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Pkw-Maut: Was wäre EU-konform?

Von Friedrich Breyer

Am 7. Juli 2014 hat Bundesverkehrsminister Dobrindt sein Konzept einer Pkw-Maut vorgestellt. In ersten Kommentaren wird bezweifelt, dass dieses mit dem EU-Recht konform ist. Insbesondere erweckt die maßgeschneiderte Kompensation für die deutschen Pkw-Halter durch eine Senkung der Kfz-Steuer um genau den Mautbetrag den Verdacht, dass die Maut tatsächlich nur ausländische Autofahrer treffen wird. Dies war zum einen die Vorgabe der CSU, zum anderen ist genau dies für die EU ein Stein des Anstoßes.

Kritiker beanstanden an dem Konzept weiterhin die mangelnde Lenkungswirkung, da weder die Fahrleistung noch der Umweltverbrauch oder der Beitrag zu einer Überlastung der Straßen im Preis berücksichtigt werden. Gerade im Zeitalter der digitalen Revolution seien intelligentere Preissysteme umsetzbar. Diese Kritik ist durchaus berechtigt, soll aber nicht Gegenstand dieses Kommentars sein, weil die Lenkungswirkung nicht Element des Zielsystems des Dobrindt-Vorschlags ist. Vielmehr stellt sich ganz unmittelbar die Frage, ob das Bundesverkehrsministerium seine selbstgesteckten Ziele mit einer relativ einfachen Abänderung des Konzepts viel eher erreichen könnte. Die Antwort lautet: Ja, indem die Kfz-Steuer nicht gesenkt, sondern komplett abgeschafft und die Mineralölsteuer aufkommensneutral angehoben wird.

Dazu sei zunächst eine einfache Überschlagsrechnung angestellt: Der Teil der Bruttoeinnahmen der Maut, der auf deutsche Kfz-Halter entfällt, wird im Infopapier des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf 3,8 Mrd. Euro jährlich taxiert. Genau in dieser Höhe soll das Aufkommen der Kfz-Steuer gesenkt werden. Insgesamt erbringt diese Steuer jährlich ca. 8,5 Mrd. Euro. Würde man sie stattdessen komplett abschaffen, entstünde eine Deckungslücke von 4,7 Mrd. Euro. Diese könnte durch eine Anhebung der Steuersätze der Mineralölsteuer (jährliches Aufkommen: 39 Mrd. Euro) um 10% – einschließlich der dadurch zusätzlich anfallenden Umsatzsteuer – geschlossen werden. Der Treibstoffpreis an der Tanksäule würde dadurch um ca. 8 Cent/Liter steigen.

Was sind die Vorteile dieses Konzepts, und welche Einwände stehen dem entgegen? Da die Pkw-Maut im Zuge einer umfassenden Reform der Besteuerung des Straßenverkehrs eingeführt würde, könnte von einer Ausländerdiskriminierung nicht mehr die Rede sein. Das Paket wäre also mit dem EU-Recht konform. Mit der Abschaffung der Kfz-Steuer würde man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: zum einen entfielen die Erhebungskosten; zum anderen ist es widersinnig, ausgerechnet auf den ruhenden Verkehr eine nach CO2-Ausstoß gestaffelte Abgabe zu erheben. Da sich der CO2-Ausstoß genau proportional zum Kraftstoffverbrauch verhält, ist die Mineralölsteuer unter Klimaschutz-Gesichtspunkten das richtige Instrument. Die Mineralölsteuer belastet auch durchreisende ausländische Autofahrer und besteuert dadurch die tatsächliche Straßennutzung zielgenauer als die zeitabhängige Vignette. Als ergänzendes Instrument ist sie daher zu begrüßen. Gegen eine zu starke Erhöhung der Mineralölsteuer wird vielfach eingewendet, dass kein Preisgefälle zu den Nachbarstaaten entstehen sollte, damit es nicht zu Tanktourismus kommt. Bei einer Anhebung des Literpreises um 8 Cent ist diese Wirkung jedoch noch nicht zu befürchten.

Im Zusammenhang mit den Zielen einer Maut-Einführung wurde oft von der „Quadratur des Kreises“ gesprochen. Die hier unterbreitete Alternative zeigt, dass es ganz so kompliziert nicht ist. Es soll keineswegs behauptet werden, dass dies langfristig das ideale System einer Bepreisung des Straßenverkehrs ist. Es entspricht aber den Vorgaben im Koalitionsvertrag besser als das Konzept des Ministers.

Fracking: Viel Lärm um wenig Potenzial

Von Jörg Cortekar, Markus Groth

Nachdem über die Fracking-Technologie seit geraumer Zeit eine heftige politische und gesellschaftliche Debatte tobt, haben Bundesumweltministerium und Bundeswirtschaftsministerium am 4. Juli 2014 sechs gemeinsame Eckpunkte für den zukünftigen Umgang mit Fracking, also der unkonventionellen Erdgasgewinnung, bekanntgegeben. In ihrem Eckpunktepapier schlagen die beiden Ministerien nun einen Weg ein, der Kritikern und Befürwortern gleichermaßen gerecht werden soll, mit dem also die Schwellen für den Einsatz bzw. die Erprobung einerseits sehr hoch gelegt werden, andererseits der Einsatz der Technologie in Deutschland aber auch nicht völlig verworfen wird. Doch welche Potenziale und Gefahren sind mit Fracking verbunden?

Befürworter der Technologie betonen insbesondere die energiewirtschaftlichen Chancen. So habe die Schiefergasförderung in den USA zu einem Verfall der Energiepreise geführt, die Klimabilanz verbessert und zu einer geringeren Abhängigkeit von Energieimporten geführt – alles Ziele, die auch im Zuge der Energiewende in Deutschland genannt werden. Doch Kritiker weisen auf noch ungeklärte oder möglicherweise nicht beherrschbare Umweltrisiken hin, insbesondere die Freisetzung gefährlicher chemischer Substanzen. Zudem werden die Mengenpotenziale für Deutschland aufgrund der weniger gut geeigneten geologischen Strukturen und bestehender Flächenkonkurrenzen, z.B. mit dem Grundwasser- und Naturschutz, als eher gering eingeschätzt. Zwar klingt es verlockend, wenn auch in Deutschland durch Fracking preisgünstiges Gas gefördert werden könnte und die noch klimaschädlichere Kohle dadurch zu ersetzen wäre. Doch vor dem Glauben, dass man die Erfahrungen aus den USA einfach nach Deutschland übertragen könne, sei dringend gewarnt. Die auf vielfältige Weise unterschiedlichen Rahmenbedingungen sprechen dagegen.

Zudem stellt sich auch politisch die Frage, was diese ganz im Schatten der Fußballweltmeisterschaft verkündeten Eckpunkte eigentlich bewirken sollen. Einerseits wird die Strenge der Regelungen betont und hervorgehoben, dass es Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas zu wirtschaftlichen Zwecken auf absehbare Zeit in Deutschland nicht geben wird. Dies ist also ein klares Nein zum Fracking. Gleichsam soll es aber andererseits auch nicht „für alle Ewigkeit“ ausgeschlossen werden. Vielmehr soll erst einmal kontrollierten und sorgfältigen Untersuchungen möglicher Auswirkungen der Weg geebnet werden. Den Weg für ein „Fracking-Ermöglichungs-Gesetz“, wie einige Kritiker ihn erkennen wollen, ebnen diese Eckpunkte aber auch nicht. Einige Anforderungen des Eckpunktepapiers erscheinen in der Praxis zudem als wenig realistisch, so z.B. die zwingend geforderte Offenlegung sämtlicher beim Fracking eingesetzter Stoffe – also auch der bislang streng gehüteten Chemikalienmischung.

Es ist insgesamt verwunderlich, warum diese Technologie bei durchaus vorhandenen Risiken und gleichzeitig geringem wirtschaftlichen und energiepolitischen Potenzial – schließlich sind die Ausbaupfade für regenerative Energien bekannt – so kontrovers diskutiert wird. Vieles spricht dafür, die bereits bestehenden Ziele von Energiewende und Klimapolitik konsequent und mit verlässlichen Rahmenbedingungen zu verfolgen. Ihre Einhaltung kann ohnehin nur durch sehr hohe Anteile erneuerbarer Energien und eine deutlich verbesserte Energieeffizienz erreicht werden. Damit dürfte letztlich insgesamt mehr für eine langfristig bezahlbare, unabhängige und sichere Energieversorgung erreicht werden.

Erbschaftsteuer: Firmenprivilegien reduzieren

Von Stefan Bach

Im Herbst 2014 wird das Bundesverfassungsgericht wohl die weitreichenden Vergünstigungen für Unternehmensübergaben bei der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklären. Das erwarten jedenfalls die meisten Beobachter des laufenden Verfahrens in Karlsruhe. Gegenwärtig können Unternehmensbeteiligungen in unbegrenzter Höhe steuerfrei übertragen werden, wenn die Nachfolger die Firma sieben Jahre lang weiter führen und die Beschäftigten so lange halten. Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass von 2009 bis 2012 Deutschlands Unternehmerfamilien 19 Mrd. Euro Erbschaftsteuer gespart haben. 2013 und 2014 kommen vermutlich noch einmal ähnliche Steuerausfälle hinzu. Das Erbschaftsteueraufkommen, das sich zwischen 4 Mrd. und 5 Mrd. Euro im Jahr bewegt, hätte also in den letzten Jahren mehr als doppelt so hoch ausfallen können.

Statt hohe Vermögen progressiv zu belasten, wird die Erbschaftsteuer durch die Firmenprivilegien „regressiv“. Erbschaften und vor allem Schenkungen ab zweistelligen Millionenbeträgen sind weitgehend steuerfrei, da sie als Betriebsvermögen fast immer verschont werden. Immobilien und Finanzvermögen der „normalen“ Wohlhabenden werden dagegen schnell mit Steuersätzen von 11% bzw. 15% belastet, wenn sie beim Empfänger die persönlichen Freibeträge übersteigen. Bei entfernteren Verwandten oder Freunden gibt es nur geringe Freibeträge und Steuersätze von bis zu 50%. Das stellt die Belastungskonzeption der Erbschaftsteuer auf den Kopf und ist angesichts der zunehmenden Konzentration von Einkommen und Vermögen bei den Reichen und Superreichen eine bemerkenswerte Entwicklung, siehe die Diskussion um die Studie von Thomas Piketty.

Es gibt natürlich gute Gründe, in Unternehmen oder Immobilien gebundenes Vermögen bei der Erbschaftsteuer anders zu behandeln als liquides Finanzvermögen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen kann die Fortführung durch Familienmitglieder gefährdet sein, wenn nicht genug liquides Vermögen vorhanden ist, denn die Verschuldungsmöglichkeiten sind zumeist begrenzt und man kann oder will nicht einfach fremde Gesellschafter in die Firma hineinnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu Vergünstigungen erlaubt, wenn ausreichende Gemeinwohlgründe vorliegen, etwa die Sicherung von Arbeitsplätzen.

Offensichtlich können größere mittelständische Unternehmen auch von fremden Erwerbern fortgeführt werden. Familienmitglieder sind nicht unbedingt die erfolgreicheren Unternehmer. Zugleich sollte man die familiengebundene Fortführung der mittelständischen Unternehmen auch nicht unnötig behindern. Übernahmen durch Finanz­investoren sind zwar zumeist besser als ihr Ruf, aber auch nicht immer gut. Die Mittelständler sind ein tragendes Element der deutschen Wirtschaftsstruktur, das sich gerade in Zeiten der Finanzkrise bewährt hat. Deshalb sind pragmatische Kompromisse gefragt, die bei einem Neuregelungsauftrag durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden sollten.

Steuerbedingte Liquiditäts- und Finanzierungprobleme können zielgenauer durch erweiterte Stundungsregelungen gemildert werden. Die Steuerbelastung auf Betriebsvermögen könnte über lange Zeiträume verrentet werden, damit die Firmenerben sie aus dem laufenden Ertrag abzahlen können. Ferner könnte man die Steuerforderung gegenüber anderen Verbindlichkeiten nachrangig machen oder auch an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens knüpfen. Damit würde der Fiskus zu einer Art stiller Teilhaber der Unternehmen, bis die Steuerschuld abgetragen ist.

Hochschulkarriere: Mangel an Professuren

Von Birger Hendriks

Der Wissenschaftsrat hat jüngst eine ebenso wichtige wie verdienstvolle Empfehlung verabschiedet: „Zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten“. Im Kern geht es ihm um eine Reform am akademischen Mittelbau. Die Zahl der Professuren an Universitäten ist seit 1995 fast gleich geblieben, die der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter aber um über 50% angestiegen. Die Chance, dass wissenschaftliche Mitarbeiter Professuren oder unbefristete Beschäftigungsverhältnisse erreichen, liegt bei 4% pro Doktorandenkohorte. Einen Lösungsweg sieht der Wissenschaftsrat in der konsequenten bundesweiten Erweiterung von Tenure-Track-Professuren und damit einhergehend in einer Ausweitung der Professorenstellen um insgesamt 7500 bis zum Jahr 2025.

Der Rat macht zu recht deutlich, dass der Wissenschaft in Deutschland viele junge Wissenschaftler verloren gehen, wenn hier nicht in mehreren Richtungen reformiert wird: Es fehlt vielfach an einer transparenten Personalplanung, ebenso an Konzepten und Qualitätsstandards für die Entwicklung des wissenschaftlichen Personals einschließlich transparenter Verfahren für die Personalgewinnung. Verträge für Promovierende und Postdocs werden häufig auf weniger als ein Jahr befristet, was die individuelle Planung und Qualifikation erschwert. Es mangelt an Durchlässigkeit und Mobilität im Verhältnis zwischen Hochschule einerseits und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Wirtschaft und Verwaltung andererseits.

Folgerungen des Wissenschaftsrats: Diese Defizite müssen strukturell aufgearbeitet werden. Mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter im akademischen Bereich und im Management einer Universität sind nötig. 20% aller Professuren sollten als Tenure Track besetzt werden. Eine Erhöhung der Professuren im Bereich der Universitäten um 7500 würde bei einer heutigen Gesamtzahl von ca. 26 000 noch über diese 20% hinausgehen. Eine solche Erweiterung würde aber nicht nur eine Verbesserung der Karrierechancen für die wissenschaftlichen Mitarbeiter, sondern auch günstigere Betreuungsverhältnisse als bisher ermöglichen. Die Reform der akademischen Personalstruktur mit den aufgezeigten Elementen rührt an Kulturen, Rechten und Privilegien. Die Professoren könnten sich bei veränderter Aufgabenteilung innerhalb des gesamten akademischen Personals aber künftig stärker auf die Kernaufgaben Forschung und Lehre konzentrieren. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter würden die Chance zu mehr und zeitlich früherer Selbständigkeit – z.B. auch mit eigenen Budgets – erhalten. Sie wären dann in vielen Fällen nicht mehr der einer einzelnen Professur sondern der nächsthöheren Ebene (Fakultät, Institut) zugeordnet.

Nach allem: Die vom Wissenschaftsrat empfohlene Reform, in einigen Aspekten auch von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) diskutiert, ist dringlich und sachgerecht. Angesichts der derzeit geringen Karrierechancen für den akademischen Mittelbau bietet der bisher wenig praktizierte Weg des Tenure Track gute Anreize und relativ schnelle Entwicklungschancen. Aber: Solche Professuren zusätzlich zu schaffen, macht im Wesentlichen nur im Kontext einer entsprechenden aufgabenorientierten Personalstruktur-Reform Sinn. Und etwa um die gleiche Größe – als Teilmenge der bereits vorhandenen Stellen – müsste die Zahl der unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse steigen. Die Reform ist im Kern Aufgabe der Universitäten. Um die Finanzierung der zusätzlichen Professuren wie um die Rahmenbedingungen für eine Reform – etwa zur Mobilitätsverbesserung – müssen sich Bund und Länder kümmern.


DOI: 10.1007/s10273-014-1711-9

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