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In ihrem Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD zur Vorlage eines Forschungsdatengesetzes noch in diesem Jahr bekannt. Dieses Gesetz sollte eigentlich schon in der letzten Legislaturperiode verabschiedet werden und ist weiterhin dringend notwendig, da existierende Daten in weitestmöglicher Form für eine evidenzbasierte Politikberatung bereit stehen sollten. Nur auf einer breiten Datengrundlage können Gesetze auf ihre Wirksamkeit hin analysiert und valide Bewertungen vorgenommen werden. Dabei bergen insbesondere Individualdatensätze, bei denen Befragungsdaten mit verschiedenen administrativen Datenquellen verknüpft werden, großes Potenzial. Am Beispiel von Forschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird aufgezeigt, wie der Datenzugang zu Sozialdaten unter Wahrung des Datenschutzes geregelt wird und wie mit empirischen Analysen basierend auf verknüpften Datensätzen eine wichtige Politikreform – das Teilhabechancengesetz – begleitend evaluiert wird.

In einem kürzlich erschienenen Beitrag bemängeln ­Diekmann et al. (2025) die derzeitige Evaluierungspraxis und insbesondere die unzureichende Evidenzorientierung politischer Entscheidungen in Deutschland. Sie fordern eine Verbesserung des Datenzugangs für Evaluationen (Diekmann et al., 2025). Die Forschungspraxis des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die unabhängige wissenschaftliche Forschung, Datenproduktion und Politikberatung verbindet, kann hier als Vorbild für eine grundlegende und systematische Verbesserung der Evaluationen politischer Reformen dienen. Denn in der Arbeitsmarktpolitik und in der Grundsicherung werden Entscheidungen wie in nur wenigen anderen Politikfeldern in Deutschland durch evidenzbasierte Beratung unter Nutzung vielfältiger Verwaltungsdaten auf der einen Seite und Befragungsdaten auf der anderen Seite unterstützt. Das IAB leistet hierzu seit 1967 einen zentralen Beitrag, der in §§ 280 und 282 Abs. 1 SGB III und § 55 SGB II gesetzlich verankert ist. Finanziert aus öffentlichen Mitteln, erforschen etwa 200 Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen, vor allem aus der Ökonomik, Soziologie und Survey-Statistik, den Arbeitsmarkt, die Berufswelt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sollen die Diskussionen in Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik vorangebracht und evidenzbasierte Politikentscheidungen ermöglicht werden.

Dafür sind umfassende Datengrundlagen unerlässlich. Insbesondere Analysen, die die Wirksamkeit von Politikmaßnahmen evaluieren und auf deren Grundlage Aussagen mit externer Validität getroffen werden sollen, erfordern oftmals Datensätze mit hohen Fallzahlen und vielen Merkmalen. Die gesetzlichen Grundlagen der Arbeit des IAB ermöglichen die datenschutzkonforme Nutzung von Daten aus den Rechtskreisen der Sozialgesetzbücher II und III. Das IAB ist einer der größten Produzenten von Forschungsdaten zum Arbeitsmarkt, die weltweit von Forschenden genutzt werden. Die Prozessdaten aus den Verwaltungsabläufen der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind dabei für die Forschung interessant, weil sie umfassende Informationen aller sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigten Personen sowie der Kund:innen der BA bieten. Tagesgenaue Daten zu verschiedenen Zuständen in den individuellen Erwerbsbiografien (wie Beschäftigung, Löhne, Leistungsbezug, Arbeitsuche, Maßnahmenteilnahme) können so bereitgestellt werden. Das Herzstück dieser administrativen Daten, die so genannten Integrierten Erwerbsbiografien (IEB), werden auch als „Grundnahrungsmittel“ für die Arbeitsmarktforschung bezeichnet (Keitel, 2023).

Aber nicht nur die administrativen Daten alleine, sondern auch deren Verknüpfung mit Umfragedaten – die Zustimmung der Befragten vorausgesetzt – sind für die Erforschung von arbeitsmarktbezogenen Fragestellungen relevant. Denn sie ermöglichen es, Sachverhalte tiefergehend zu analysieren, bei denen die administrativen Daten allein an ihre Grenzen stoßen würden. So können die Prozessdatensätze beispielsweise um subjektive Einschätzungen der Personen erweitert werden. Inzwischen existieren im IAB eine Vielzahl solcher verknüpfter Datensätze, wie beispielsweise eine Verknüpfung der IEB mit dem Panel für Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung (PASS). Mithilfe dieses Panels können die Dynamik des Grundsicherungsbezugs und die soziale Lage von Haushalten im Grundsicherungsbezug untersucht werden. Es handelt sich um eine seit 2007 bundesweit durchgeführte, jährliche Wiederholungsbefragung, die insgesamt ca. 10.000 Haushalte umfasst, die zum Teil telefonisch und zum Teil persönlich befragt werden. Die Kombination des Panels mit den IEB erweitert die Forschungsmöglichkeiten für ein breites Spektrum sozioökonomischer Themen, insbesondere im Bereich der Arbeitslosigkeit und der Armutsforschung (Antoni & Bethmann, 2019).

Damit diese Daten nicht nur von Forschenden im IAB analysiert werden können, ermöglicht das Forschungsdatenzentrum der BA im IAB (FDZ-BA/IAB) unter bestimmten Voraussetzungen, die in § 75 SGB X geregelt sind, externen Wissenschaftler:innen den Zugang zu Mikrodaten für die nicht-kommerzielle Forschung im Bereich der Sozialversicherung und der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Abbildung 1 gibt einen schematischen Überblick der originären Datenquellen, der daraus generierten IAB-Daten und der über das FDZ-BA/IAB für Forschende erhältlichen Daten (siehe hierzu auch Müller & Wolter, 2020). Im Folgenden soll anhand eines Beispiels – der Evaluation des Teilhabechancengesetzes – die Bedeutung der Daten für die Evaluation von Maßnahmen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik dargestellt werden.

Abbildung 1
Übersicht über Datenquellen, IAB-Daten und über das FDZ-BA/IAB erhältliche Daten
Übersicht über Datenquellen, IAB-Daten und über das FDZ-BA/IAB erhältliche Daten

Quelle: Müller und Wolter (2020).

Das Teilhabechancengesetz (Sozialer Arbeitsmarkt)

Arbeitslosigkeit, die länger als ein Jahr andauert – die Langzeitarbeitslosigkeit – hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Verdienstchancen, sondern auch auf verschiedene Dimensionen der sozialen Teilhabe, wie das gesellschaftliche Zugehörigkeitsempfinden, die Lebenszufriedenheit, die Kontrollüberzeugungen oder den wahrgenommenen sozialen Status (z. B. Gundert & Pohlan, 2022). Mit dem zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Teilhabechancengesetz (THCG) soll die Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen verbessert werden. Insgesamt sollen durch das THCG mithilfe von Lohnkostenzuschüssen und begleitendem Coaching Personen, die ohne Förderung nur geringe Chancen auf eine Beschäftigung hätten, Beschäftigung und soziale Teilhabe ermöglicht werden. Den Kern des Gesetzes bilden zwei Förderinstrumente:

  • § 16e SGB II Eingliederung von Langzeitarbeitslosen (EvL): Arbeitgeber erhalten einen Lohnkostenzuschuss für 24 Monate, wenn sie Leistungsberechtigte, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind, beschäftigen: im ersten Jahr in Höhe von 75 % und im zweiten Jahr in Höhe von 50 % des Arbeitsentgelts.
  • § 16i SGB II Teilhabe am Arbeitsmarkt (TaAM): Wenn Arbeitgeber langzeitarbeitslose Personen beschäftigen, erhalten sie in den ersten beiden Jahren einen Zuschuss von 100 % zum Mindestlohn, in jedem weiteren Jahr wird dieser Zuschuss um 10 Prozentpunkte gekürzt bei einer maximalen Förderdauer von fünf Jahren. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die langzeitarbeitslose Person in mindestens sechs der letzten sieben Jahre im Leistungsbezug und in dieser Zeit kaum erwerbstätig war.

Beide Maßnahmen sehen eine „ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung“ (Coaching) der Geförderten vor, die von den Jobcentern oder von beauftragten Trägern erbracht werden kann.

In seiner Begleitforschung evaluiert das IAB umfassend beide Instrumente des THCG und setzt dabei qualitative wie quantitative Analysemethoden ein. Im Fokus stehen die Umsetzung der Instrumente durch die Jobcenter, ihr betrieblicher Einsatz sowie ihre Wirkung auf soziale Teilhabe, Beschäftigungsfähigkeit und Arbeitsmarktchancen der Geförderten.

Wirkungsanalysen mit administrativen Daten

Für die quantitativen Analysen wurden unter anderem die verschiedenen Quellen von administrativen Personendaten der Bundesagentur für Arbeit verknüpft, sodass eine Vielzahl soziodemografischer Merkmale, Einkommensangaben sowie Informationen zu abhängiger Beschäftigung, registrierter Arbeitslosigkeit und Arbeitsuche und zur Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zur Verfügung standen. Kasrin und Tübbicke (2024) analysieren, wie sich das Instrument bei Geförderten auf ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sowie den Leistungsbezugsstatus auswirkt. Dieser Effekt wird in einem quasiexperimentellen Design mittels der Methode des „Propensity-Score-Matching“ geschätzt. Die Methode identifiziert für jede geförderte Person „statistische Zwillinge“, also vergleichbare Personen, die nicht gefördert werden, aber hinsichtlich beobachteter Merkmale die gleiche Wahrscheinlichkeit aufweisen, nach dem THCG gefördert zu werden. Um die Wahrscheinlichkeit einer Förderung zu schätzen, wird eine Vielzahl von beobachteten Merkmalen (soziodemografische Merkmale, Haushaltsvariablen, Arbeitsmarkthistorie, Charakteristika eines etwaigen Partners oder Partnerin, regionale Kontextvariablen) genutzt. Die so ausgewählte Vergleichsgruppe unterscheidet sich in Bezug auf ihre beobachteten Charakteristika nicht mehr von der Gruppe der Geförderten (Treatmentgruppe). Ein Mittelwertvergleich der Ergebnisvariablen (Beschäftigung, Leistungsbezug) zwischen Treatmentgruppe und Vergleichsgruppe ergibt dann den geschätzten kausalen Effekt für die Geförderten. Der Schätzansatz unterstellt, dass die bei der Schätzung der Förderwahrscheinlichkeit berücksichtigen Merkmale alle systematischen Unterschiede zwischen den Geförderten und den Nichtgeförderten im Hinblick auf die Treiber der berücksichtigen Ergebnisvariablen bei Nichtförderung erfassen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Übergänge in ungeförderte Beschäftigung beim Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ (EvL) oftmals erfolgreich sind, obwohl die Zielgruppe arbeitsmarktfern ist. Abbildung 2 zeigt, dass die Geförderten zunächst eine geringere Quote in regulärer Beschäftigung haben als die Vergleichsgruppe, was auf den sogenannten Einsperreffekt („lock-in effect“ in der englischsprachigen Literatur) während der Förderung zurückzuführen ist. Mit Förderende dreht sich der Effekt aber sprunghaft um und die Geförderten haben deutlich höhere Beschäftigungsquoten: Einen Monat nach Förderende, also 25 Monate nach Förderbeginn, ist die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Geförderten um etwa 36 Prozentpunkte höher als die der vergleichbaren SGB-II-Leistungsbeziehenden ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Diese Effekte sind auch im Zeitverlauf stabil. So sind auch 38 Monate nach Förderbeginn (und damit 14 Monate nach Förderende) die Quoten in ungeförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung der ehemals EvL-Geförderten um etwa 33 Prozentpunkte höher als die der Vergleichsgruppe. Hierfür sind wohl vor allem sogenannte Klebeeffekte verantwortlich, also direkte Übernahmen durch die (überwiegend privatwirtschaftlichen) Arbeitgeber. So arbeiten zwei Monate nach Förderende etwa 72 % aller ehemals EvL-Geförderten mit einer regulären Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber, der sie bereits während der Förderung beschäftigte.

Abbildung 2
Teilnahmewirkung der EvL-Förderung auf die Quote in regulärer Beschäftigung im Zeitverlauf
Teilnahmewirkung der EvL-Förderung auf die Quote in regulärer Beschäftigung im Zeitverlauf

EvL = Instrument des Teilhabechancengesetztes „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ (§ 16e SGB II). Lesebeispiel: 24 Monate nach Eintritt in die EvL-Förderung haben die Geförderten eine um etwa 23 Prozentpunkte höhere Quote in regulärer Beschäftigung als ihre statistischen Zwillinge.

Quelle: Kasrin und Tübbicke (2024, S. 5); Berechnungen basierend auf den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) und Leistungshistorik Grundsicherung (LHG).

Weitere Ergebnisse zeigen, dass sich die SGB-II-Leistungsbezugsquote bei Geförderten deutlich reduziert hat im Vergleich zur Vergleichsgruppe. Tiefergehende Analysen verschiedener Gruppen ergeben außerdem, dass von der Förderung EvL vor allem Langzeitarbeitslose ohne Berufsabschluss sowie Personen mit besonders schlechter Beschäftigungshistorie profitieren.

Insgesamt ist die EvL-Förderung auf Basis der vorliegenden Analysen als äußerst wirksam zu bewerten, denn die Maßnahme steigert den Arbeitsmarkterfolg von Langzeitarbeitslosen deutlich. Ohne dass eine umfassende Nutzen-Kosten-Analyse vorliegt, schließen wir, dass die EvL-Förderung eine sinnvolle Ergänzung des Instrumentenkastens der aktiven Arbeitsmarktpolitik im SGB II darstellt (für eine detaillierte Darstellung der Analyse und Ergebnisse der EvL-Förderung auf Beschäftigungsindikatoren siehe auch Kasrin & Tübbicke, 2024). Eine Schätzung der TaAM-Effekte auf die Beschäftigung und den Leistungsbezug nach Förderende ist noch nicht erfolgt, da die Förderung bis zu fünf Jahre beträgt und deshalb bisher nur Ergebnisse während des Förderzeitraums vorliegen.

Wirkungsanalysen mit Befragungsdaten verknüpft mit administrativen Daten

Mithilfe von quantitativen Analysen können aber nicht nur die Effekte der Förderinstrumente auf den Arbeitsmarkt­erfolg gemessen werden. Achatz et al. (2024a) analysieren ausführlich, wie sich die Förderinstrumente auf weitere Zielgrößen, wie die Beschäftigungsfähigkeit und die soziale Teilhabe der Geförderten, auswirken. Die dafür relevanten subjektiven Indikatoren sind jedoch nicht in den Prozessdaten der BA enthalten, sondern wurden mithilfe einer Befragung erhoben. Die Panelerhebung „Lebensqualität und Teilhabe“ wurde eigens für die Evaluation der beiden Förderinstrumente in Bezug auf die Wirkungen auf Beschäftigungsfähigkeit und soziale Teilhabe durchgeführt. So wurden unterschiedliche Dimensionen der Beschäftigungsfähigkeit, wie beispielsweise Selbstvertrauen oder Konfliktfähigkeit, sowie der sozialen Teilhabe, wie beispielsweise Lebenszufriedenheit und gesellschaftliche Zugehörigkeit, in zwei Befragungswellen (2020/2021 und 2021/2022) unter geförderten (Treatmentgruppe) wie nicht-geförderten Personen (Vergleichsgruppe) erhoben.

Diese Befragungsdaten wurden mit den administrativen Daten des IAB verknüpft (Hülle et al., 2022; Hülle et al., 2023). Dadurch konnte sowohl auf Basis von den Merkmalen aus den administrativen Daten (wie z. B. Merkmale der Erwerbsbiografie) als auch aus den Befragungsdaten (wie z. B. Merkmale der Herkunftsfamilie) eine größtmögliche Vergleichbarkeit zwischen Treatment- und Vergleichsgruppe hergestellt werden. Durch einen Vergleich der Ergebnisvariablen können auch hier die Teilnahmeeffekte auf unterschiedliche Dimensionen der Beschäftigungsfähigkeit und der sozialen Teilhabe bestimmt werden. Abbildung 3 stellt beispielhaft die Effekte der EvL-Programmteilnahme für die Geförderten auf die verschiedenen Dimensionen der sozialen Teilhabe für die zwei Befragungswellen dar. Die abgebildeten Konfidenzintervalle machen deutlich, ob die ermittelten Teilnahmeeffekte statistisch bedeutsam sind, nämlich dann, wenn der Wert Null nicht enthalten ist. Des Weiteren können Aussagen über mögliche Effektunterschiede zwischen den beiden Wellen getroffen werden.

Abbildung 3
Teilnahmeeffekte beim Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ (EvL)
Teilnahmeeffekte beim Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ (EvL)

Die Balken zeigen das 90 %-Konfidenzintervall. Die Variablen „Lebenszufriedenheit“, „Zufriedenheit mit der Gesundheit“ und „Zufriedenheit mit dem Lebensstandard“ wurden auf einer Skala von 0 bis 10, die Variable „gesellschaftliche Zugehörigkeit“ auf einer Skala von 1 bis 10 und die Variablen „soziale Aktivitäten“ und „materielle Teilhabe“ auf einer Skala von 0 bis 100 gemessen. Lesebeispiel: Auf einer Skala von 0 bis 10 erhöht die EvL-Teilnahme die Lebenszufriedenheit um im Mittel 0,9 Skalenpunkte in Befragungswelle 1.

Quelle: Achatz et al. (2024a, S. 155); Achatz et al. (2024b); Berechnungen basierend auf Paneldatensatz „Lebensqualität und Teilhabe“, Welle 1 (2020/2021) und Welle 2 (2021/2022), balanciertes Panel.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Werte aller sechs Indikatoren der sozialen Teilhabe in den Wellen 1 und 2 signifikant höher bei Geförderten sind als bei ihren statistischen Zwillingen, da das 90 %-Konfidenzintervall den Wert Null nicht enthält. Eine Teilnahme an der EvL-Förderung erhöht damit signifikant die allgemeine Lebenszufriedenheit, die Zufriedenheit mit der Gesundheit und dem Lebensstandard, die gesellschaftliche Zugehörigkeit, die materielle Versorgung und die sozialen Aktivitäten. Vergleicht man die Ergebnisse im Zeitverlauf, so wird deutlich, dass die Effekte in Welle 1 und Welle 2 ähnlich hoch sind. Eine Ausnahme bildet der Teilnahmeeffekt auf die Lebenszufriedenheit: Dieser ist in Welle 2 deutlich niedriger als in Welle 1.

Auch die TaAM-Geförderten erzielen bei allen sechs untersuchten Indikatoren der sozialen Teilhabe in beiden Wellen höhere Werte als ihre statistischen Zwillinge (Abbildung 4). Im Ergebnis können die Analysen zeigen, dass beide Instrumente die soziale Teilhabe der Geförderten erhöhen und diese Wirkungen auch kurzfristig stabil sind (für eine detaillierte Darstellung der Analyse und Ergebnisse der EvL- und TaAM-Förderung auf Beschäftigungsfähigkeit und soziale Teilhabe siehe Achatz et al., 2024a).

Abbildung 4
Teilnahmeeffekte beim Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (TaAM)
Teilnahmeeffekte beim Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (TaAM)

Die Balken zeigen das 90 %-Konfidenzintervall. Die Variablen „Lebenszufriedenheit“, „Zufriedenheit mit der Gesundheit“ und „Zufriedenheit mit dem Lebensstandard“ wurden auf einer Skala von 0 bis 10, die Variable „gesellschaftliche Zugehörigkeit“ auf einer Skala von 1 bis 10 und die Variablen „soziale Aktivitäten“ und „materielle Teilhabe“ auf einer Skala von 0 bis 100 gemessen. Lesebeispiel: Auf einer Skala von 0 bis 10 erhöht die TaAM-Teilnahme die Lebenszufriedenheit um im Mittel etwas mehr als einen Skalenpunkt in Befragungswelle 1.

Quelle: Achatz et al. (2024a, S. 156); Achatz et al. (2024b); Berechnungen basierend auf Paneldatensatz „Lebensqualität und Teilhabe“, Welle 1 (2020/2021) und Welle 2 (2021/2022), balanciertes Panel.

Fazit

Durch die enge Verzahnung von Datenproduktion, Forschung und Politikberatung im IAB sowie dessen Nähe zur operativen Praxis der Bundesagentur für Arbeit kann die Forschung im Themenfeld Arbeitsmarkt- und Berufsforschung als Vorbild für andere Forschungsfelder gesehen werden. Der Datenzugang zu den administrativen Daten des IAB ist über § 75 SGB X für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung gesetzlich klar geregelt. Dies ermöglicht externen Wissenschaftler:innen, mit den für die wissenschaftliche Forschung hochwertigen Sozialdaten unter Wahrung des Datenschutzes zu arbeiten. Diese Regelung, die Datenzugang und Datenschutz vereint, kann somit als Blaupause für ein Forschungsdatengesetz gesehen werden, zu dem sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag bekannt haben und das noch in diesem Jahr vorgelegt werden soll (Fitzenberger & Müller, 2025).

Datensätze, bei denen mit Zustimmung der Befragten administrative Daten mit Befragungsdaten verknüpft werden, bergen großes Potenzial für die Forschung und Politikberatung. Denn zusätzliche Informationen aus Befragungen, welche in den administrativen Daten nicht enthalten sind (z. B. subjektive Einschätzungen), können vertiefte und spezifische Einblicke in bestimmte Sachverhalte liefern. Zudem können Probleme, denen Befragungen typischerweise ausgesetzt sind (z. B. soziale Erwünschtheit, Über- oder Untererfassung) durch die Verknüpfung mit administrativen Daten adressiert oder verringert werden. Nicht zuletzt ermöglichen verknüpfte Datensätze die Analyse langfristiger Effekte, da die Prozessdaten für einen sehr langen Zeitraum zur Verfügung stehen. Dies ist bei Umfragedaten allein oftmals nicht möglich, da Befragungen in der Regel zeitlich begrenzt sind.

Das Beispiel des Teilhabechancengesetzes (THCG) zeigt exemplarisch, wie das IAB mit empirischen Analysen basierend auf den Prozessdaten der Bundesagentur für Arbeit und damit verknüpften Umfragedaten, die explizit für die Evaluation erhoben werden, eine Politikreform begleitend evaluiert, darauf aufbauend zeitnah die Arbeitsmarktpolitik berät und somit zu evidenzbasierten Entscheidungen beitragen kann. Ein durch das Forschungsdatengesetz deutlich verbesserter Datenzugang sollte es möglich machen, solche qualitativ hochwertigen und dringend benötigten evidenzbasierten Evaluationen in weiteren Politikbereichen durchzuführen. Gleichzeitig kann auch die Forschung und Beratung des IAB von weitergehenden Verknüpfungen mit Verwaltungsdaten aus anderen Rechtskreisen stark profitieren. Um hierfür einen möglichst niederschwelligen Zugang zu ermöglichen, sollten breite Verknüpfungsmöglichkeiten in Forschungseinrichtungen mit gesetzlichem Auftrag zur Politikevaluation und in allen Forschungsdatenzentren zugelassen werden (Fitzenberger & Müller, 2025).

Literatur

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Hülle, S., Bömmel, N., Coban, M., Fössing, E., Friedrich, M., Gricevic, Z., Kasrin, Z., Kleinemeier, R., Meß, A., Schiele, M., Trappmann, M., Wagemann, U., Wenzig, C., Wolff, J., Zabel, C. & Zins, S. (2023). Panel Lebensqualität und Teilhabe – Feld- und Methodenbericht der Welle 2. IAB-Forschungsbericht, 20/2023.

Kasrin, Z. & Tübbicke, S. (2024). Das Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ im SGB II: Der Lohnkostenzuschuss zeigt hohe und stabile Beschäftigungseffekte. IAB-Kurzbericht, 13/2024.

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Title:Policy Evaluation as a Legal Mandate: The Example of the Participation Opportunities Act

Abstract:In their coalition agreement, the governing parties in Germany have committed to presenting a research data law before the end of this year. This law should have been passed in the last legislative period and is still urgently needed, as evidence-based policy advice should be able to use existing data in the broadest possible form. Only laws based on a detailed data can be analysed and evaluated for their effectiveness. Individual data sets that contain survey data linked to various administrative data sources hold great potential. The example of research at the Institute for Employment Research shows how access to administrative social data is regulated in compliance with data protection and how empirical analyses based on linked datasets are used to evaluate an important policy reform, namely the Participation Opportunities Act.

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DOI: 10.2478/wd-2025-0114