Die Sicherung von strategischen mineralischen Rohstoffen ist für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere in Deutschland, von besonderer Bedeutung. Der Beitrag hebt die Abhängigkeit von Importen hervor, die zu einer Abhängigkeit von rohstoffreichen Ländern führt. Es werden die Risiken dieser Abhängigkeit, einschließlich Versorgungsunterbrechungen durch exogene Schocks, erörtert. Zudem werden nationale wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit untersucht. Eine quantitative Analyse zeigt, dass eine aktive Rohstoffpolitik das Versorgungsrisiko für nationale Unternehmen erheblich verringern kann.
Sowohl die angestrebte Dekarbonisierung der Volkswirtschaft insgesamt als auch der Erhalt der Technologieführerschaft deutscher Hersteller in Schlüsselbranchen, wie der Automobilwirtschaft oder dem Maschinenbau, erfordern den Ausbau von Stromnetzen und erneuerbaren Energien, Elektromobilität, Batteriespeichern und Wasserstoffinfrastruktur. Die hierfür erforderlichen Technologien benötigen eine Vielzahl mineralischer Rohstoffe, die sich zumeist nicht oder nur sehr eingeschränkt durch Substitute ersetzen lassen (Marscheider-Weidemann et al., 2021). Mit dem Ausbau dieser Technologien wird in den nächsten Jahrzehnten auch der weltweite Bedarf an mineralischen Rohstoffen signifikant ansteigen (IEA, 2021). Die meisten dieser strategisch relevanten Rohstoffe werden nicht bzw. nur in sehr geringen Mengen in Deutschland abgebaut. Stattdessen müssen sie aus dem europäischen und vor allem dem außereuropäischen Ausland importiert werden. Die Bedeutung von Rohstoffen und Rohstoffimporten sowie die damit zusammenhängenden Abhängigkeiten von rohstoffreichen Ländern sind vor diesem Hintergrund zuletzt immer stärker in den Fokus von Politik und Wirtschaft gerückt (z. B. Rohstoffstrategie der Bundesregierung in BMWi, 2019; und Critical Raw Materials Act der EU in EU-Kommission, 2023).
Abbau mineralischer Rohstoffe auf wenige Herstellerländer konzentriert
Die meisten der strategisch relevanten mineralischen Rohstoffe sind weltweit nur in einer begrenzten Anzahl von Ländern verfügbar. Beschaffungsrisiken in den Lieferketten, in denen diese Rohstoffe benötigt werden, lassen sich daher nur schwer diversifizieren. Vielmehr bedingt die Abhängigkeit von einem oder nur wenigen Lieferländern hohe Anfälligkeiten. Entsprechend hoch ist das Risiko von Lieferunterbrechungen durch exogene Schocks, wie beispielsweise Pandemien, Kriege, soziale Unruhen oder zunehmende Wetterextreme. Rohstoffe, bei denen dies in besonderem Maße der Fall ist, gelten als kritisch (Definition Kritikalität und EU Rohstoffliste in EU-Kommission, 2023).
China kommt in dieser Hinsicht eine besonders relevante Rolle zu. Das Land verfügt bei vielen kritischen Rohstoffen über hohe bis sehr hohe Anteile an der weltweiten Produktion. Dies gilt sowohl für Bergbauprodukte als auch in noch höherem Maße für Raffinadeprodukte (BGR, 2020). Abbildung 1 zeigt diejenigen Länder, die bei einzelnen strategisch relevanten Rohstoffen einen Anteil von 20 % und mehr an der jeweiligen weltweiten Produktion innehaben. Mit insgesamt 27 verschiedenen strategischen Rohstoffen ist dies in China viel stärker ausgeprägt als in Südafrika (sechs Rohstoffe), der Türkei (fünf Rohstoffe), Australien oder Russland (je vier Rohstoffe).
Abbildung 1
Hauptproduzenten strategisch relevanter Rohstoffe

Die Daten basieren je nach Datenverfügbarkeit auf der Bergwerksförderung oder der Raffinadeproduktion des jeweiligen Rohstoffs. Darstellung der Länder, die mehr als 20 % der weltweiten Produktionsmenge des jeweiligen Rohstoffs umfassen.
Quelle: United States Geological Survey (USGS, Stand: 2018), eigene Analyse.
Dabei ist auch China selbst für die angestrebte Weiterentwicklung hin zur Marktführerschaft bei diversen Zukunftstechnologien auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen angewiesen. Es ist daher zu erwarten, dass China seine Position mit Blick auf die eigene Versorgung in den kommenden Jahren weiter stärken wird. In allen übrigen Ländern wird der Zugang zu Rohstoffen damit in Zukunft weiter erschwert werden. Auch andere Abbauländer versuchen gezielt, ihre Marktstellung zu nutzen, um inländische Verarbeitungsprozesse zu stützen, indem sie den Zugang zu kritischen Rohstoffen für ausländische Unternehmen erschweren. Indonesien beispielsweise hat wiederholt Exportrestriktionen für Nickelerze erlassen, um weitere Verarbeitungsstufen, wie Aufbereitung und Raffination, im Inland zu stärken (UNCTAD, 2017). In Mexiko soll die Kontrolle über den Lithiumabbau ausschließlich dem Staat übertragen werden (Schmidt, 2023).
Staatliche Instrumente zur Erhöhung der Versorgungssicherheit von mineralischen Rohstoffen
Zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen ist sowohl eine Absicherung gegen Preisrisiken, Verfügbarkeitsrisiken als auch gegen mögliche Lieferunterbrechungen erforderlich. Diese Risiken sind regelmäßiger Teil der Rohstoffzyklen und nicht neu. Gleiches gilt für die hohe Importabhängigkeit. Unternehmen adressieren diese Risiken typischerweise durch Maßnahmen wie Hedging, langfristige Lieferverträge und Einkaufgemeinschaften sowie Lieferantendiversifizierung und Lagerhaltung (BGR, 2020).
Die Rohstoffversorgung wird aber auch durch die nationale Wirtschaftspolitik unterstützt. Vor dem Hintergrund der Bedeutung strategisch relevanter Rohstoffe als Enabler für Zukunftstechnologien gewinnt dies zunehmend an Bedeutung. Die von einzelnen Ländern verfolgte Politik unterscheidet sich danach, ob in einem Land mineralische Rohstoffe in hinreichenden Mengen abgebaut werden oder ob es auf Importe angewiesen ist. In rohstoffreichen Ländern stehen die Maximierung der Erträge aus Rohstoffabbau sowie die Förderung eigener Verarbeitungsstufen durch Einschränkungen auf den Export der Rohprodukte im Vordergrund. Importabhängige Länder hingegen nutzen verschiedene Maßnahmen, um die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen zu sichern. Maßnahmen, die in (fast) allen importabhängigen Ländern umgesetzt werden, umfassen:
- Förderung von Effizienz, Recycling und der Entwicklung von Substituten bzw. Ersatzstoffen,
- Schaffung von Transparenz zu Bedarf und Verfügbarkeit von Rohstoffen,
- Intensivierung des internationalen Austauschs und Aufbau von Partnerschaften und Allianzen sowie die
- Absicherung gegen Risiken beim Bezug von Rohstoffen.
In Deutschland beispielsweise wurde im Januar 2020 die Rohstoffstrategie der Bundesregierung verabschiedet. Diese umfasst 17 Maßnahmen, die sich inhaltlich den hier genannten Kategorien zuordnen lassen. Ein wichtiges Instrument sind Ungebundene Finanzkredite (UFK-Garantien), die Kreditgeber von Rohstoffvorhaben im Ausland gegen wirtschaftliche und politische Kreditausfallrisiken absichern. Ein weiteres, wichtiges Element, sind strategische Partnerschaften. So wurden kürzlich die Beziehungen zwischen der EU und Kanada vertieft (BMWK, 2022). Hingegen schlugen beispielsweise deutsche Bemühungen in der jüngsten Vergangenheit fehl, Bolivien als Partner beim Abbau von Lithium zu unterstützen und sich zugleich entsprechende Mengen für die Versorgung der heimischen Industrie zu sichern. Auch die EU-Kommission hat im Jahr 2023 mit dem Critical Raw Materials Act ein Rohstoffgesetz vorgelegt. In diesem werden Zielvorgaben für Abbau, Verarbeitung und Recycling von Rohstoffen aus der EU gemacht, ein Monitoring für kritische Rohstoffe und Stresstests für Lieferketten initiiert und Anreize für das Diversifizieren internationaler Lieferbeziehungen gesetzt. In den USA schließlich werden neben strategischen Handelspartnerschaften mit anderen Ländern auch zunehmend ungenutzte Potenziale im heimischen Markt gefördert. So haben die USA damit begonnen, einen nationalen Plan des Energieministeriums im Zusammenhang mit der Produktion von Lithiumbatterien umzusetzen. Ziel ist es, den lokal ansässigen Lithiumabbau zu fördern, um die Resilienz der Lieferketten durch die Erschließung heimischer Vorkommen zu stärken und so die US-amerikanische Autoindustrie bei der Produktion elektrischer Fahrzeuge zu unterstützen (White House, 2021). Ebenfalls sind die USA im Bereich der Effizienzsteigerung, des Recyclings und der Entwicklung von Substituten aktiv. Im Rahmen der U.S. DOE Critical Minerals Strategy (U.S. Department of Energy, 2021) wurden Investitions- und Fördermaßnahmen für die Erforschung von kritischen Metallen, die Entwicklung von Substituten sowie für Recyclingmaßnahmen definiert. Komplementiert werden diese Maßnahmen durch steuerliche Anreize für die inländische Exploration.
Die hier skizzierten Maßnahmen werden in unterschiedlicher Intensität in allen importabhängigen Volkswirtschaften umgesetzt. Darüber hinaus gibt es aber auch Länder, in denen staatliche Rohstoffpolitik sehr viel direkter bzw. aktiver auf Versorgungssicherheit wirkt. Dies trifft insbesondere auf Südkorea und Japan zu. So wurde in Südkorea mit der Korea Resources Corp. (KORES) bereits in den 1960er Jahren ein staatliches Unternehmen geschaffen, das selbst in Projekte zur Rohstoffgewinnung im Ausland investieren darf, um so die Versorgung der Industrie in Südkorea zu sichern. Im Jahr 2021 wurden KORES und die Mine Reclamation Corp. zum staatlichen Rohstoffunternehmen KOMIR (Korea Mine Rehabilitation & Mineral Resources Corp.) zusammengeschlossen, um dieses Mandat auch in Zukunft weiterverfolgen zu können (KOMIR, 2024). Ergänzend dazu gibt es in Südkorea staatliche Lagerhaltung für strategisch relevante Rohstoffe.
In Japan verfolgt das staatliche Rohstoffunternehmen JOGMEC (Japan Oil, Gas and Metals National Corp.) ein ähnliches Ziel. Dabei ging JOGMEC im Jahr 2004 aus dem Zusammenschluss der National Oil Corporation (JNOC) und der Metal Mining Agency of Japan (MMAJ) hervor, die ebenfalls in den 1960er Jahren gegründet wurde (JOGMEC, 2024). Neben der Exploration und Erschließung von Rohstoffvorkommen im Ausland ist JOGMEC unter anderem auch für die Lagerhaltung strategischer und kritischer Rohstoffe verantwortlich und übernimmt Haftungsgarantien für Unternehmen, die selbst Investitionen im Bereich der Rohstoffexploration und -förderung tätigen.
Während Unterschiede in den Rohstoffpolitiken verschiedener Länder vor allem qualitativ beschrieben und bewertet werden, gibt es wenig quantitative Informationen zur Wirkung der unterschiedlichen Ansätze. Hierzu müssen folgende Fragestellungen adressiert werden: Wie können Risiken quantifiziert werden und wie ändern sich diese im Laufe der Zeit? Welche Bewertung folgt hieraus für staatlich implementierte Maßnahmen im Vergleich zwischen den Ländern? Die nachfolgende Betrachtung nähert sich den Fragen mittels eines bewährten Ansatzes aus dem Bereich der Unternehmensbewertung. Der Fokus der Betrachtung liegt auf Ländern, die sich in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis von Rohstoffimporten wie die deutsche Industrie befinden und eine vergleichbare Wirtschaftsstruktur aufweisen.
Bewertung und Analyse von Rohstoffrisiken1
Ein allgemein anerkanntes und in der Praxis etabliertes Verfahren zur Bemessung von markt- und unternehmensbezogenen Risiken („Risikoprämien“) im Rahmen der Unternehmensbewertung ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Dieses zeigt auf, wie volatil und damit risikobehaftet ein bestimmtes Unternehmen bzw. eine Gruppe von Unternehmen relativ zum gesamten Markt reagieren. Als Ausgangspunkt wird ein funktionaler Zusammenhang zwischen der individuellen Rendite eines Unternehmens bzw. einer Gruppe von Unternehmen und der Rendite des Gesamtmarkts unterstellt. Auf dieser Basis wird die (endogene) Unternehmensrendite auf die (exogene) Marktrendite regressiert. Dies lässt sich mathematisch, wie folgt, ausdrücken:
Dabei ist die Rendite des Unternehmens , die Marktrendite, die (als konstant angenommene) Rendite risikoloser Anlagen und der Fehlerterm, der die in der Regression nicht erklärbare Varianz auffängt. Von besonderem Interesse ist der Faktor . Dieser drückt aus, wie volatil und damit risikobehaftet sich das Unternehmen i relativ zum gesamten Markt verhält:
Für entspricht das Risiko dem des Vergleichsindex. Für ist das Risiko im Verhältnis zum Vergleichsindex erhöht. Für ist das Risiko im Verhältnis zum Vergleichsindex vermindert. Für ist das Risiko nicht mit dem Vergleichsindex korreliert. Für weist das Risiko im Verhältnis zum Vergleichsindex eine entgegengesetzte Entwicklung aus.
Die Quantifizierung des CAPM erfolgt auf Basis der aus Aktiennotierungen einzelner Unternehmen sowie geeigneter Vergleichsmarktindizes abgeleiteten Renditen. Für die vorliegende Analyse mit Fokus auf Rohstoffrisiken werden Unternehmen betrachtet, die als spezialisierte Zulieferer zu Beginn einer Wertschöpfungskette in rohstoffabhängigen Industriebereichen agieren und dabei Schlüsselrollen als Hersteller von Technologien und Komponenten innehaben. Für diese Unternehmen ist anzunehmen, dass Zugang und Versorgung mit kritischen Rohstoffen wesentliche Treiber des unternehmensspezifischen Risikos darstellen. Dieser Überlegung folgend werden Unternehmen identifiziert, die als Zulieferer in insgesamt neun übergeordneten Industriebereichen tätig sind (vgl. Abbildung 2).2
Abbildung 2
Ausgewählte Bereiche zur Identifikation rohstoffabhängiger Technologie-Zulieferer

Quelle: eigene Analyse.
Die Auswahl der einzelnen Unternehmen aus den neun Industriebereichen erfolgt auf Basis qualitativer Kriterien wie insbesondere der Fokus der Unternehmensaktivitäten in Verbindung mit quantitativen Kriterien wie Marktkapitalisierung oder Zahl belieferter Unternehmen. In der Analyse werden ausschließlich börsennotierte Unternehmen berücksichtigt, da entsprechende Finanzdaten aufgrund der Veröffentlichungspflichten verfügbar und in der Datenbank Capital IQ abrufbar sind. Auf Basis der so ausgewählten Unternehmen kann das Rohstoffversorgungsrisiko sowohl für einzelne Unternehmen als auch für das Cluster aller ausgewählten Unternehmen innerhalb eines bestimmten Landes quantifiziert werden. Für die vorliegende Studie ist die Analyse auf Ebene der Länder relevant. Dazu werden alle ausgewählten Unternehmen eines Landes gewichtet in einem Index zusammengefasst. Dieser wird auf einen analog konstruierten Vergleichsindex, der alle Technologie-Zulieferer weltweit mit analoger Branchenzusammensetzung abbildet, regressiert.3 Auf diese Weise kann das Rohstoffversorgungsrisiko abgeschätzt werden, dem die im jeweiligen Land ausgewählten Technologie-Zulieferer ausgesetzt sind, relativ zum Risiko vergleichbarer Unternehmen weltweit.
Als Vergleichsländer werden in dieser Analyse Japan, Südkorea, die USA und China sowie die EU als Ländergruppe betrachtet. Von diesen befinden sich Südkorea und Japan in einer vergleichbaren Situation wie die EU mit relativ hoher Importabhängigkeit, während China und die USA sowohl relevante Rohstoffimporteure als auch Rohstoffproduzenten sind. Die Schätzung des hier beschriebenen CAPM-Ansatzes erfolgt auf Basis wöchentlicher Daten für den Zeitraum von März 2004 bis September 2023.
Ergebnisse der quantitativen Analyse von Rohstoffrisiken
Auf Basis des hier skizzierten Ansatzes kann das Rohstoffrisiko in den einzelnen Vergleichsländern relativ zum weltweiten Rohstoffrisiko (Vergleichsmarktansatz) über den genannten Zeitraum ermittelt werden. Dabei zeigt sich der Einfluss der Rohstoffpolitik eines bestimmten Landes im Verhältnis des jeweiligen länderspezifischen Risikos relativ zum weltweiten Rohstoffrisiko sowie im Verhältnis der länderspezifischen Risiken in den einzelnen Vergleichsländern zueinander. Allerdings ist zu beachten, dass die mithilfe des CAPM-Modells geschätzten -Faktoren das gesamte länderspezifische Risiko ausweisen – und dass dieses neben der Rohstoffversorgung auch durch andere Faktoren getrieben werden kann. Die Relevanz des Rohstoffrisikos kann jedoch aus der Entwicklung der länderspezifischen Risiken im Zeitverlauf und im Zusammenspiel mit der Entwicklung der weltweiten Rohstoffpreise abgeleitet werden. Denn in Phasen hoher Rohstoffpreise ist davon auszugehen, dass Zugang und Versorgung mit kritischen Rohstoffen auch zunehmende Relevanz als Treiber des spezifischen Risikos haben sollten. Entsprechend ist die Rohstoffpolitik eines bestimmten Landes dann erfolgreich, wenn sie in den Phasen hoher bzw. steigender Rohstoffpreise eine messbare Verringerung des auf Basis des CAPM-Ansatzes gemessenen länderspezifischen Risikos im Vergleich zum Marktrisiko oder eine Entkopplung der Risikoentwicklung von der Entwicklung der Rohstoffpreise bewirken kann.
Abbildung 3 visualisiert die Entwicklung der länderspezifischen Risiken auf Basis der hier geschätzten -Faktoren. Ebenfalls abgebildet ist ein Index, der die Entwicklung globaler Rohstoffpreise im Zeitablauf darstellt.4 Die drei Hochpreisphasen während des hier dargestellten Zeitraums (2006 bis 2008, 2010 bis 2012 und 2020 bis 2022) sind hellblau schraffiert. Wie oben erläutert, wird die Entwicklung des durchschnittlichen Risikos der weltweiten Vergleichsgruppe im dargestellten Zeitraum durch eine horizontale Linie auf Höhe von = 1 dargestellt. Zu Beginn des Betrachtungszeitraums im Jahr 2004 waren die Risiken für US-amerikanische, südkoreanische und europäische Unternehmen relativ zum weltweiten Vergleichsindex erhöht ( > 1). In den Folgejahren sind die spezifischen Risiken der Unternehmen aus diesen Ländern deutlich gesunken. Während der ersten Hochpreisphase ab 2006 waren die spezifischen Risiken in allen Vergleichsländern (Ausnahme: Japan) geringer als die des weltweiten Vergleichsmarkts ( < 1). Rohstoffversorgung war in dieser Phase offensichtlich kein relevanter Risikotreiber. Allerdings ist der europäische -Faktor ab 2006 wieder angestiegen; die Risiken europäischer Unternehmen haben im weltweiten Vergleich wieder zugenommen. Seit 2009 liegt der europäische -Faktor klar über dem weltweiten Durchschnittswert ( > 1). In den beiden folgenden Hochpreisphasen ab 2010 und 2020 sind die länderspezifischen Risiken in Europa weiter deutlich angestiegen. Hohe Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sind in der EU offensichtlich mit hohen Rohstoffrisiken einhergegangen.
Abbildung 3
Rohstoff-Versorgungsrisiko im internationalen Vergleich ausgewählter Länder

Quelle: eigene Analyse.
Auch in den USA lassen sich während dieser beiden Hochpreisphasen zunehmende bzw. hohe Rohstoffrisiken erkennen. Seit der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 ist ein Anstieg des -Faktors zu beobachten. Allerdings bleibt das Rohstoffrisiko bis 2019 unter dem des weltweiten Vergleichsmarkts und in den Hochpreisphasen ab 2010 und 2020 klar unterhalb des spezifischen Risikos in der EU. Im Gegensatz dazu weisen Südkorea und Japan in den betrachteten Hochpreisphasen niedrigere Zunahmen und teilweise deutliche Rückgänge der Risiken aus. Insbesondere die südkoreanischen Zulieferer sehen sich in Zeiträumen mit Preisspitzen einem geringeren Risiko ausgesetzt und sind weitestgehend von der Entwicklung der Weltmarktpreise entkoppelt. In Japan steigt das spezifische Länderrisiko gemeinsam mit den weltweiten Metallpreisen bis 2009 an, entkoppelt sich aber in den folgenden Jahren und insbesondere in der Hochpreisphase ab 2010. Die annähernd durchgängig niedrigsten Risiken lassen sich schließlich in China identifizieren. China als ein Land mit weitreichenden Rohstoffvorkommen zeigt sich damit als von der Weltmarktentwicklung von Rohstoffen nahezu komplett entkoppelt.
Der aus dieser deskriptiven Analyse gewonnene Eindruck wird durch die Betrachtung der Korrelation zwischen länderspezifischen Risiken und der Entwicklung der Rohstoffpreise bestätigt (vgl. Tabelle 1). Diese ist für die EU klar am höchsten und etwa doppelt so hoch wie in den USA. Das länderspezifische Risiko für Unternehmen in der EU nimmt in Phasen hoher Rohstoffpreise deutlich stärker zu als in den anderen hier betrachteten Vergleichsländern. Im Gegensatz dazu ist das länderspezifische Risiko der japanischen Unternehmen fast entkoppelt von der Entwicklung der Rohstoffpreise, in Südkorea und China ist die Korrelation sogar negativ, die Entwicklung also gegenläufig.
Tabelle 1
Korrelation des Rohstoffversorgungsrisikos mit der Entwicklung von Metallpreisen
Korrelation zwischen Metallpreisindizes und der Beta-Entwicklung über den Zeitraum 2004 bis 2023
EU | Südkorea | Japan | USA | China | |
---|---|---|---|---|---|
Korrelation | 46,8 % | -17,1 % | 1,3 % | 23,3 | -13,3 % |
Quelle: eigene Analyse.
Als Erklärung für die hier beobachteten Ergebnisse ist zunächst zu beachten, dass die USA und China selbst wichtige Rohstoffproduzenten sind. Versorgungssicherheit ist in Ländern, die selbst hohe Anteile an der globalen Produktion haben, ein deutlich weniger relevanter Treiber für spezifische Risiken. Insbesondere die negative Korrelation für China passt gut zu der herausgehobenen Stellung des Landes in der globalen Produktion zahlreicher strategisch relevanter mineralischer Rohstoffe. Eine analoge Erklärung für die EU, Südkorea und Japan – alle drei importabhängig bei den meisten Rohstoffen – greift allerdings nicht. Denn während hohe Rohstoffpreise in der EU tatsächlich mit hohen spezifischen Risiken einhergegangen sind – Versorgungssicherheit war hier offensichtlich ein wesentlicher Treiber – kann ein solcher Zusammenhang für Japan nicht beobachtet werden bzw. ist dieser für Südkorea sogar eher umgekehrt. Dies wiederum passt gut zu den dargestellten Unterschieden in der Rohstoffpolitik dieser Länder. Während die EU im betrachteten Zeitraum eine im Vergleich eher indirekt wirkende Rohstoffpolitik verfolgt hat, waren Südkorea und Japan deutlich aktiver bei der Implementierung direkter Maßnahmen zur Sicherung der Rohstoffversorgung, einschließlich der Gründung staatlicher Rohstoffunternehmen und der Unterstützung von Rohstoffunternehmen bei Explorationsvorhaben und Investitionen im Ausland durch quasi-staatliche Beteiligung. Offensichtlich tragen diese Maßnahmen wirkungsvoll dazu bei, das Versorgungsrisiko nationaler Unternehmen mit strategisch relevanten Rohstoffen zu reduzieren.
Fazit zum Risikovergleich importabhängiger Länder
Die Sicherung der Versorgung mit strategisch relevanten mineralischen Rohstoffen ist von hoher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Die Strategien einzelner Länder hierzu sind unterschiedlich. Während fast alle Staaten weltweit Effizienz, Recycling und Substitute fördern und internationale Partnerschaften und Allianzen aufbauen, verfügen nur wenige Staaten über eigene Gesellschaften, die sich am Rohstoffabbau im In- und Ausland aktiv beteiligen. Zur Wirkung unterschiedlicher staatlicher Strategien zur Sicherung der Rohstoffversorgung gibt es wenig Evidenz. An dieser Stelle wurde ein Ansatz vorgestellt, mit dem das länderspezifische Risiko von Unternehmen aus rohstoffintensiven Branchen abgeschätzt werden kann. Ein Abgleich mit der Entwicklung globaler Rohstoffpreise ermöglicht Erkenntnisse zur Wirkung unterschiedlicher Politikansätze. Die quantitativen Ergebnisse dieser Analyse legen insgesamt nahe, dass eine aktive Rohstoffpolitik dazu beitragen kann, das Versorgungsrisiko der Unternehmen signifikant zu senken.
- 1 Die Darstellung basiert auf Abschnitt 3.1 in Pavel et al. (2022).
- 2 Die Auswahl und Bezeichnung der Wirtschaftsbereiche basieren auf der durch den Wirtschaftsdatendienstleister Capital IQ bereitgestellte Unternehmenssuche. Die durch Capital IQ definierten und übergeordneten Wirtschaftsbereiche decken weitere darunter liegende Industriezweige ab.
- 3 Der Vergleichsindex umfasst insgesamt 469 Unternehmen. Davon stammen 40 aus der EU, 75 aus den USA, 26 aus China, 118 aus Japan und 49 aus Südkorea. Weitere 161 Unternehmen stammen aus sonstigen Ländern weltweit.
- 4 Der World Metals Index von Oxford Economics umfasst die Preisentwicklung der Rohstoffe Aluminium, Kupfer, Eisen, Blei, Nickel, Zinn und Zink.
Literatur
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