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Mit der Aktivrente will die schwarz-rote Regierungskoalition die Silver Ager im Arbeitsmarkt halten. Wer über das gesetzliche Rentenalter hinaus freiwillig weiterarbeitet, soll Arbeitseinkommen bis zu 2.000 € im Monat steuerfrei erhalten. Damit will die Koalition Anreize für längeres Arbeiten setzen, den Übergang in den Ruhestand flexibilisieren und so den Arbeits- und Fachkräftemangel reduzieren. Darüber hinaus soll die befristete Weiterarbeit im Rentenalter erleichtert werden.

Die Frage ist, wie stark die finanziellen Anreize wirken. Zunächst entstehen „Mitnahmeeffekte“ bei den etwa 300.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die jetzt schon jenseits der Altersgrenze mit Lohnsteuerkarte weiterarbeiten. Sie arbeiten zumeist Teilzeit mit im Schnitt gut 20 Stunden die Woche. Das würde Steuerausfälle von knapp 1 Mrd. € im Jahr bedeuten.

Diese Beschäftigten könnten ihre Arbeitszeit ausweiten, vermutlich aber nicht viel. Daneben gibt es derzeit etwa 900.000 Minijobber im Rentenalter. Sie zahlen keine Lohnsteuer und würden daher nicht unmittelbar entlastet. Allerdings fällt bei ihnen die gläserne Decke der Minijobgrenze weg – derzeit 556 € im Monat. Daher werden vermutlich manche zusätzlich ein bis zwei Tage in der Woche arbeiten. Und auch aus der großen stillen Reserve der fitten Silver Ager mit guten Qualifikationen und ohne große familiäre Verpflichtungen könnten einige hinzukommen. Dabei spielt wohl auch die Kommunikation über die Aktivrente eine Rolle. Umfragen zeigen, dass vielen Menschen nicht klar ist, dass man jetzt schon neben der Altersrente unbegrenzt hinzuverdienen kann.

Die Forschung zeigt, dass neben Gesundheitszustand und finanzieller Motivation vor allem Freude an der Arbeit, soziale Kontakte sowie die Arbeitsbedingungen eine maßgebliche Rolle spielen. Laut Beschäftigungsstatistik und Haushaltserhebungen arbeiten vor allem besserqualifizierte Ruheständler mit höheren Einkommen in einem sozialversicherungspflichtigen Job weiter, während die Minijobber im Rentenalter gleichmäßiger über alle Einkommensgruppen und Bildungsabschlüsse verteilt sind.

Vor diesem Hintergrund dürften Erwartungen von mehreren Hunderttausend arbeitenden Silver Workern wenig wahrscheinlich sein. Plausibel erscheinen Schätzungen, dass die Aktivrente 50.000 bis 100.000 Ruheständler zur Weiterarbeit motivieren könnte. Da sie zumeist Teilzeit zwischen 20 und 25 Stunden die Woche arbeiten dürften, wären das in Vollzeit­äquivalenten gerechnet gut die Hälfte. Das könnte das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen um gut 0,1 % erhöhen, das Bruttoinlandsprodukt in etwas geringerem Umfang. Die Mindereinnahmen bei der Lohnsteuer würden dann halbiert und der gesamte Staatssektor würde sogar einen kleinen Überschuss erzielen, wenn man die Mehreinnahmen bei sonstigen Steuern und Sozialbeiträgen berücksichtigt.

Eine besondere Herausforderung sind die Selbständigen. Denen kann man die Aktivrente schwerlich vorenthalten, zumal sie jetzt schon im Rentenalter überdurchschnittlich häufig weiterarbeiten. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und würde zu komplizierten Gestaltungen führen. Die Einbeziehung der Selbständigen in die Aktivrente würde daher zu deutlich höheren Mitnahmeeffekten führen, sodass der Staatssektor bestenfalls plus minus Null aus der Reform herausginge. Ein großes Problem bei den Selbständigen ist die Abgrenzung zwischen aktiven und passiven Unternehmenseinkünften bei Beteiligungen an Personengesellschaften. Hier geht es um zumeist wohlhabende Anleger von geschlossenen Fonds und ähnlichen Anlage­vehikeln oder um Gesellschafter, die nicht mehr in der Firma aktiv sind. Um diese Fälle auszuschließen und Gestaltungen zu vermeiden, drohen neue Bürokratiemonster: Selbständige werden wohl ihre Arbeitszeiten deklarieren müssen, wenn sie die Aktivrente in Anspruch nehmen wollen.

Insgesamt geht die Aktivrente grundsätzlich in die richtige Richtung. Voraussichtlich dürfte ihre Wirkung aber begrenzt bleiben und zusätzliche Bürokratie auslösen. Sie kann nur einen kleinen Beitrag gegen rückläufige Beschäftigung und Fachkräftemangel leisten. Zugleich fördert die Politik weiterhin den frühzeitigen Renteneintritt – insbesondere durch die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren, zu geringe Abschläge bei vorgezogener Rente oder steuerfreie Aufstockungen bei Altersteilzeit. Nicht zuletzt begünstigt die Aktivrente überwiegend die gutsituierten und privilegierten Besserverdiener unter den Ruheständlern, die gesünder sind und ihren Beruf bis ins höhere Alter ausüben können. Zunehmende Altersarmut wird dadurch nicht vermieden.

Die Aktivrente könnte als Steuerabzug gewährt werden, um die Steuervorteile bei hohen Einkommen zu begrenzen. Als Alternative oder Ergänzung könnten auch die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgezahlt werden, wenn sozialversicherungspflichtig arbeitende Rentner keine weiteren Leistungsansprüche erwerben. Das würde Bürokratiemonster bei der Einbeziehung der Selbständigen von vornherein vermeiden.

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DOI: 10.2478/wd-2025-0121