Die deutsche Volkswirtschaft steht vor großen strukturellen Herausforderungen, die einen erheblichen Finanzierungsbedarf des Staates mit sich bringen – etwa für die Transformation der Energieversorgung, die Digitalisierung und den demografischen Wandel. Angesichts dieser Belastungen werden immer wieder Vorschläge laut, die Einnahmenseite des Staates zu stärken, insbesondere durch Reformen bei der Besteuerung von Vermögen bzw. von Vermögensübertragungen wie Erbschaften und Schenkungen. Dies ist insofern nicht überraschend, da aufgrund der demografischen Entwicklung die Summe der jährlich übertragenen Vermögen schneller wächst als das Bruttoinlandsprodukt. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, welche Form der vermögensbezogenen Besteuerung volkswirtschaftlich sinnvoll und administrativ machbar ist. Effizient und gerecht wäre eine Reform der bestehenden Erbschaft- und Schenkungsteuer, die im Gegensatz zur Vermögensteuer bereits etabliert ist und an klar definierte Vermögensübertragungen anknüpft. Eine Reform könnte gezielt bestehende Ungleichheiten abbauen, die Steuerbasis verbreitern und gleichzeitig die Effizienz des Systems erhöhen.
Die aktuelle Ausgestaltung der Erbschaftsteuer steht seit Jahren in der Kritik. Hauptprobleme sind ihre regressive Wirkung und die Vielzahl an Ausnahmeregelungen, durch die große Vermögen – insbesondere Unternehmensvermögen – weitgehend steuerfrei übertragen werden können. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung gleich großer Vermögen, schwächt das Gerechtigkeitsempfinden und verfestigt langfristig bestehende Vermögenskonzentrationen. Hinzu kommen hohe Bürokratiekosten infolge komplexer Verschonungsregelungen und Bedarfsprüfungen. Reformbefürworter:innen betonen daher das Potenzial einer treffsicher ausgestalteten Erbschaftsteuer nicht nur zur Einnahmegenerierung, sondern insbesondere auch für Chancengleichheit, soziale Mobilität und eine gerechtere Vermögensverteilung. Kritiker:innen warnen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, wenn insbesondere Unternehmensübertragungen (stärker) besteuert würden.
Wie sollte also eine ideale Reform ausgestaltet sein? Philosophisch-normative Theorien der Verteilungs- bzw. Chancengerechtigkeit würden zunächst für eine Erbschaftsteuer von 100 % und eine gleichmäßige Verteilung der Steuereinnahmen pro Kopf plädieren. Finanzwissenschaftliche Optimalsteuertheorien berücksichtigen neben diesen Verteilungsargumenten jedoch auch Effizienzkriterien und insbesondere mögliche Verhaltensreaktionen. Vermögensbezogene Steuern sollten stets so gestaltet werden, dass sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Investitionen und die Innovationskraft möglichst wenig beeinträchtigen. Fest steht, dass aus Effizienzgesichtspunkten das aktuelle System mit hohen Freibeträgen und anschließend hohen Steuersätzen von bis zu 50 % nicht sinnvoll ist, da die Zusatzlast und somit die Effizienzkosten der Besteuerung überproportional mit dem Steuersatz steigen und Vermeidungsreaktionen provozieren. Außerdem entstehen durch die bestehenden Regelungen Ungleichbehandlungen, die sich nicht einmal mit dem Argument des Schutzes von Arbeitsplätzen rechtfertigen lassen. Eine zielgerichtete Reform sollte deshalb folgende Elemente beinhalten:
Erstens sollte die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen vereinfacht werden und einen niedrigeren Steuertarif umfassen, der für alle Vermögensarten gilt. Freibeträge könnten in Abhängigkeit des Verwandtschaftsgrads beibehalten werden, um insbesondere kleinere Erbschaften nicht zu belasten und die Zahl der Steuerfälle zu begrenzen. Die Freibeträge könnten dynamisch unter Berücksichtigung der Inflation von Immobilien- bzw. Vermögenspreisen angepasst werden. Zweitens sollten Vergünstigungen und Ausnahmen für Betriebsvermögen und selbst genutzte Immobilien abgeschafft werden, da sie zu Ungleichheit bei Gleichvermögenden, ökonomischer Verzerrung, Inkonsistenzen und hohen administrativen Kosten führen. Im Rahmen einer Reform sollte zudem die Sonderbehandlung von Immobilienvermögen aufgegeben werden. Die aktuellen Steuervergünstigungen privilegieren große Wohnungsgesellschaften gegenüber privaten Vermieter:innen und kleinen Gesellschaften, was den Wettbewerb verzerrt. Drittens könnten bedrohliche Liquiditätsprobleme und die Bestandsgefährdung von Unternehmen durch großzügige Stundungsregelungen abgefedert werden. Dabei könnte die Steuer aus dem laufenden Gewinn bezahlt werden oder die Erbschaftsteuerlast über mehrere Jahre als Betriebsausgabe steuerlich abgeschrieben werden. Dieser Reformansatz würde dem Anreiz zur Unternehmensfortführung und dem Erhalt von Arbeitsplätzen gerecht werden.
Eine solche Reform würde die Steuerlast gerechter verteilen, ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Investitionen und die Innovationskraft von Unternehmen zu beeinträchtigen. Sie wäre grundsätzlich aufkommensneutral möglich, wenn die Steuersätze und Freibeträge so angepasst werden, dass die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer unverändert bleiben, könnte aber auch gezielt so gestaltet werden, dass zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden. In jedem Fall würde eine solche Reform die Verteilungsgerechtigkeit erhöhen und zugleich die volkswirtschaftliche Effizienz verbessern. Sie wäre damit nicht nur ein Instrument zur Einnahmesicherung, sondern auch ein Beitrag zu mehr Chancengleichheit und Generationengerechtigkeit.
Im weiteren Sinne sollte allerdings eine Reform der Erbschaftsteuer im Kontext des gesamten Steuersystems gedacht werden. In Bezug auf die Einkommensbesteuerung ist etwa festzustellen, dass bestimmte Vermögenseinkommen bzw. -zuwächse nur unzureichend besteuert werden. Im aktuellen System bleiben beispielsweise Gewinne aus dem Verkauf einer vermieteten Immobilie oder von Flächen des Privatvermögens steuerfrei, wenn diese nach dem Erwerb mindestens zehn Jahre gehalten werden. Darüber hinaus privilegiert das deutsche Steuerrecht bestimmte Arten von Immobilieninvestitionen. Dies hat problematische Effekte hinsichtlich Effizienz und Verteilung, da diese privilegierten Formen des Vermögensaufbaus Privatpersonen bzw. Haushalten mit geringen Grenzsteuersätzen oder fehlender Kreditwürdigkeit nicht offenstehen. Die existierenden Steuerprivilegien für Immobiliengesellschaften bei der Einkommen-, Gewerbe- und Grunderwerbsteuer sollten daher abgeschafft werden. Die Abschaffung dieser Steuervergünstigungen würde das Steueraufkommen erhöhen, ohne die wirtschaftliche Entwicklung oder den Bau von Immobilien zu belasten. Zudem könnte sie zu einer gerechteren Steuerlastverteilung beitragen und die Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt eindämmen. Um den Immobilienerwerb über alle Einkommensgruppen hinweg gleichermaßen zu fördern, könnte die Einführung eines kumulierbaren Lebensfreibetrags bei der Grunderwerbsteuer in Erwägung gezogen werden. Noch überzeugender wäre eine Abschaffung der Grunderwerbsteuer bei gleichzeitiger Erhöhung der jährlichen Grundsteuer.
Insgesamt würde eine solche umfassende Reform der Erbschaft- und Einkommensteuer nicht nur die fiskalische Stabilität stärken, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Steuersystems erhöhen – ein wichtiger Schritt hin zu mehr Effizienz, Gerechtigkeit und nachhaltiger Staatsfinanzierung. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der Herausforderungen der öffentlichen Haushalte wäre sie zudem künftig unverzichtbar.