Die Frage, ob im Haus (bisher 19 % Umsatzsteuer) oder zum Mitnehmen (bisher 7 %), wird vermutlich bald an Bedeutung verlieren. Im Koalitionsvertrag steht wörtlich: „Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie wird zum 01.01.2026 dauerhaft auf sieben Prozent reduziert.“
Man könnte meinen, ein Kuriosum des Umsatzsteuerwesens weniger, wenn Speisen in der Gastronomie gleich denen im Einzelhandel besteuert werden. Zugleich war die Gastro-Branche in den vergangenen Jahren durchaus zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt, sodass der warme Regen „Steuersenkung“ hier sicherlich einiges an Erleichterung bringen wird.
Doch schaut man genauer hin, fällt auf, dass die Lage in vielen anderen Branchen deutlich angespannter ist als in der Gastronomie. Insbesondere das Verarbeitende Gewerbe und die exportorientierten Unternehmen stehen aktuell unter Druck. In den vergangenen Jahren haben sie international massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Der internationale Wettbewerbsdruck ist in der Gastronomie hingegen naturgemäß weniger stark ausgeprägt.
Brisant ist eine steuerliche Schützenhilfe, die nur einer bestimmten Branche zugutekommt, weil sie implizit von allen anderen getragen werden muss. Mit den gut 4 Mrd. Euro pro Jahr hätten schließlich andere Zwecke finanziert werden können, die deutlich mehr oder sogar allen Branchen genutzt hätten. Dies gilt auch dann, wenn wie aktuell der Kreditrahmen der öffentlichen Haushalte merklich geweitet wurde. Kreditfinanzierung entbindet nicht von einer effizienten Mittelverwendung, sondern macht diese vielmehr noch dringlicher.
Die Erleichterung der einen ist somit zumindest implizit die Belastung der anderen. Stellen Sie sich einfach vor, der Betrag wäre dazu genutzt worden, die Einkommensteuer zu senken. Das hätte allen Branchen und vielen Menschen geholfen, insbesondere hätte es die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutlich stärker verbessert als eine Senkung der Umsatzsteuer. Nun ist zwar auch die Umsatzsteuer eine Belastung der wirtschaftlichen Aktivität – die Vorstellung, dass sie nur den Konsum trifft und keinerlei Einfluss auf Leistungsanreize hat, ist unterkomplex. Der landläufig gebräuchliche Name „Mehrwertsteuer“ deutet das an: Es ist eine Steuer auf den „Mehrwert“ bzw. die Wertschöpfung. Doch zum einen verzerrt die Umsatzsteuer, anders als die Einkommensteuer, Spar- und Investitionsentscheidungen nicht – sie relativ zur Einkommensteuer zu reduzieren, ist aus dieser Sicht also nicht zu empfehlen – und zum anderen geht es nicht um eine Reduktion des allgemeinen Satzes, sondern um sehr spezielle Güter. Es gibt also eine klare Umverteilungskomponente dieser Steuersenkung zwischen den Branchen und zwischen den Konsument:innen.
Wo und wie die Umverteilung stattfindet, hängt wesentlich davon ab, wer die Steuer ökonomisch trägt, oder anders gesagt, in welchem Ausmaß der reduzierte Steuersatz über reduzierte Preise an die Konsument:innen weitergereicht wird. Als Daumenregel hat sich etabliert, dass eine Veränderung der Umsatzsteuer zu 70 % in den Konsumentenpreis eingeht. Allerdings gibt es Hinweise, dass Steuersatzerhöhungen deutlich stärker weitergereicht werden als -senkungen. Grob gesagt ist es plausibel, dass sich Restaurantbesucher:innen und Restaurantbesitzer:innen die gut 4 Mrd. Euro in etwa hälftig teilen werden.
Da die Ausgaben für Restaurantbesuche relativ zum Einkommen mit demselben tendenziell zunehmen, ist davon auszugehen, dass das Stück des Kuchens, das an die Konsument:innen fällt, überwiegend auf den Tischen gutverdienender Haushalte serviert werden wird. Anders als bei der Senkung des allgemeinen Satzes der Umsatzsteuer dürfte die Reduktion des Steuersatzes in der Gastronomie noch nicht mal progressive Umverteilungseffekte auslösen. Das Gegenteil ist wahrscheinlich.
Es gibt somit insgesamt keine überzeugenden konjunkturellen oder strukturellen noch sozialpolitischen Gründe, die Umsatzsteuer in der Gastronomie zu senken. In den „fetten Jahren“ vor der Coronapandemie wäre sie vielleicht mit einem Achselzucken hinnehmbar gewesen; aber aktuell, da angesichts des demografischen Wandels ein effizientes und leistungsorientierteres Steuer- und Transfersystem dringender ist denn je, bleibt sie eine Maßnahme, die aus der Zeit gefallen ist: ein Geschenk an die Wenigen, für das alle etwas bezahlen müssen.