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Das Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen (2025) analysiert erstmals – auf Basis des erweiterten Mandats nach der Novelle des Klimaschutzgesetzes – neben der Emissionsentwicklung auch die sozialen Verteilungswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen. Die Motivation ist klar: Die Transformation zur Klimaneutralität wird nur dann gelingen, wenn sie sozial gerecht ausgestaltet wird. Der bestehende klimapolitische Instrumentenmix in Deutschland verfehlt dieses Ziel jedoch bislang weitgehend und die sozialen Verteilungswirkungen von Klimapolitik bleiben bisher zu oft unbeachtet. Die Folge: Haushalte mit niedrigem Einkommen tragen verhältnismäßig höhere Lasten, während wohlhabendere Gruppen überproportional von Förderungen profitieren.

Diese soziale Schieflage manifestiert sich besonders deutlich bei steigenden Preisen für fossile Energieträger infolge der CO₂-Bepreisung. Diese trifft einkommensschwache Haushalte überdurchschnittlich stark – nicht nur, weil sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen, sondern auch, weil ihnen häufig die Mittel fehlen, auf emissionsärmere Alternativen umzusteigen. So entsteht ein fossiler Lock-in: Die Energiewende schreitet voran, doch ein Teil der Gesellschaft bleibt zurück. Ohne gezielte Unterstützung droht eine strukturelle Verfestigung von Energiearmut – mit weitreichenden sozialen und politischen Konsequenzen. Um diese Dynamiken zu durchbrechen, bedarf es eines kohärenten Politikrahmens, der soziale Ausgleichsmechanismen zu einem integralen Bestandteil der Klimapolitik macht. Der Expertenrat identifiziert hier vier Bausteine: den Ausbau einer mit den Treibhausgasminderungszielen kompatiblen öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge, sozial differenzierte Förderprogramme, regulatorische Maßnahmen sowie direkte finanzielle Kompensation.

Der Ausbau öffentlicher Daseinsvorsorge – etwa im Nahverkehr oder in der Wärmeversorgung – ist ein zentraler Hebel, um emissionsarme Alternativen auch für jene zugänglich zu machen, die nicht über die Ressourcen für individuelle Lösungen verfügen. Ein verbesserter ÖPNV oder eine flächendeckende Fernwärmeinfrastruktur schaffen nicht nur klimapolitische Vorteile, sondern auch soziale Mehrwerte: reduzierte Luftschadstoffe, geringere Lärmbelastung, mehr Teilhabechancen. Daneben sind gezielt ausgestaltete Förderprogramme unerlässlich. So zeigt die Reform der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), wie durch einkommensabhängige Zuschüsse gezielt Barrieren für untere Einkommensgruppen abgebaut werden können. Haushalte mit einem zu versteuernden Einkommen unter 40.000 Euro erhalten dort nun bis zu 30 % zusätzliche Förderung für einen Heizungstausch. Doch dieser Weg muss weiter beschritten werden. Auch Beispiele aus europäischen Nachbarländern, wie das Social Leasing für E-Fahrzeuge in Frankreich oder Bonus-Malus-Systeme bei der Fahrzeugbesteuerung zeigen, wie sozial gerechte Anreize in der Klimapolitik wirksam gestaltet werden können (siehe auch Zukunft KlimaSozial, 2025).

Zentral für die gesellschaftliche Akzeptanz der CO₂-Bepreisung ist zudem ein Lastenausgleich, der als fair empfunden wird. Hier bietet das Konzept eines Klimageldes, das die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung pro Kopf oder sozial gestaffelt an die Bevölkerung zurückgibt, eine pragmatische Lösung. Dabei erhöht die Einführung des zweiten europäischen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (EU-ETS 2) ab 2027 mit potenziell stark steigenden Preisen den Druck, sozial ausgewogene Maßnahmen rasch umzusetzen. Der europäische Klima-Sozialfonds sollte hier als Chance genutzt werden, vom EU-ETS 2 besonders betroffene vulnerable Gruppen mit entlastenden Maßnahmen zu unterstützen. Neben Förderung und Ausgleichsmaßnahmen sind auch regulatorische Instrumente unverzichtbar. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder das CO₂-Kostenaufteilungsgesetz setzen hier wichtige Impulse, etwa durch die gerechtere Verteilung von Transformationskosten zwischen Mietenden und Vermietenden.

Im Zusammenspiel könnten diese vier Bausteine dazu beitragen, dass keine Bevölkerungsgruppe durch die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft in übermäßiger oder als ungerecht wahrgenommener Weise belastet wird (siehe auch Zukunft KlimaSozial, 2024). Denn nur wenn alle gesellschaftlichen Gruppen an der Transformation positiv teilhaben können, lassen sich die Klimaziele langfristig erreichen. In diesem Sinne empfiehlt der Expertenrat, die sozialen Auswirkungen bei der Ausgestaltung klimapolitischer Maßnahmen künftig stärker mit einzubeziehen.

Literatur

Expertenrat für Klimafragen. (2025, 5. Februar). Zweijahresgutachten 2024.

Zukunft KlimaSozial. (2024). Eine sozial gerechte und klimaneutrale Zukunft sichern: 11 Thesen für eine Klimasozialpolitik.

Zukunft KlimaSozial. (2025). Beispiele für klimasoziale Maßnahmen in Europa.

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© Der/die Autor:in 2025

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DOI: 10.2478/wd-2025-0101