit der teilweisen Umlage von Polizeikosten sicherlich kein Profit möglich ist, rechtfertigt es eventuell politisch die Aufstellung weiterer Polizeieinheiten oder die Ausweitung der Einsätze.

Darüber hinaus könnten gegen Gebührenbescheide der Polizei Rechtsmittel eingelegt werden. Es könnte dann vor Gericht erörtert werden, ob die Einsatzstärke dem Risiko angemessen war. Ohne einer juristischen Evaluation vorgreifen zu wollen, stellt sich für uns allerdings die Frage, wie ein Gericht die Verhältnismäßigkeit eines Polizeiaufgebots abschätzen will, wenn die relevanten Sicherheitsprognosen von der Polizei selbst erstellt werden. Es bleibt beim polit-ökonomischen Problem, dass die Polizei den Bedarf an Einsatzkräften selbst feststellt. Wer also die externen Sicherheitskosten internalisieren möchte, müsste eine Möglichkeit finden, den Sicherheitsbedarf ohne Interessenkonflikte festzustellen.

Literatur

Mause, K. (2020), Fußballspiele, Polizeieinsätze und Steuerzahler: Ökonomische Anmerkungen zur Polizeikosten-Debatte, List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, 45(4), 423-440.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0080