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Was sich im vergangenen Jahr mit dem Wahlerfolg von Donald Trump schon andeutete, hat sich in den letzten Tagen verdichtet: Der „transatlantische Westen“ scheint in Auflösung begriffen. In Verbindung mit der seit Jahren zunehmenden Deglobalisierung und geopolitischen Blockbildung müssen Deutschland und Europa eigene Stärken auf- und ausbauen, um im Wettstreit der Machtblöcke USA, China und Russland auf Augenhöhe zu agieren. Zentrale Voraussetzung dafür ist wirtschaftliche Stärke, doch die wirtschaftliche Entwicklung ist besorgniserregend. Seit Jahren bleibt Deutschland bei der Wachstumsdynamik hinter den führenden Industrienationen und der Mehrheit der EU-Länder deutlich zurück. Die Bruttoinvestitionen sind seit 2023 rückläufig, viele Unternehmen planen weitere Kürzungen oder verlagern Investitionen ins Ausland. Zudem wirft das ebenfalls sinkende Exportvolumen die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte und Technologien auf. Damit nicht genug, nimmt auch die Zahl der Unternehmensschließungen weiter zu. Selbst forschungsintensive Branchen sind hiervon betroffen. Die aktuelle konjunkturelle Krise geht einher mit einer tiefgreifenden strukturellen Schwäche der deutschen Wirtschaft:

Leistungsschwäche des F&I-Systems. Die „Kraftmaschine“ der Vergangenheit, das Forschungs- und Innovationssystem (F&I-System), ist ebenfalls angeschlagen. Deutschlands Forschungs- und Entwicklungsintensität (F&E-Intensität) stagniert bereits seit Jahren bei rund 3,1 %, während andere Volkswirtschaften, wie etwa China, Südkorea und die USA, ihre F&E-Intensität deutlich steigern konnten. Auch die Zahl der Patentanmeldungen entwickelte sich wenig dynamisch und war in den letzten Jahren sogar leicht rückläufig (EFI-F&I-Dashboards). Parallel dazu verringerte sich die Innovatorenquote zwischen 2018 und 2023 um knapp zehn Prozentpunkte auf 51 %. Bei zahlreichen Schlüsseltechnologien wie KI, Produktionstechnologien oder Biotechnologie verliert Deutschland nicht nur gegenüber China und Südkorea an Boden, sondern auch gegenüber kleineren Volkswirtschaften wie Finnland, der Schweiz oder Singapur (EFI-F&I-Monitoring Dashboard). Die deutsche Wirtschaft hat offensichtlich Schwierigkeiten, bei diesen Entwicklungen mitzuhalten.

Was jetzt passieren muss. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht maßgeblich auf einem gut aufgestellten F&I-System. Dessen Funktionsfähigkeit ist ein wesentlicher Faktor für die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, für die Souveränität bei Schlüssel- und Zukunftstechnologien und für die mit Digitalisierung und mit Dekarbonisierung verbundenen Transformationen. Dringend erforderlich sind Maßnahmen, die die kreativen und innovativen Kräfte in der deutschen Wirtschaft entfesseln, indem sie stabile innovationsförderliche Rahmenbedingungen schaffen.

Neue Missionsorientierung konsequent weiterverfolgen. Die EFI empfiehlt der Bundesregierung dringend, die F&I-Politik ins Zentrum ihres Regierungshandelns zu rücken und dabei den Ansatz einer marktorientierten neuen Missionsorientierung konsequenter weiterzuverfolgen und umzusetzen. Von zentraler Bedeutung sind dabei verbindliche, ressortübergreifende Missionsstrategien und operative Effizienz durch die Einrichtung von ressortübergreifenden Missionsteams, die mit eigenen Budgets und Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind.

Ministerien sachgerecht zuschneiden. Die Verteilung der Zuständigkeiten für F&I auf mehrere Ministerien ist nicht sachgerecht. Forschung und Entwicklung, Wissens- und Technologietransfer sowie Innovationsaktivitäten in Start-ups und etablierten Unternehmen sollten mit einem abgestimmten Instrumentenmix aus einer Hand politisch begleitet werden. Die Expertenkommission schlägt daher vor, die F&I-Politik in einem Bundesministerium für Forschung, Innovation und Technologie (BMFIT) zu bündeln. Darüber hinaus sollten angesichts der schleppenden Digitalisierung in Deutschland die entsprechenden strategischen Verantwortlichkeiten in einem eigenständigen Digitalministerium gebündelt werden, das die großen Linien der digitalen Transformation vorzeichnen und deren Umsetzung koordinierend verfolgen sollte. Das Digitalministerium wäre zudem dafür verantwortlich, eine international konkurrenzfähige digitale Infrastruktur aufzubauen und einen einheitlichen regulatorischen Rahmen für die Digitalisierung zu schaffen.

Öffentliche Verwaltung endlich digitalisieren. Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland ist im internationalen Vergleich rückständig; sie wirkt somit eher als Hemmschuh denn als Katalysator für Innovationen. Wichtige Schritte wären, den mit der strategischen und operativen Planung betrauten IT-Planungsrat mit größeren Entscheidungskompetenzen und politischen Durchgriffsrechten auszustatten und die Anstalt Föderale IT-Kooperation (FITKO) sowie die Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) zu einer Digitalisierungsagentur auszubauen.

F&I-Aktivitäten evaluieren und priorisieren. Angesichts zunehmender Budgetrestriktionen wächst auch für die F&I-Politik die Notwendigkeit, ihre Ziele effektiv und effizient zu verfolgen. Dazu muss die Bundesregierung die Wirksamkeit politischer Maßnahmen kennen und entsprechende Priorisierungen im Förderspektrum vornehmen. Die dafür notwendigen Instrumente liegen zwar vor, wurden bisher aber nicht in der notwendigen Breite eingesetzt. Die Politik ist gut beraten, aus den Erfahrungen mit bereits durchgeführten Maßnahmen zu lernen und künftige Maßnahmen entsprechend anzupassen.

Transfer ganzheitlich denken. In Deutschland gelingt es zu selten, aus exzellenter Forschung kommerziell erfolgreiche Produkte und Geschäftsmodelle zu generieren. Ein Grund ist, dass Transfer häufig nicht als ganzheitlicher Prozess verstanden wird, der sich über alle Felder und Phasen der Forschung erstreckt und nicht erst dann ansetzt, wenn fertige Forschungsergebnisse vorliegen. Gerade in Deep-Tech-Bereichen sind Forschung und Anwendung eng miteinander verzahnt. Die kommende Bundesregierung sollte daher vor allem solche Formate fördern, die Kooperationen intensivieren und den Aufbau von Wissensnetzwerken sowohl zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen als auch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stärken.

Zivile und militärische Forschung besser verknüpfen. Angesicht der veränderten Bedrohungslage stellt sich die Frage, wie militärische Forschung in Deutschland aufgestellt werden kann, damit sie maßgeblich zu einer eigenständigen Verteidigungsfähigkeit auf höchstem Niveau beiträgt. Die Antwort liegt vor allem in der Verbindung von militärischer und ziviler Forschung. Schließlich legt es die prinzipielle Verwendbarkeit von Technologien und Gütern sowohl zu zivilen als auch zu militärischen Zwecken (Dual Use) nahe, zivile und militärische Forschung zusammen zu denken. Die Bundesregierung sollte daher die strikte Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung aufheben und nach einer Bestandsaufnahme geeignete Formate für eine zivil-militärische Zusammenarbeit fort- oder neu entwickeln.

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DOI: 10.2478/wd-2025-0037