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Die Bundesregierung hat erstmals im Juli 2023 eine ressortübergreifende China-Strategie beschlossen. Mit Blick auf die Risiken auf dem chinesischen Markt gibt sie das Ziel aus, dass „die Kosten von Klumpenrisiken unternehmensseitig verstärkt internalisiert werden müssen, damit im Falle einer geopolitischen Krise nicht staatliche Mittel zur Rettung einstehen müssen“. Um solche Risiken frühzeitig zu erkennen, strebt die Bundesregierung an, den Austausch mit Unternehmen zu intensivieren und diese für chinabezogene Risiken zu sensibilisieren. Es ist offensichtlich, dass die Umsetzung in Bezug auf die Handelsbeziehungen mit China wesentlich von der Mitwirkung der deutschen Unternehmen abhängt. Aus diesem Grund ist es wichtig zu verstehen, wie deutsche Unternehmen auf Veränderungen in der geoökonomischen Landschaft reagieren. Um einen genaueren Blick auf die Handelsbeziehungen mit China zu werfen, führte das ifo Institut im Februar 2024 eine repräsentative Unternehmensbefragung durch. Der Schwerpunkt der Umfrage lag auf der Bedeutung von chinesischen Vorleistungen für deutsche Unternehmen sowie der Pläne der Unternehmen hinsichtlich ihrer zukünftigen Lieferbeziehungen mit China. Auch im Februar 2022, unmittelbar vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine, hatte das ifo Institut eine solche Umfrage durchgeführt, was einen Vergleich mit der aktuellen Umfrage ermöglicht. Vier zentrale Ergebnisse der Umfrage verdienen dabei besondere Aufmerksamkeit.

Erstens ist im Vergleich zur Umfrage von 2022 in fast allen Branchen der Anteil der Unternehmen zurückgegangen, die wichtige Produkte aus China beziehen. Befragt wurden Unternehmen im Februar 2022 und im Februar 2024, ob sie derzeit auf wichtige Vorleistungen (verarbeitendes Gewerbe) oder Waren (Handel) angewiesen sind. Im verarbeitenden Gewerbe ist der entsprechende Anteil um 9 Prozentpunkte von 46 % auf nun 37 % gesunken. Ähnliche Rückgänge sind auch im Handel zu verzeichnen, wo derzeit 35 % der Großhandelsunternehmen (2022: 44 %) und 36 % der Einzelhändler (2022: 43 %) angeben, auf wichtige Warenlieferungen aus China angewiesen zu sein. Zweitens ist dieser Rückgang in der Industrie vor allem auf Unternehmen zurückzuführen, die Vorleistungen von chinesischen Herstellern importieren. Der Anteil an multinationalen Unternehmen in Deutschland, die wichtige Vorleistungen aus eigenen Produktionsstätten in China beziehen, hat sich dagegen praktisch nicht verändert. Das ist nicht überraschend, denn Investitionen in eigene Produktionsanlagen im Ausland sind kostspieliger für Unternehmen, was einen höheren Grad an Persistenz in den Handelsbeziehungen impliziert. Drittens ist es für die Frage nach strategischen Abhängigkeiten wichtig, über die aktuellen Reaktionen von Unternehmen hinauszugehen und ein besseres Verständnis über die zukünftigen strategischen Planungen der Unternehmen mit Blick auf China zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurden die Unternehmen im Rahmen der Umfrage auch nach ihren zukünftigen Plänen bezüglich der Importe von Vorleistungen aus China befragt. Ähnlich wie 2022 plant die Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen keine Veränderung ihrer Importe aus China (52 %). Allerdings ist der Anteil der Unternehmen, die ihre Importe in Zukunft reduzieren möchten, relativ deutlich um fast 7 Prozentpunkte zurückgegangen – laut der Umfrage wollen derzeit 38 % der Unternehmen den Import chinesischer Vorprodukte in Zukunft reduzieren (2022: 45 %). 10 % dagegen planen eine Steigerung ihrer Importe (2022: 4 %). Viertens gewinnen laut der Umfrage außereuropäische Alternativen an Bedeutung. Deutsche Unternehmen, die planen, ihren Bezug von chinesischen Vorleistungen zu reduzieren, wurden befragt, wie sie in Zukunft die entsprechenden Vorleistungen ersetzen wollen. Im Vergleich zu den Umfrageergebnissen aus dem Jahr 2022 setzen nun deutlich mehr Unternehmen auf außereuropäische Alternativen (2024: 66 %; 2022: 47 %). Gleichzeitig ist der Anteil der Unternehmen, die vermehrt auf Vorleistungen aus anderen europäischen Ländern setzen wollen, im Vergleich zu 2022 von 82 % auf 69 % zurückgegangen.

Wachsende geopolitische Spannungen, globale Lieferkettenstörungen und zunehmender Protektionismus haben eine Neujustierung von internationalen Lieferketten notwendig gemacht. Vor allem die Handelsbeziehungen mit China sind dabei in den öffentlichen Fokus geraten. Die Diversifizierung von Lieferketten ist nach wie vor ein wichtiges Ziel deutscher Unternehmen. Auch wenn deutsche Unternehmen weiterhin Zulieferer innerhalb der EU bevorzugen, um chinesische Vorleistungen und Waren zu ersetzen, rücken Optionen außerhalb der EU immer stärker in den Fokus. Aus diesem Grund ist neben der weiteren Vertiefung des Binnenmarkts vor allem die Ausweitung des Netzwerks von EU-Handelsabkommen von zentraler Bedeutung, um die Handelsbeziehungen mit weiteren Weltregionen zu erleichtern. Gleichzeitig ist der Anteil multinationaler Unternehmen, die wichtige Vorleistungen aus eigenen Produktionsstätten in China beziehen, seit 2022 praktisch unverändert geblieben. Um Klumpenrisiken zu reduzieren und die wirtschaftliche Sicherheit zu stärken, sollte daher eine staatliche Förderung der Handelsdiversifizierung auch die Rolle von Auslandsinvestitionen in den Blick nehmen.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0078