Über die Parteigrenzen hinweg sind sich die deutschen Politiker einig, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als rohstoffarmes Land durch einen hohen Bildungsgrad und den Reichtum an Humankapital mitbestimmt wird. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass zu viele Vorschriften und regulierende staatliche Eingriffe dabei die positiven Wohlstandseffekte behindern können. In Deutschland haben die Bildungsreformen zwischen 2000 und 2010 dazu beigetragen, die Regulierungsdichte im Bildungsbereich deutlich zu verringern – mit positiven Folgen für Wohlstand und Beschäftigung.
Seit den überraschend schlechten Ergebnissen der ersten PISA-Studie 2000 gibt es auch in der Öffentlichkeit eine breite und teils sehr emotional geführte Diskussion darüber, wie das „richtige“ Bildungssystem ausgestaltet werden soll. Zuletzt wurde bei dem Hamburger Volksentscheid zur Schulreform, der die Etablierung einer sechsjährigen Primarschule beinhalten sollte, über die Art der Regulierung gestritten. Dabei ist das deutsche Schul- und Bildungssystem schon vor dem Scheitern dieser Reform aufgrund seiner dezentralen Struktur und seiner unterschiedlichen Schulformen sehr heterogen und weltweit einzigartig. Nicht zuletzt deshalb plant die Bundesregierung noch in dieser Wahlperiode eine Grundgesetzänderung, durch die das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik aufgehoben werden soll.
Die Eingriffe des Staates durch Regulierungen und Vorschriften sind vielfältig, da Bildung eine der zentralen Tätigkeitsfelder eines Staates in einer modernen Volkswirtschaft darstellt. Bildung und Humankapital sind dabei aus ökonomischer Sicht für die nachhaltige, wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand eines Landes als Produktionsfaktor wichtiger als z.B. Rohstoffe.1 Wie schon bei Studien zu den Auswirkungen von staatlichen Eingriffen und Rahmenbedingungen auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung,2 die Arbeits- und Lebenszufriedenheit3 sowie die Schattenwirtschaft4 wird der vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln erstellte IW-Regulierungsindex zugrunde gelegt, um empirische Zusammenhänge zu untersuchen.5 Der aktualisierte IW-Regulierungsindex verwendet die Daten der Jahre 2000 bis 2010, so dass die Entwicklungen im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 (teilweise) berücksichtigt werden können.
Der IW-Regulierungsindex 2010
Der IW-Regulierungsindex umfasst 28 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), da für diese Länder die meisten der 200 verwendeten Variablen verfügbar sind. Durch die additive Zusammensetzung der Teilindizes Kapitalmarkt-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Produktmarktregulierung sowie dem Good-Governance-Index zum Gesamtindex ist es möglich, auch Teilbereiche wie den Arbeitsmarkt oder den Bildungsbereich gesondert zu untersuchen.
Das Gesamtregulierungsranking 2010
Abbildung 1 zeigt das Ausmaß der Regulierungsintensitäten in den betrachteten 28 OECD-Ländern anhand des IW-Regulierungsindex für 2010. Demnach liegt Deutschland im Mittelfeld. Vor allem die angelsächsischen, aber auch die skandinavischen Länder haben ein niedrigeres Regulierungsniveau.
Abbildung 1
Ergebnis des IW-Regulierungsindex 2010
(hohe Regulierungsintensität)
Quelle: IW Köln.
Betrachtet man die Veränderungen zwischen den letzten beiden Erhebungszeitpunkten des Regulierungsindex 2005 und 2010, um den Einfluss der Finanzkrise zu isolieren, so hat die Regulierung in Spanien am stärksten zugenommen. Die Türkei hat hingegen in Bezug auf die Regulierungsintensität den größten Rückgang vollzogen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass die Finanzkrise die wirtschaftlichen Bedingungen aller Länder wesentlich verändert hat. So ist es beispielsweise für Spanien und Griechenland aufgrund des herabgestuften Kreditwürdigkeits-Ratings auf den Kreditmärkten schwieriger, Finanzierungsmöglichkeiten zu erhalten. Dieser Zugang zum Kreditmarkt ist unter anderem ein Bestandteil des Teilindex Finanzmarktregulierung. Des Weiteren ist es für Länder mit einem hohen Haushaltsdefizit, wie den beiden oben genannten und den USA, notwendig, eine strikte Haushaltskonsolidierung durchzuführen, was tendenziell mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zur Folge hat, die – wie im Finanzmarktsektor – durchaus auch positive Effekte erzielen können. Der starke Rückgang des Index bei Ländern wie der Türkei und Polen liegt darin begründet, dass sie ein wesentlich höheres Niveau der Regulierungsintensität (insbesondere hinsichtlich der Produktmarktregulierung) hatten und deshalb allein durch den Prozess der Konvergenz der OECD-Länder Rückgänge im Bereich der Regulierung verzeichnen konnten. International vorgegebene Standards sorgen allgemein für eine Angleichung institutioneller Regime.6 Gleichwohl bleibt das Niveau immer noch höher als in anderen Ländern, wie in Abbildung 1 zu erkennen ist.
Abbildung 2 zeigt die Veränderungen der Länderwerte über einen längeren Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2010. Auch hier verdeutlicht sich der verglichen mit den anderen Ländern relativ starke Anstieg der Regulierungsintensität Spaniens und der anderen südeuropäischen Länder. Des Weiteren ist ein Deregulierungsprozess in Osteuropa zu erkennen, da drei der in der Untersuchung aufgeführten Länder dieser Region (Tschechien, Slowakei und Polen) einen starken Rückgang der Regulierung verzeichnen konnten. Nur Ungarn hat stärker regulierend eingegriffen.
Abbildung 2
Veränderung der Regulierungsdichte
(0 = Ausgangswert im Jahr 2000)
Quelle: IW Köln.
Methode
Das Ziel des IW-Regulierungsindex ist es, ein vergleichendes Ranking von Ländern hinsichtlich der Intensität ihrer Regulierung zu erstellen. Der Index umfasst ein breites Themenspektrum und erfasst die Regulierungsintensität bis 2010. Dies unterscheidet ihn von bereits bestehenden Untersuchungen dieser Thematik und bereits existierenden Regulierungsindikatoren.7 Durch die fünf Teilindizes des Indikators wird berücksichtigt, dass Regulierungen nicht zwangsläufig negative Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aktivitäten im betroffenen Land haben. Wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, sind staatliche Rahmenbedingungen zwingend erforderlich, um einen effizienten und weniger krisenanfälligen Markt aufrechtzuerhalten. Des Weiteren können positive Wirkungen von der Regulierung ausgehen, wenn Eigentums- und Verfügungsrechte gesichert werden sollen, externe Effekte internalisiert werden müssen oder wenn Markt- und Wettbewerbsversagen vermieden werden sollen.8
Die Teilindizes setzen sich aus verschiedenen Variablen zusammen. Sie wurden auf der Grundlage ökonomischer Theorien ausgewählt, wobei ein Kausalzusammenhang zum Untersuchungsgegenstand Regulierung wichtig war. Naturgemäß werden diese Variablen in unterschiedlichen Dimensionen und Einheiten erfasst. Um dennoch eine Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, werden diese absoluten Kennzahlen in relative umgewandelt. Dies geschieht dadurch, dass den jeweils geringsten bzw. höchsten Ausprägungen der 28 Länder die Werte 0 bzw. 100 zugewiesen werden und die Ausprägungen im Zwischenraum ein dem Abstand entsprechenden Wert erhalten. Diese Transformation wird in Gleichung (1) hergestellt, dabei impliziert ein hoher Wert eine gute Regulierungsperformance:
Analog wird die Gleichung (2) verwendet, wenn ein hoher Wert eine schlechte Regulierungsperformance bedeutet:
Hierbei beschreibt X den zugewiesenen (Punkt-)Wert der Regulierung des Landes, I ist der (absolute) Wert der zugrundeliegenden Variablen, Imin ist die geringste Ausprägung der Variablen über alle 28 Länder hinweg und Imax entsprechend die höchste Ausprägung.
Da die fünf Teilindizes gleich aufgebaut und damit untereinander vergleichbar sind, lässt sich eine vergleichende Stärken- und Schwächenanalyse durchführen. Handlungsempfehlungen für den allgemeinen Reformbedarf eines Landes hinsichtlich der Regulierung lassen sich aus dem Gesamtindex ableiten, für detaillierte Hinweise auch bezüglich reformbedürftiger Bereiche ist jedoch eine Betrachtung der Teilindizes notwendig. Auf diesem Weg lassen sich auch eventuelle Lösungsoptionen aus besser regulierten Ländern identifizieren. Dabei sind jedoch auch die Grenzen summarischer und synthetischer Indizes zu beachten.9
Datenbasis
Die Gesamtzahl der verwendeten Variablen beträgt 200. Sie decken dabei den Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2010 ab. Die zugrundeliegenden (absoluten) Werte der einzelnen Variablen sind die Originaldaten nationaler und internationaler Organisationen sowie bestehende Indexwerte anderer Untersuchungen. Diese umfassen sowohl objektive als auch subjektive Erhebungen. Auf dieser Grundlage werden eigene Indikatorwerte berechnet. Beide verwendeten Typen von Daten haben spezifische Vor- und Nachteile.
Subjektive Daten spiegeln die Einschätzung von Experten hinsichtlich des Ausmaßes, der Effektivität oder der Wirkungen von Regulierungen wider.10 Subjektiven Untersuchungen ist gemein, dass sie auf persönlicher Wahrnehmung basieren. Wenngleich in den meisten Fällen Fachleute für die Thematik befragt werden, können auch sie beispielsweise von der aktuellen politischen Situation beeinflusst werden und somit die Regulierungssituation verzerrt wiedergeben. Bei Vergleichen zwischen Ländern können die Befragten dazu verleitet werden, die – im Regelfall besser bekannte – frühere Situation im eigenen Land zum Vergleich heranzuziehen anstelle der aktuellen Situation in anderen Ländern.11
Objektive Daten beschreiben und bewerten die Existenz und die Ausgestaltungsdetails der staatlichen Regulierung (z.B. Preiskontrollen, gesetzliche Marktzutrittsschranken).12 Sie haben nicht die oben genannten Nachteile und sind demzufolge tendenziell besser für Ländervergleiche geeignet. Demgegenüber stehen der höhere Aufwand bei der Erhebung der Daten sowie die Tatsache, dass Wirkungen von Regulierungsmaßnahmen zumeist nicht explizit messbar gemacht werden können. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass objektive Daten vergangenheitsorientiert sind und nicht so schnell erfasst werden können wie subjektive Daten.
Güte
Der IW-Regulierungsindex basiert sowohl auf objektiv erhobenen als auch auf subjektiven Daten. Die Wirkungen von Regulierungsmaßnahmen werden in der Regel nicht eindeutig von diesen Methoden abgebildet. Daher muss ein Regulierungsindex mit anderen verglichen werden, um die Güte des Index feststellen zu können. Da es keinen Index gibt, der vergleichbar mit dem IW-Regulierungsindex aufgebaut ist, muss sich der Vergleich auf die einzelnen Teilindizes beziehen. Er basiert auf Daten einer Studie der Weltbank und des World Economic Forums.13
Die Weltbank untersucht in einem jährlichen Bericht die Regulierungsmaßnahmen, die die Geschäftstätigkeit in einem Land fördern oder behindern. Der Bericht 2010 umfasst 183 Länder in elf verschiedenen Bereichen. Beispielsweise sind dies Vorschriften zur Beschäftigung von Arbeitnehmern oder die Durchsetzung von Verfügungsrechten. Um diese Studie mit dem IW-Regulierungsindex zu vergleichen, werden die betrachteten 28 OECD-Länder ausgewählt und deren Reihenfolge und Platzierungen in den beiden Untersuchungen verglichen. Der „Doing Business“-Bericht basiert dabei auf objektiven Daten. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson zeigt den Zusammenhang zwischen beiden Rankings. Er beträgt r = 0,828, was einen starken Zusammenhang impliziert, der auch statistisch hoch signifikant ist.
Die Daten des World Economic Forum werden jährlich erhoben und umfassen in der hier betrachteten Version 139 verschiedene Länder. In der Untersuchung werden unter anderem die Infrastruktur eines Landes und die Institutionen, aber auch die Arbeitsmarkt- und Gütermarkteffizienz untersucht. Es zeigt sich auch hier ein starker Zusammenhang der Rankings. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson beträgt r = 0,708 und der Zusammenhang ist statistisch hoch signifikant.
Betrachtet man jedoch die Platzierungen der Länder im Detail, so lassen sich vereinzelt deutliche Unterschiede ausmachen. Die Schweiz belegt beim IW-Regulierungsindex den dritten Platz, im Doing-Business-Ranking jedoch nur Platz 16. Dies hängt damit zusammen, dass das Doing-Business-Ranking verstärkt unternehmerische Aspekte betrachtet. Der Schutz der Investoren ist in der Schweiz beispielsweise nur sehr gering ausgeprägt, und es ist auch recht schwierig, dort ein Unternehmen zu gründen. Ein weiterer auffälliger Unterschied in den Rankings ist bei den Platzierungen Neuseelands zu beobachten. Im IW-Regulierungsindex und im Doing-Business-Ranking belegt Neuseeland Rang 1, beim Global Competitiveness Report jedoch nur Rang 17. Erklären lässt sich diese Abweichung damit, dass der letztgenannte Index die Infrastruktur Neuseelands als verhältnismäßig schwach einschätzt und die Größe des neuseeländischen Marktes als gering bewertet. Diese Tatbestände werden in den anderen beiden Indizes nicht abgebildet.
Wirkungsanalyse
Wesentliche Ziele wirtschaftspolitischer und regulatorischer Maßnahmen bestehen darin, eine niedrige Arbeitslosenquote und Voraussetzungen für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen.14 Im Folgenden soll deshalb mit Hilfe eines Performance-Indikators untersucht werden, inwieweit sich die Regulierungsmaßnahmen der einzelnen Länder auf diese beiden Ziele auswirken.
Der Performance-Indikator setzt sich aus den beiden Bestandteilen Wachstum und Beschäftigung zusammen.15 Der Wachstumsindex enthält die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP), das BIP je Einwohner und das Potenzialwachstum. Das BIP je Einwohner soll eine bessere Vergleichbarkeit der Länder ermöglichen, da diese von einem unterschiedlich hohen Ausgangsniveau starten. Die Variable Potenzialwachstum soll die langfristige Entwicklung der Wirtschaft berücksichtigen und kurzfristige Konjunkturschwankungen eliminieren. Unter Potenzialwachstum wird hierbei die langfristige Veränderung des BIP bei normaler Auslastung der Produktionskapazitäten verstanden. Der Beschäftigungsindex besteht aus vier Variablen. Dies sind im Einzelnen die standardisierte Arbeitslosenquote, die Erwerbstätigenquote, der Erwerbstätigenzuwachs und der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit. Es werden die jeweils letzten verfügbaren Zahlen verwendet. Um eine Addition der vier Variablen zu einem Gesamtindex zu ermöglichen, werden sie gemäß den Gleichungen (1) und (2) auf einer Skala zwischen 0 und 100 normiert. Die Addition erfolgt dabei mit gleichen Gewichten. Der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Gesamtregulierungstätigkeit eines Staates und dem Wohlstandsniveau ist in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3
Gesamtregulierung und Wohlstandsniveau
Quelle: IWF, IW Köln.
Die Stichprobe ist hierbei mit einem Umfang von n = 28 vergleichsweise gering. Trotzdem lassen sich aus ihr wichtige Erkenntnisse über die Wirkung von Regulierungsmaßnahmen ableiten. Deutlich ablesbar ist der negative Wirkungszusammenhang: Die Regressionsgerade zeigt an, dass eine höhere Regulierungsintensität im Regelfall mit einem geringeren Wohlstandsniveau einhergeht. Die Regulierungsintensität kann 51,62% der Varianz bezüglich des Wohlstandsniveaus erklären. Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei der Regression der Gesamtregulierung auf den oben beschriebenen Wachstumsindex. Auch hier zeigt sich ein negativer Zusammenhang, wobei das Bestimmtheitsmaß mit 11,12% deutlich geringer ausfällt.
Aus der Abbildung 3 kann auch die schlechte Situation der sogenannten PIGS-Staaten Portugal, Italien, Griechenland und Spanien abgelesen werden. Ziel aller Länder sollte es sein, eine möglichst geringe Regulierungsintensität (aufgrund der damit verbundenen Kostensenkung) bei einer gleichzeitigen guten Leistung im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung zu erzielen. Die vier PIGS-Staaten sind in den beiden Abbildungen unter denjenigen Staaten, die am weitesten von diesem Ziel entfernt sind. Entsprechende Maßnahmen zur Deregulierung werden diesen Ländern derzeit auferlegt.
Bildungsregulierung, Beschäftigung und nachhaltiges Wachstum
Im Hinblick auf nachhaltiges und dauerhaftes Wirtschaftswachstum ist jedoch die Regulierung im Bildungsbereich von noch größerer Bedeutung.16 Auch die Fähigkeit, Innovationen zuzulassen und zu generieren, ist ein wesentlicher Bestimmungsfaktor der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes.17 Der entsprechende Teilindex (Abbildung 4) zeigt ebenfalls deutlich den negativen Zusammenhang zwischen einem hohen Ausmaß an Bildungs- und Forschungsregulierung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes. Ein hohes Regulierungsniveau in diesen Bereichen geht im Regelfall mit einem geringeren Wohlstandsniveau einher. Das Bestimmtheitsmaß R2 liegt in diesem Fall bei 33,71%. Es ist wiederum zu erkennen, dass sich die sogenannten PIGS-Staaten auch hier in einer vergleichsweise schlechten Situation befinden. So weist vor allem Griechenland in der Vergleichsgruppe der 28 Länder die höchste Regulierung des Bildungs- und Forschungsbereichs auf. Ebenso zeichnen sich die weniger entwickelten Länder Mexiko und Türkei durch eine recht hohe Regulierung in diesem Teilbereich aus.
Abbildung 4
Bildungs- und Forschungsregulierung und Wohlstandsniveau
Quelle: IWF, IW Köln.
Bildungs- und Forschungsregulierung und Wettbewerbsfähigkeit
Um die Bedeutung zu bestimmen, die die Bildungs- und Forschungsregulierung für die gesamte Wettbewerbsfähigkeit eines Landes hat, ist es wichtig, nicht nur eine statische Betrachtung des Einflusses auf das Wohlstandsniveau vorzunehmen, sondern auch die Fähigkeit zu beurteilen, einen solchen Wohlstand in Zukunft zu generieren. Dementsprechend werden jeweils vier einfache lineare Regressionen und vier logarithmische Regressionen der Höhe der Bildungs- und Forschungsregulierung auf die Gesamtpunktzahl in vier verschiedenen Untersuchungen zur Wettbewerbsfähigkeit von Ländern berechnet. Dies ist zum einen der bereits bei der Güte des Index angesprochene „Global Competitiveness Report 2010-11“ und zum anderen das „World Competitiveness Yearbook 2010“, der „2010 Index of Economic Freedom“ und der „Economic Freedom of the World 2010 Annual Report“.18 Die Ergebnisse der Regressionen sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Tabelle 1
Bildungs- und Forschungsregulierung und Wettbewerbsfähigkeit
Organisation | Studie | Geschätzter (linearer) Zusammenhang) | R2 | Geschätzter (logarithmischer) Zusammenhang) | R2 |
---|---|---|---|---|---|
Institute for Management Development | World Competitiveness Yearbook 2010 | y = 107,41 - 0,7392 x | 0,509 | y = 201,84 - 34 In(x) | 0,519 |
Heritage Foundation | 2010 Index of Economic Freedom | y = 86,36 - 0,3146 x | 0,565 | y = 124,91 - 14,03 In(x) | 0,542 |
World Economic Forum | Global Competitiveness Report 2010-11 | y = 5,947 - 0,0231 x | 0,494 | y = 8,8069 - 1,038 In(x) | 0,481 |
Fraser Institute | Economic Freedom of the World 2010 Annual Report | y = 8,445 - 0,0214 x | 0,505 | y = 11,105 - 0,965 In(x) | 0,494 |
Quelle: Eigene Zusammenstellung.
Deutlich ersichtlich ist in allen acht Fällen der negative Steigungsparameter β. Dies zeigt – wie in den anderen Regressionen auch – den negativen Einfluss der Regulierung. Ein hohes Maß an Bildungs- und Forschungsregulierung ist somit in allen Fällen gleichbedeutend mit schlechten Ergebnissen bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft. Beachtenswert ist hierbei auch das durchweg hohe Bestimmtheitsmaß R², das regelmäßig einen Wert von nahe oder sogar über 50% erreicht. Dies spricht für eine hohe Bedeutung der Bildungs- und Forschungsregulierung im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit. Die Variation im Achsenabschnitt α der einzelnen Untersuchungen ist bedingt durch die unterschiedliche Skalierung der Gesamtergebnisse der Untersuchungen. Demzufolge ist auch der Steigungsparameter β in absoluter Höhe kaum vergleichend zu interpretieren.
Bildungs- und Forschungsregulierung und Beschäftigung
Gewissermaßen ist auch die Regression der Höhe der Bildungs- und Forschungsregulierung auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen eine statische Betrachtung, da die Studien zur Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit diese nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erheben, wenngleich sich die Bildungsergebnisse eines Landes erst langfristig niederschlagen. Langfristige Aspekte spielen bei der Auseinandersetzung mit dem Arbeitsmarkt hingegen eine wichtige Rolle. Die Fähigkeit, die Einwohner arbeitsmarktgerecht auszubilden, ist eine Determinante des langfristigen Erfolges eines Landes. Strukturelle Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt sind ein Zeichen für Ineffizienzen und gleichbedeutend mit hohen Kosten. Ein aktuelles Beispiel für eine solche Ineffizienz ist die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Trotz einer Arbeitslosenzahl von knapp 3 Mio. Menschen gibt es nach Schätzungen des IAB momentan etwa 1 Mio. offene Stellen, die jedoch mit den dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Personen nicht besetzt werden können.19 Einer der zahlreichen Gründe für diesen Mismatch kann unter anderem darin bestehen, dass die Bildung einer zu großen Regulierung unterworfen ist.
Abbildung 5 zeigt das Ergebnis einer Regression der Intensität der Bildungs- und Forschungsregulierung auf die Werte des beschriebenen Beschäftigungsindex. Auch hier zeigt sich ein negativer Zusammenhang. Dies bedeutet, dass ein hohes Maß an Bildungsregulierung im Regelfall mit einem schlechteren Wert des Beschäftigungsindex einhergeht. Dies kann sich in einer höheren standardisierten Arbeitslosenquote, einer niedrigeren Erwerbsquote, einem geringeren Erwerbstätigenzuwachs oder einem höheren Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit äußern. Die geschätzte Regressionsgerade weist darauf hin, dass eine Reduktion des Regulierungsindex um eine Einheit gleichbedeutend mit einer Verbesserung des Beschäftigungsindex um 0,4 Punkte ist. Das Bestimmtheitsmaß R2 dieser Regression beträgt 20,6%. In der Abbildung 5 lassen sich die Beschäftigungssituationen einzelner Länder erkennen. So zeichnen sich Norwegen und die Niederlande durch eine gute Situation aus, wohingegen die südeuropäischen Länder wie Italien, Spanien, Griechenland und auch die Türkei im unteren Bereich anzusiedeln sind. Eine gute Situation auf dem Arbeitsmarkt – gleichbedeutend mit einem guten Wert des Beschäftigungsindex – ist dabei für jedes Land erstrebenswert: zum einen weil dies kaum ungenutztes Potenzial innerhalb eines Landes bedeutet, zum anderen weil eine höhere Arbeitslosenquote gleichzeitig auch eine höhere Belastung der Sozialsysteme nach sich zieht. Eine Reduktion der Bildungsregulierung ist dabei eine Maßnahme, die vergleichsweise einfach und kostengünstig umzusetzen ist.20
Abbildung 5
Bildungs- und Forschungsregulierung und Beschäftigung
Quelle: OECD, IW Köln.
PISA und Bildungsregulierung: Das Fallbeispiel Deutschland
Ausgangspunkt der Betrachtung sind die Ergebnisse der ersten PISA-Studie aus dem Jahr 2000. Deutschland lag hier in den drei Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften unter dem Durchschnitt.21 Dieses auch als „PISA-Schock“ bezeichnete Ereignis sorgte für eine lebhafte und umfangreiche Diskussion über die richtige Ausgestaltung des deutschen Bildungssystems.22 Da sich die politischen Parteien der Bedeutung des Bildungswesens bewusst waren, wurden umfassende Reformen, insbesondere im Schulsystem gefordert: die flächendeckende Einrichtung von Ganztagsschulen, die Einstellung von mehr Lehrern, leistungsbezogene Verträge von Lehrern, eine bessere Ausstattung von Schulen, mehr Autonomie für die Schulen, eine bessere und individuellere Förderung insbesondere von leistungsschwachen Schülern. Deutsche Bildungsexperten besuchten nun regelmäßig finnische Schulen, da diese durch ihre guten Ergebnisse als Vorbild angesehen wurden. Die Förderung von leistungsschwachen Schülern war insbesondere auch deshalb notwendig, da dem deutschen Bildungssystem die höchste Anfälligkeit für Sozialselektion attestiert wurde, und laut den Ergebnissen der Studien in keinem anderen untersuchten Land die bürgerliche Herkunft der Schüler für den Bildungserfolg eine so große Rolle spielt wie in Deutschland.
An den Ergebnissen des IW-Regulierungsindex ist ablesbar, dass die notwendigen Reformen zumindest teilweise umgesetzt wurden. Die Regulierungsintensitäten der 28 OECD-Länder wurden auch für 2000 ermittelt. Für Deutschland lag der Wert im Bereich Bildung 2000 bei 67,82. Der Wert des Teilindex Bildungs- und Forschungsregulierung hat sich bis 2010 auf 60,02 deutlich verringert. Auch wenn konstatiert werden muss, dass Reformen – gerade im Bildungsbereich – eine gewisse Vorlaufzeit benötigen, um zu wirken, lassen sich schon Verbesserungen bei den Ergebnissen Deutschlands in der PISA-Studie feststellen. So konnte Deutschland in der jüngsten PISA-Studie in den Bereichen Mathematik und Lesen durchschnittliche und im Bereich Naturwissenschaften sogar überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen. Des Weiteren wurde die Gruppe der besonders leistungsschwachen Schüler von einem Viertel auf ein Fünftel verkleinert.23 Gleichwohl ist das Niveau der Regulierung in Deutschland verglichen mit anderen europäischen Staaten immer noch recht hoch. Eine einfach umzusetzende Maßnahme wäre die Reduzierung der Eingriffe in den Bildungssektor, z.B. durch die Gewährung einer höheren Autonomie der Schulen. So werden laut einer OECD-Erhebung immer noch nur 8% aller Entscheidungen auf Schul-Level in vollständiger Autonomie der Schule getroffen.24
Bei der Betrachtung der anderen Länder der PISA-Untersuchung lässt sich feststellen, dass Finnland und Korea ihre guten Ergebnisse im gesamten Betrachtungszeitraum bestätigen konnten, Mexiko nach 2003 eine positive Entwicklung eingeleitet hat und große Fortschritte hinsichtlich der Bildungsregulierung erzielen konnte. Dies ist auch auf die Konvergenz institutioneller Regime durch international vorgegebene Standards zurückzuführen. Die PIGS-Staaten haben ihre Ergebnisse auf mittelmäßigem Niveau bestätigen können.
- 1 Vgl. F. van der Ploeg: Natural Resources: Curse or Blessing?, in: Journal of Economic Literature, 49. Jg. (2011), H. 2, S. 366-420.
- 2 Vgl. D. Enste, S. Hardege: Mehr Arbeitsplatzregulierung – weniger subjektiv empfundene Sicherheit, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 58. Jg. (2009), H. 2, S. 255-274.
- 3 Vgl. D. Enste, S. Hardege: Regulierung, Wohlstand und Beschäftigung – Eine empirische Wirkungsanalyse für 22 OECD-Länder, in: Wirtschaftspolitische Blätter, H. 4, 2008, S. 819-838.
- 4 Vgl. D. Enste: Regulation and shadow economy: empirical evidence for 25 OECD-countries, in: Constitutional Political Economy, 21. Jg. (2010), H. 3, S. 231-248.
- 5 Vgl. D. Enste, S. Hardege: IW-Regulierungsindex: Ein internationaler Vergleich – Methodik, Analysen und Ergebnisse, IW-Analysen, Nr. 16, Köln 2006.
- 6 Vgl. J. D. Sachs, A. Warner: Economic Reform and the process of global integration, in: Brookings Paper on Economic Activity, Nr. 1, 1995, S. 1.
- 7 Vgl. J. C. Botero, S. Djankov, R. La Porta, F. Lopez-de-Silanes, A. Shleifer: The Regulation of Labor, in: The Quarterly Journal of Economics, 119. Jg. (2004), H. 4, S. 1339-1382; P. Conway, V. Janod, G. Nicoletti: Product Market Regulation in OECD Countries: 1998 to 2003, OECD Economics Department Working Papers, Nr. 419, Paris 2005; OECD: Employment Outlook 2010, Paris 2010; Weltbank: Doing Business in 2011, Washington DC 2010.
- 8 Vgl. D. Kaufmann, A. Kraay, M. Mastruzzi: Governance Matters I-IV, World Bank Policy Research Working Paper 3630, Washington DC 2005, S. 39.
- 9 Vgl. J. T. Addison, P. Teixeira: The Economics of Employment Protection, in: Labor Research, 24. Jg. (2003), H. 1, S. 85-129; H. Grupp, M. E. Mogee: Indicators for national science and technology policy: how robust are composite indicators?, in: Research Policy, 33. Jg. (2004), H. 9, S. 1373-1384; A. Kladroba: Methodische Einflüsse auf die Ergebnisse von Rankings, in: Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften, 56. Jg. (2005), S. 95-111; M. Nardo, M. Saisana, A. Saltelli, S. Tarantola, A. Hoffmann, E. Giovanni: Handbook on Constructing Composite Indicators: Methodology and User Guide, OECD Statistics Working Paper, Paris 2005.
- 10 Vgl. D. Enste, S. Hardege: IW Regulierungsindex ..., a.a.O., S. 4.
- 11 Vgl. J. Matthes: Die Position Deutschlands in Rankings zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit, in: IW Trends, 32. Jg. (2005), H. 4, S. 89.
- 12 Vgl. D. Enste, S. Hardege: IW Regulierungsindex ..., a.a.O., S. 4.
- 13 Vgl. Weltbank, a.a.O.; World Economic Forum: Global Competitiveness Report 2010-2011, Davos 2010.
- 14 Vgl. H. Berg, D. Cassel, K.-H. Hartwig: Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 2, 8. Aufl., Mannheim 2003, S. 239.
- 15 Vgl. K. Hafemann, U. van Suntum: Internationales Standort-Ranking 2004, Gütersloh 2004.
- 16 Vgl. B. Keeley: Human Capital – How what you know shapes your life, OECD Insights, Paris 2007.
- 17 Vgl. M. Effelsberg: Innovationsstrategien von Unternehmen und von Standorten – eine Verknüpfung der einzel- und gesamtwirtschaftlichen Perspektive, in: T. Theurl, M. Effelsberg (Hrsg.): Innovationsstrategien für Unternehmen und Standorte, Münstersche Schriften zur Kooperation, Bd. 93, 2011.
- 18 Vgl. Institute for Management Development: World Competitiveness Yearbook 2010, Lausanne 2010; Heritage Foundation: The Index of Economic Freedom 2010, Washington DC 2010; World Economic Forum, a.a.O.; Fraser Institute: Economic Freedom of the World 2010 Annual Report, Vancouver 2010.
- 19 Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots am ersten Arbeitsmarkt im II. Quartal 2011, http://doku.iab.de/grauepap/2011/os1101.pdf.
- 20 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): Bildungsfinanzierung und Bildungsregulierung in Deutschland – Eine bildungsökonomische Reformagenda, IW Studien, Köln 2006.
- 21 Vgl. OECD: PISA 2000: Sample Items, Paris 2002.
- 22 Vgl. T. Kerstan: Der heilsame Schock, in: Die Zeit, Nr. 49, vom 1.12.2011, S. 87 f.
- 23 Vgl. ebenda.
- 24 Vgl. OECD: Education at a glance 2009, Paris 2009.