Im Rahmen der Konzertierten Aktion zur Abfederung der Folgen der Energiepreiskrise hat die Bundesregierung 2022 den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, ihren Beschäftigten bis Ende 2024 jeweils bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei auszuzahlen. Mit dieser Maßnahme sollten die Kaufkraft gestützt und zugleich Zweitrundeneffekte bei der Inflation begrenzt werden. Anhand einer Umfrage lässt sich abschätzen, inwieweit dies gelungen ist und welche Beschäftigten tatsächlich Inflationsausgleichsprämien erhalten haben.
Die „Konzertierte Aktion“ wurde 2022 auf Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz – in Anlehnung an die historische Konzertierte Aktion von 1967 unter dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller – ins Leben gerufen. Ziel der tripartistischen Gesprächsrunde mit den Sozialpartnern war, makroökonomisch destabilisierende Konflikte zwischen den Forderungen und Zielen der Tarifparteien, der Geld- und Fiskalpolitik zu vermeiden. Die steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie (IAP) war neben der Ankündigung von Preisbremsen für Strom, Erdgas und Wärme eines der zentralen Ergebnisse der Konzertierten Aktion.
Ursprünglich war unklar, wie stark die Tarifparteien und nicht-tarifgebundene Unternehmen die Möglichkeiten der IAP nutzen würden. So sah der Gesetzentwurf zur IAP auch nur einen relativ kleinen Einnahmenausfall des Staates durch die Prämie vor. Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zeigten zwischenzeitlich jedoch, dass eine große Mehrheit der Tarifbeschäftigten in Deutschland seit Herbst 2022 eine IAP erhalten hat und diese überwiegend im oberen Bereich der zulässigen Spanne liegt (Destatis, 2024; 2025).
Bisher ist jedoch nur wenig darüber bekannt, wie verbreitet die IAP in der deutschen Wirtschaft insgesamt ist, welche Faktoren die Zahlung der Prämie beeinflusst haben, inwieweit sie zur Abmilderung der Belastungen der Beschäftigten durch die hohe Inflation beigetragen hat und welches Gesamtvolumen die IAP und die damit verbundenen fiskalischen Entlastungen erreicht haben.1
Der vorliegende Beitrag adressiert diese Forschungslücke. Zum einen werden die Verbreitung und Höhe der IAP sowie deren Bestimmungsfaktoren untersucht. Zum anderen wird analysiert, wie die IAP das finanzielle Belastungsgefühl und die Konsumpläne der Haushalte beeinflusst hat. Abweichend von Behringer und Dullien (2024b) wird hierbei auf multivariate Analysemethoden zurückgegriffen. Zuletzt wird im Beitrag auch eine Abschätzung der relevanten makroökonomischen Volumina der IAP vorgenommen.
Die Analyse basiert auf einer Umfrage, die im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) durchgeführt wurde. Dazu wurden im Zeitraum vom 15. Januar bis 7. Februar 2024 rund 9.600 Personen befragt. Die Befragung wurde als computergestützte Online-Befragung (Computer Assisted Web Interviewing, CAWI) umgesetzt. Die Stichprobe basiert auf einer Quotenstichprobe im Rahmen eines Online-Access-Panels. Dabei wurde die strukturelle Zusammensetzung der Befragten anhand von festgelegten Quoten nach den Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland und Haushaltseinkommen abgebildet. Ein Abgleich mit den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes für Tarifbeschäftigte deutet auf eine hohe Qualität der erhobenen Informationen hin.
Die Auswertung der Umfragedaten konzentriert sich auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Für die makroökonomische Analyse wurden die Zahlungen an die Beamt:innen (die jeweils eine IAP von 3.000 Euro erhielten) hinzugerechnet. Für die Gruppe der Beamt:innen ist dieses Vorgehen robuster als die Verwendung der Umfragedaten, weil die Umsetzung dieser Auszahlung zum Befragungszeitpunkt noch nicht in allen Bundesländern abgeschlossen war.
Abschätzung des Gesamtvolumens
Die IAP konnte grundsätzlich an alle abhängig Beschäftigten ausgezahlt werden, nicht allerdings an Selbständige. In unserer Umfrage wurden deshalb nur Voll- und Teilzeiterwerbstätige, die nicht im Hauptberuf selbständig tätig waren, zur IAP befragt. Dabei wurden Informationen für die zum Befragungszeitpunkt aktuelle berufliche Haupttätigkeit der Befragten erhoben. Im ersten Schritt sollten die Befragten für die Jahre 2022, 2023 und 2024 jeweils angeben, ob sie eine IAP erhalten haben, sofern sie im jeweiligen Jahr bereits in ihrem aktuellen Beschäftigungsverhältnis tätig waren. Für das Jahr 2024 wurde auch abgefragt, ob die Befragten noch eine Prämienzahlung erwarten. Im zweiten Schritt wurde für die einzelnen Jahre jeweils die Höhe der ausgezahlten Prämie abgefragt.
In unserer Umfrage gaben rund 69 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an, in mindestens einem der drei Jahre eine IAP erhalten zu haben. Diesen Befragten wurde seit Oktober 2022 eine IAP von durchschnittlich 1.953 Euro gezahlt. Bei 34,7 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland hätten somit hochgerechnet rund 23,9 Mio. eine IAP erhalten. Rechnet man die 1,9 Mio. Beamt:innen hinzu, kommt man auf 25,8 Mio. Beschäftigte, die eine solche Prämie erhalten hätten. Insgesamt wären demnach seit Oktober 2022 rund 52,5 Mrd. Euro an IAP gezahlt worden (46,7 Mrd. Euro an sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 5,8 Mrd. Euro an Beamt:innen). Dabei ist zu berücksichtigen, dass rund 23 % der Befragten angaben, noch nicht über eine mögliche Zahlung der IAP im Jahr 2024 informiert gewesen zu sein. Damit dürfte das Gesamtvolumen der IAP in unserer Umfrage eher unterschätzt werden.
In Tabelle 1 werden Verbreitung und aggregierte Zahlungen der IAP für die einzelnen Jahre dargestellt. Dabei zeigt sich, dass im Jahr 2022 49,8 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine IAP erhalten haben, 2023 haben 45,5 % eine IAP erhalten, und 2024 immer noch 20,6 %. Dabei sind 2022 insgesamt 20,2 Mrd. Euro an IAP ausgezahlt worden, 2023 weitere 17,9 Mrd. Euro und 2024 noch 14,4 Mrd. Euro. Aufgrund des gewählten Befragungszeitraums besteht allerdings insbesondere bei den Zahlungen im Jahr 2024 ein Potenzial zur Unterschätzung.
Tabelle 1
Zahlungen der Inflationsausgleichsprämie in den Jahren 2022 bis 2024
Anteil der SV-Beschäftigten mit IAP (%) | Schätzung ausgezahlte Summe in Mrd. Euro, nur SV-Beschäftigte | Schätzung ausgezahlte Summe in Mrd. Euro, mit Beamt:innen | |
---|---|---|---|
2022 | 49,8 | 20,2 | 20,2 |
2023 | 45,5 | 17,9 | 17,9 |
2024* | 20,6 | 8,7 | 14,4 |
Summe | 46,7 | 52,5 |
* Aufgrund des gewählten Befragungszeitraums können insbesondere Zahlungen im Jahr 2024 unterschätzt werden.
Quelle: Online-Befragung des IMK, Statistisches Bundesamt, Berechnungen des IMK.
Bestimmungsfaktoren der Inflationsausgleichsprämie
Anhand der Umfragedaten lässt sich auch untersuchen, welche Faktoren die Zahlung von Prämien beeinflusst haben. Dafür verwenden wir ein Logit-Modell mit einer binären abhängigen Variable für den Erhalt der IAP und ein Tobit-Modell mit der Summe der ausgezahlten Prämie als abhängige Variable. Die erklärenden Variablen umfassen verschiedene sozio-demografische Merkmale sowie Angaben zu Tarifbindung, Arbeitnehmervertretungen und Branche. In Tabelle 2 sind die durchschnittlichen marginalen Effekte für diese Schätzungen dargestellt.
Tabelle 2
Bestimmungsfaktoren von Verbreitung und Höhe der Inflationsausgleichsprämie
IAP | Summe IAP | |
---|---|---|
Mann | -0.048*** (0.014) |
116.4*** (44.3) |
Vollzeittätigkeit | 0.092*** (0.018) |
350.3*** (56.6) |
2.000 bis 3.499 Euro | 0.128*** (0.022) |
187.4** (73.0) |
3.500 bis 4.499 Euro | 0.144*** (0.024) |
337.2*** (77.5) |
4.500 Euro und mehr | 0.165*** (0.024) |
513.4*** (76.3) |
Tarifvertrag | 0.069*** (0.017) |
167.6*** (49.3) |
Betriebsrat | 0.076*** (0.017) |
74.6 (51.7) |
Branchen | Ja | Ja |
Beobachtungen | 4.493 | 1.962 |
Pseudo R² | 0.071 | 0.018 |
Anmerkung: Robuste Standardfehler in Klammern. * p<0.1, ** p<0.05, *** p<0.01.
Quelle: Online-Befragung des IMK, Berechnungen des IMK.
Dabei zeigt sich, dass für Beschäftigte mit Tarifvertrag sowohl die Wahrscheinlichkeit, eine IAP erhalten zu haben, als auch die Höhe der Prämie statistisch signifikant höher sind als für Beschäftigte ohne Tarifvertrag. In unserer Umfrage gaben rund 77 % der Vollzeitbeschäftigten mit Tarifvertrag an, eine IAP in Höhe von durchschnittlich 2.272 Euro erhalten zu haben. Damit liegen die Werte recht nahe an den Werten, die das Statistische Bundesamt (Destatis, 2024) kurz nach dem Zeitraum unserer Befragung veröffentlicht hat (77,9 % der Tarifbeschäftigten erhielten eine IAP von durchschnittlich 2.761 Euro), was auf eine hohe Verlässlichkeit der Angaben in unserer Umfrage hindeutet.2 Die Regressionsergebnisse weisen darauf hin, dass neben der Tarifbindung auch die Existenz von Betriebs- oder Personalräten die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Beschäftigte eine IAP erhielten. Zudem zeigt sich, dass sowohl die Wahrscheinlichkeit einer Prämienauszahlung als auch die Höhe der Prämie mit dem Haushaltseinkommen zunimmt. Männer haben im Vergleich zu Frauen zwar mit einer etwas geringeren Wahrscheinlichkeit eine IAP erhalten. Allerdings fiel die Prämie bei Männern signifikant höher aus als bei Frauen, wenn man für andere relevante Einflussfaktoren kontrolliert.
Wirkung der Inflationsausgleichsprämie auf individueller Ebene
Als die Bundesregierung im September 2022 mit dem dritten Entlastungspaket die Rahmenbedingungen für die Zahlung einer IAP geschaffen hatte, war die Inflationsrate gerade auf den höchsten Stand seit 70 Jahren geklettert. Wie Analysen anhand von Daten der IMK-Energiepreisbefragung für das Jahr 2022 belegen, waren durch die gestiegenen Preise weite Teile der Bevölkerung in Deutschland finanziell stark belastet und planten infolgedessen ihre Konsumausgaben für Güter und Dienstleistungen einzuschränken (Behringer & Dullien, 2023). Zugleich zeigte sich ein zunehmender Teil der Bevölkerung besorgt über die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, aber auch über die eigene wirtschaftliche Situation, was mit einem schwindenden Vertrauen in die Fähigkeit des Staates und der Bundesregierung einherging, die finanziellen Belastungen wirksam und sozial gerecht zu kompensieren (Dullien & Kohlrausch, 2022). Im folgenden Abschnitt wird deshalb zunächst untersucht, inwiefern die IAP dazu beitragen konnte, die Beschäftigten finanziell zu entlasten und Kaufkraftverluste temporär abzufedern, und damit auch die Sorgen dieser Menschen zu mindern und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und der Bundesregierung zu stärken.
Unsere Umfrage liefert Hinweise, dass die IAP die finanziellen Auswirkungen der hohen Inflation bei vielen Haushalten abmildern konnte. So gaben insgesamt rund zwei Drittel der Befragten mit IAP an, dass die Prämie für ihren Haushalt eine „mittlere“ oder „große“ finanzielle Entlastung dargestellt habe. Anhand der Umfragedaten lässt sich auch die Wirkung der IAP auf die finanziellen Sorgen der Menschen, das Vertrauen in die Bundesregierung sowie die Inflationserwartungen untersuchen. Dabei verwenden wir Angaben der Befragten zu den Sorgen um (i) die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, (ii) ihre eigene wirtschaftliche Situation und (iii) die Entwicklung der Lebenshaltungskosten (mit den Antwortmöglichkeiten „keine Sorgen“, „einige Sorgen“ und „große Sorgen“). Zudem haben wir erhoben, wie groß das Vertrauen ist, das die Befragten der Bundesregierung entgegenbringen (auf einer siebenstufigen Skala von „überhaupt kein Vertrauen“ bis „sehr großes Vertrauen“). Darüber hinaus liefert die Umfrage Informationen zu den Erwartungen zur Entwicklung der Inflationsrate in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten (auf einer fünfstufigen Skala von „deutlich sinken“ bis „deutlich steigen“). Diese Angaben regressieren wir jeweils auf eine Dummy-Variable für den Erhalt der IAP sowie verschiedene sozio-demografische Merkmale. In den Spalten (1) bis (5) der Tabelle 3 sind die Ergebnisse von OLS-Schätzungen dargestellt. Es zeigt sich, dass bei Befragten mit IAP die finanziellen Sorgen statistisch signifikant geringer sind und das Vertrauen in die Bundesregierung höher ist als bei Befragten ohne IAP, wenn für sozio-demografische Merkmale kontrolliert wird. Außerdem sind die Inflationserwartungen bei den Befragten mit IAP statistisch signifikant geringer als bei Befragten ohne IAP.
Tabelle 3
Auswirkungen der Inflationsausgleichsprämie
(1) | (2) | (3) | (4) | (5) | (6) | |
---|---|---|---|---|---|---|
Sorgen um die … | Vertrauen in die Regierung | Inflationserwartungen | Konsumpläne | |||
allgemeine wirtschaftliche Situation | eigene wirtschaftliche Situation | Entwicklung der Lebenshaltungskosten | ||||
IAP | -0.045** (0.022) |
-0.107*** (0.022) |
-0.093*** (0.021) |
0.171*** (0.054) |
-0.077** (0.037) |
0.080*** (0.020) |
40 bis 59 Jahre | 0.074*** (0.022) |
-0.052** (0.022) |
-0.006 (0.021) |
-0.032 (0.053) |
0.023 (0.036) |
-0.125*** (0.019) |
60 Jahre oder älter | 0.066** (0.031) |
-0.099*** (0.031) |
-0.073** (0.030) |
0.254*** (0.080) |
-0.112** (0.053) |
-0.232*** (0.027) |
Mann | -0.026 (0.021) |
-0.159*** (0.021) |
-0.105*** (0.020) |
0.038 (0.052) |
-0.391*** (0.035) |
0.140*** (0.018) |
Mittlerer Abschluss | 0.017 (0.037) |
0.008 (0.038) |
-0.004 (0.034) |
0.064 (0.089) |
-0.116* (0.064) |
0.044 (0.038) |
Fachhochschulreife | -0.093** (0.038) |
-0.068* (0.038) |
-0.108*** (0.034) |
0.607*** (0.091) |
-0.344*** (0.064) |
0.087** (0.037) |
Vollzeittätigkeit | 0.061** (0.026) |
0.057** (0.026) |
0.008 (0.024) |
-0.124* (0.064) |
0.096** (0.043) |
-0.006 (0.024) |
2.000 bis 3.499 Euro | 0.075** (0.032) |
-0.073** (0.031) |
-0.020 (0.029) |
-0.039 (0.077) |
-0.071 (0.053) |
0.061** (0.031) |
3.500 bis 4.499 Euro | 0.103*** (0.038) |
-0.152*** (0.036) |
-0.072** (0.034) |
-0.046 (0.088) |
-0.166*** (0.061) |
0.106*** (0.034) |
4.500 Euro und mehr | 0.074* (0.038) |
-0.330*** (0.037) |
-0.205*** (0.035) |
0.025 (0.091) |
-0.398*** (0.063) |
0.197*** (0.034) |
Personen im HH | -0.004 (0.010) |
0.022** (0.010) |
0.017* (0.009) |
0.019 (0.023) |
0.035** (0.016) |
-0.003 (0.008) |
Finanzielle Reserven | -0.109*** (0.025) |
-0.392*** (0.025) |
-0.271*** (0.023) |
0.325*** (0.061) |
-0.365*** (0.043) |
0.188*** (0.025) |
Kreditschulden | 0.086*** (0.022) |
0.152*** (0.023) |
0.131*** (0.021) |
-0.196*** (0.056) |
0.057 (0.039) |
-0.067*** (0.021) |
Konstante | 2.305*** (0.052) |
2.623*** (0.052) |
2.719*** (0.047) |
2.041*** (0.125) |
4.230*** (0.086) |
2.269*** (0.051) |
Beobachtungen | 4.509 | 4.511 | 4.515 | 4.466 | 4.459 | 4.516 |
Korrigiertes R² | 0.024 | 0.167 | 0.112 | 0.053 | 0.104 | 0.096 |
Anmerkung: Robuste Standardfehler in Klammern. * p<0.1, ** p<0.05, *** p<0.01.
Quelle: Online-Befragung des IMK, Berechnungen des IMK.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die finanzielle Entlastung durch die IAP dazu beigetragen hat, die finanziellen Sorgen der Beschäftigten zu mindern. Zudem scheint die Maßnahme das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und der Regierung etwas verbessert zu haben, was sich auch in geringeren Inflationserwartungen widerspiegelt. Die IAP wurde offenbar als geeignete Maßnahme wahrgenommen, um die Auswirkungen der hohen Inflation abzumildern und die individuelle finanzielle Stabilität zu sichern. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass Beschäftigte mit geringen Einkommen von dieser pauschalen Sonderzahlung prozentual stärker profitieren als Beschäftigte mit hohen Einkommen und gerade untere und mittlere Einkommensgruppen durch die gestiegenen Kosten für Energie und Lebensmittel finanziell besonders stark belastet waren.
In einem weiteren Schritt wird untersucht, wie sich die IAP auf das Konsumverhalten der privaten Haushalte auswirkt. Dabei verwenden wir Angaben der Befragten darüber, inwieweit sie planen, in den kommenden zwölf Monaten ihren Konsum verschiedener Güter und Dienstleistungen zu ändern (mit den Antwortmöglichkeiten „etwas/bedeutend weniger kaufen“, „in etwa gleich viel kaufen“ und „etwas/bedeutend mehr kaufen“).3 Anhand dieser Angaben berechnen wir zunächst einen Indikator der Konsumpläne, der sich aus dem ungewichteten Durchschnitt der geplanten Verhaltensänderung für die einzelnen Konsumkategorien ergibt. Diesen Indikator regressieren wir dann auf eine Dummy-Variable für den Erhalt der IAP sowie verschiedene sozio-demografische Merkmale. Damit lässt sich überprüfen, ob sich die geplanten Änderungen im Konsumverhalten von Befragten mit und ohne IAP unterscheiden. Die Spalte (6) der Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse einer OLS-Schätzung. Daraus geht hervor, dass die Konsumneigung bei Befragten mit IAP statistisch signifikant höher ist als bei Befragten ohne IAP, wenn für sozio-demografische Merkmale kontrolliert wird.4
Ein Vergleich der geplanten Änderungen im Konsumverhalten mit früheren Wellen der IMK-Energiepreisbefragung zeigt zudem, dass die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen insbesondere bei Konsumkategorien ausgeprägt sind, bei denen im August 2022 – also unmittelbar bevor die Bundesregierung das dritte Entlastungspaket beschlossen hat – jeweils große Mehrheiten der Befragten angegeben hatten, ihren Konsum einschränken zu wollen (Behringer et al., 2022) und bei denen sich in der aktuellen Umfrage die größte Verbesserung der Konsumstimmung zeigt (Behringer & Dullien, 2024a). Dies deutet darauf hin, dass die Zahlung der IAP dazu beigetragen hat, das Konsumniveau der privaten Haushalte zu stabilisieren. Die IAP dürfte die Konsumnachfrage dabei einerseits direkt über die Erweiterung der finanziellen Spielräume der Privathaushalte und andererseits indirekt über ihre dämpfende Wirkung auf die Inflationserwartungen und die Reduktion der Unsicherheit beeinflusst haben.
Makroökonomische Wirkungen
Die oben geschätzten Prämienzahlungen sind auch gesamtwirtschaftlich relevant: Die gesamten (d. h. über alle drei Jahre) geleisteten Zahlungen der IAP von rund 52,5 Mrd. Euro entsprechen annähernd 5 % der Nettolöhne und -gehälter des Jahres 2022 (1.118,8 Mrd. Euro); die geleisteten Zahlungen in den Jahren 2022 und 2023 entsprechen 1,8 % und 1,5 % der Nettolöhne und -gehälter der jeweiligen Jahre.
Um die Folgen der IAP für die öffentlichen Einnahmen abzuschätzen, müssen Annahmen über ein Alternativszenario getroffen werden. Ein denkbarer Vergleich wäre, dass die gezahlten Prämien als normale (steuer- und abgabepflichtige) Lohn- und Gehaltszahlung ausgezahlt worden wären. In diesem Fall würde der Einnahmeverlust den durch die Steuer- und Abgabenfreiheit entgangenen Steuern und Abgaben entsprechen.
Allerdings ist plausibel, dass eine stärkere Erhöhung der Löhne und Gehälter notwendig gewesen wäre, um die Arbeitnehmer:innen ohne die Steuer- und Abgabenfreiheit der IAP zufrieden zu stellen. Damit definiert die Berechnung der Ausfälle von Steuern und Abgaben durch die tatsächlich gezahlte IAP die Untergrenze für die Einnahmenausfälle. Die Obergrenze wäre durch die Annahme definiert, dass ohne IAP ein äquivalenter Nettolohnzuwachs durch reguläre Lohn- und Gehaltszahlungen erzielt worden wäre.
In unserer Umfrage liegen keine ausreichend detaillierten Daten über die zu versteuernden Einkommen der befragten Haushalte und den genauen Erwerbsstatus der Partner:innen in diesen Haushalten vor. Auch verteilen sich die Zahlungen auf drei Jahre, in denen sich nicht nur der Steuertarif verschoben hat, sondern möglicherweise auch die individuellen Einkommen geschwankt haben. Zuletzt haben sich die Beitragsbemessungsgrenzen und die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen verschoben. Von daher wird im Weiteren mit groben Annahmen gerechnet.
Für die Prämien gehen wir zunächst von relevanten Grenzabgabensätzen für die Sozialversicherungen von jeweils 20 % für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen aus. Darüber hinaus nehmen wir einen durchschnittlichen Grenzsteuersatz für die Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) von 30 % an. Zuletzt treffen wir die Annahme, dass sich die Hälfte der Entlastungen bei den Sozialabgaben in höheren Unternehmensgewinnen niedergeschlagen hat und dass auf diese zusätzlichen Gewinne ein durchschnittlicher Unternehmensteuersatz von 30 % fällig war. Die Annahme eines nur hälftigen Niederschlags der Beitragsentlastung in steuerpflichtigen Gewinnen basiert auf der Beobachtung, dass zum einen ein relevanter Teil der Prämien im öffentlichen Dienst ausgezahlt wurde, zum anderen Unternehmen, die ohnehin in den betreffenden Jahren in der Verlustzone waren, auch bei geringeren Verlusten keine Gewinnsteuern hätten zahlen müssen.
Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse dieser Schätzungen. In Spalte (1) sind die Veränderungen verschiedener Aggregate durch die Zahlung der steuer- und abgabenfreien IAP gegenüber einer Situation ohne jede Zahlung dargestellt. Spalte (2) zeigt die hypothetische Veränderung, wenn die Zahlung der IAP in gleicher Höhe wie tatsächlich erfolgt, aber diese steuer- und abgabenpflichtig gewesen wäre. Spalte (3) stellt eine normale Lohnerhöhung dar, die einer Nettolohnerhöhung entspricht, wie sie mit der aktuellen steuer- und abgabenfreien IAP erreicht wurde. Spalte (4)zeigt die Differenz der volkswirtschaftlichen Größen bei der aktuellen Ausgestaltung der IAP relativ zu der hypothetischen Zahlung in gleicher Bruttohöhe, und Spalte (5) zeigt die Differenz zu der hypothetischen Lohnerhöhung mit gleichem Nettoeffekt wie die IAP.
Tabelle 4
Gesamtwirtschaftliche und fiskalische Aggregate bei verschiedenen Alternativszenarien zur Inflationsausgleichsprämie
in Mrd. Euro
IAP steuer- und abgabenfrei | IAP nicht steuer- und abgabenfrei | Alternative Lohnerhöhung | IAP steuer- und abgabenfrei | IAP steuer- und abgabenfrei | |
---|---|---|---|---|---|
relativ zu Situation ohne jede Zahlung |
relativ zu gleicher Bruttolohnerhöhung |
relativ zu gleicher Nettolohnerhöhung |
|||
Spaltennummer | (1) | (2) | (3) | (4)* | (5)* |
(1) – (2) | (1) – (3) | ||||
Bruttoeinkommen SV-Beschäftigte | 46,7 | 46,7 | 93,4 | 0 | -46,7 |
Nettoeinkommen SV-Beschäftigte | 46,7 | 23,4 | 46,7 | -23,4 | 0 |
Bruttoeinkommen Beamt:innen | 5,8 | 5,8 | 8,2 | 0 | -2,5 |
Nettoeinkommen Beamt:innen | 5,8 | 4,0 | 5,8 | -1,7 | 0 |
Gewinne (vor Steuern) | -46,7 | -56,1 | -112,1 | 9,3 | 65,4 |
Anstieg Arbeitskosten SV-Beschäftigte | 46,7 | 56,1 | 112,1 | -9,3 | -65,4 |
Anstieg Arbeitskosten Gesamtwirtschaft | 52,5 | 61,8 | 120,3 | -9,3 | -67,9 |
Einnahmen Staat | |||||
Sozialbeiträge Arbeitnehmer:innen | 0 | 9,3 | 18,7 | -9,3 | -18,7 |
Sozialbeiträge Arbeitgeber:innen | 0 | 9,3 | 18,7 | -9,3 | -18,7 |
Einkommensteuer SV-Beschäftigte | 0 | 14,0 | 28,0 | -14,0 | -28,0 |
Einkommensteuer Beamt:innen | 0 | 1,7 | 2,5 | -1,7 | -2,5 |
Unternehmenssteuer | -7,0 | -8,4 | -16,8 | 1,4 | 9,8 |
Summe Veränderung Einnahmen Staat + Sozialversicherungen | -33,0 | -58,1 |
* Abweichungen aufgrund von Rundungsfehlern möglich.
Quelle: Online-Befragung des IMK, Statistisches Bundesamt, Berechnungen des IMK.
Aus Tabelle 4 ist ersichtlich, dass die Entlastung durch den Staat aus der steuer- und abgabenfreien IAP je nach Referenzszenario in der Summe zwischen 33 Mrd. und 58,1 Mrd. Euro betragen hat. Da weder die untere noch die obere Grenze plausible Annahmen darstellen (also weder, dass die Beschäftigten keinerlei Nettoeinkommensziel verfolgen, noch, dass sie ihre Nettoeinkommensposition gegenüber den Arbeitgeber:innen unabhängig von den Kosten für die Unternehmen durchsetzen können), dürfte die fiskalische Entlastung damit mindestens gut 40 Mrd. Euro betragen haben, also rund 1 % des Bruttoinlandsprodukts. Das entspricht etwa dem Volumen der Energiepreisbremsen (BMF, 2024) und mehr als der Verschiebung des Einkommensteuertarifs 2023 und 2024 (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2023).
Das Ziel der IAP war, die Kaufkraft zu erhöhen, zugleich aber auch eine Preis-Lohn-Spirale zu verhindern, also eine Situation, in der die gestiegenen Preise zu schneller steigenden Arbeitskosten führen, die dann möglicherweise wiederum die Inflation ankurbeln. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu bewerten, wie viel stärker die Arbeitskosten bei gegebenem Kaufkraftzuwachs der Haushalte gestiegen wären, wenn es keine Steuer- und Abgabenfreiheit für die IAP gegeben hätte. Die Ergebnisse in Spalte (5) zeigen, dass ohne die Steuer- und Abgabenfreiheit auf die IAP ein um rund 68 Mrd. Euro höherer Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Arbeitskosten angefallen wäre, um den gleichen Zuwachs an verfügbaren Nettoeinkommen bei den Beschäftigten zu erreichen. Auf die Jahre verteilt ergäben sich somit zusätzliche hypothetische Arbeitskosten von 33,8 Mrd. Euro 2022, 30,9 Mrd. Euro 2023 und 14 Mrd. Euro 2024, wobei wie oben beschrieben wahrscheinlich der Wert für 2022 überschätzt ist und die Werte für 2023 und 2024 unterschätzt sind. In den Jahren 2022 und 2023 entspricht dies jeweils rund 1,5 % der gezahlten Arbeitgeberentgelte (die Arbeitnehmerentgelte lagen 2022 bei 2.023,6 Mrd. Euro und 2023 bei 2.159,4 Mrd. Euro) und einem ähnlichen Anteil der Lohnstückkosten.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Inflationsausgleichsprämie einen makroökonomisch relevanten Beitrag zur Stabilisierung von Haushaltseinkommen und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage während des Energiepreisschocks infolge der russischen Invasion in der Ukraine geleistet hat, sowie zur Verhinderung einer Lohn-Preis-Spirale. In künftigen Situationen mit vergleichbaren exogenen Schocks sollte dieses Instrument deshalb erneut in Betracht gezogen werden.
- 1 Beznoska und Hentze (2024) nehmen ebenfalls eine Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Effekte basierend auf einer Umfrage vor und kommen zu einer etwas geringeren Inzidenz und etwas geringeren makroökonomischen Effekten verglichen mit der hier vorgestellten Umfrage.
- 2 Eine spätere Auswertung von Destatis (2025) nach Ablauf des Jahres 2024 berichtet von einem leicht höheren Anteil von gezahlten Prämien (und marginal niedrigeren Summen), was darauf hindeutet, dass es zum Jahresende 2024 noch zu einzelnen, nicht zuvor antizipierten Zahlungen gekommen ist und dass unsere makroökonomische Schätzung möglicherweise eher am unteren Rand der tatsächlichen Effekte liegt.
- 3 Folgende Kategorien möglicher Güter und Dienstleistungen wurden abgefragt: (a) Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren und Ähnliches; (b) Bekleidung und Schuhe; (c) Wohnungsinstandhaltung; (d) Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände; (e) Verkehr und Mobilität; (f) Freizeit, Unterhaltung und Kultur; (g) Gaststätten- und Restaurantbesuche; (h) Reisen und Urlaub.
- 4 In Regressionen für die einzelnen Konsumkategorien zeigen sich mit einer Ausnahme (Verkehr und Mobilität) ebenfalls statistisch signifikante Unterschiede in der Konsumneigung zwischen Befragten mit und ohne IAP.
Literatur
Behringer, J. & Dullien, S. (2023). Entlastungspakete und Energiepreisbremse stabilisieren Konsum in Deutschland: Ergebnisse aus der IMK-Energiepreisbefragung. IMK Policy Brief, 145.
Behringer, J. & Dullien, S. (2024a). Deutscher Konsum erholt sich langsam vom Energiepreisschock: Ergebnisse aus der IMK-Energiepreisbefragung Anfang 2024. IMK Policy Brief, 167.
Behringer, J. & Dullien, S. (2024b). Inflationsausgleichsprämie erhöht Einkommen von 26 Millionen Beschäftigten um 52 Milliarden Euro: Bestimmungsfaktoren und Auswirkungen der Sonderzahlungen. IMK Policy Brief, 171.
Behringer, J., Dullien, S. & Tober, S. (2022). Menschen in Deutschland nehmen Entlastungspakete I und II nur begrenzt wahr: Ergebnisse aus der IMK-Energiepreisbefragung. IMK Policy Brief, 131.
Beznoska, M. & Hentze, T. (2024). Inflationsausgleichsprämie: Ohne Tarifvertrag weniger Verbreitung. IW Kurzbericht, 35.
BMF – Bundesministerium der Finanzen. (2024, Januar). Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2023. Monatsbericht des BMF, 22–42.
Destatis. (2024, 14. März). Mehr als drei Viertel aller Tarifbeschäftigten erhalten eine Inflationsausgleichsprämie [Pressemitteilung].
Destatis. (2025, 17. Januar). Über acht von zehn Tarifbeschäftigten erhielten bis Ende 2024 eine Inflationsausgleichsprämie [Pressemitteilung].
Dullien, S. & Kohlrausch, B. (2022). Konzertierte Aktion: Weitere Entlastungen für Privathaushalte notwendig. IMK Kommentar, 7.
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. (2023). Kaufkraft kehrt zurück - Politische Unsicherheit hoch. Gemeinschaftsdiagnose Herbst.