Die Gemeinschaftsdiagnose prognostiziert für 2013 eine leichte Konjunkturbelebung für die Weltwirtschaft. Die Entwicklung in Europa ist dagegen mit Unsicherheiten behaftet. Deutschland wird allerdings wohl etwas rascher wachsen als die EU im Durchschnitt. Dabei kommen die entscheidenden Impulse von der inländischen Verwendung. Am Arbeitsmarkt dürfte sich die Lage zudem weiter verbessern. Weltweit, aber auch in der EU, werden die Aussichten für 2014 als noch besser eingeschätzt.
Unter den für Deutschland veröffentlichten Konjunkturprognosen nimmt die Gemeinschaftsdiagnose eine hervorgehobene Stellung ein. Ihr besonderes Gewicht resultiert daraus, dass sich in ihr in der Regel vier Institute und deren Projektpartner – Minderheitsvoten bei der Prognose sind selten – auf eine gemeinsame Einschätzung der konjunkturellen Lage und eine einheitliche Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung einigen. Damit liefert sie eine breit gestützte Einschätzung der Konjunktur, der sich die Politik nur schwer entziehen kann und an der sich daher die Bundesregierung auch in ihren Projektionen orientiert. Zwar wird manchmal geargwöhnt, dass die beteiligten Institute letztlich doch nur den Durchschnitt ihrer zuvor erstellten – und überwiegend auch veröffentlichten – Prognosen berechnen. Dies ist aber allenfalls der äußere Anschein, der sich dem flüchtigen Leser aufdrängt, der allein auf die Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts schaut.
Je tiefer man in die Details geht, desto deutlicher wird, dass es sich bei der Gemeinschaftsdiagnose um eine eigenständige Prognose handelt, in die bis zum Schluss neue Informationen eingehen. Bisweilen scheint in den Texten auch auf, wie zwischen den beteiligten Instituten um die Bewertung von Daten und die Aussagekraft von Methoden gerungen wurde. In Zahlen ausgedrückt findet die mit der Gemeinschaftsdiagnose herbeigeführte Bündelung von Kompetenzen ihren Niederschlag darin, dass die Treffgenauigkeit der Prognose etwas, wenn auch nicht viel höher ist als die anderer zu einem vergleichbaren Zeitpunkt erstellter Prognosen. Dies gilt zumindest dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die Gemeinschaftsdiagnose als eine der ersten unter den Frühjahrsprognosen veröffentlicht wird und andere Institutionen wie die Europäische Kommission oder die OECD aktuellere Informationen berücksichtigen können, was sich in einer höheren Treffsicherheit ihrer Vorhersagen niederschlagen sollte.1
Internationale Rahmenbedingungen wieder günstiger
Ausgangspunkt der Prognose der Gemeinschaftsdiagnose vom Frühjahr 2013 ist die Einschätzung, dass sich die Weltwirtschaft seit dem Herbst vergangenen Jahres von der Schwächephase, in die sie zur Mitte des Jahres 2012 geraten war, erholt und eine Belebung begonnen hat.2 Die globale Industrieproduktion und der Welthandel zogen in den vergangenen Monaten wieder an, und zwar sowohl in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften als auch in den Schwellenländern. In den USA hat sich überdies die Verunsicherung über den Umgang mit der Fiskalklippe gelegt, die allem Anschein nach die wirtschaftliche Aktivität im Schlussquartal 2012 gehemmt hatte. In Japan hat die Regierung mittlerweile ein Konjunkturprogramm beschlossen, das zumindest kurzfristig die Wirtschaft stimulieren dürfte. Im Euroraum schließlich haben sich die Anspannungen an den Finanzmärkten gelegt, seit die EZB ihre Outright Monetary Transactions (OMT) ankündigte. Daran haben auch die Bankenkrise in Zypern und die Hängepartie um die Regierungsbildung in Italien wenig geändert. In den Schwellenländern war die wirtschaftliche Dynamik zuletzt ebenfalls deutlich höher als vor einem halben Jahr, jedoch liegen die Zuwachsraten weiterhin unter denen früherer Jahre.
Für den Prognosezeitraum erwarten die Institute, dass die Weltwirtschaft weiter an Fahrt gewinnt, wenn auch nur leicht. Stimulierend wirkt weiterhin die in nahezu allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften äußerst expansive Geldpolitik. Hingegen dürften von der Finanzpolitik zumeist dämpfende Wirkungen ausgehen. Dies gilt insbesondere für den Euroraum, für den gleichwohl davon ausgegangen wird, dass sich die Konjunktur dort im Verlauf von 2013 stabilisiert und 2014 wieder leicht aufwärts gerichtet sein wird, freilich ohne dass die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung bereits wieder steigt. Alles in allem wird erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in diesem Jahr erneut nur schwach um 1,1% steigt – allerdings auch aufgrund eines statistischen Unterhangs – und 2014 etwas stärker um 1,9% ausgeweitet werden wird (vgl. Tabelle 1). Die Weltproduktion insgesamt dürfte – entsprechend dem Messkonzept des IWF – um 3,4% in diesem und um 3,8% im kommenden Jahr ausgeweitet werden. Beides sind Werte, die deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt liegen.
Tabelle 1
Prognose der internationalen Konjunktur
2012 | 2013 | 2014 | |
---|---|---|---|
Fortgeschrittene Volkswirtschaften | 1,1 | 1,1 | 1,9 |
EU27 | -0,3 | 0,0 | 1,2 |
USA | 2,2 | 2,0 | 2,5 |
Japan | 1,9 | 1,4 | 1,5 |
Schwellenländer | 5,2 | 5,9 | 6,0 |
China | 7,8 | 8,2 | 7,7 |
Indien | 4,0 | 6,0 | 6,5 |
Welt insgesamt | |||
Nach IWF-Gewichtung1 | 3,2 | 3,4 | 3,8 |
Exportgewichtet2 | 0,9 | 1,3 | 2,2 |
1 Gewichtet mit Kaufkraftparitäten und hochgerechnet auf den vom IWF prognostizierten Länderkreis.
2 Gewichtet mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr des Jahres 2011.
Quelle: Gemeinschaftsdiagnose vom Frühjahr 2013.
Widersprüchliche Signale zur Konjunkturlage in Deutschland
Für Deutschland deuten die meisten Konjunkturindikatoren darauf hin, dass der Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion im vierten Quartal 2012 ein einmaliger Ausrutscher war und sich die Konjunktur seitdem wieder belebt hat. Als stärksten Hinweis darauf wertete die Gemeinschaftsdiagnose die deutliche Verbesserung der Klimaindikatoren. So hat sich der Index der Geschäftserwartungen in der gewerblichen Wirtschaft laut ifo-Umfragen von -16,5 im September 2012 auf +5,6 im Februar 2013 verbessert. Ein solcher Umschwung wies in der Vergangenheit in der Regel auf eine kräftige Belebung der Konjunktur hin. Zur Vorsicht neigten die Institute aber, weil sich der ifo-Index im März wieder verschlechtert hatte. Die im April nochmals ungünstigeren Umfrage-Ergebnisse, die allerdings erst nach Abschluss der Gemeinschaftsdiagnose bekannt wurden, zeigen, dass diese Vorsicht gerechtfertigt war. Für eine nur verhaltene Expansion im ersten Quartal sprach zudem, dass sowohl die Auftragseingänge in der Industrie als auch die Industrieproduktion in den beiden ersten Monaten des Jahres 2013 noch keine deutlichen Besserungstendenzen zeigten.
Erschwert wird die Einschätzung der aktuellen Konjunkturlage allerdings durch die ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse in den ersten Monaten des laufenden Jahres. Insbesondere der März war deutlich kälter als im langjährigen Durchschnitt. Die Mitteltemperatur betrug nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes lediglich 0,1°C, und lag damit um 4,2°C unter dem Durchschnitt des Zeitraums 1981 bis 2010. Solche extremen Wettersituationen können Saisonbereinigungsverfahren aller Erfahrung nach nicht ausgleichen. Einen ähnlich kalten März hatte es zuletzt 1987 gegeben. Damals war der Produktionsindex in der Bauwirtschaft saisonbereinigt um rund 18% gegenüber dem – damals ohnehin schon niedrigen – Niveau des Vormonats eingebrochen. Auch für den März 2013 stellten die Institute in ihre Prognose einen markanten Rückgang der Bauproduktion ein, wenn auch keinen so kräftigen wie 1987, weil seitdem die Bedeutung des Ausbaugewerbes, das weniger witterungsabhängig ist, zugenommen hat. Generell ist aber typisch für solche Einbrüche, dass es in den Folgemonaten zu einer Gegenbewegung kommt, weil dann wegen der tiefen Temperaturen liegengebliebene Arbeiten rasch nachgeholt werden. Alles in allem erwartet die Gemeinschaftsdiagnose für das erste Quartal 2013 eine nur leichte Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 0,2% gegenüber dem Vorquartal. Im zweiten Quartal dürfte es zu einem recht kräftigen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 0,7% kommen, der allerdings aufgrund von Nachholeffekten die konjunkturelle Grundtendenz überzeichnet.
Deutliche Belebung der Konjunktur angelegt
Für den weiteren Prognosezeitraum ist eine anhaltende Belebung der Konjunktur angelegt. Hierfür sprechen in erster Linie die für Deutschland schon seit geraumer Zeit und im Prognosezeitraum wohl weiterhin günstigen monetären Rahmenbedingungen. Diese konnten bisher aufgrund der erheblichen Verunsicherung über die weitere Entwicklung im Euroraum ihre Wirkungen nicht entfalten. Bleiben nun aber – wovon in der Prognose ausgegangen wird – neuerliche Schocks aus, dann dürften die Unternehmen aufgeschobene Investitionsvorhaben rasch realisieren, zumal von der Weltwirtschaft wieder stärkere Nachfrageimpulse zu erwarten sind. Von der Finanzpolitik gehen im Prognosezeitraum keine nennenswerten konjunkturellen Effekte aus; sie wirkt in diesem Jahr leicht expansiv und im kommenden – legt man die derzeitigen Planungen zugrunde – leicht restriktiv.
Tabelle 2
Statistische Komponenten der BIP-Wachstumsrate
2012 | 2013 | 2014 | |
---|---|---|---|
Statistischer Überhang1 | 0,2 | -0,3 | 0,7 |
Jahresverlaufsrate2 | 0,4 | 1,8 | 2,1 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung, kalenderbereinigt | 0,9 | 0,8 | 1,9 |
Kalendereffekt3 | 0,2 | -0,1 | 0,0 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung4 | 0,7 | 0,8 | 1,9 |
1 Saison- und kalenderbereinigtes reales BIP im vierten Quartal des Vorjahres in Relation zum saison- und kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres.
2 Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saison- und kalenderbereinigt.
3 In % des realen BIP.
4 Abweichungen in der Summe rundungsbedingt.
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Gemeinschaftsdiagnose vom Frühjahr 2013 und des Statistischen Bundesamtes.
Unter diesen Annahmen dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt im Verlauf des Jahres 2013 um 1,8% ausgeweitet werden; für den Jahresdurchschnitt ergibt sich aufgrund des statistischen Unterhangs eine Zunahme um 0,8% (vgl. Tabelle 2). Getragen wird die Expansion fast ausschließlich von der inländischen Verwendung. Die privaten Konsumausgaben dürften bei einer weiterhin stabilen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich ausgeweitet werden, und für die Investitionen wird eine deutliche Beschleunigung im Jahresverlauf prognostiziert. Im Jahr 2014 nimmt das Expansionstempo voraussichtlich nur noch wenig zu, im Jahresdurchschnitt dürfte aber ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts um 1,9% erreicht werden. Triebkraft bleibt dabei wohl die inländische Verwendung, während vom Außenbeitrag bei einer Ausweitung von Ein- und Ausfuhren im Gleichschritt rein rechnerisch keine Impulse ausgehen (vgl. Tabelle 3).
Tabelle 3
Beiträge der Verwendungskomponenten zum Anstieg des realen BIP1
2012 | 2013 | 2014 | |
---|---|---|---|
Konsumausgaben | 0,6 | 0,7 | 1,0 |
Private Haushalte2 | 0,4 | 0,4 | 0,7 |
Staat | 0,3 | 0,3 | 0,3 |
Anlageinvestitionen | -0,5 | 0,0 | 0,8 |
Ausrüstungen | -0,3 | -0,1 | 0,5 |
Bauten | -0,1 | 0,1 | 0,3 |
Sonstige Anlagen | 0,0 | 0,1 | 0,1 |
Vorratsveränderungen | -0,5 | 0,0 | 0,1 |
Inländische Verwendung | -0,3 | 0,7 | 1,9 |
Außenbeitrag | 1,0 | 0,1 | 0,0 |
Exporte | 1,8 | 1,1 | 3,1 |
Importe | -0,8 | -1,0 | -3,1 |
Bruttoinlandsprodukt3 | 0,7 | 0,8 | 1,9 |
1 Lundberg-Komponenten, Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
2 Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.
3 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quelle: Gemeinschaftsdiagnose vom Frühjahr 2013.
Verbesserte Lage am Arbeitsmarkt
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich angesichts der Belebung der Wirtschaft im Prognosezeitraum wohl weiter verbessern. Die Arbeitslosenquote, die im Verlauf des vergangenen Jahres leicht gestiegen war, dürfte sich wieder zurückbilden. Im Durchschnitt dieses Jahres wird sie voraussichtlich 6,7% betragen und im kommenden 6,4% (vgl. Tabelle 4). Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte dabei wie bereits in den vergangenen beiden Jahren deutlicher steigen als die Zahl der Arbeitslosen sinkt, weil zum einen ein Anstieg der Erwerbsquote zu erwarten ist, vor allem der der über 60-Jährigen. Zum anderen ist damit zu rechnen, dass im Prognosezeitraum die Zuwanderung beträchtlich bleibt, sowohl aus den Krisenländern Südeuropas als auch aus den neuen EU-Ländern in Osteuropa, zumal zum 1.1.2014 Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber Bulgarien und Rumänien wegfallen.
Der Preisauftrieb hat sich vor allem infolge rückläufiger Preise für Mineralölprodukte zuletzt zwar beruhigt, im April – diese Angabe wurde allerdings erst nach Ende der Gemeinschaftsdiagnose veröffentlicht – betrug die Inflationsrate nur 1,2%. Der binnenwirtschaftliche Preisauftrieb dürfte sich aber im Prognosezeitraum beschleunigen, zumal die Geldpolitik der EZB gemessen an der wirtschaftlichen Situation in Deutschland sehr expansiv ausgerichtet bleibt. Die Lohnstückkosten werden im Prognosezeitraum wohl weiter steigen, und deren Zunahme wird bei verbesserter Kapazitätsauslastung verstärkt an die Verbraucher weitergegeben. Auch dürften sich die infolge der lockeren Geldpolitik beschleunigt steigenden Bau- und Immobilienpreise nach und nach in Gestalt höherer Mieten im Verbraucherpreisindex niederschlagen. Für den Jahresdurchschnitt wird eine Inflationsrate von 1,7% im Jahr 2013 und 2,0% im Jahr 2014 prognostiziert. Dies gilt freilich nur unter der für die Gemeinschaftsdiagnose getroffenen Annahme, dass die Preise von Energieträgern bis Ende 2014 real konstant bleiben.
Tabelle 4
Eckdaten der Prognose für Deutschland
2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Reales Bruttoinlandsprodukt (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) | -5,1 | 4,2 | 3,0 | 0,7 | 0,8 | 1,9 |
Erwerbstätige1 (1000 Personen) | 40 370 | 40 603 | 41 164 | 41 613 | 41 863 | 42 086 |
Arbeitslose (1000 Personen) | 3 415 | 3 238 | 2 976 | 2 897 | 2 872 | 2 717 |
Arbeitslosenquote2 (in %) | 8,1 | 7,7 | 7,1 | 6,8 | 6,7 | 6,4 |
Verbraucherpreise3 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) | 0,3 | 1,1 | 2,1 | 2,0 | 1,7 | 2,0 |
Lohnstückkosten4 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) | 6,2 | -1,5 | 1,2 | 2,8 | 1,9 | 1,8 |
Finanzierungssaldo des Staates5 | ||||||
in Mrd. Euro | -73,0 | -103,6 | -19,7 | 4,2 | 1,3 | 15,2 |
in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts | -3,1 | -4,1 | -0,8 | 0,2 | 0,0 | 0,5 |
Leistungsbilanzsaldo | ||||||
in Mrd. Euro | 141,5 | 156 | 161,2 | 185,4 | 186,7 | 195,7 |
in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts | 6,0 | 6,2 | 6,2 | 7,0 | 6,9 | 7,0 |
1 Im Inland.
2 Arbeitslose in % der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).
3 Verbraucherpreisindex (2010 = 100).
4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.
5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG 95).
Quelle: Gemeinschaftsdiagnose vom Frühjahr 2013.
Überschüssiger Staatshaushalt
Die erwartete konjunkturelle Belebung und der anhaltende Preisauftrieb führen zusammen genommen dazu, dass sich die Lage der öffentlichen Haushalte im Prognosezeitraum nochmals verbessern dürfte. Dies gilt umso mehr, als die Expansion wohl weiterhin recht abgabenergiebig sein wird, da die Bruttolöhne und -gehälter aufgrund eines beschleunigten Lohnanstiegs und der robusten Beschäftigungsentwicklung deutlich zunehmen dürften. Der Staatshaushalt wird in diesem Jahr – obwohl der Konsolidierungskurs gelockert wurde – voraussichtlich einen kleinen Überschuss aufweisen, der im kommenden Jahr auf 15 Mrd. Euro (0,5% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) steigen dürfte. Der Bund wird dabei sein strukturelles Defizit abbauen, entlastet seinen Haushalt aber zu Lasten der Sozialversicherungen. Deren Überschüsse werden voraussichtlich merklich schrumpfen, zumal zu Beginn dieses Jahres die Beitragssätze in den Sozialversicherungen per saldo reduziert wurden.3
Die Staatsschuldenquote dürfte von 81,9% im Jahr 2012 auf 79% in diesem und 76½% im kommenden Jahr sinken. Ausschlaggebend hierfür ist zum einen, dass die Nettoneuverschuldung der Gebietskörperschaften nach der Prognose der Gemeinschaftsdiagnose gering und weiter rückläufig sein wird, während das nominale Bruttoinlandsprodukt deutlich zunehmen dürfte. Zum anderen werden die Portfolios der dem Staatssektor zugeordneten Bad Banks voraussichtlich weiter abgebaut werden. Dadurch wird die sich durch die europäischen Hilfspakete ergebende Erhöhung des deutschen Schuldenstands überkompensiert.
Hohe Abwärtsrisiken
Die aktuelle Prognose der Gemeinschaftsdiagnose ist – wie jede Prognose – mit Unsicherheiten behaftet. Gemessen an den Fehlern vergangener Gemeinschaftsdiagnosen ergibt sich für das Jahr 2013 ein 68%-Prognoseintervall, das von 0,1% bis 1,5% reicht. Neben der allgemeinen Unschärfe der Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen – beispielsweise wird die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von der ersten Veröffentlichung bis zum endgültigen Wert im Durchschnitt um fast 0,5 Prozentpunkte revidiert – haben solche Fehler drei Ursachen: Fehler in den Annahmen der Prognose, insbesondere zu den exogenen Variablen, eine falsche Einschätzung der Wirkung von wirtschaftspolitischen oder weltwirtschaftlichen Daten und nicht absehbare und damit auch nicht prognostizierbare exogene Schocks. Die subjektive Einschätzung ist, dass derzeit Abwärtsrisiken überwiegen. Es ist eine zentrale Annahme der Gemeinschaftsdiagnose, dass sich die Lage im Euroraum allmählich entspannt. Allerdings ist die Eurokrise noch ungelöst. Zwar hat sich die Lage an den Finanzmärkten seit September 2012, als die EZB ankündigte, im Notfall (wenn auch konditioniert) unbegrenzt am Markt für Staatsanleihen zu intervenieren, deutlich beruhigt. Aber es kann immer wieder zu neuen Turbulenzen kommen. So nehmen die politischen Widerstände gegen weitere Reformschritte zu, und weitere Länder des Euroraums drohen in Schwierigkeiten zu geraten. Sollte dies neuerliche Turbulenzen auslösen, dürfte sich nicht nur das außenwirtschaftliche Umfeld Deutschlands verschlechtern, sondern die EZB könnte auch zu Interventionen gezwungen werden, die von den Märkten als Abkehr von ihrem Stabilitätskurs interpretiert werden könnten.
Insbesondere mit ihrer Prognose für 2013 liegt die Gemeinschaftsdiagnose eher im oberen Bereich des derzeitigen Prognosespektrums. So veröffentlichte der IWF am gleichen Tag, an dem die Gemeinschaftsdiagnose abgeschlossen wurde, seine Frühjahrsprognose. Er ist mit erwarteten Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts von 0,6% bzw. 1,5% etwas skeptischer als die Gemeinschaftsdiagnose.4 Auch die Bundesregierung erwartet in ihrer Projektion, die eine Woche nach der Gemeinschaftsdiagnose veröffentlich wurde, mit von 0,5% in diesem und 1,6% im kommenden Jahr geringere Zuwachsraten. Unterschiedliche Welten – obwohl dies von der Öffentlichkeit manchmal so gesehen wird – stellen diese Prognosen schon mit Blick auf die Größe der Prognoseunsicherheit allerdings nicht dar. Gemeinsam ist allen zuletzt veröffentlichten Einschätzungen der Konjunktur, dass sich die deutsche Wirtschaft nach dem tiefen Einbruch im vierten Quartal wieder in einer Phase der Belebung befindet, und dass deren Auftriebskräfte vor allem in der Inlandsnachfrage liegen.
- 1 So zeigen Döhrn und Schmidt, dass ein linearer, positiver Zusammenhang zwischen dem Prognosefehler und der Länge des Prognosezeitraums besteht. R. Döhrn, C. M. Schmidt: Information or Institution – On the Determinants of Forecast Accuracy, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 231. Jg. (2011), S. 9-27.
- 2 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Deutsche Konjunktur erholt sich – Wirtschaftspolitik stärker an der langen Frist ausrichten, Halle/Saale 2013.
- 3 Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung wurde zum 1.1.2013 um 0,7 Prozentpunkte verringert, der zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte erhöht.
- 4 Bei einem Vergleich beider Prognosen ist zu berücksichtigen, dass der IWF das arbeitstäglich bereinigte BIP prognostiziert, die Gemeinschaftsdiagnose hingegen das unbereinigte. Arbeitstäglich bereinigt entspricht die Prognose der Gemeinschaftsdiagnose für 2013 einem Zuwachs um 0,9%. Für 2014 ist der Arbeitstageffekt annähernd Null.