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Für Unternehmen ist Deutschland in den vergangenen 15 Jahren zu einem Hochsteuerland geworden. Um im internationalen Standortwettbewerb wieder Boden gutzumachen, wird in der Politik aktuell viel über Entlastungen diskutiert. Im Vergleich zu den Herausforderungen in den Bereichen Infrastruktur oder Bürokratie lässt sich der Nachteil einer hohen steuerlichen Belastung leicht beheben. Simulationsrechnungen zufolge würde eine Steuersenkung insbesondere bei den privaten Investitionen zu einem spürbaren Aufschwung führen und könnte darüber hinaus als nicht zu unterschätzendes Aufbruchssignal im internationalen Standortwettbewerb wirken.

In nur wenigen anderen Industrieländern werden Kapitalgesellschaften steuerlich so stark belastet wie in Deutschland. Kapitalgesellschaften unterliegen in Deutschland nicht nur der Körperschaftsteuer (KSt), sondern auch der kommunal festgelegten Gewerbesteuer und dem Solidaritäts­zuschlag. In Summe ergibt sich gegenwärtig eine Steuer­belastung von rund 30 % im Durchschnitt über die Kommunen (OECD, 2023).

Abbildung 1
Entwicklung der nominalen Steuersätze für Kapitalgesellschaften
Entwicklung der nominalen Steuersätze für Kapitalgesellschaften

Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD (2023).

Gestiegene Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland

Die nominale Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften lag im Jahr 2023 damit 6,4 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der anderen OECD-Länder (vgl. Abbildung 1). Seit der Jahrtausendwende war es stets so, dass die Steuerbelastung in Deutschland im OECD-Vergleich überdurchschnittlich hoch war. Allerdings gelang es, in den Jahren 2001 und 2008 durch Reformen den Abstand spürbar zu verringern. Am aktuellen Rand hat sich der Unterschied dagegen ausgeweitet. Gegenüber dem Jahr 2008 ist das Delta von 3,7 Prozentpunkten auf 6,4 Prozentpunkte angewachsen. Die aktuelle Steuerbelastung übertrifft nicht nur den Durchschnitt der OECD-Länder deutlich, sondern ist auch weit höher als in vergleichbaren Industrieländern. Innerhalb der OECD-Länder liegt Deutschland weit vorne in der Spitzengruppe, nahezu gleichauf mit Japan und Australien (vgl. Abbildung 2). Lediglich Portugal weist einen höheren Tarif auf, diskutiert jedoch gegenwärtig eine Senkung in drei Schritten um insgesamt 6 Prozentpunkte. Zudem ist in allen angrenzenden Staaten die Unternehmensteuerbelastung derzeit geringer als in Deutschland. Unter den Staaten der EU hat neben Portugal nur noch Malta einen höheren nominalen Unternehmensteuersatz als Deutschland. Gegenüber dem ungewichteten Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten (EU27) liegt die Belastung in Deutschland im Jahr 2023 knapp 9 Prozentpunkte höher (Eurostat, 2023).

Abbildung 2
Nominale und effektive Steuersätze für Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich

in %

Nominale und effektive Steuersätze für Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich

Quelle: eigene Berechnung für ausgewählte OECD-Länder auf Basis von OECD (2023).

Gleichzeitig ist festzustellen, dass die effektive Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland annähernd so hoch wie die tarifliche Steuerbelastung ausfällt. Der effektive Steuersatz nach Berechnungen der OECD misst die marginale Belastung einer zukünftigen, hypothetischen Investition eines Unternehmens. Mit 26,6 % liegt Deutschland auch hier im Spitzenfeld, da in den meisten Ländern die effektive Steuerbelastung etwas geringer als die nominale Steuerbelastung ist (OECD, 2023). Die Unterschiede zwischen tariflicher und effektiver Steuerbelastung in Deutschland sind damit unauffällig.

Die durchschnittliche Steuerbelastung von rund 30 % für Kapitalgesellschaften in Deutschland überdeckt regionale Unterschiede. Obwohl auch in anderen Ländern regionale oder lokale Unterschiede bei den Steuersätzen existieren, ist die Gewerbesteuer in Deutschland vergleichsweise bedeutend, da im Durchschnitt ungefähr die Hälfte der Gesamtsteuerlast auf die Gewerbesteuer entfällt. Aufgrund der lokal festgelegten Gewerbesteuer beträgt die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen bis zu 36 %. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Städte und Gemeinden, die mit einer Gesamtsteuerbelastung von rund 25 % bereits heute international konkurrenzfähig sind. Die Gewerbesteuer ist auch dafür verantwortlich, dass die Steuerbelastung in Deutschland in den vergangenen Jahren gegen den internationalen Trend gestiegen ist. Zwischen 2013 und 2018 hat mehr als die Hälfte der deutschen Kommunen den Gewerbesteuerhebesatz erhöht, während nur 1 % den Satz gesenkt hat. Im Schnitt ist die Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland aktuell um 0,5 Prozentpunkte höher als im Jahr 2008 (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3
Veränderung der nominalen Steuersätze von 2008 bis 2023 für OECD-Länder

in Prozentpunkten

Veränderung der nominalen Steuersätze von 2008 bis 2023 für OECD-Länder

Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD (2023).

Die Relevanz dieser Entwicklung zeigt der Blick auf andere Länder. Überwiegend kam es zu einer Senkung der Steuerbelastung. Auch in Großbritannien und den USA, wo umfangreiche Steuersenkungen teilweise revidiert wurden, ist die Steuerbelastung heute geringer als vor 15 Jahren. Seit der vorerst letzten Unternehmensteuerreform im Jahr 2008 hat sich folglich die steuerliche Wettbewerbsposition Deutschlands erheblich verschlechtert.

Steuersatz als Instrument zur Standortstärkung

Die Bestandsaufnahme verdeutlicht, dass – ähnlich wie im Jahr 2008 – Handlungsbedarf für eine Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland gegeben ist. Eine Befragung im Jahr 2020 ergab in diesem Zusammenhang, dass mehr als die Hälfte der 104 teilnehmenden Volkswirte eine Senkung der Unternehmensteuern in Deutschland befürwortete. Weniger als ein Viertel der Teilnehmer sah hingegen keine Handlungs­not­wendigkeit. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Teilnehmer bewertete eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes um 5 Prozentpunkte auf 10 % als angemessen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu verbessern. Einige sprachen sich für eine weitergehende Reduktion aus (Blum et al., 2020). Ebenso empfahl der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium vor dem Hintergrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, den Körperschaftsteuersatz von 15 % auf 10 % zu senken (Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, 2019). Auch in der Politik ist die Erkenntnis gereift, dass Handlungsbedarf besteht. Sowohl die Regierung, insbesondere Finanzminister und Wirtschaftsminister, als auch die federführende Opposition haben betont, dass sie die steuerliche Standortqualität verbessern wollen.

Einen ersten Schritt in diese Richtung stellen das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Wachstumschancengesetz sowie die Wachstumsinitiative dar. Allerdings ist der Umfang zu gering, um die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend zu stärken (Beznoska et al., 2023). Gegen eine weiterreichende Absenkung der Steuerbelastung von Unternehmen sprechen vor allem die fiskalischen Kosten. Auch wenn Selbstfinanzierungseffekte die Belastung der öffentlichen Haushalte abmildern können, ist ein Rückgang des Steueraufkommens, vor allem in der kurzen Frist, kaum zu verhindern. Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur stellt fest, dass sich eine Senkung der Unternehmensteuer­belastung nur zum Teil selbstfinanziert. Deutschland muss sich gleichwohl den Realitäten des internationalen Standortwettbewerbs stellen. Daher stellt sich für die Politik die Herausforderung, im Rahmen der Schuldenbremse Anreize zu setzen, die Investitionstätigkeit der Unternehmen zu erhöhen.

Das Ziel politischen Handelns sollte indes nicht sein, das Steueraufkommen, sondern den gesellschaftlichen Wohlstand zu maximieren. Die Literatur weist darauf hin, dass eine Senkung der Unternehmensteuerbelastung insbesondere über eine Stärkung der privaten Investitionen das BIP und somit den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand erhöhen kann (Fuest & Wildgruber, 2017). Weitere Studien zeigen zudem, dass die Steuerinzidenz bei Unternehmensteuern etwa zur Hälfte bei den Arbeitnehmern liegt. Folglich profitieren auch Arbeitnehmer über ein steigendes Lohnniveau von einer Senkung der Unternehmensteuern (Fuest et al., 2018).

Simulationsrechnungen zeigen starken Investitionseffekt

Vor diesem Hintergrund könnte eine gestufte Senkung des Körperschaftsteuersatzes eine Lösung bieten, um mittelfristig eine deutliche Entlastung zu erreichen, ohne die fiskalischen Grenzen der Schuldenbremse zu überschreiten. In gleichmäßigen Jahresschritten könnte der Steuersatz verbindlich um insgesamt 5 Prozentpunkte, das heißt um 1 Prozentpunkt pro Jahr über fünf Jahre hinweg, abgesenkt werden. Mit einem (rückwirkenden) Beginn im Jahr 2024 hieße dies, dass der Steuersatz ab dem Jahr 2028 bei 10 % läge. Unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer und des Solidaritätszuschlags würde die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland dadurch im Durchschnitt auf rund 25 % begrenzt werden.

Wie sich die Steuersatzsenkungen ökonomisch auswirken, lässt sich anhand des Oxford Global Economic Models simulieren (Oxford Economics, 2023). Es handelt sich um ein makroökonomisches Modell der globalen Wirtschaft, dem sowohl theoretische Zusammenhänge als auch empirisch ermittelte Parameter zugrunde liegen. Eine Einschränkung ist, dass im Modell nicht zwischen der Gewerbe- und der Körperschaftsteuer unterschieden wird, sodass die Ergebnisse als eine Schätzung interpretiert werden sollten. Ferner stellen sich durch eine Körperschaft­steuersenkung Effekte ein, die über den Betrachtungszeitraum von zehn Jahren der Modellsimulation hinausgehen.

Durch die Steuersatzsenkung würde das reale BIP nach fünf Jahren um 3,7 Mrd. Euro (in Preisen des Jahres 2023) höher liegen als im Basisszenario ohne steuerpolitische Veränderungen. Insgesamt ergibt sich ein kumulierter realer BIP-Effekt über die nächsten zehn Jahre in Höhe von knapp 36 Mrd. Euro. Neben der gesamtwirtschaftlichen Aktivität werden weitere Größen durch die Steuerentlastung beeinflusst. Der Beschäftigungseffekt liegt im fünfstelligen Bereich. Hingegen löst eine Körperschaftsteuersenkung nur geringe Effekte auf den privaten Konsum aus. Nach fünf Jahren liegt dieser real um lediglich 700 Mio. Euro höher als im Basisszenario (ohne Steuerreform). Der stärker werdende Effekt im Zeitverlauf basiert insbesondere auf Zweitrundeneffekten auf dem Arbeitsmarkt, das heißt, die steigende Beschäftigung sorgt für mehr Konsum.

Besonders kräftig wirkt die Steuerreform auf die Anlageinvestitionen (vgl. Abbildung 4). Die Senkung der Körperschaftsteuer um 5 Prozentpunkte bewirkt eine dauerhafte Steigerung der Anlageinvestitionen, die über den Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks auch einen positiven Effekt auf die Entwicklung des Produktionspotenzials ausübt. Die privaten Investitionen liegen nach fünf Jahren um 5,6 Mrd. Euro höher. Insgesamt steigen die privaten Investitionen über zehn Jahre hinweg kumuliert um real 57 Mrd. Euro. Gleichwohl erhöht der Anstieg der Investitionen neben der inländischen Verwendung auch die Importnachfrage nach ausländischen Gütern und Dienstleistungen und verringert so die positive Handelsbilanz. Dadurch liegen die BIP-Effekte kumuliert unterhalb der Zunahme bei den privaten Investitionen.

Abbildung 4
Auswirkung der Steuerreform auf die Investitions­tätigkeit

Index 2023 = 100

Auswirkung der Steuerreform auf die Investitionstätigkeit

Als Abweichung durch jährliche Senkung der Körperschaftsteuer um jeweils 1 Prozentpunkt über fünf Jahre vom Basisszenario ohne Steuerreform.

Quelle: eigene Berechnung auf Basis von Oxford Economics (2023).

Die positiven Auswirkungen auf die private Investitionstätigkeit nehmen bis zum Ende des Betrachtungszeitraums nach zehn Jahren zwar weiter zu, aber mit abnehmender Geschwindigkeit. So liegen die Anlageinvestitionen im Jahr 2033 um 1,6 % höher, was einer Zunahme des Investitionsvolumens um 10,2 Mrd. Euro entspricht (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Ökonomische Effekte einer Körperschaftsteuer-Senkung über fünf und zehn Jahre

in Preisen des Jahres 2023

  nach fünf Jahren nach zehn Jahren
Reales BIP 3,7 6,2
Beschäftigung in 1.000 12,9 13,9
Privater Verbrauch 0,7 2,2
Anlageinvestitionen 5,6 10,2
Mindereinnahmen des Staates (nominal) -17,0 -17,2

Senkung der Körperschaftsteuer um einen Prozentpunkt als Abweichung vom Basisszenario ohne Steuerreform.

Quelle: eigene Berechnung auf Basis von Oxford Economics (2023).

Refinanzierungsgrad steigt kontinuierlich mit den Jahren

Die Entlastung der Unternehmen beeinflusst naturgemäß die Staatsfinanzen. Die Schuldenstandsquote liegt nach fünf Jahren um 1 Prozentpunkt höher als ohne Reform. Wenngleich die Steuerreform die Staatsverschuldung erhöht, ist zu bedenken, dass ein Teil der wegfallenden Staatseinnahmen durch den positiven Effekt auf die wirtschaftliche Aktivität über andere Einnahmequellen kompensiert wird (Sørensen, 2014).

Das höhere Budgetdefizit des Staates ist zudem in den Kontext der durch die Steuerreform ausgelösten positiven Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung zu stellen. Zu diesem Zweck stellt Abbildung 5 den Mindereinnahmen des Staates (vgl. Tabelle 1) die nachfrageseitigen inländischen Impulse auf die private Investitionstätigkeit und den privaten Konsum gegenüber. Ausgenommen von der Darstellung sind also die Effekte auf den Außenhandel (Nettoexporte sinken gegenüber dem Basisszenario) und die staatlichen Ausgaben (unverändert gegenüber dem Basisszenario). Anders als in Tabelle 1 sind diese Größen nun als Abweichung vom Basisszenario in nominaler Rechnung dargestellt, um ihre Größenordnung mit den ebenfalls in nominalen Werten angegebenen Mindereinnahmen des Staates vergleichen zu können.

Abbildung 5
Steuermindereinnahmen versus Impuls für Investitionen und Konsum
Steuermindereinnahmen versus Impuls für Investitionen und Konsum

Jeweils Abweichung der Werte durch jährliche Senkung der Körperschaftsteuer um jeweils 1 Prozentpunkt über fünf Jahre vom Basisszenario ohne Steuerreform.

Quelle: eigene Berechnung auf Basis von Oxford Economics (2023).

In den ersten neun Jahren nach der Steuerreform übersteigen die Mindereinnahmen des Staates den Impuls auf die inländische Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern, die negative Differenz nimmt jedoch im Zeitverlauf deutlich ab. Ab dem fünften Jahr verringert sich das Defizit zwischen positiven Wachstumsimpulsen und den entstandenen Mindereinnahmen des Staates spürbar. Läge die Differenz im Jahr 2028 noch bei -8,9 Mrd. Euro, betrüge sie 2032 nur noch 800 Mio. Euro. Im Jahr 2033 kehrt sich dann der Saldo um: Die Mindereinnahmen des Staates sind geringer als das Plus bei Konsum und Investitionen. Per Saldo übersteigen die zusätzlichen Investitionen und Konsumausgaben die Mindereinnahmen des Staates im zehnten Jahr um 500 Mio. Euro. Diese Entwicklung wird getrieben einerseits von den nahezu unveränderten Mindereinnahmen des Staates und andererseits einer deutlichen Zunahme bei den privaten Investitionen ab dem Jahr 2028. Dies belegt, dass die sinkende Steuerbelastung nicht primär zur Ersparnisbildung bei Unternehmen und Haushalten führt, sondern im Zeit­verlauf einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten kann.

Die Simulationsrechnungen im Oxford-Modell bestätigen die aus der Literatur erwarteten makroökonomischen Auswirkungen. Die Effekte sind mit Abstand am größten bei den privaten Investitionen der Unternehmen und zeigen sich im Zeitverlauf mit zunehmender Stärke. Die Körperschaftsteuersenkung führt zu einem leicht höheren BIP, neuen Stellen und über Zweitrundeneffekte zu höheren Einkommen. Wie in der Theorie postuliert wird, muss der Staat aber über einen längeren Zeitraum mit Mindereinnahmen rechnen. Erst nach einigen Jahren stehen dem Aufkommensverlust ähnlich große Impulse bei privaten Investitionen und privatem Konsum gegenüber. Im Jahr 2033 übersteigt der Zugewinn an Konsum und Investitionen erstmals die staatlichen Mindereinnahmen. Die Selbstfinanzierungsquote liegt nach zehn Jahren bei gut 20 %, wobei die Trendlinie einen weiter steigenden Anteil verheißt. Die volkswirtschaftlichen Gewinne einer Körperschaftsteuersenkung kommen folglich mit den Jahren immer stärker zum Tragen. Dabei gehen die Mindereinnahmen nicht mit einer Verletzung des EU-Stabilitätspakts einher, da aufgrund der Wachstumsdynamik die Schuldenstandsquote nachhaltig sinkt. Die Reform stärkt trotz der fiskalischen Kosten das langfristige Produktionspotenzial der deutschen Volkswirtschaft über einen zunehmenden Kapitalstock.

Jenseits der in der vorliegenden Studie dargestellten Simulationsergebnisse mit dem Oxford-Modell gibt es Aspekte, die aufgrund von Limitierungen des Modells nicht quantifiziert werden konnten. So integriert das Oxford-Modell zwar die ausländischen Direktinvestitionen (Zu- und Abflüsse) in Deutschland, diese hängen aber nicht von einer steuerlichen Änderung direkt ab.

Eine weitere Restriktion ist der vom Oxford-Modell vorgegebene Betrachtungshorizont von maximal zehn Jahren. Die positiven Effekte auf Investitionen und Konsum sowie der damit zusammenhängende steigende Selbstfinanzierungsgrad der Steuerreform erreichen in den Modellergebnissen nach zehn Jahren ihr Maximum. Es ist naheliegend, dass diese positiven Auswirkungen auch in den Jahren danach bestehen bleiben. Der inländische Wachstumsimpuls nimmt bis 2033 stetig zu und übersteigt dann die Mindereinnahmen der Steuerreform erstmalig. Somit ist davon auszugehen, dass die strukturellen Wirkungen einer Körperschaftsteuersenkung in den durchgeführten Modellberechnungen unterschätzt werden.

Die Refinanzierungsquote wird voraussichtlich sogar über das zehnte Jahr hinaus weiter zunehmen, wie aus einer Studie von Dorn et al. (2021) hervorgeht. Diese Studie zeigt, dass erst nach zwölf Jahren etwa 75 % der maximalen Effekte erreicht werden. Folglich verbessert sich die Bilanz der Reform kontinuierlich in den weiteren Jahren, die aufgrund von Modellbeschränkungen nicht simuliert wurden. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer langfristig orientierten Betrachtung solcher Steuersenkungen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der im Modell ersichtliche positive Effekt auf den Kapitalstock. Dieser liegt nach zehn Jahren um 0,4 % höher als im Basisszenario. Dies kann aufgrund des demografisch bedingten und sich verschärfenden Fachkräftemangels in Deutschland ein relevanter Impuls für den Erhalt oder den Ausbau des Produktionspotenzials sein, welcher ebenfalls über den Betrachtungszeitraum von zehn Jahren hinausgeht. Der Aufwuchs beim Kapitalstock dient insofern als Substitut für den Rückgang beim Arbeitskräftepotenzial (SVR, 2023, S. 122 ff.). Zudem könnten geopolitische Entwicklungen wie der Nahostkonflikt oder der Ukrainekrieg zu einem Investitionsattentismus in Deutschland führen. Ein damit einhergehender Strukturbruch ist in einem makroökonomischen, wenn auch globalen Modell nicht darstellbar.

Die positiven Wachstumsimpulse bei der privaten Investitionstätigkeit stimulieren außerdem die Wirtschaftsleistung im europäischen Umfeld. So beträgt der Anteil der importierten Vorprodukte aus anderen EU-Mitgliedstaaten ungefähr zwei Drittel der gesamten Warenimporte Deutschlands (Kolev & Obst, 2020). Gemäß den Modellrechnungen steigen die deutschen Importe deutlich. Die Steuersenkung in Deutschland stimuliert also über die Handelsbilanz nicht nur das inländische Wachstum, sondern ebenso die Produktion im Ausland, aufgrund der intensiven Verflechtungen insbesondere in den EU-Nachbarstaaten. Angesichts der besonderen Verantwortung Deutschlands für Europa ist dies ein nicht gering zu schätzender Aspekt der modellierten Steuersenkung. Gleichzeitig sollte bedacht werden, dass auch die deutsche Volkswirtschaft aufgrund ihrer Exportstärke von entsprechenden Steuersenkungen in anderen EU-Staaten profitiert.

Transformation braucht mehr privates Kapital

Insgesamt sprechen daher neben den Simulationsergebnissen weitere Argumente für steuerliche Impulse, um die private Investitionstätigkeit zu stärken. Angesichts der erheblichen Investitionsbedarfe im Zusammenhang mit der bevorstehenden Transformation in den Bereichen Klimaneutralität, Digitalisierung und Mobilitätswende ist das Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Investitionen von entscheidender Bedeutung. Während der Staat zweifellos eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung der Transformation spielt, sollte die Politik stets berücksichtigen, dass fast neun von zehn investierten Euro aus der Privatwirtschaft stammen. Daher ist es im Interesse einer erfolgreichen Transformation erforderlich, die öffentlichen Investitionen zu stärken und gleichzeitig Anreize für Unternehmensinvestitionen zu schaffen.

Eine Senkung der Körperschaftsteuer um zumindest 5 Prozentpunkte könnte die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland wiederherstellen und auf diesem Wege einen signifikanten, gleichzeitig nicht verzerrenden Beitrag zu einer Stärkung der Wachstums­potenziale leisten. Dies würde wiederum das Gelingen der Transformation wahrscheinlicher machen. Jenseits ökonomischer Kennzahlen könnte eine für Unternehmen sichtbare Senkung des Steuersatzes auch eine psychologische Wirkung entfalten und dazu beitragen, dass hierzulande mehr investiert wird.

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version des Gutachtens „Stiftung Familienunternehmen (Hrsg.): Standortfaktor Körperschaftsteuer – Szenarien für mehr Investitionen, erstellt vom IW – Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V., München 2024“.

Literatur

Beznoska, M., Hentze, T. & Obst, T. (2023). Wachstumschancengesetz: Eine vertane Chance auf mehr Wachstum, IW-Kurzbericht, 83.

Blum, J., Büttner, T. & Potrafke, N. (2020). Belastung durch Unternehmensteuern in Deutschland senken – ist das der richtige Weg? ifo-Schnelldienst, 4.

Dorn, F., Fuest, C., Neumeier, F. & Stimmelmayr, M. (2021). Wie beeinflussen Steuerentlastungen die wirtschaftliche Entwicklung und das Steueraufkommen? Eine quantitative Analyse mit einem CGE-Modell. ifo Schnelldienst, 74(10), 3–11.

Eurostat. (2023). Top statutory corporate income tax rates (including surcharges), 1995-2023.

Fuest, C., Peichl, A. & Siegloch, S. (2018). Do higher corporate taxes reduce wages? Micro evidence from Germany. American Economic Review, 108(2), 393–418.

Fuest, C. & Wildgruber, S. (2017). Steuerpolitik und Wirtschaftswachstum. Wirtschaftsdienst, 97(13), 4–8.

Kolev, G. & Obst, T. (2020). Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten. IW-Report, 16.

OECD. (2023). OECD.Stat, Statutory Corporate Income Tax Rates [Data set]. https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=CTS_CIT

Oxford Economics. (2023). Global Economic Model. https://www.oxfordeconomics.com/service/subscription-services/macro/global-economic-model/

Sørensen, P. B. (2014). Measuring the deadweight loss from taxation in a small open economy: A general method with an application to Sweden. Journal of Public Economics, 117, 115–124.

SVR – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. (2023). Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren. Jahresgutachten 2023/24.

Wissenschaftlicher Beirat beim BMF. (2019, März). Stellungnahme des unabhängigen Wissenschaftlichen Beirats beim BMF – Zur US­Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland. Monatsbericht des BMF, 33–39.

Title:Tax Reduction as Investment Driver

Abstract:Germany has become a high-tax country for companies over the past 15 years. There is currently a lot of discussion in politics about how the tax burden for companies can be lowered in order to enhance private investments. Compared to challenges in the areas of infrastructure or bureaucracy, the disadvantage of a high tax burden can be easily remedied by political decisions. According to simulations, a tax cut would lead to a noticeable upswing in private investments and could also act as a signal in international location competition that should not be underestimated.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0142