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Die Energiewende erfordert allein bis zum Jahr 2030 Investitionen in Höhe von rund 720 Mrd. Euro (BDEW et al., 2023). Der Großteil dieser Investitionen wird durch Banken und über den Kapitalmarkt finanziert werden können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Gewinnaussichten attraktiv genug sind. Der Staat ist dafür verantwortlich, ein investitions­freundliches Umfeld zu schaffen. Zu seinen Aufgaben gehört es, einen verlässlichen Regulierungs- und Finanzierungsrahmen zu setzen, unkalkulierbare Risiken abzusichern und Forschung, Entwicklung und Skalierung neuer Technologien zu unterstützen. Diskutabel ist, ob der Staat selbst als Großinvestor in Erscheinung treten sollte. Sinnvoll wäre dies beim Ausbau von Energieinfrastrukturen, die natürliche Monopole darstellen. Wir zeigen, dass durch die Teilverstaatlichung der Übertragungsnetzbetreiber Kapitalengpässe gemildert und Kosten reduziert werden können (Kölschbach Ortego & Steitz, 2024).

Ausgangspunkt ist der Netzentwicklungsplan, der im Übertragungsnetz Neuinvestitionen in Höhe von 300 Mrd. Euro vorsieht. Hierfür benötigen die Übertragungsnetzbetreiber bis 2037 über 70 Mrd. Euro an frischem Eigenkapital. Die Kapitalbereitstellung gestaltet sich jedoch schwierig, denn aktuelle Eigentümer und potenzielle Investoren, vor allem Infrastruktur­fonds, erwarten eine höhere Rendite als die Regulierung derzeit vorsieht. Als natürliches Monopol werden die Erlöse nicht am Markt bestimmt, sondern von der Bundesnetzagentur vorgegeben. Sie legt die Eigenkapitalverzinsung fest und definiert damit, wie hoch die kalkulatorischen Kosten sind, die Netzbetreiber über die Netzentgelte auf die Verbraucher:innen umlegen dürfen.

Die Bundesnetzagentur steckt in einer Zwickmühle: Einerseits möchte sie Netzinvestitionen anreizen, andererseits muss sie die Netzentgelte in Schach halten. Zurzeit beruht ihre Hoffnung auf einer Umstellung auf eine pauschale Kapitalverzinsung ab 2026. Die Netzbetreiber könnten ihre Finanzierungsstruktur dann flexibler gestalten. Doch damit wird potenziellen Investoren nicht ausreichend entgegengekommen. Aus unserem Kapitalmarktmodell folgt, dass die Eigenkapitalrendite von etwa 7 % auf 10 % brutto steigen müsste, damit Privatinvestoren das notwendige Eigenkapital für die Übertragungsnetze bereitstellen. Dies spiegelt die mit dem enormen Kapitalbedarf einhergehenden Diversifizierungsnachteile wider (Klumpenrisiko).

Ein Ausweg aus dem Dilemma wäre, dass der Bund selbst als Eigenkapitalgeber auftritt. Würde der Bund die Hälfte des Eigenkapitals bereitstellen, würde sich das von Privatinvestoren aufzubringende Kapital halbieren. Die Angebotskurve auf den Kapitalmärkten ist durchaus elastisch, die notwendige Erhöhung der regulatorischen Rendite könnte geringer ausfallen. Auch Ratingagenturen begrüßen einen Staatseinstieg und die damit einhergehende Klarheit in der Finanzierung (S&P, 2024). Das erleichtert die Mobilisierung von Fremdkapital. Zudem kann sich der Staat an den Kapitalmärkten günstiger refinanzieren als private Investoren. Mit seinen Beteiligungen kann er Gewinne erwirtschaften, die er verwenden kann, um Zinskosten zu zahlen und Netzentgelte zu senken. Damit gibt er de facto seine günstigen Finanzierungskosten an die Übertragungs­netz­betreiber weiter. Laut unseren Berechnungen würden die Netzkosten um bis zu 2 Mrd. Euro p. a. sinken. Die Übertragungs­netz­ent­gelte würden um bis zu 10 % sinken, was einer Senkung der Strompreise um einen halben Cent pro Kilowattstunde entspricht. Ein effizienter Betrieb kann durch eine Weiterentwicklung der Effizienz­benchmarks der Bundes­netz­agentur sichergestellt werden – Wettbewerb im eigentlichen Sinne gibt es bei Netzen sowieso nicht. Weiterhin ist ein gewisser Anteil privater Beteiligung sinnvoll, mindestens in Höhe der Sperrminorität.

Die Bereitstellung des staatlichen Eigenkapitals wäre eine finanzielle Transaktion und kann deshalb außerhalb der Schuldenbremse schuldenfinanziert werden. Die Staatsschuldenquote würde sich um circa 1 Prozentpunkt erhöhen. Die Anteile könnten, wie bisher, bei der KfW oder in einer neuen staatlichen Energieinfrastrukturgesellschaft gebündelt werden. Unser Vorschlag ist weniger radikal, als es auf den ersten Blick scheint. Der Bund ist bereits mit 20 % bzw. 25 % an den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz und TransnetBW beteiligt. Bei der Finanzierung der Energiewende werden private Investoren und die öffentliche Hand immer zusammengehen müssen. Privates Kapital kann über Energiewendefonds gebündelt werden (BDEW et al., 2023). Dazu ergänzend sollte erforscht werden, inwiefern die öffentliche Hand selbst als Eigenkapitalgeber sinnvoll beteiligt werden kann.

Literatur

BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, VKU – Verband kommunaler Unternehmen, Deloitte. (2023). Kapital für die Energiewende [Positionspapier].

Kölschbach Ortego, A. & Steitz, J. (2024). Effekte staatlicher Beteiligungen auf den Stromnetzausbau. [Kurzstudie des Dezernats Zukunft].

S&P Global Ratings. (2024, 7. März). Tear Sheet: TenneT Holding B.V.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2025-0024