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Innovationen sind ein entscheidender Faktor für den langfristigen Erfolg von Unternehmen. Gleichzeitig kann der Staat nur von erfolgreichen Unternehmen Steuern einnehmen. Der steuerrechtliche Rahmen sollte daher stets auch technologische Entwicklungen und Markttrends sinnvoll berücksichtigen – insbesondere in hoch regulierten Branchen wie dem Tabakmarkt. Der deutsche Tabakmarkt war über Jahrzehnte hinweg von konventionellen Produkten wie Zigaretten, Feinschnitttabak, Zigarren und Zigarillos geprägt. Bedeutende Innovationen gab es lange Zeit keine. Durch wissenschaftlichen Fortschritt, veränderte Konsumgewohnheiten und starke Regulierung sind in den letzten Jahren neue, potenziell weniger gesundheitsschädliche Produkte entwickelt worden: E-Zigaretten, Tabakerhitzer und tabakfreie Nikotinbeutel. Sie haben sich zunehmend auf dem Markt etabliert.

Für diese neuen Produkte kannte das Tabaksteuergesetz zunächst keine eigenen Steuerkategorien. Während E-Zigaretten nicht der Tabaksteuer unterlagen, wurde erhitzter Tabak nach dem Tarif für Pfeifentabak besteuert. Spezifische Tarife gibt es erst seit dem Tabaksteuermodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2022, rund 15 Jahre nachdem E-Zigaretten auf den Markt gekommen waren und acht Jahre nach Einführung der Tabakerhitzer. Bei der Besteuerung hat es der Gesetzgeber zudem versäumt, das im Vergleich zu konventionellen Tabakwaren potenziell geringere Gesundheitsrisiko zu berücksichtigen.

Erhitzter Tabak brachte dem deutschen Fiskus im Jahr 2023 zwar rund 500 Mio. € Einnahmen aus der Tabaksteuer (Europäische Kommission, 2025a). Gleichzeitig wurden jedoch 32 % des in Deutschland konsumierten erhitzten Tabaks nicht hierzulande versteuert (KPMG, 2025). Wenn ceteris paribus ein größerer Teil des erhitzten Tabaks im Inland versteuert wird, könnten die Steuereinnahmen um 238 Mio. € pro Jahr steigen. Um die massive Ausweichbewegung der Konsumenten zu verringern, müsste die Besteuerung so ausgestaltet sein, dass sich der Preisabstand insbesondere zu den Hauptimportländern Polen und Tschechien reduziert. Mit dieser Logik könnte der deutsche Fiskus auch bei den sogenannten Liquids, mit denen E-Zigaretten befüllt werden, mehr einnehmen. Hier weist Deutschland im EU-Vergleich den zweithöchsten Konsum nicht im Inland versteuerter Liquids auf (Europäische Kommission, 2025a).

Ein weiteres, bislang ungenutztes Einnahmepotenzial besteht bei tabakfreien Nikotinbeuteln. Sie gelten hierzulande als Lebensmittel und dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. Auch deshalb werden sie bislang nicht besteuert. Gleichwohl sind tabakfreie Nikotinbeutel über Importe und den Onlinehandel erhältlich. Bei einer Berücksichtigung im Tabaksteuergesetz könnten jährlich bis zu 100  Mio. € Tabaksteuer zusätzlich vereinnahmt werden.

Auf europäischer Ebene umfasst die seit 2011 geltende EU-Tabaksteuerrichtlinie nur konventionelle Produkte. Der aktuelle Richtlinienvorschlag zur Modernisierung und weiteren Harmonisierung der Tabakwarenbesteuerung der EU-Kommission (Europäische Kommission, 2025b) sieht nicht nur eine deutliche Anhebung der Mindeststeuersätze für Tabakwaren und eine geringere Differenzierung zwischen den einzelnen Produktkategorien vor. Auch neuartige Produkte sollen mit einbezogen werden. Bleibt es beim gesundheitspolitischen Lenkungsziel der EU-Kommission, den Tabakkonsum durch steuerinduzierte Preiserhöhungen deutlich zu reduzieren, sind Ausweichreaktionen absehbar. Zu erwarten ist, dass ein höherer Anteil nicht im Inland versteuerter oder gar nicht versteuerter Tabakwaren konsumiert wird. Das wiederum hätte negative Folgen für die Steuereinnahmen.

Aus fiskalischer Sicht gilt es, ungenutzte Einnahmepotenziale auszuschöpfen. Eine innovationsoffene Regulierung kann hier einen Beitrag leisten. Im Tabakmarkt könnten neuartige Produkte frühzeitig in die Besteuerung einbezogen werden. Das hilft Steuereinnahmen zu verstetigen, Markttransparenz zu fördern und den Verbraucherschutz besser zu adressieren. Differenziert die Besteuerung zudem nach Gesundheitsrisiken unterschiedlicher Tabakprodukte, wird das gesundheitspolitische Lenkungsziel eher gefördert als durch pauschale Steuererhöhungen. Überzieht der Fiskus und bringt das ausbalancierte Tabaksteuersystem aus dem Gleichgewicht, können Ausweichreaktionen die Steuerbasis empfindlich schmälern. Der Ball liegt jetzt bei der Bundesregierung, im Rahmen der Verhandlungen auf europäischer und nationaler Ebene darauf hinzuwirken, fiskalische und gesundheitspolitische Ziele in Einklang zu bringen, Ausweichreaktionen zu begrenzen und Innovationsanreize zu fördern.

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© Der/die Autor:in 2025

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DOI: 10.2478/wd-2025-0179