Drei Themen werden die Agenda der neuen Regierung bestimmen: erstens der Krieg in der Ukraine und die europäische Sicherheit, zweitens die Zukunft des Welthandels und drittens die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft. Die ersten beiden Themen kommen von außen und lassen sich nur wenig von der deutschen Regierung beeinflussen. Aber Europa hat auf beiden dieser Gebiete durchaus Gewicht und Deutschland nimmt eine Schlüsselrolle in den europäischen Entscheidungsprozessen ein. Die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft muss Deutschland dagegen allein bewältigen.
Krieg und Frieden in Europa
Der Krieg in der Ukraine, der mit dem Amtsantritt von Donald Trump in eine andere, vielleicht entscheidende Phase eintreten wird, stellt die erste und sicherlich wichtigste Herausforderung für die nächste Regierung dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump, wie angekündigt, innerhalb von 24 Stunden einen Frieden mit Putin aushandeln kann, ist freilich mehr als gering, aber es kann gut sein, dass Trump bald einen Friedensplan vorlegen wird.
Trump und Putin werden bei ihren Verhandlungen möglicherweise Europa und die Ukraine außen vorlassen. Dies lässt sich kaum ändern. Europa kann aber durchaus eine wichtige, vielleicht entscheidende Rolle spielen, wenn es signalisiert, dass die Europäer gewillt sind, die Ukraine mit genug finanziellen und militärischen Mitteln zu versorgen, um gegen die russische Invasion weiter Widerstand zu leisten. Und dies selbst dann, wenn sich die USA von dem Konflikt abwenden und ihre Unterstützung für die Ukraine herunterfahren oder gar einstellen.
Die Zahlen des Ukraine Support Tracker (Trebesch et al., o. J.) zeigen, dass Europa bei der Unterstützung der Ukraine mit den USA gleichgezogen hat: Bis Ende letzten Jahres sind aus Europa rund 124 Mrd. Euro geflossen, vergleichbar mit 112 Mrd. Euro aus den USA. Die Europäische Union stand im Mittelpunkt dieser gesamteuropäischen Anstrengungen, zu denen nicht nur die EU-Institutionen und alle Mitgliedstaaten, sondern auch das Vereinigte Königreich und Norwegen signifikant beigetragen haben. Für viele überraschend ist vielleicht, dass Europa ebenso viel Militärhilfe geleistet hat wie die USA (rund 60 Mrd. Euro). Darüber hinaus haben die EU und ihre europäischen Verbündeten bereits weitere 120 Mrd. Euro für die nächsten Jahre zugesagt. Was die USA machen werden, ist noch unklar.
Diese Zahlen müssen im Zusammenhang mit der Größe der jeweiligen Volkswirtschaften und deren Militärhaushalten gesehen werden. Für die USA stellt die Gesamthilfe von 115 Mrd. US-$ über fast drei Jahre kaum mehr als einen Rundungsfehler im US-BIP dar, das sich auf ca. 25 Billionen Euro pro Jahr beläuft. Die europäische Wirtschaft ist etwas kleiner. Das BIP der EU plus dem des Vereinigten Königreichs und Norwegens beträgt ca. 20 Billionen pro Jahr. Die Ukrainehilfe macht auch hier nur einen Bruchteil der europäischen Wirtschaftsleistung (etwas über 0,2 % vom BIP) aus.
Sollten die USA ihre Hilfe vollständig einstellen, müsste Europa 80 Mrd. bis 100 Mrd. Euro pro Jahr aufbringen, um zu vermeiden, dass Russland die Ukraine überrollt. Eine solche Summe läge nur knapp über 0,5 % des BIPs von Europa, ist aber zu groß, um über den regulären EU-Haushalt finanziert zu werden. Der einzige gangbare Weg scheint zu sein, dass jene Mitgliedstaaten, die sich beteiligen wollen (also fast alle außer Ungarn, vielleicht auch mit dem Vereinigten Königreich), einen speziellen Fonds gründen, der sich über Anleihen finanziert. Die Ausgabe von gemeinschaftlichen Schulden ist in diesem Fall angebracht. Laufende Ausgaben sind natürlich über laufende Einnahmen zu finanzieren. Aber ein Krieg stellt eine außergewöhnliche Ausgabe dar, die durchaus mit Schulden finanziert werden kann.
Natürlich reicht es nicht aus, diese Summen aufzubringen. Dahinter muss auch eine Strategie stehen, um die europäische und deutsche Rüstungsindustrie weiter aufzubauen. Es wird aber dauern bis die Versäumnisse der vergangenen Jahre wettgemacht sind. In der Zwischenzeit sollte die Bundesregierung führend an der Bereitstellung eines europäischen finanziellen Sicherheitsnetzes für die Ukraine mitwirken. Denn die Sicherheit und der Wohlstand von Deutschland und ganz Europa wären in Gefahr, sollte Putin gewinnen.
Deutsche Exporte in einer zweiten Amtszeit Trumps
Die Vorliebe von Donald Trump für Zölle ist nach seiner ersten Amtszeit bekannt. Aber dies muss kein Problem für die deutsche Wirtschaft werden. Die EU ist der größte Exporteur der Welt, also sogar größer als China. Exporte machen etwa 25 % des EU-BIP aus, viel mehr als in den USA. Die USA sind zudem der größte Exportmarkt für die EU. Deutschlands Wirtschaft hängt noch mehr an den Exporten, die über die Hälfte seines BIPs ausmachen. Allerdings: Der größte Teil der deutschen Exporte geht an Partnerländer innerhalb der EU. Auch die deutschen Importe stammen überwiegend aus der EU. Die deutschen Exporte außerhalb der EU betragen etwas über 800 Mrd. Euro, also 25 % des deutschen BIPs von insgesamt 4,1 Billionen Euro. Deutschlands Abhängigkeit vom globalen Handel liegt damit im EU-Durchschnitt. Die hohe Abhängigkeit von Exporten deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass Deutschland und Europa viel von dem selbsternannten „Zölle-Mann“ zu befürchten haben (Wirtschaftsdienst, 2024).
Bei genauerer Betrachtung könnte die kommende zweite Trump-Administration wirtschaftlich mehr Chancen als Risiken bieten. Denn die Handelspolitik ist eines der wenigen Gebiete, in denen die EU als eine Einheit handeln kann. Die zentrale Frage ist nun, wie die EU auf US-Zölle reagieren sollte, und wie sich die neue Bundesregierung innerhalb der EU positioniert. Früher haben Länder Zölle als Instrument sparsam eingesetzt, meist um spezifische Industrien zu schützen. Die heutige Situation ist eine ganz andere. Ein Argument von Trump für US-Zölle ist, dass Amerika im globalen Handel verliert, weil andere Nationen deutlich höhere Zölle auf amerikanische Exporte erheben. Ob die USA tatsächlich niedrigere Zölle haben (insbesondere nach den von Trump selbst eingeführten) als die EU oder China, ist zu diskutieren. Was hier zählt ist, dass Trump diesen Eindruck hat oder zumindest vermittelt (wie man etwa auf seiner Webseite nachlesen kann, auf der behauptet wird, dass EU-Zölle 50 % höher seien als die der USA). Die Zahl „50 % höher“ soll einen hohen Wert suggerieren, tatsächlich wäre dies jedoch der Unterschied zwischen einem Durchschnitt von 3,5 % für die USA und 5 % für die EU.
Angesichts von Trumps Fixierung könnte es sich lohnen, einige der verbleibenden EU-Zölle zu senken, insbesondere den 10 %igen Einfuhrzoll auf Autos, einschließlich E-Fahrzeuge. Brüssel könnte Trump etwa anbieten, diesen Satz auf den gleichen Satz wie den US-amerikanischen zu senken, also auf 2,5 %, oder sogar auf null. Dazu müssten die verantwortlichen Politiker ihren Stolz überwinden. Sie sollten dem Beispiel des Vorgängers von Ursula von der Leyen, Jean Claude Juncker, folgen, dem es gelang, während der ersten Trump-Administration einen drohenden transatlantischen Handelskrieg zu entschärfen.
Europa könnte auch über einen anderen Weg von einer zweiten Trump-Administration profitieren, wenn nämlich letztere, wie angekündigt, hohe Zölle auf Importe aus China verhängt. Denn europäische Produzenten wären Hauptnutznießer, wenn diese eingeführt würden, da sie dann auf dem großen US-Markt gegenüber der chinesischen Konkurrenz einen erheblichen Wettbewerbsvorteil hätten. Dies zeigt sich bereits heute auf dem US-Automarkt, wo EU-Unternehmen gut abschneiden, da chinesische Autos bereits durch den 100 %-Zoll der Biden-Administration auf chinesische E-Autos effektiv vom Markt ausgeschlossen wurden. Deutsche Firmen profitieren doppelt davon: durch mehr Exporte und weil sie selbst in den USA Fabriken betreiben.
Es sollte daher ein zentrales Ziel deutscher Politik sein, die transatlantische Handelsfront zwischen den USA und der EU in den nächsten vier Jahren ruhig zu halten. Zumal ein globaler Handelskrieg nicht zu befürchten ist. Vor etwa 100 Jahren verschärften die USA die Große Depression, indem sie ihre Zölle erhöhten, was einen globalen Zollkrieg auslöste, der zu einem Spiraleffekt beim Rückgang des Welthandels führte. Diesmal ist die Situation jedoch eine andere. Die meisten Staaten haben kein Interesse daran, dem US-Beispiel zu folgen, da dies für die vielen kleinen offenen Volkswirtschaften, die das Rückgrat des Welthandels bilden, keinen Sinn ergibt. Auch China hat geringe Anreize, Zölle auf Importe aus Europa oder anderen Ländern zu erheben. Daher ist es wahrscheinlich, dass der Zollkrieg, den Trump zu gewinnen hofft, hauptsächlich eine bilaterale Angelegenheit zwischen den USA und China bleiben wird. Aber obwohl dies die beiden größten Volkswirtschaften der Welt sind, macht der Handel zwischen ihnen nur einen kleinen Prozentsatz des Welthandels aus. US-Warenimporte aus China belaufen sich auf etwa 500 Mrd. US-$, was 0,5 % des weltweiten BIPs und 2 % des Welthandels entspricht.
Strukturprobleme in Deutschland anpacken
Deutschland ist immer noch ein großes EU-Land mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen; aber die relative Position von Deutschland hat sich in den vergangenen fünf Jahren signifikant verschlechtert. Für lange Zeit lag das Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland (in Kauftkraftparitäten gerechnet) mehr als 25 % über dem EU-Durchschnitt. 2018 setzte aber eine Verschlechterung ein, so dass der Wert heute nur noch 15 % über dem EU-Durchschnitt liegt. Wird dieser Trend nicht unterbrochen, fällt Deutschland bis zum Ende des Jahrzehnts auf den EU-Durchschnitt zurück.
Spitzenforschung gilt als der entscheidende Faktor um ein Land global wettbewerbsfähig zu machen. Deutschland sieht sich selbst als Forschungsland. Innerhalb Europas steht es gut da. Schon vor über 20 Jahren, im Rahmen der im Jahr 2000 beschlossenen Lissabon-Strategie, hatte die EU sich vorgenommen, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu steigern. Um das zu erreichen, sollte unter anderem der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) bis zum Jahr 2010 auf 3 % des BIPs steigen. Dieses Ziel wurde auf EU-Ebene weit verfehlt. Heute liegt der Durchschnitt bei 2,2 % des BIPs und damit kaum höher als damals. Zum Vergleich: In den USA betragen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung dagegen 3,5 % des dortigen BIPs. Innerhalb Europas gibt es allerdings erhebliche Unterschiede: Vor allem in südeuropäischen Volkswirtschaften wie Italien und Spanien wird wenig investiert. Dort liegen die Quoten bei rund 1,5 %. Deutschland steht mit 3,1 % besser da. Dies liegt teilweise an der großzügigen öffentlichen Unterstützung. Der deutsche Staat gibt in etwa 1 % des BIPs für die Finanzierung von Forschung an Universitäten und den großen Forschungseinrichtungen aus, mehr als die amerikanische Regierung (dort sind es lediglich 0,6 bis 0,7 % vom US-BIP). Die großen Institute wie Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) betreiben international anerkannte Spitzenforschung und sichern Deutschland in der Forschung einen Spitzenplatz innerhalb Europas. Auch deswegen liegt der Lebensstandard in Deutschland immer noch über dem EU-Durchschnitt.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Der Bundesbericht Forschung und Innovation (BMBF, 2022) mit Daten und Fakten zum deutschen Forschungs- und Innovationssystem besagt, dass über 70 % der F&E-Ausgaben von forschungsintensiven Industriezweigen getätigt werden. Das erscheint hoch, aber dabei wendet das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine besondere Definition von „forschungsintensiv“ an. Die forschungsintensive Industrie untergliedert sich demnach in „Spitzentechnologie“ und „hochwertige Technik“. Die Abgrenzung erfolgt über den Anteil der unternehmensinternen Ausgaben für F&E am Umsatz. Dabei gelten folgende Grenzen: Spitzentechnologie umfasst Güter, bei denen die unternehmensinternen F&E-Ausgaben mehr als 9 % des Umsatzes ausmachen. Die hochwertige Technik umfasst Güter mit einem Anteil der unternehmensinternen F&E-Ausgaben am Umsatz zwischen 3 % und 9 %. Ein Anteil von F&E-Ausgaben am Umsatz von lediglich 3 % kann aber kaum als forschungsintensiv bezeichnet werden.
Dem Bericht des BMBF (2022) zufolge entfällt nur ein gutes Fünftel (22 %) der F&E-Ausgaben der Wirtschaft auf Spitzentechnologien und 53 % entfallen auf die Kategorie „hochwertige Technik“. Der Anteil der Spitzentechnologien Deutschlands ist im Vergleich zu anderen innovativen Nationen gering. Das liegt vor allem an der Automobilindustrie, die lediglich der hochwertigen Technik zugeordnet werden kann, denn die F&E-Ausgaben belaufen sich dort auf rund 5 %. Offensichtlich fehlt es in Deutschland an (privaten) Investitionen in Hochtechnologie.
Fuest et al. (2024) finden ähnliche Ergebnisse und zeigen, dass es die Konzentration der deutschen Industrie auf „hochwertige Technik“ schon seit Jahrzehnten gibt. Die Autoren nennen dies die „Mitteltechnologiefalle“. Die Unternehmen investieren in diese Bereiche, weil sie diese kennen, das duale Ausbildungssystem liefert dazu die Facharbeiter, und die Banken finanzieren lieber Projekte aus Bereichen, die ihnen vertraut sind. Dazu kommt, dass ein Umschwenken auf neue Bereiche mit Personalabbau in den alten Werken einhergehen müsste, und dies wäre mit enormen Kosten verbunden (wie man am Fall Volkswagen sehen kann).
Die Schwäche in der Spitzentechnologie ist kein spezifisch deutsches Problem. Einige Partnerländer in der EU weisen sogar eine noch stärkere Konzentration in diesen mittleren Technologiebereichen auf oder forschen nur wenig selbst in diesen Bereichen. Deutschland steht also, zumindest unter den großen EU-Ländern, noch relativ gut da. Mit „hochwertiger Technik“ lässt sich aber keine globale Spitzenposition erreichen, zumal Chinas Industrie mehr und mehr in diesen Bereichen zum Konkurrenten wird.
Niedrige Produktivität von F&E-Ausgaben
F&E-Ausgaben sind kein Selbstzweck, sie dienen dazu neue Ideen, neue Prozesse und mehr Umsatz zu generieren. Man sollte also nicht nur die Höhe der F&E-Ausgaben betrachten, sondern auch ihre Produktivität. Leider hat der letzte Bericht der EU-Kommission zu den Forschungsleistungen europäischer Unternehmen festgestellt, dass die Produktivität von F&E-Ausgaben in Europa niedrig ist und zudem stark abgenommen hat. Die Analyse der Kommission zeigt, dass F&E-Investitionen zwar immer noch positiv zur Arbeitsproduktivität und Patentierung beigetragen haben, es aber einen weltweiten Trend zu sinkenden Erträgen aus F&E-Investitionen in Bezug auf die Generierung von Umsätzen und neuen Ideen gibt, was im Rückschluss bedeutet, dass heute mehr F&E-Investitionen erforderlich sind als in der Vergangenheit, um marktfähige Produkte oder neue Ideen hervorzubringen.
Der Rückgang der F&E-Produktivität ist ein globales Phänomen, es betrifft also nicht nur die in der EU ansässigen Unternehmen. Europäische Unternehmen weisen dabei aber ein niedrigeres F&E-Produktivitätsniveau auf als Unternehmen in den USA, China und anderen Ländern. Außerdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass europäische Unternehmen zu Regionen (z. B. China und den USA) mit höherer F&E-Produktivität aufschließen. Im Gegenteil, die Produktivität der F&E-Investitionen in Europa fällt stärker als in den USA.
Die auf ökonometrischen Untersuchungen beruhende Analyse der EU-Kommission wird bestätigt angesichts der Tatsache, dass F&E-Ausgaben in Deutschland in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben, das Wachstum aber zurückgegangen ist. Dies deutet darauf hin, dass höhere Ausgaben für F&E allein nicht viel bringen, sondern es darauf ankommt, deren Produktivität zu erhöhen. Dies gilt für Deutschland wie für Europa. Das gilt übrigens auch für Investitionen ganz allgemein. Die Investitionsquote liegt in Deutschland bei 21 % des BIPs, damit etwa auf dem Niveau der USA und lediglich 1 Prozentpunkt unter dem Durchschnitt der Eurozone. Etwa die Hälfte dieser relativ kleinen Investitionslücke stammt vom öffentlichen Sektor (Infrastruktur).
Vor diesem Hintergrund wirkt die Diskussion über die Schuldenbremse (Ehnts, 2024) als Hindernis für öffentliche Investitionen überzogen. Es stimmt wohl, dass diese in Deutschland seit Jahren vernachlässigt wurden. Aber ein halber Prozentpunkt vom BIP mehr ist nicht entscheidend für die deutschen Staatsfinanzen. Ein Großteil der öffentlichen Investitionen wird außerdem von den Bundesländern und Gemeinden getätigt. Dort allerdings liegen oft die Engpässe mehr bei der Planung als der Finanzierung. Außerdem stellen marode Brücken kein entscheidendes Hindernis für ein Start-up im Hightech-Bereich dar.
Was kann eine neue Regierung bewirken?
Das in dem Bericht von Mario Draghi (2024) geforderte Investitionsprogramm von über 800 Mrd. Euro jährlich für die EU (davon würden rechnerisch ca. 200 Mrd. Euro auf Deutschland entfallen) trifft nicht den Kern des Problems, denn es geht eher um die Produktivität der Investitionen als deren Umfang. Für Deutschland scheint das Wichtigste zu sein, den Strukturwandel, weg von den mittleren Technologiebereichen, nicht zu verhindern. Der Fall Volkswagen ist dafür bezeichnend. Aber auch hier zeigt sich, dass die Möglichkeiten einer Bundesregierung, den Strukturwandel zu unterstützen, begrenzt sind, wenn ein Land wie Niedersachsen auf die Bremse tritt.
Das gilt auch für das Finanzsystem. Ein Grund, warum die Unternehmensstruktur in Deutschland so starr ist, liegt im Bankensystem, das naturgemäß eher Kredite an etablierte Unternehmen vergibt, die in bekannte Technik investieren. Denn dies sind Risiken, mit denen die Banken vertraut sind. Auch im Bankensystem braucht es also einen Strukturwandel. Vor diesem Hintergrund sollte die neue Regierung eher die Übernahme der Commerzbank durch die UniCredit begrüßen. Die Tatsache, dass die neuen Eigner weniger mit der deutschen Industriestruktur verflochten sind, birgt Chancen für bessere Finanzierungsbedingungen für neue Unternehmen und Branchen.
Die Erwartungen an die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung sind überzogen. Die Möglichkeiten, von Berlin aus die deutsche Wirtschaft schnell wieder in Fahrt zu bringen, sind begrenzt. Wichtige Rahmenbedingungen werden auf EU-Ebene gesetzt, und ein Großteil staatlichen Handels in Deutschland, insbesondere Infrastrukturinvestitionen und die Umsetzung vieler Verordnungen, findet auf der Ebene der Bundesländer statt. Das viel beklagte Dickicht an Regulierungen, die das Wachstum hemmen, wird nur zum Teil in Berlin bestimmt.
Die Spezialisierung Deutschlands auf Industrien in mittleren Technologiebereichen, die über Jahrzehnte gewachsen ist, lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Das „Wissenskapital“ der deutschen Unternehmen liegt aber vor allem in diesen Bereichen. Es wird noch Jahre brauchen, bevor neue Unternehmen in neuen Bereichen entstehen und so weit wachsen, dass sie signifikant zur Wirtschaftsleistung beitragen werden. Initiativen wie die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) sind dabei nützlich, aber auch diese verfügt über ein sehr begrenztes Budget von einigen hundert Millionen Euro (gegenüber Hunderten von Milliarden Euro an Gesamtinvestitionen) und kann lediglich ein paar Saatkörner für zukünftige Spitzentechnologie säen.
Literatur
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2022). Forschung und Innovation 2022 mit Daten und Fakten zum deutschen Forschungs- und Innovationssystem.
Draghi, M. (2024). The future of European competitiveness: Report by Mario Draghi.
Ehnts, D. (2024). Quo vadis, Schuldenbremse? Über Sinn und Unsinn detaillierter Defizit- und Schuldenregelungen im Grundgesetz. Wirtschaftsdienst, 104(1), 25–28.
Fuest, C., Gros, D. & Tirole, J. (2024). Internationaler Wettbewerb um Innovationen: Europa in der Mitteltechnologiefalle. Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Trebesch, C., Cherepinskiy, D., Irto, G., Nishikara, T. (o. J.). Ukraine Support Tracker. Institut für Weltwirtschaft Kiel.
Wirtschaftsdienst. (2024). Zeitgespräch: Welthandel unter Druck: Was tun gegen Protektionismus und Handelskriege? Wirtschaftsdienst, 104(12).
Title: Three Priorities for the New Federal Government
Abstract: The new German government will have three fundamental policy issues to wrestle with: the war in Ukraine and European security, the future of global trade, and structural issues that hold back growth. Ukraine: If U.S. support wanes, Europe must stand ready. Trade: Trump’s tariffs offer opportunities. Structural issues: Germany lags in high-tech sectors and needs long-term structural reforms.