Die Qualifikation der Einwohner eines Landes ist von entscheidender Bedeutung für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung in Deutschland spielen die beruflichen Bildungsabschlüsse – hier unterschieden nach Geschlecht, Altersklasse und Migrationsstatus – eine wesentliche Rolle. In diesem Beitrag wird empirisch untersucht, wie sich die Abschlüsse der einzelnen Bevölkerungsgruppen verändert haben.
Der Lebensstandard eines Landes ist letztlich Ausdruck der Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft, die durch die Wertschöpfung je Beschäftigten, also die Arbeitsproduktivität, ausgedrückt werden kann. Die Arbeitsproduktivität wiederum ist vornehmlich durch die Qualifikation der Arbeitskräfte bedingt. Fragen nach der Zukunft des Lebensstandards eines Landes sind deshalb vor allem Fragen nach der Qualifikation der Jungen im Vergleich zu den Alten. Durch die demographische Entwicklung sinkt das Verhältnis von Jungen zu Alten, sodass deren Qualifikation umso wichtiger wird, weil das Niveau der Renten bei deutlicher Zunahme der Zahl der Rentner nur über Produktivitätssteigerungen der Erwerbstätigen gehalten werden kann. Für Deutschland ergibt sich wie für viele andere Länder mit alternder Bevölkerung zudem die Frage, wie die meist geringe Qualifikation von Zuwanderern gesteigert werden kann. Im Folgenden wird empirisch untersucht, wie sich die beruflichen Qualifikationen der Erwerbstätigen im Zeitablauf verändert haben.
Überblick über den verwendeten Datensatz
Das Statistische Bundesamt erfasst mit Hilfe des Mikrozensus die beruflichen Bildungsabschlüsse nach Geschlecht, Altersgruppen sowie nach Personen mit Migrationshintergrund und Personen ohne Migrationshintergrund.1 Das Konzept zur Identifizierung von Personen mit und ohne Migrationshintergrund wurde erstmalig für das Jahr 2005 entwickelt, inzwischen liegen Daten bis 2010 vor. Auf dieser Basis ist eine kombinierte Querschnitts-/Längsschnittanalyse möglich, d.h. die Qualifikationsgruppen können nach Geschlecht, Altersklassen und Migrationsstatus über sechs Jahre hin auf Veränderungen untersucht werden.
Der Begriff „Migrationshintergrund“ wird in der Öffentlichkeit zum Teil sehr unterschiedlich verwendet; das Statistische Bundesamt erfasst Menschen mit Migrationshintergrund als „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“.2 Im Jahr 2009 lebten in Deutschland danach rund 16 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, das sind knapp 20% der Gesamtbevölkerung. Reichlich 10 Mio. davon haben eigene Migrationserfahrung (d.h. sie sind seit 1950 zugewandert), die übrigen sind Nachkommen von Zuwanderern in erster oder zweiter Generation. Die größten Gruppen lassen sich nach Herkunftsländern mit 3 Mio. der Türkei und mit 2,9 Mio. der ehemaligen UdSSR bzw. deren Nachfolgestaaten zuordnen, auch aus dem ehemaligen Jugoslawien und Polen (jeweils 1,5 Mio.) sowie Italien (0,8 Mio.) und Griechenland (0,4 Mio.) stammen signifikante Zuwanderungsgruppen. Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung steigt, je jünger die Menschen sind: Bei den 55- bis 65-Jährigen beträgt er 15%, bei den 15- bis 20-Jährigen 26% und bei den unter 5-Jährigen 35%. Bildungserfolge oder -misserfolge bei den Menschen mit Migrationshintergrund bestimmen daher das Gesamtergebnis zunehmend mit.
Von den knapp 82 Mio. Menschen, die 2009 in Deutschland lebten, hatten 63% einen beruflichen Bildungsabschluss, 19% hatten keinen Abschluss und 18% befanden sich noch in Ausbildung. Bezüglich der beruflichen Bildungsabschlüsse unterscheidet das Statistische Bundesamt zwischen abgeschlossener Lehre,3 Meister, Fachhochschul- und Universitätsabschluss. Der Status „noch in Ausbildung“ ist naturgemäß über die Altersgruppen nicht gleichverteilt: Von den unter 25-Jährigen befanden sich rund 70% in Ausbildung, von den 25- bis 35-Jährigen reichlich 6%, in den Altersgruppen darüber sind es vernachlässigbare Größen. Damit ist ein Grundproblem des Datensatzes angesprochen. Für die jüngeren Altersklassen sind die Bildungsstrukturen nur unscharf zu erkennen, weil sich ein erheblicher Teil in Ausbildung befindet, und über die Art der Ausbildung bzw. die zu erwartenden berufsqualifizierenden Abschlüsse ist nichts bekannt. Außerdem ist es denkbar (und erwünscht), dass Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung keinen beruflichen Abschluss hatten, sich aber nicht in Ausbildung befanden, doch noch eine Ausbildung abschließen, wenngleich dieser Weg eher die Ausnahme als die Regel sein dürfte.
Innerhalb des Zeitraums von 2005 bis 2009 hat sich der Anteil der noch in Ausbildung befindlichen tendenziell erhöht: In der Altersgruppe bis 25 Jahre bei Personen ohne Migrationshintergrund von rund 67% auf 69%, bei Personen mit Migrationshintergrund von knapp 71% auf knapp 74%. Die deutlich verbesserte konjunkturelle Situation des Jahres 2010 hat Personen ohne Migrationshintergrund offenbar einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht, jedenfalls ist die Quote der noch in Ausbildung befindlichen um fast 2 Prozentpunkte gesunken, bei Personen mit Migrationshintergrund lässt sich dies dagegen nicht beobachten. In der Gruppe der 25- bis 35-Jährigen sind noch 6% bis 7% in Ausbildung; die Tendenz ist hier vor allem bei Personen mit Migrationshintergrund im Zeitverlauf deutlich steigend: Die Ausbildungswege werden offenbar länger und/oder unterbrochener, was das angesprochene Identifikationsproblem verstärkt. Die folgende Analyse beschränkt sich wegen der geringen Zahl, die mit 25 ihre Ausbildung schon abgeschlossen haben, auf Personen über 25 Jahre, die sich nicht in Ausbildung befinden. Wegen der zum Teil erheblichen Unterschiede in der Ausbildungsbeteiligung werden die Daten durchgängig getrennt nach Geschlecht und Migrationsmerkmal vorgestellt.
Aus gesamtwirtschaftlicher Produktivitätsperspektive ist eine möglichst starke Verringerung des Anteils von Personen ohne Ausbildung an der Grundgesamtheit erwünscht. Auf der anderen Seite des Qualifikationsspektrums, also bei der Hochschulausbildung, ist ein Zuwachs positiv zu bewerten, weil hochentwickelte Länder ihren Einkommensvorsprung nur halten können, wenn sie im Bereich Forschung und Entwicklung Höchstleistungen erbringen. Die folgende Darstellung konzentriert sich deshalb auf diese beiden Gruppen. Sie prüft die Veränderungen des Qualifikationsstatus der Altersgruppen von 2005 bis 2010.
Personen ohne berufsqualifizierenden Abschluss
Personen ohne berufsqualifizierenden Abschluss sind die zentrale Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt. Im Jahr 2009 lag die Arbeitslosenquote dieser Gruppe bei fast 22%, während nur 6,6% der Personen, die eine Lehre abgeschlossen hatten, und sogar nur 2,5% der Hochschulabsolventen arbeitslos waren.4 Wie hat sich der Anteil derjenigen, die keinen beruflichen Abschluss erreicht haben und die sich zugleich auch nicht in einer Ausbildung befinden, nach Altersjahrgängen von 2005 bis 2010 entwickelt? Für die Frauen ist insgesamt eine sehr positive Entwicklung zu erkennen (vgl. Abbildung 1): Bei Frauen ohne Migrationshintergrund hatten 2010 41,5% der über 65-Jährigen keinen Abschluss, in der Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen – hier spielen mögliche künftige Qualifizierungen empirisch keine Rolle mehr – dagegen nur 9,0%. Bei den 25- bis 35-Jährigen liegt der Anteil allerdings bei 9,6%, d.h. die Reduktion des Anteils bei den Jüngeren hat sich nicht fortgesetzt. Die eingangs beschriebene Tendenz zu weniger geradlinigen Ausbildungswegen könnte dazu führen, dass einige Frauen in dieser Altersgruppe doch noch berufsqualifizierende Abschlüsse erwerben. Vor diesem Hintergrund ist die zeitliche Entwicklung interessant: Von 2005 bis 2009 ist der Anteil der Frauen ohne abgeschlossene Ausbildung an der Gesamtzahl der Frauen ohne Migrationshintergrund in allen Altersjahrgängen rückläufig, wenngleich in den jüngeren Altersgruppen weniger stark als in den älteren. 2010 hat sich diese Tendenz nicht weiter fortgesetzt, gerade bei den jüngeren Jahrgängen ist ein Anstieg festzustellen, was mit der konjunkturell günstigeren Lage auf dem Arbeitsmarkt zusammenhängen könnte, denn bei anziehender Konjunktur werden vergleichsweise gut bezahlte Anlernjobs angeboten, die den längeren Weg über die Lehre für einige Jugendliche weniger attraktiv machen.
Abbildung 1
Frauen ohne Ausbildung
in % aller Frauen in der jeweiligen Merkmalsgruppe
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2., Tabelle 9.
Bei den Frauen mit Migrationshintergrund sind die Anteile derjenigen ohne Abschluss in allen Altersgruppen generell erheblich höher. In der mittleren Altersgruppe von 35 bis 45 Jahren sind es im Jahr 2010 rund 40% gegenüber wie erwähnt nur rund 9% bei den Frauen ohne Migrationshintergrund. Über die Altersgruppen hinweg und im Zeitverlauf bis 2009 ist ein Rückgang der Anteile festzustellen, 2010 hat sich diese Tendenz nicht fortgesetzt. Das Niveau des Anteils von Frauen mit Migrationshintergrund ohne beruflich qualifizierten Abschluss ist immer noch sehr hoch.
Bei den Männern ist das Bild im Vergleich zu den Frauen zwar absolut günstiger, jedoch im Zeitverlauf in allen Altersgruppen deutlich weniger erfreulich (vgl. Abbildung 2). Bei den über 65-Jährigen ohne Migrationshintergrund hatten 2010 nur 11,7% keinen berufsqualifizierenden Abschluss (bei den Frauen waren es 41,5%), bei den Männern mit Migrationshintergrund sind es mit 40,3% zwar deutlich mehr, aber bei den Frauen waren es 61,8%. Nach Jahrgangsgruppen gibt es keine ausgeprägte Tendenz zum Rückgang: Der Anteil bei den 25- bis 35-Jährigen ist bei den Männern ohne Migrationshintergrund sogar deutlich höher als bei den 55- bis 65-Jährigen. Bedenklich stimmt, dass sich bei der Gruppe der 25- bis 35-Jährigen auch im Zeitverlauf kein Rückgang zeigt: Fortwährend erreichen rund 10% keine berufliche Qualifikation.
Abbildung 2
Männer ohne Ausbildung
in % aller Männer in der jeweiligen Merkmalsgruppe
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2., Tabelle 9.
Bei den Männern mit Migrationshintergrund sieht es nicht besser aus, auch hier hält sich der Anteil ohne Ausbildung in den mittleren und jüngeren Altersgruppen auf hohem Niveau. Im Zeitverlauf gibt es zudem keine ausgeprägten Rückgänge des Anteils. Das Niveau des Anteils der Männer ohne berufliche Qualifikation scheint sich bei Personen mit Migrationshintergrund bei rund einem Drittel einzupendeln und damit auf einem (wie bei den Frauen) sehr hohen Wert. Bei den 25- bis 35-Jährigen zeichnete sich bis ins Jahr 2009 eine rückläufige Tendenz ab, 2010 ist der Anteil aber wieder auf das Niveau des Jahres 2006 angestiegen.
Hochschulabschlüsse
Die Zahlen über die Besetzung in der Altersklasse der 25- bis 35-Jährigen sind nur eingeschränkt aussagekräftig, da der Bildungsweg über die Hochschule häufig erst nach dem 25. Lebensjahr abgeschlossen wird. Bei den Frauen ohne Migrationshintergrund hatten in der Altersgruppe der über 65-Jährigen 2010 nur 4,7% einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss, bei den 35- bis 45-Jährigen dagegen 17,2% und bei den 25- bis 35-Jährigen sogar 22,8%. Der Blick auf die Zeitentwicklung bestätigt diese Erfolgsgeschichte: Die Anteile steigen von 2005 bis 2010 in allen Altersgruppen; und zwar (abgesehen von 2010) besonders deutlich in der jüngsten Altersgruppe (vgl. Abbildung 3). Dabei sind 15,1% der 25- bis 35-Jährigen Universitätsabsolventinnen, während 7,7% Abschlüsse von Fachhochschulen haben.
Abbildung 3
Frauen mit Hochschulabschluss
in % aller Frauen in der jeweiligen Merkmalsgruppe
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2., Tabelle 9.
Im Durchschnitt aller Altersklassen haben 13,9% der Frauen mit Migrationshintergrund 2010 einen Hochschulabschluss und damit einen höheren Anteil als die Frauen ohne Migrationshintergrund (11,5%). Dies ist vor allem auf die vergleichsweise hohen Anteile in den höheren Altersgruppen (in der Regel vermutlich frühe Zuwanderinnen) bedingt, bei den Jüngeren haben die Frauen ohne Migrationshintergrund einen leichten Vorsprung. Nach Altersgruppen gibt es eine eindeutig positive Tendenz: Je jünger die Frauen sind, desto besser sind sie ausgebildet. Die zeitliche Entwicklung bestätigt das rundherum positive Bild: Insbesondere in der Gruppe der 25- bis 35-Jährigen wachsen mit Ausnahme des Jahres 2010 sowohl bei den Frauen ohne als auch mit Migrationshintergrund die Anteile sehr deutlich. Frauen mit Migrationshintergrund schließen noch häufiger als Frauen ohne Migrationshintergrund an einer Universität als an einer Fachhochschule ab: 2010 hatten in der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen 15,9% einen Universitäts- und nur 4,5% einen Fachhochschulabschluss.
Die Entwicklung bei den Männern (vgl. Abbildung 4) weicht zum Teil deutlich von der sehr positiven Tendenz bei den Frauen ab. Beim Altersgruppenvergleich sind kaum Fortschritte zu erkennen: Im Jahr 2010 weisen Männer in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen mit knapp 22% fast genauso hohe Werte auf wie in der Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen, bei den 25- bis 35-Jährigen liegt der Wert sogar niedriger, allerdings ist zu erwarten, dass in dieser Altersklasse noch Abschlüsse dazukommen werden. Die Tendenz zur Stagnation der Anteile in allen Altersgruppen zeigt sich besonders deutlich bei Männern mit Migrationshintergrund. Ähnlich wie bei den Frauen ist der Akademikeranteil bei den über 65-Jährigen relativ hoch (er entspricht praktisch dem der Männer ohne Migrationshintergrund). Die frühen Zuwanderer (sie dürften in der Regel in den 1950er und 1960er Jahren zugewandert sein) wiesen also einen relativ hohen Akademikeranteil auf. Anders als im Altersgruppenvergleich zeigt sich im Zeitverlauf sowohl bei den Männern ohne Migrationshintergrund als auch mit Migrationshintergrund ein steigender Trend, wenngleich deutlich schwächer ausgeprägt als bei den Frauen und im Jahr 2010 offenbar unterbrochen. Erfreulich ist der recht deutliche Zuwachs bei den jungen Männern mit Migrationshintergrund im Jahr 2009 um 2 Prozentpunkte, der sich 2010 aber nicht fortgesetzt hat. Der Anteil der Männer mit Universitätsabschluss ist mit und ohne Migrationshintergrund praktisch gleich hoch. Bei den Abschlüssen an Fachhochschulen sind Männer mit Migrationshintergrund dagegen (ähnlich wie bei den Frauen) nur halb so stark vertreten wie Männer ohne Migrationshintergrund.
Abbildung 4
Männer mit Hochschulabschluss
in % aller Männer in der jeweiligen Merkmalsgruppe
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2., Tabelle 9.
Personen mit beruflichen Abschlüssen
Bislang sind die Qualifikationsränder betrachtet worden, in der Mitte dominieren Lehrabschlüsse bzw. eine Weiterqualifizierung zum Meister. Bei den Meisterabschlüssen gibt es im Zeitverlauf weitgehende Stabilität. Männer und Frauen ohne Migrationshintergrund sind rund doppelt so häufig Meister wie Männer und Frauen mit Migrationshintergrund. Bei der Besetzung nach Altersklassen zeigt sich bei den Männern eine eher sinkenden Bedeutung des Meisterabschlusses; bei den Frauen ist diese Tendenz nicht zu erkennen. Der Übersichtlichkeit halber werden die beruflichen Abschlüsse im Folgenden als Gesamtgruppe (also Lehr- und Meisterabschlüsse zusammengefasst) dargestellt (vgl. Abbildungen 5 und 6).
Abbildung 5
Frauen mit beruflichem Abschluss
in % aller Frauen in der jeweiligen Merkmalsgruppe
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2., Tabelle 9.
Abbildung 6
Männer mit beruflichem Abschluss
in % aller Männer in der jeweiligen Merkmalsgruppe
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2., Tabelle 9.
Bei den Frauen ohne Migrationshintergrund hat sich das Niveau des Anteils mit beruflichem Abschluss in den Altersgruppen – abgesehen von den über 65-Jährigen – kaum verändert; es liegt bei rund 70%. Bei den Frauen mit Migrationshintergrund nimmt zwar der Anteil mit beruflichem Abschluss in den jüngeren Jahrgängen tendenziell zu, allerdings erreicht das Niveau auch bei den 25- bis 35-jährigen Frauen noch immer keine 50%. Im Zeitverlauf gibt es wenig Veränderung. Bei den jungen Frauen ohne Migrationshintergrund korrespondieren die sinkenden Anteile bei beruflichen Abschlüssen mit deutlich steigenden Anteilen bei den Hochschulabschlüssen. Bei den Männern mit und ohne Migrationshintergrund verändern sich die Anteile über die Altersgruppen und auch im Zeitvergleich relativ wenig; der Niveau-Unterschied von rund 70% bei den Männern ohne Migrationshintergrund und rund 50% bei den Männern mit Migrationshintergrund bleibt damit fast unverändert erhalten.
Zusammenfassende Bewertung
Zusammenfassend betrachtet schwindet der traditionelle Bildungsvorsprung der Männer gegenüber den Frauen und hat sich bei den jüngeren Männern sogar in einen Rückstand verwandelt. Dies ist eine überaus bemerkenswerte Erfolgsgeschichte und erweitert den Qualifikationspool der Bevölkerung ganz erheblich.
Der Bildungsrückstand von Personen mit Migrationshintergrund gegenüber Personen ohne Migrationshintergrund beschränkt sich auf die nicht-akademischen Ausbildungswege, die Anteile der Universitätsabsolventen sind dagegen bei den Männern auf gleichem, bei den Frauen sogar auf höherem Niveau. Bei den Fachhochschulabschlüssen sind Personen mit Migrationshintergrund deutlich weniger vertreten als solche ohne Migrationshintergrund – ein a priori überraschender Befund.
Nach wie vor erhebliche, wenngleich gesunkene Unterschiede gibt es zwischen Personen ohne Migrationshintergrund und mit Migrationshintergrund im Bereich „Keine Ausbildung“: Diese Kategorie trifft für 30 bis 40% der Menschen mit Migrationshintergrund zu, aber nur für knapp 10% der Menschen ohne Migrationshintergrund. Diese Differenz von rund 20 bis 30 Prozentpunkten schlägt sich fast vollständig im deutlich niedrigeren Niveau von beruflichen Abschlüssen nieder. Zukünftig sollte ein Schwerpunkt darauf gelegt werden, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund eine Lehre antreten und abschließen.
Bedenklich erscheint, dass bei Männern – anders als bei Frauen – der Anteil derjenigen, die ohne Ausbildungsabschluss bleiben, in den Altersjahrgängen mit der Zeit nicht mehr sinkt. In Durchschnittszahlen für die Gesamtbevölkerung ist diese Tendenz nicht zu erkennen, weil immer noch relativ schlecht ausgebildete Jahrgänge versterben. Zu beachten ist auch, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund kräftig wächst, was deren relativ hohe Anteile bei den Personen ohne Abschluss besonders problematisch erscheinen lässt.
Insgesamt hat sich die Qualifikationsstruktur in den Altersgruppen und im Zeitverlauf in Deutschland verbessert, vor allem durch die ganz erheblichen Fortschritte bei den Frauen. Der deutlich kritischere Befund von Zopf und Helmrich5 auf Basis der Daten der Bildungsgesamtrechnung ist danach zu relativieren. Allerdings bedeutet das nicht, dass die dargestellten Entwicklungen zufriedenstellend sind: Ein hochentwickeltes und zugleich demographisch alterndes Land kann es sich auf Dauer nicht leisten, dass rund jeder sechste junge Erwerbsfähige ohne jegliche berufliche Qualifikation bleibt. Auch auf der anderen Seite des Qualifikationsspektrums gibt es noch erhebliche Potenziale: Die Studienberechtigtenquote hat sich seit 1980 zwar auf rund 45% verdoppelt, aber nur 75% der Studienberechtigten nehmen auch ein Studium auf, und die Studienabbrecherquote liegt bei knapp einem Viertel.6 Aus diesen Zahlen würde sich überschlägig eine aktuelle Akademikerquote von 45 x 0,75 x 0,75, also rund 25% errechnen; in der Gruppe der 35- bis 45-Jährigen – hier ist kaum noch mit nachgeholten Abschlüssen zu rechnen – liegt die Akademikerquoten nach dem hier verwendeten Datensatz immer noch unter 20%.
- 1 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus, Fachserie 1, Reihe 2.2, Wiesbaden 2009. Der Mikrozensus ist eine 1%-Stichprobe der Bevölkerung, bei der die Befragten mit einem Standardfragebogen Auskunft zu ihrer Lebenssituation geben. Die Ergebnisse der Stichprobe können auf die Bevölkerung hochgerechnet werden, da sie statistisch repräsentativ sind.
- 2 Ebenda, S. 6. Der Begriff ist also sehr weit gefasst und umfasst Zugewanderte und deren Abkömmlinge.
- 3 Hier werden der Einfachheit halber die empirisch nicht sehr bedeutsamen Zahlen für Anlern-/Berufspraktikum/Berufsvorbereitungsjahr bzw. „andere berufsqualifizierten Abschlüsse“ und „ohne nähere Angabe zur Art des Abschlusses“ der Kategorie „Lehre“ zugeordnet. Dadurch steigt der Anteil bei den Männern um 5 Prozentpunkte, bei den Frauen um 9 Prozentpunkte, und zwar ohne systematische Tendenz im Zeitverlauf.
- 4 IAB-Aktuell vom 10.2.2011.
- 5 S. Zopf, R. Helmrich: Andauernde Stagnation. Entwicklung der Qualifikationsstruktur der deutschen Bevölkerung, in: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis – BWP, H. 1/2011, S. 4 f.
- 6 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel, Bielefeld 2010, S. 118, 128.