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Nach dem guten Start zu Jahresbeginn hat sich die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland im Laufe dieses Jahres mehr und mehr verlangsamt; im dritten Quartal betrug die laufende Jahresrate für den Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) knapp 1%. Rückläufige Auftragseingänge und andere Frühindikatoren lassen für das Jahresschlussquartal einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion erwarten. Hauptursache für diesen Abschwung war, dass die deutsche Wirtschaft sich immer weniger der Eurokrise und der sich im Euroraum ausbreitenden Rezession entziehen konnte. Die Nachfrage aus den Euroländern ist im Verlauf von 2012 um rund 5% gesunken. Überdies verlor auch in anderen Regionen der Welt die Wirtschaft zeitweilig an Schwung. Die Verunsicherung durch die Schuldenkrise und die Verschlechterung der Konjunkturerwartungen schlugen sich besonders in einer zurückhaltenden Investitionstätigkeit der Unternehmen nieder; die Ausrüstungsinvestitionen sind seit Ende 2011 deutlich rückläufig. Dies alles belastet die deutsche Konjunktur nicht stärker, weil die Exporte in die Länder außerhalb des Euroraums dank der dort weiter aufwärtsgerichteten Konjunktur wie auch der Abwertung des Euro noch deutlich zunahmen. Insgesamt kam in diesem Jahr vom Außenhandel der größte Wachstumsbeitrag. Überdies wurde weiter kräftig in den Wohnungsbau investiert. Die private Konsumnachfrage ist im abgelaufenen Jahr, gestützt durch die hohe Beschäftigung und stärker steigende Löhne, insgesamt moderat gewachsen.

Aufschwung am Arbeitsmarkt gestoppt

Die Beschäftigung wurde im abgelaufenen Jahr erneut spürbar ausgeweitet und erreichte ein neues Rekordniveau von annähernd 42 Mio. Personen. Allerdings macht sich die konjunkturelle Abschwächung inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Der Anstieg der Beschäftigung ist im Spätsommer ausgelaufen, die Zahl der Arbeitslosen nimmt bereits seit dem Frühjahr leicht zu, insgesamt seitdem um 80 000 Personen. Die leichte Diskrepanz zwischen Beschäftigten- und Arbeitslosenentwicklung erklärt sich nicht zuletzt aus der Ausweitung des Erwerbspersonenpotentials infolge verstärkter Zuwanderung aus den Euro-Krisenstaaten. Gleichwohl hat sich der deutsche Arbeitsmarkt anders als in den meisten anderen Industrieländern im Vergleich zur Situation vor Ausbruch der weltweiten Krise auch strukturell erheblich verbessert. Während in vielen Ländern die Arbeitsmarktsituation deutlich schlechter ist als im Herbst 2008, ist in Deutschland die Zahl der Erwerbstätigen um mehr als 1 Mio. höher, die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sogar um 1,4 Mio. Dabei wurde vor allem der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ausgeweitet. Die geringfügige Beschäftigung hat sich seither verringert.

Aussicht auf Erholung 2013

Trotz des ungünstigen Jahresausklangs 2012 überwiegt für 2013 die Hoffnung auf eine Besserung der Konjunktur in Deutschland. Einige Stimmungsindikatoren scheinen sich zu stabilisieren und deuten auf eine gewisse Bodenbildung hin. Sicherlich gibt es nach wie vor erhebliche Risiken, von denen insbesondere die Eurokrise zu nennen wäre, an weiterer Stelle das sogenannte „Fiscal Cliff“ in den USA, zur Jahreswende auslaufende Steuerermäßigungen und automatische Ausgabenkürzungen, die bei vollem Wirksamwerden die US-Konjunktur stark dämpfen würden. Die aktuellen Verhandlungen sprechen aber dafür, dass sich die Parteien mit Rücksicht auf Konjunktur und Arbeitsmarkt soweit einigen, dass das moderate Wachstum dort nicht abgebremst wird. In der Eurozone dürfte sich die Situation nach den Kreditzahlungen an Griechenland zunächst etwas entspannen, und angesichts der Rezession in vielen Ländern werden diese zumindest im Moment kaum neue Sparmaßnahmen ergreifen. Mit dem Nachlassen der kontraktiven Wirkungen früherer Maßnahmen sollten die rezessiven Tendenzen in der Eurozone abflauen. In der zweiten Jahreshälfte 2013 könnte dann eine allmähliche Wiederbelebung einsetzen. In anderen Regionen der Welt, wie in wichtigen Schwellenländern, scheint die Wachstumsschwäche bereits überwunden (siehe Konjunkturschlaglicht).

Bei dieser Entwicklung der Weltwirtschaft wird der Welthandel im nächsten Jahr wieder stärker expandieren und damit zunehmende Impulse von dieser Seite kommen. Mit günstigeren Exportaussichten dürfte sich auch das Investitionsklima wieder bessern und die Investitionszurückhaltung der Unternehmen auflösen. Zusammen mit sich stabilisierenden öffentlichen Investitionen, die in diesem Jahr nach dem Auslaufen der Infrastrukturmaßnahmen eingebrochen sind, dürften dann diese bislang kontraktiven Effekte im kommenden Jahr von binnenwirtschaftlicher Seite wegfallen. Der private Konsum und der Wohnungsbau werden 2013 weiterhin stützend wirken. Leichte und wohl nur vorübergehende Beschäftigungsrückgänge dürften durch Lohnsteigerungen mehr als kompensiert werden, so dass insgesamt die Kaufkraft der privaten Haushalte weiter zunimmt. Der bis zuletzt starke Anstieg der Baugenehmigungen und Auftragseingänge lässt eine Fortsetzung der regen Wohnungsbautätigkeit erwarten. Der Staat wird mit Blick auf die angestrebten Konsolidierungsziele (Schuldenbremse) seine konsumtiven Ausgaben nur mäßig erhöhen. Da die Importe eher etwas stärker als die Exporte zunehmen werden, werden insgesamt gesehen die maßgeblichen Wachstumsbeiträge von der Binnennachfrage kommen.

Unter diesen Bedingungen wird sich die deutsche Konjunktur im ersten Halbjahr 2013 wieder allmählich beleben und im weiteren Jahresverlauf an Schwung gewinnen (zu den Annahmen der Prognose vgl. Kasten 1). Im Durchschnitt von 2013 wird das Wirtschaftswachstum wegen des gedämpften Jahresanfangsniveaus aber mit 0,5% geringer sein als 2012 (0,8 %). Mit der konjunkturellen Erholung dürfte auch die Beschäftigung, nach vorübergehendem Rückgang im Winterhalbjahr, wieder zunehmen. Die Arbeitslosigkeit wird dann wieder sinken, im Jahresdurchschnitt aber etwas über dem diesjährigen Niveau von 2,9 Mio. Personen liegen. Inflationsdruck wird unter diesen konjunkturellen Bedingungen nicht aufkommen; die Teuerungsrate auf der Verbrauchstufe dürfte, wenn nicht etwa seitens der Ölpreise externe Anstöße kommen, wie zuletzt – im September 2012 betrug sie 1,9% – knapp unter der Stabilitätsmarke von 2% bleiben.

Kasten 1
Annahmen der Prognose

Der Prognose für das Jahr 2013 liegen folgende Annahmen zu Grunde:

  • Die europäische Schuldenkrise beruhigt sich zunächst nach der Auszahlung der Kredittranche an Griechenland. Die Krisenländer setzen die erforderlichen Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen fort, ergreifen aber keine zusätzlichen Sparmaßnahmen.
  • Die Weltwirtschaft insgesamt gewinnt wieder etwas an Dynamik. Der Welthandel nimmt im Jahr 2013 um 4% zu, nach knapp 3% 2012.
  • Der Kurs des Euro gegenüber dem US-Dollar liegt bei 1,30 US-$/Euro.
  • Der Ölpreis (Brent) bewegt sich in einer Spanne zwischen 110 und 120 US-$ je Barrel.
  • Die Geldpolitik bleibt expansiv ausgerichtet. Die Europäische Zentralbank wird den Leitzins auf 0,5% senken. Die Renditen für Staatsanleihen der Krisenländer hält sie auf tragfähigem Niveau. Die Zinsen in Deutschland bleiben niedrig und erhöhen sich im Verlauf von 2013 allenfalls geringfügig.
  • Die künftigen Lohnabschlüsse werden angesichts eingetrübter Konjunktur und Gewinnlage der Unternehmen eher wieder etwas geringer ausfallen. Im Jahresdurchschnitt 2013 werden die tariflichen Stundenlöhne mit knapp 3% etwa gleich stark steigen wie 2012.
  • Von der Finanzpolitik werden keine kontraktiven Wirkungen mehr ausgehen. Die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge entlastet Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.

Stellt sich die für 2013 beschriebene Konjunkturentwicklung ein und macht der Anpassungsprozess in der Eurozone die erforderlichen Fortschritte, so dass sich die Schuldenkrise spürbar entspannt, könnte die Basis für einen fortschreitenden Aufschwung für 2014 gelegt sein. Ausgehend von einer sich verstärkenden Investitionstätigkeit würde die Binnennachfrage weiter an Schwung gewinnen. Das könnte über mehr Beschäftigung, höhere Einkommen und einen stärker steigenden privaten Konsum zu einem sich selbst verstärkenden Prozess führen. In diesem Fall wäre für 2014 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1¾% zu erwarten. Die Situation am Arbeitsmarkt würde sich weiter verbessern, die Zahl der Arbeitslosen würde auf 2¾ Mio. sinken. Allerdings müsste dann auch mit einem allmählich zunehmenden Preisauftrieb gerechnet werden; die Teuerungsrate dürfte über die 2%-Marke steigen. Wegen der weiterhin gedämpften Wirtschaftsentwicklung im europäischen Umfeld würde es aber nicht zu einem ausgeprägten Inflationsdruck kommen.

Risiken für Konjunktur bleiben hoch

Die Risiken, dass dieser alles in allem positive Konjunkturausblick gestört wird, sind weiterhin hoch. Die Euro-Schuldenkrise ist nicht ausgestanden, die jüngst bis 2014 gesicherten Hilfen für Griechenland und die „außergewöhnlichen“ Maßnahmen der EZB bekunden aber nachdrücklich den politischen Willen zum Erhalt der Eurozone. Von daher sollte sich vorerst die Unsicherheit vermindern, auch wenn die Lage in der Eurozone fragil bleibt. Daneben gibt es Risiken von weltwirtschaftlicher Seite. Gelingt in den USA kein Kompromiss im Fiskalstreit, würde dort eine Rezession drohen. In Nahost haben sich die Spannungen verschärft; das könnte im Konfliktfall erhebliche Auswirkungen auf die Öl- und andere Rohstoffpreise haben.

Abbildung 1
Preisbereinigtes BIP in Deutschland
Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima
30653.png

1 Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal, auf Jahresrate hochgerechnet, rechte Skala.
2
Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2012: Prognose des HWWI.

Auf Euro-Ebene zeichnet sich im – teils scheinbaren – Zielkonflikt zwischen Konsolidierung und Wachstum aufgrund der scharfen Rezession in den Krisenländern eine zunehmende Neigung ab, weitere Sparmaßnahmen auf „bessere Zeiten“ aufzuschieben. Dies wäre temporär unter der Maßgabe konjunkturgerecht, dass die nicht unmittelbar die Nachfrage dämpfenden Strukturreformen, also vor allem institutionelle Reformen, konsequent umgesetzt würden. Diese sind auf längere Sicht ohnehin vielfach wichtiger, da sie die ökonomischen Rahmenbedingungen nachhaltig verbessern. Sie könnten, z.B. in Griechenland, neue Wachstumsimpulse auslösen, indem außer Landes geflohenes Kapital zurückfließt und investiert wird, und sie können schließlich den Konsolidierungsprozess erleichtern. Das würde die Perspektiven für die Eurozone verbessern, die hohe Verunsicherung mindern und Attentismus auflösen helfen. Je überzeugender eine solche Strategie umgesetzt wird und nicht wie bisher die Regeln den davon abweichenden Gegebenheiten angepasst werden, umso weniger wären neue kurzfristige, aus der (Defizit-)Not geborene Sparmaßnahmen erforderlich.

Tabelle 1
Eckdaten für Deutschland
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
  2008 2009 2010 2011 2012 2013
Bruttoinlandsprodukt1 1,1 -5,1 4,2 3,0 0,8 0,5
  Private Konsumausgaben 0,8 0,1 0,9 1,7 0,6 1,0
  Staatl. Konsumausgaben 3,2 3,0 1,7 1,0 1,1 1,0
  Anlageinvestitionen 1,3 -11,6 5,9 6,2 -2,3 0,7
    Ausrüstungen 2,9 -22,5 10,3 7,0 -5,0 0,0
    Bauten -0,7 -3,2 3,2 5,8 -0,7 0,7
    Sonstige Anlagen 6,2 -2,9 3,3 3,9 1,0 4,0
Inlandsnachfrage 1,2 -2,5 2,6 2,6 -0,3 0,8
  Ausfuhr 2,8 -12,8 13,7 7,8 4,1 3,5
  Einfuhr 3,4 -8,0 11,1 7,4 2,3 4,4
Arbeitsmarkt            
  Erwerbstätige 1,2 0,1 0,6 1,4 1,0 0,1
  Arbeitslose (in Mio.) 3,26 3,41 3,24 2,98 2,90 2,94
  Arbeitslosenquote2 (in %) 7,5 7,8 7,4 6,7 6,5 6,6
Verbraucherpreise 2,6 0,4 1,1 2,3 2,0 1,9
Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP) -0,1 -3,1 -4,1 -0,8 -0,1 -0,1
Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 6,2 5,9 6,0 5,7 6,5 5,9

1 Preisbereinigt.
2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept).
3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; ab 2012: Prognose des HWWI.

Unzureichende Fortschritte auf europäischer finanzpolitischer Ebene haben die EZB zu „außergewöhnlichen“, teils umstrittenen Maßnahmen veranlasst. Dazu gehört auch die Ankündigung „alles zu tun, um den Euro zu retten“, d.h. gegebenenfalls in unbegrenztem Umfang Anleihen von Krisenländern aufzukaufen, wenn auch zunächst nur unter der Bedingung, dass diese sich unter den Euro-Rettungsschirm begeben und dessen Reformvorgaben erfüllen. Die EZB kann nur Zeit für die Anpassung „erkaufen“ und muss dabei im Blick haben, dass die dadurch künstlich niedrig gehaltenen Zinsen für die Krisenländer nicht deren Reformdruck mindern.

Konsolidierung auch in Deutschland weiterverfolgen

Deutschland steht bei der Staatsverschuldung besser als andere da, hat aber ebenfalls noch Konsolidierungsbedarf. Die Neuverschuldung ist zwar deutlich gesunken; in diesem und im nächsten Jahr geht sie gegen Null. Das ist allerdings bislang vor allem der Konjunktur zu verdanken. Die gesamte Staatsverschuldung liegt mit rund 80% in Relation zum BIP weiterhin über der Maastricht-Marke von 60% und könnte bei konjunkturellen Rückschlägen oder Haftungsübernahmen in der Eurozone, etwa im Zuge eines weiteren, immer wahrscheinlicher werdenden Schuldenschnitts für Griechenland, weiter ansteigen. Dann könnte sich auch für Deutschland der Zinsvorteil verringern und der Schuldendienst sich entsprechend verteuern. Das aktuelle Zinsniveau ist aufgrund der hohen Bonität deutscher Anleihen und der äußerst expansiven Geldpolitik außerordentlich niedrig. Beides könnte sich ändern. Auf längere Sicht muss sich Deutschland ohnehin auf eine Normalisierung des Zinsniveaus, mit entsprechend höheren Zinsausgaben des Staates, einstellen.

Die öffentlichen Haushalte haben nicht unbedingt ein Einnahmeproblem. Das zeigt sich daran, dass in den ersten zehn Monaten dieses Jahres um 5,4% höhere Steuereinnahmen als im entsprechenden Vorjahreszeitraum verbucht wurden, bei einem Anstieg des nominalen BIP um rund 2%. Die Steuerquote (Steuereinnahmen in Relation zum BIP) liegt zwar international im Mittelfeld, die (individuelle) Steuerbelastung der Arbeitnehmer ist aber, nicht zuletzt für Gering- und Mittelverdiener, relativ hoch. Die im Bundesrat gestoppte Mini-Steuerentlastung zum Abbau der kalten Progression wäre deshalb durchaus angebracht gewesen. Umstrittene Entscheidungen, wie jüngst über das Betreuungsgeld, zeigen das Problem vielmehr auf der Ausgabenseite.


DOI: 10.1007/s10273-012-1467-z

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