Die finanz- und realwirtschaftlichen Krisen der vergangenen Jahre und die dadurch ausgelösten geldpolitischen Stabilisierungsmaßnahmen haben wiederholt zu Debatten über mögliche Beeinträchtigungen der Ertragspotenziale des Vermögens privater Haushalte und insbesondere ärmerer Vermögensgruppen in Deutschland geführt. Daher werden in diesem Beitrag erstmals die realen Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen privater Haushalte in Deutschland aufgegliedert nach unterschiedlichen Vermögensgruppen auf Grundlage eines neuen Datensatzes des Eurosystems ab 2011 berechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass „reichere“ Haushalte aufgrund einer günstigeren Portfolioallokation ihrer Aktiva im Durchschnitt höhere Gesamtvermögensrenditen erzielen als „ärmere“ Haushalte, jedoch „ärmere“ Haushalte aufgrund einer intensiveren Nutzung des Fremdkapitalhebels höhere Eigenkapitalrenditen erwirtschaften als „reichere“ Haushalte.
Deutsche Sparer hatten es seit der Einführung des Euros nicht leicht. New Economy Blase, Finanzkrise, Eurokrise, Niedrigzinsphase, COVID-Pandemie und jüngst ein Einbruch am deutschen Immobilienmarkt gepaart mit einer Inflationsphase, deren Preissteigerungsraten seit Einführung der D-Mark nur im Jahr 1951 leicht übertroffen wurden, führten in den letzten 25 Jahren immer wieder zu drastischen Schwankungen an den Finanzmärkten und hoher realwirtschaftlicher Volatilität. Diesen Schocks folgten regelmäßig Debatten über mögliche Gefahren für die Vermögenssubstanz und die künftigen Ertragsperspektiven privater Haushalte in Deutschland. Während der Finanz- und Eurokrise schienen Wertpapiermärkte sowie die Fragilität der Bankensysteme und der Staatsfinanzen in manchen Ländern das Vermögen und dessen Rendite zu bedrohen (Fischer et al., 2013). Während der Niedrigzinsphase wurde eine „Enteignung“ der Sparer durch das Eurosystem befürchtet (Heise, 2016; Cowen, 2019; Zschäpitz, 2019), und jüngst standen die potenziellen inflationsbedingten Vermögensverluste im Vordergrund (Schickentanz, 2022; Hinterberger, 2025).
Hinzu kommt, dass der private Vermögensaufbau in Zeiten eines sich beschleunigenden demografischen Wandels mit erwartbaren Leistungsverschlechterungen aus dem gesetzlichen Rentensystem immer wichtiger wird. Dabei nimmt die Notwendigkeit zur privaten Vorsorge zu je geringer das Vermögen ist. Jedoch legen zahlreiche Studien (Abreu & Mendes, 2010; Behrman et al., 2012; Schmidt & Tzamourani, 2017) nahe, dass das Niveau finanzieller Bildung abnimmt je geringer das Vermögen ist und somit vermögensschwächere Gruppen in Sachen Geldanlage und Altersvorsorge zukünftig vor besonderen Herausforderungen stehen.
Doch sind die Sorgen um die negativen Auswirkungen der realwirtschaftlichen und finanziellen Schocks auf deutsche Sparer im Allgemeinen und auf weniger vermögende Gruppen im Besonderen berechtigt? Um diese Frage zu beantworten, wurden auf Grundlage eines neuen Datensatzes des Eurosystems zu verteilungsbasierten Vermögensbilanzen (Distributional Wealth Accounts, DWA)1 die Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen, die deutsche Privathaushalte mit ihrem Vermögen erzielten, erstmals nach einzelnen Vermögensgruppen auf Quartalsbasis berechnet.2 Für Deutschland sind die DWA-Daten derzeit von 2011 Q1 bis 2024 Q2 verfügbar und umfassen folgende Aktiva: Immobilienvermögen (Grundstücke und Wohngebäude), nichtfinanzielles Betriebsvermögen (Gebäude, Land und Maschinen von Einzelunternehmern, Freiberuflern und Landwirten zu Produktionszwecken), finanzielles Betriebsvermögen (nicht-börsennotierte Aktien, Anteile an GmbHs, OHGs und KGs), Bankeinlagen, Wertpapiere (Schuldverschreibungen, börsennotierte Aktien, Investmentfonds) sowie Anlagen in Lebensversicherungen. Die Passivseite umfasst Immobilienkredite und sonstige Kredite (unter anderem Konsumentenkredite) sowie das Eigenkapital. Hinsichtlich der Unterteilung nach Vermögensgruppen unterscheiden die DWA nicht immer nach allen Vermögensdezilen. Daher wurden für die hier vorgestellte Rechnung analog zu anderen Analysen (Deutsche Bundesbank, 2024) folgende gängige Vermögensgruppen auf Grundlage ihres Nettovermögens (Eigenkapital) unterschieden: (1) Die untere Hälfte der Vermögensverteilung (Dezile 1 bis 5, Gruppe 0 %–50 %), (2) die nächsten 40 % (Dezile 6 bis 9, Gruppe 50 %–90 %) und (3) die obersten 10 % (Dezil 10, Gruppe 90 %–100 % bzw. Top 10 %). Zudem wurden auch immer Angaben für das Gesamtaggregat aller Haushalte ausgewiesen (Dezile 1 bis 10, Gruppe 0 %–100 %).
Zur Berechnung der realen Gesamt- oder Bruttovermögensrenditen wurden zunächst die rollierenden jährlichen realen Renditen auf Quartalsbasis für alle oben genannten Aktiva auf Grundlage von zahlreichen Quellen unter Berücksichtigung von Unterschieden in Laufzeiten, Risikoklassen und Emittentensektoren berechnet. Anschließend wurden diese Einzelrenditen für jede Vermögensgruppe mit den jeweiligen Portfolioanteilen gewichtet und dann zu den realen Gesamtvermögensrenditen aufsummiert. Die jeweiligen Eigenkapital- oder Nettovermögensrenditen wurden auf Grundlage des Weighted Average Cost of Capital (WACC)-Ansatzes im Anschluss unter Verwendung der gruppenspezifischen Gesamtvermögensrenditen, Fremdkapitalzinsen und Verschuldungsquoten berechnet (Radke & Rupprecht, 2021; 2022).
Zur besseren zeitlichen Vergleichbarkeit wurden die Ergebnisse in die folgenden drei Phasen unterteilt und die Daten als jeweilige arithmetische Mittel ausgewiesen: (1) „Eurokrise“ von 2011 Q1 (Zeitreihenbeginn) bis 2014 Q2; (2) „Niedrigzinsphase“ von 2014 Q3 (erstmalige Absenkung des Einlagensatzes in den negativen Bereich und Einführung des Asset Purchase Programme (APP) des Eurosystems) bis 2021 Q2; (3) „Inflationsphase“ von 2021 Q3 (erstmaliger deutlicher Anstieg der Inflationsraten in den großen Euroländern über die Zielmarke von 2 %) bis 2024 Q2 (Zeitreihenende). Zudem wurden auch die Durchschnittswerte für den gesamten Berichtszeitraum von 2011 Q1 bis 2024 Q2 ausgewiesen.
Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen im Überblick
Betrachtet man zunächst die realen Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen (Abbildung 1), so fällt auf, dass während der Eurokrise und der Niedrigzinsphase alle Renditen für alle Gruppen positiv waren, die Eigenkapitalrenditen die Gesamtvermögensrenditen übertrafen und alle Renditen beim Übergang in die Niedrigzinsphase gestiegen sind; besonders ausgeprägt war dieser Anstieg bei der Eigenkapitalrendite der Gruppe 0 %–50 %, die auch die höchste Eigenkapitalrendite von 10,1 % erzielte. Während der Inflationsphase drehten alle Renditen in den negativen Bereich, wobei die Gruppe 0 %–50 % spiegelbildlich zur Vorperiode die größte Reduktion und die niedrigste Eigenkapitalrendite von - 4,3 % hinnehmen musste. Hinsichtlich der Gesamtvermögensrenditen erzielten höhere Vermögen während der Eurokrise und der Niedrigzinsphase auch höhere positive Renditen. Während der Inflationsphase war zwar die untere Vermögenshälfte am stärksten vom Renditeeinbruch betroffen, jedoch war die Renditespreizung zwischen den Gruppen deutlich geringer ausgeprägt als in den beiden Vorperioden.
Abbildung 1
Reale Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen privater Haushalte
nach Vermögensgruppen; arithmetische Mittel in % p. a.

GV = Gesamtvermögensrendite; EK = Eigenkapitalrendite.
Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von Europäische Zentralbank. (o. D.); OECD Data Explorer (o. D.); LSEG (o. D.).
Über den gesamten Berichtszeitraum hinweg konnten alle Gruppen positive Renditen erzielen, wobei auch hier die Eigenkapitalrenditen in allen Gruppen die Gesamtvermögensrenditen übertrafen; die Differenz fiel für die Gruppe 0 %–50 % mit 3,5 Prozentpunkten am größten aus. Diese Gruppe erzielte auch die höchste Eigenkapitalrendite von durchschnittlich 6,1 %, die Gruppe 50 %–90 % hingegen die niedrigste mit 4,2 %. Die Gesamtvermögensrenditen korrelierten über die gesamte Berichtsperiode – wie in den Teilperioden – positiv mit dem Vermögen. So erzielten die Top 10 % mit einer Gesamtvermögensrendite von 5,3 % eine leicht über dem langfristigen Durchschnitt für alle Gruppen liegende Rendite von 4,5 %, wohingegen die Gruppe 0 %–50 % mit 2,6 % die niedrigste Gesamtvermögensrendite realisierte.
Die während der Eurokrise und Niedrigzinsphase sowie im gesamten Berichtszeitraum höheren Eigenkapitalrenditen im Vergleich zu den Gesamtkapitalrenditen waren bei allen Gruppen durch einen positiven Leverage-Effekt bedingt (Abbildung 2).3 Da die Fremdkapitalzinsen für alle Gruppen nahezu identisch waren, profitierten zwar reichere Gruppen stärker von einer positiven Differenz zwischen Gesamtkapitalrendite und Kreditzinsen. Jedoch verhielt sich der Einfluss des Fremdkapitalhebels genau umgekehrt, da der Verschuldungsgrad deutscher Haushalte mit fallendem Vermögen zunimmt. Dieser Hebeleffekt überkompensierte bei der unteren Vermögenshälfte den „Nachteil“ einer geringeren Differenz zwischen Gesamtvermögensrendite und Fremdkapitalzinsen deutlich, sodass der Leverage-Effekt bei der Gruppe 0 %–50 % im langfristigen Durschnitt mit 57,7 % zur Eigenkapitalrendite beitrug; bei der Gruppe 50 %–90 % lag dieser Anteil bei 11,8 % und bei den Top 10 % lediglich bei 5,6 %.
Abbildung 2
Aufgliederung der realen Eigenkapitalrendite privater Haushalte
nach Vermögensgruppen; arithmetische Mittel in % p. a.

Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von Europäische Zentralbank. (o. D.); OECD Data Explorer (o. D.); LSEG (o. D.).
Während der Inflationsphase veränderte sich jedoch der Einfluss der Renditedifferenz trotz negativer Kreditzinsen für alle Gruppen signifikant. Für die untere Vermögenshälfte wurde die Differenz negativ, für die Top 10 % nahezu null. Nur die Gruppe 50 %–90 % verzeichnete immer noch eine positive – wenn auch deutlich reduzierte – Renditedifferenz. Folglich wirkte der Leverage-Effekt für die untere Vermögenshälfte – trotz einer Reduktion des Verschuldungsgrads – nun nachteilig, wohingegen die Top 10 % keine Auswirkungen verspürten und die Gruppe 50 %–90 % immer noch leicht profitierte.
Entwicklung der Gesamtvermögensrenditen
Das Niveau der Gesamtvermögensrenditen wird einerseits durch die Höhe der realen Renditen der einzelnen Aktiva und andererseits durch deren jeweilige Portfolioanteile bestimmt. Da die realen Renditen der Aktiva für alle Vermögensgruppen gleich sind, sind Unterschiede in den Niveaus der Gesamtvermögensrenditen allein durch Unterschiede in den Portfoliostrukturen bedingt. Der Großteil der Volatilität der Gesamtvermögensrenditen wird hingegen maßgeblich durch die Volatilität der Renditen der einzelnen Aktiva getrieben, da sich die vermögensgruppenspezifischen Portfoliostrukturen nur sehr langsam im Zeitablauf ändern.
Die renditestärksten Aktiva waren während der Eurokrise und der Niedrigzinsphase Immobilien, Betriebsvermögen, börsennotierte Aktien und Investmentfonds, wobei Immobilien in der Niedrigzinsphase aufgrund der sich aufbauenden Überbewertungen am Häusermarkt im Vergleich zur Vorperiode am stärksten zulegen konnten (Abbildung 3). Betriebsvermögensrenditen verzeichneten beim Übergang in die Niedrigzinsphase ebenfalls einen leichten Anstieg, wohingegen die Renditen börsennotierter Aktien und Investmentfonds rückläufig waren. Schuldverschreibungen und Anlagen bei Versicherungen rentierten in beiden Perioden deutlich schwächer. Bankeinlagen erwirtschafteten in beiden Perioden eine leicht negative reale Rendite. Der EZB-Leitzins lag in beiden Perioden ebenfalls im negativen Bereich.
Abbildung 3
Reale ungewichtete Renditen der einzelnen Aktiva und Passiva
arithmetische Mittel in % p. a.

Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von Europäische Zentralbank. (o. D.); OECD Data Explorer (o. D.); LSEG (o. D.).
Beim Übergang in die Inflationsphase brachen die Renditen aller Assetklassen deutlich ein und lagen alle mit Ausnahme börsennotierter Aktien im negativen Bereich. Schuldverschreibungen, Betriebsvermögen und Bankeinlagen verzeichneten die größten Verluste, gefolgt von Investmentfonds und Versicherungsanlagen. Die Verluste beim Immobilienvermögen waren trotz der Verwerfungen am Häusermarkt vergleichsweise gering.
Über den gesamten Berichtszeitraum hinweg erzielten Betriebsvermögen, börsennotierte Aktien, Immobilien und Investmentfondsanteile die höchsten Renditen. Anlagen bei Versicherungen rentierten deutlich schwächer und Schuldverschreibungen und Bankeinlagen erzielten Verluste. Der reale EZB-Leitzins lag durchweg im negativen Bereich.
Bezüglich der Portfoliostruktur gab es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Vermögensgruppen, jedoch wenig Veränderungen im Zeitablauf (Abbildung 4). So hielt die Gruppe 0 %–50 % den Großteil ihres Bruttovermögens in Immobilien, Bankeinlangen und Versicherungsprodukten; in Wertpapiere und Betriebsvermögen wurde kaum investiert. Die Gruppe 50 %–90 % ähnelte hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Aktiva der unteren Vermögenshälfte. Allerdings waren die Anteile des Immobilienvermögens etwas höher und die Anteile an Bankeinlagen und Versicherungsprodukten dementsprechend kleiner. Die Gruppe der Top 10 % unterschied sich hingegen deutlich von den beiden anderen Gruppen. Zwar hielt die Gruppe einen ähnlichen Anteil in Immobilien, jedoch waren die Anteile an Betriebsvermögen und Wertpapieren signifikant höher und folglich die Anteile bei Bankeinlagen und Versicherungsprodukten niedriger.
Abbildung 4
Portfoliostruktur der Aktiva und Passiva privater Haushalte
nach Vermögensgruppen; Anteile in %, arithmetische Mittel

Alle Phaseneinteilungen wie zuvor. 1. Die (positiven) Portfolioanteile auf der Passivseite wurden alle mit (-1) multipliziert und sind daher im negativen Bereich abgetragen. 2. Die Position Wertpapiere umfasst börsennotierte Aktien, Schuldverschreibungen sowie Investmentfondsanteile.
Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von Europäische Zentralbank (o. D.).
Über die drei Perioden hinweg verzeichnete die Gruppe 0 %–50 % die größten Veränderungen in der Portfoliostruktur. So reduzierten sich die Anteile beim Immobilienvermögen und bei Versicherungsprodukten insbesondere während der Inflationsperiode. Kompensiert wurden diese Reduktionen von ca. 7 Prozentpunkten hauptsächlich durch die Erhöhung des Anteils an Bankeinlagen. Die beiden anderen Gruppen verzeichneten ebenfalls Anteilsrückgänge bei Versicherungsprodukten und Bankeinlagen; kompensiert wurde diese kumulierte Reduktion von ca. 3-4 Prozentpunkten durch eine Anteilserhöhung beim Immobilienvermögen.
Aufgrund der oben dargestellten Entwicklungen wurden während der Eurokrise und Niedrigzinsphase die Gesamtvermögensrenditen der Gruppen 0 %–50 % und 50 %–90 % hauptsächlich durch die Entwicklung der Immobilienrenditen getrieben (Abbildung 5). Aufgrund des hohen Anteils niedrig bzw. negativ verzinster Anlageprodukte trugen die anderen Assetklassen nur gering bzw. negativ zur Gesamtrendite bei. Bei der Gruppe der Top 10 % kam zusätzlich zum Immobilienvermögen das Betriebsvermögen als Hauptrenditeträger hinzu. Wertpapiere spielten zwar eine etwas größere Rolle als bei den anderen Gruppen, trugen aber insgesamt nur wenig zur Gesamtvermögensrendite bei.
Abbildung 5
Reale Renditebeiträge aller Aktiva und Passiva zur Gesamtvermögensrendite privater Haushalte
nach Vermögensgruppen; in % p. a. sowie in Prozentpunkten

Gesamtvermögensrendite und Gesamtrendite aller Passiva in % p.a. (arithmetische Mittel); Beiträge einzelner Aktiva und Passiva in Prozentpunkten (PP). 1. Der Renditebeitrag jedes Aktivums repräsentiert die mit dem jeweiligen Portfolioanteil an der Gesamtsumme aller Aktiva gewichtete Rendite. Die Summe dieser Renditebeiträge ergibt die Gesamtvermögensrendite (= Rendite aller Aktiva). Der Renditebeitrag jedes Passivpostens repräsentiert die mit dem jeweiligen Portfolioanteil an der Gesamtsumme aller Passiva gewichtete Rendite. Die Summe dieser Renditebeiträge ergibt die Rendite aller Passiva, die gleich der Gesamtvermögensrendite ist. 2. Bedingt durch die Multiplikation der Renditebeiträge aller Passivposten sowie der Gesamtrendite aller Passiva mit (-1) repräsentieren negative Werte im Diagram positive Renditen bzw. Renditebeiträge und positive Werte im Diagramm negative Renditen bzw. Renditebeiträge (wie z. B. während der Inflationsphase). 3. Die Position Wertpapiere umfasst börsennotierte Aktien, Schuldverschreibungen sowie Investmentfondsanteile.
Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von Europäische Zentralbank (o. D.); OECD Data Explorer (o. D.); LSEG (o. D.).
In der Inflationsphase waren spiegelbildlich zu den beiden Vorperioden die negativen Gesamtvermögensrenditen aller Gruppen zu einem großen Teil durch die negativen Renditen des Immobilienvermögens bedingt. Bei den Gruppen 0 %–50 % und 50 %–90 % schlug zudem der hohe Anteil an stark negativ verzinsten Bankeinlagen negativ zu Buche. Bei den Top 10 % trug die negative Rendite des Betriebsvermögens ebenfalls entscheidend zur negativen Gesamtrendite bei. Die schlechte Entwicklung an den Anleihemärkten und bei den Investmentfonds spiegelten sich aufgrund der niedrigen Portfolioanteile nahezu überhaupt nicht in der Entwicklung der Gesamtvermögensrenditen wider. Über den gesamten Berichtszeitraum hinweg wurden die Gesamtvermögensrenditen für jede Vermögensgruppe maßgeblich durch die jeweiligen Entwicklungen während der Eurokrise und Niedrigzinsphase dominiert und ähnelten daher im Niveau und in der Zusammensetzung diesen beiden Zeiträumen.
Auf der Passivseite spiegelten sich Entwicklungen der Gesamtvermögensrenditen bei der Gruppe 50 %–90 % und bei den Top 10 % aufgrund der niedrigen Verschuldungsgrade hauptsächlich in Veränderungen der gewichteten Eigenkapitalrenditen wider. Bei der unteren Vermögenshälfte wurde jedoch aufgrund des deutlich höheren Fremdkapitalanteils, der von 71 % während der Eurokrise auf einen Anteil von 54 % während der Inflationsphase sank, die Gesamtrendite der Passiva auch maßgeblich durch die Entwicklung der Kreditzinsen beeinflusst, die kontinuierlich sanken und während der Inflationsperiode sogar im negativen Bereich lagen.
Fazit
Die Analyse hat gezeigt, dass über den gesamten Berichtszeitraum und über alle Gruppen hinweg im Durchschnitt positive reale Gesamtvermögen- und Eigenkapitalrenditen erzielt werden konnten. Während der Eurokrise lagen die Renditen für alle Gruppen über dem längerfristigen Durchschnitt und konnten während der Niedrigzinsphase sogar für alle Gruppen gesteigert werden, was maßgeblich durch die Stabilisierungsmaßnahmen des Eurosystems bedingt gewesen sein dürfte. Folglich kann auch nicht von einer „Enteignung der Sparer“ gesprochen werden und vor allem nicht von einer besonderen Belastung der unteren Vermögenshälfte während diesen beiden Perioden. Die Inflationsphase, die eine außerordentlich starke geldpolitische Straffung induziert hatte, führte jedoch im Vergleich zu den Vorperioden zu realen Renditeverlusten. Allerdings fielen diese für alle Vermögensgruppen betragsmäßig deutlich niedriger aus als die positiven Renditen in den beiden Vorperioden. Zudem waren die Renditeunterschiede zwischen den Gruppen deutlich geringer.
Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Vermögenshöhe und Gesamtvermögensrendite erzielten reichere Haushalte aufgrund einer besseren Portfolioallokation auf der Aktivseite der Vermögensbilanz höhere Renditen als ärmere Haushalte. Allerdings dürfte dieses Ergebnis nicht nur auf fehlende finanzielle Bildung zurückzuführen sein, sondern auch auf einen höheren Bedarf an Vorsorgeliquidität bei niedrigerem Vermögen. Beim Zusammenhang zwischen Vermögenshöhe und Eigenkapitalrendite erzielten hingegen ärmere Haushalte aufgrund einer günstigeren Passivastruktur mit höherem Fremdkapitalanteil höhere Renditen als reichere Haushalte. Jedoch dürfte das Ausmaß der Fremdkapitalnutzung insbesondere bei den unteren Vermögensgruppen nicht immer primär auf einem renditemaximierenden Optimierungskalkül beruhen, sondern einfach ein Resultat der Vermögensrestriktion insbesondere beim Aufbau von Immobilienvermögen sein. Hinzu kommt, dass der Fremdkapitaleinsatz im Berichtszeitraum von der Geldpolitik des Eurosystems durch niedrige Fremdkapitalzinsen begünstigt wurde. Die Inflationsphase zeigt allerdings auch die Risiken auf, die der Fremdkapitaleinsatz mit sich bringt, wenn plötzlich die Kreditzinsen die Gesamtvermögensrenditen übersteigen.
Obwohl die Ertragskraft ärmerer Haushalte im Vergleich zu reicheren Haushalten beim Bruttovermögen etwas hinterherhinkt, jedoch hinsichtlich des Nettovermögens größer ist, sollte die hier geführte Diskussion nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vermögensungleichheit in Deutschland im Vergleich zu den restlichen Mitgliedsländern der Eurozone ausgesprochen hoch ist. So wies Deutschland gemessen am Gini-Koeffizienten über den gesamten Berichtszeitraum hinweg knapp hinter Österreich die zweithöchste Ungleichverteilung beim Nettovermögen auf. Um folglich vor allem die Gesamtkapitalrenditen der unteren Vermögensgruppen zu steigern und so deren relative Vermögensposition zumindest etwas zu stärken, wäre es ratsam von staatlicher Seite einerseits mehr in finanzielle Bildung zu investieren und andererseits den Vermögensaufbau insbesondere durch Immobilien- und Wertpapierbesitz noch stärker finanziell zu unterstützen.
- 1 Die DWA kombinieren Quartalsangaben der Finanzierungsrechnung zu finanziellen Vermögensbilanzen privater Haushalte im Euroraum mit Daten des Household Finance and Consumption Survey des Eurosystems (HFCS) (Europäische Zentralbank, 2024b). Vergleiche zur Methodik Europäische Zentralbank (2024a).
- 2 Die Berechnung realer Finanzvermögensrenditen deutscher Haushalte erfolgte erstmals durch die Deutsche Bundesbank (2015). Erweitert wurden diese Renditeberechnungen von Radke und Rupprecht (2018; 2019; 2020; 2022) durch die Miteinbeziehung des Sachvermögens und der gesamten Passivseite der Vermögensbilanz sowie durch die Ausweitung der Rechnung auf die anderen drei großen Euroländer Spanien, Italien und Frankreich sowie für den Euroraum als Ganzes. Aufgrund fehlender Verteilungsdaten konnte jedoch in allen Rechenwerken bislang nicht nach Vermögensgruppen unterschieden werden. Einzige Ausnahme hiervon ist der Ansatz von Andreasch et al. (2020), der die realen Finanzvermögensrenditen privater Haushalte in Deutschland und Österreich aufgegliedert nach Vermögensdezilen auf Grundlage von HFCS-Daten vergleicht, die allerdings nur für die Jahre 2010, 2014 und 2017 verfügbar waren.
- 3 Der Zusammenhang zwischen Eigenkapitalrendite, Gesamtvermögensrendite und Leverage-Effekt ist definiert durch rEK = rGV + (FK/EK) ∙ (rGV - rFK) wobei rEK die Eigenkapitalrendite, rGV die Gesamtvermögensrendite, rFK den Fremdkapitalzins, FK den Marktwert des Fremdkapitals, EK den Marktwert des Eigenkapitals, und FK/EK den Verschuldungsgrad oder Hebel bezeichnet. Das Produkt (FK/EK) ∙ (rGV - rFK) misst die Höhe und das Vorzeichen des Leverage-Effekts. Folglich ist die Eigenkapitalrendite größer als die Gesamtvermögensrendite (positiver Leverage-Effekt), falls ein gewisser Grad an Verschuldung vorliegt und die Gesamtvermögensrendite größer als der Fremdkapitalzins ist. Ist die Zinsdifferenz (rGV - rFK) bei Fremdkapitaleinsatz jedoch negativ (negativer Leverage-Effekt), liegt die Gesamtvermögensrendite unterhalb der Eigenkapitalrendite. Ein höherer Verschuldungsgrad führt bei gegebener positiver/negativer Zinsdifferenz zu einem größeren positiven/negativen Leverage-Effekt (Radke & Rupprecht, 2022).
Literatur
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