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Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist chronisch unterfinanziert. Das belegen die Berichte zahlreicher Kommissionen zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. Notwendige Maßnahmen zur Erhaltung, die durch das ständig wachsende Verkehrsaufkommen dringend erforderlich sind, werden nur in unzureichendem Maße getätigt. Die Autoren des Zeitgesprächs analysieren die Defizite bei der Verkehrsinfrastruktur und wägen unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten wie Maut- und Fondslösungen gegeneinander ab.

Defizite bei der Verkehrsinfrastruktur?

Die Probleme der Verkehrsinfrastruktur sind nicht mehr nur ein Diskussionsthema der Verkehrsplaner, Verkehrspolitiker und Verkehrsunternehmer. Die Debatte über den zunehmend verschlechterten Erhaltungszustand der deutschen Verkehrsnetze erreichte vor einigen Monaten die Nachrichtenmagazine und selbst Günther Jauchs Talk­runde.

Nach den Erkenntnissen der Kommission „Zukunft der Ver­kehrsinfrastrukturfinanzierung“ erfordert die Substanz­erhaltung der bestehenden Infrastruktur einen jährlichen Mehraufwand von 7,2 Mrd. Euro, von dem allein 5,3 Mrd. Euro auf das Straßennetz entfallen.1 Da die tatsächlichen Ausgaben erheblich hinter diesem Sollbetrag zurückbleiben, zieht der verkehrspolitische Status quo einen erheblichen Substanzverfall nach sich. Berichte über zeitweise Sperrungen von Autobahnabschnitten für schwere Lkw – wie auf der A 1 bei Leverkusen – zeigen, dass die Funktionsfähigkeit der Infrastruktur schon jetzt gefährdet ist.

Wachstum des Lkw-Verkehrs

Sind die beginnenden Funktionseinschränkungen des Straßennetzes durch eine kontinuierliche Unterfinanzierung des Substanzerhalts zu erklären? Es sind vor allem die am stärksten befahrenen Autobahnabschnitte betroffen, die vor 40 Jahren während des historisch einmaligen Autobahn-Baubooms der späten 1960er und 1970er Jahre eröffnet wurden. Der gegenwärtige Bedarf an aufwändigen Generalüberholungen dürfte die Straßenbauingenieure nicht überrascht haben. Der Instandhaltungsaufwand für stark belastete Straßen entwickelt sich nicht linear, sondern zyklisch. Das Problem des kumulierten Instandhaltungsrückstandes hätte die Verkehrsministerien der Länder und des Bundes aber nicht überraschen müssen, da die Folgen des hohen Wachstums im Lkw-Verkehr bekannt waren. Man kann den Verkehrsplanern der 1970er Jahre nicht vorwerfen, sie hätten die Brücken und den Straßenoberbau nicht an die heutigen Belastungen angepasst. Selbst die optimistischen Wachstumsprognosen der Verkehrsplaner aus der Zeit vor der Ersten Ölpreiskrise (1973/1974) blieben hinter dem tatsächlichen Wachstum des Lkw-Verkehrs in den beiden letzten Jahrzehnten zurück. Der starke Anstieg des Lkw-Verkehrs seit 1990 resultierte vor allem, aber nicht allein aus der Wiedervereinigung und der marktwirtschaftlichen Transformation in Ostmitteleuropa. In den 1970er Jahren hielten selbst Optimisten einen Zerfall des sowjetischen Machtbereichs und eine Vervielfachung des West-Ost-Verkehrs für unmöglich. Auch der Prozess der europäischen Binnenmarktintegration, der 1986 mit der Einheitlichen Europäischen Akte begann und 1992 abgeschlossen wurde, lag in den 1970er Jahren noch außerhalb des politischen Planungshorizonts. Die Abschaffung der Kabotageverbote, das Ende der Lizenzkontingentierung im internationalen Verkehr und die vollständige Liberalisierung der Angebotspolitik im Inlandsverkehr induzierten einen Wachstumsschub, der die verkehrspolitischen Akteure im wahrsten Sinne des Wortes überrollte. Die stark gestiegenen Belastungen durch den Lkw-Verkehr haben den kumulierten Instandhaltungsrückstand wesentlich verstärkt.

Seit den späten 1950er Jahren ist es gesichertes Wissen der Straßenbauingenieure, dass der Straßenverschleiß fast mit der vierten Potenz der Achslast steigt. Ein Lkw mit einer zulässigen Achslast von 9 t pro Einzelachse (bzw. 18 t pro Doppelachse) belastet die Straße 5000 mal stärker als ein Pkw, dessen Achse mit 0,9 t belastet ist.2 Die bisherige Praxis, vor allem der belastungsunabhängigen Fahrzeugbesteuerung, trägt dieser Tatsache nicht Rechnung. Ein schwerer Lkw verbraucht mit ca. 30 l auf 100 km zwar vier mal soviel Treibstoff wie ein durchschnittlicher Pkw, wird aber steuerlich nicht proportional zum Treibstoffverbrauch belastet. Der geringere Mineralölsteuersatz für Diesel (47 Cent/l) gegenüber Benzin (65 Cent/l) ist eine verdeckte steuerliche Subventionierung des Lkw-Verkehrs. Die hohe Spreizung zwischen der Benzinbesteuerung und der Lkw-Besteuerung entwickelte sich unmittelbar nach der Wiedervereinigung und der Vollendung des europäischen Binnenmarktes. Betrug die steuerliche Differenz 1988 nur drei Pfennige pro Liter, wurde sie bis 1994 aus wettbewerbspolitischen Gründen bis auf das heutige Niveau von 36 Pfennigen (18,4 Cent) erhöht. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz von Lkw-Spediteuren aus Staaten mit einem niedrigeren Steuerniveau für Diesel und für Lkw traf die Bundesregierung die wettbewerbspolitisch vertretbare, aber infrastrukturpolitisch fatale Entscheidung, den Lkw-Verkehr steuerlich zu schonen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die höheren spezifischen CO2-Emissionen von Dieselfahrzeugen pro verbrauchtem Liter Kraftstoff bereits der Fachöffentlichkeit bekannt waren.3

Finanzierung

Die Einführung der Lkw-Maut für Fahrzeuge ab 12 t zulässigem Gesamtgewicht verschaffte der Straßenfinanzierung eine neue Einnahmequelle, funktioniert aber als Lenkungselement für die Anlastung von Infrastrukturkosten nur eingeschränkt. Schwere Lkw mit vier Achsen zahlen je nach Schadstoffklasse nur ein bis zwei Cent pro km mehr als zwei- und dreiachsige Fahrzeuge und werden nicht angemessen nach ihrem Straßenverschleiß besteuert. Während sich die Lkw-Maut durch ihre breite Spreizung zwischen der besten und der schlechtesten Schadstoffklasse als ein wirksames emissionspolitisches Instrument erweist, wirkt sie als Instrument zur Anlastung der Wegekosten zu unspezifisch. Auch die Höhe des Road Pricing ist aus heutiger Sicht diskussionswürdig. Mit einer durchschnittlichen Mautabgabe von 16,4 Cent pro Kilometer besteht im Vergleich mit anderen europäischen Staaten wie der Schweiz (ca. 90 Cent/km für einen 40-Tonner) und Österreich (43 Cent/km für einen Vierachser in den Schadstoffklassen 4 und 5) ein erheblicher Erhöhungsspielraum nach oben. Schon eine Verdoppelung der Mauteinnahmen durch eine gewichtsabhängige Staffelung nach Schweizer Vorbild von bislang 4,6 Mrd. Euro auf 9,2 Mrd. Euro würde die Etatlücke des Bundes bei der Erhaltung seiner Fernstraßen schließen können. Alternativ wäre auch eine Ausweitung der Mautpflicht – bei den bisherigen Tarifsätzen – auf alle Bundesstraßen möglich, die nach einer Schätzung der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ 2,3 Mrd. Euro pro Jahr einbringen würde. Da ca. 75% der Lkw-Mauteinnahmen ohne eine förmliche Zweckbindung in den Fernstraßenbau investiert werden, könnten die Mehreinnahmen zweckgerecht zur Schließung der Wegekostenlücke verwendet werden.4

Eine höhere Inanspruchnahme der allgemeinen Haushaltsmittel des Bundes und der Länder ist angesichts des politischen Paradigmenwechsels zu höheren Zukunftsinvestitionen in die Schul-, Hochschul- und Berufsbildung und in eine präventive Sozialpolitik (frühkindliche Bildung und bessere Vereinbarkeit von Kindererziehung und Berufstätigkeit) nicht realistisch. Die langfristige volkswirtschaftliche Rentabilität von Bildungsinvestitionen ist deutlich höher als die volkswirtschaftliche Nutzen-Kosten-Relation von Verkehrsinvestitionen, sofern eine defizitäre Verkehrsinfrastruktur noch keine Bottleneck-Effekte durch Kapazitätslücken verursacht. Eine gesetzliche Zweckbindung der Mineralölsteuer ist wegen des Lenkungscharakters dieser Steuern nicht denkbar. Während die Mineralölsteuer ursprünglich dem Bau und dem Erhalt des Straßennetzes diente, erhielt sie durch die Steuerreform des letzten Jahrzehnts den Charakter einer ökologischen Lenkungssteuer. Die Differenz zwischen den Mineralölsteuereinnahmen und den Aufwendungen für das Straßennetz ist durch die Internalisierung der hohen externen Kosten des Straßenverkehrs wohlfahrtsökonomisch legitimiert.

Public Private Partnerships für die Erhaltung und den Ausbau des Straßennetzes ermöglichen höhere Infrastrukturaufwendungen ohne eine größere Beanspruchung des Etats. Gegen die Überlassung der Maut­einnahmen übernehmen Unternehmenskonsortien den Ausbau und die Unterhaltung von Autobahnabschnitten. Über diesen Weg gelang es dem Bund bereits, dringend erforderliche Ausbaumaßnahmen im Autobahnnetz bedarfsgerecht vorzuziehen. Doch dieses Verfahren ist mit nicht unerheblichen Risiken für den Auftraggeber verbunden. Public Private Partnerships funktionieren nur bei Autobahnabschnitten mit starkem Lkw-Verkehr. Auf der anderen Seite können erhebliche Mauterhöhungen zu unangemessenen Mehreinnahmen der Unternehmenskonsortien führen, die dem Bund fehlen werden. Die präzise vertragliche Regelung der bedarfsgerechten Unterhaltung verursacht hohe juristische Transaktionskosten, die sich bei einer möglichen Insolvenz des Vertragspartners noch erhöhen.

Eine Erhöhung der Dieselbesteuerung und der Lkw-Maut würde die Sanierung der Bundesfernstraßen ermöglichen, aber ginge an den spezifischen Problemlagen der Kommunen vorbei. Beschädigte Straßendecken und eine zunehmende Zahl von Schlaglöchern spiegeln die strukturelle Finanzkrise der Städte sinnfällig wider. Wegen ihrer Abhängigkeit von der an Unternehmenserträge gekoppelten Gewerbesteuer leiden die Kommunen viel stärker als der Bund und die Länder an zyklischen Konjunkturschwankungen. Viele kreisfreie Städte müssen sich jedes Jahr mit neuen Kassenkrediten verschulden, um die kommunalen Pflichtaufgaben im sozialen Sektor zu finanzieren. Die Kommunen tragen die Baulast für einen erheblichen Teil des Straßennetzes, ohne direkt an den Steuereinnahmen und Verkehrsabgaben des Bundes (Mineralölsteuer, Lkw-Maut) und der Länder (Kfz-Steuer) zu partizipieren. Der Instandhaltungsrückstand der kommunalen Straßeninfrastruktur von jährlich 2,75 Mrd. Euro lässt sich langfristig nur durch eine höhere Beteiligung an der weniger konjunkturabhängigen Einkommensteuer und eine veranlassungsgerechte Anlastung von Sozialausgaben an die Auftraggeber im Bund und in den Ländern (Konnexitätsprinzip) lösen.

Angesichts des erheblichen Überhangs von noch nicht begonnenen Fernstraßen- und Schienenprojekten im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist auch der Neubaubedarf der Verkehrsinfrastrukturen unterfinanziert. Eine isolierte Kritik am Überhang der noch nicht realisierten und längerfristig realisierbaren Infrastrukturprojekte lässt jedoch die Frage nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen und der verkehrspolitischen Notwendigkeit der Einzelprojekte außer Betracht. Nicht wenige Straßenverkehrsprojekte mit geringer überregionaler Bedeutung wie die Autobahn A 14 (Magdeburg-Schwerin) wurden in den 1990er Jahren auf der Grundlage von Bevölkerungsprognosen geplant, die wegen der langfristigen demografischen Entwicklung und der noch immer bestehenden Abwanderung nach unten revidiert werden mussten. Auch die volkswirtschaftlichen Nutzeneffekte durch verringerte Fahrtzeiten und die beschleunigte Erreichbarkeit zentraler Orte müssten wegen des bereits erfolgten Ausbaus des Bundesstraßen neu berechnet werden. Die Planung zweier paralleler Nord-Süd-Autobahnen wie der A 39 (Wolfsburg-Lüneburg) und der A 14 in einem dünn besiedeten Raum mit einem geringen Verkehrspotenzial und einem Abstand von nur 50 Kilometern fordert kritische Fragen nach der Bedarfsgerechtigkeit (aus regionaler Perspektive) und der Gefahr von kostspieligen infrastrukturellen Überkapazitäten und Fehlallokationen von Investitionen (aus überregionaler Perspektive) heraus.5

Strukturelles Problem der politischen Planung

Es gibt mehrere Gründe, die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur nicht nur als Budgetproblem, sondern auch als ein strukturelles Problem der politischen Planung zu sehen. Das strukturelle Problem der überregionalen Verkehrsplanung besteht in der Tatsache, dass die Aufnahme der Projekte in den Bundesverkehrswegeplan und die Reihenfolge ihrer Realisierung nicht von kardinal messbaren Nutzen-Kosten-Effekten, sondern von den politischen Aushandlungsprozessen zwischen Bund und Ländern abhängig ist. Der durchaus plausible gemischte Verteilungsschlüssel aus der Bevölkerungszahl und der Fläche der Länder wird dem tatsächlichen Investitionsbedarf nicht gerecht. Überholte politische Priorisierungsentscheidungen tragen im Verein mit spezifischen politischen Machtkonstellationen dazu bei, dass Projekte mit geringeren Nutzen-Kosten-Effekten und schwächerer Kapazitätsauslastung trotz längerfristiger Kapazitätsreserven der vorhandenen Infrastruktur vorgezogen und dringendere Projekte mit höheren positiven Netzeffekten zurückgestellt werden.

Ein Beispiel aus dem Neubau von Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecken zeigt dieses politische Dilemma. So liegt die Wirtschaftlichkeit der weit fortgeschrittenen Neubaustrecke (Nürnberg-)Ebensfeld-Erfurt mit einer Zugfrequenz von nur einem Zug pro Stunde und Richtung signifikant unter den geplanten, aber in absehbarer Zeit nicht realisierbaren Neubaustrecken Frankfurt-Mannheim und Hannover-Hamburg/Bremen. Der Bundesverkehrsminister setzte seine Prioritäten zusammen mit mehreren Landesverkehrsministern gegen die Interessen der Deutschen Bahn durch, die ein geringeres Wachstumspotenzial realisiert, weiterhin Kapazitätsengpässe im Bestandsnetz bewältigen muss und einen niedrigeren Nettonutzen (zusätzliche Trasseneinnahmen minus Abschreibungen plus der Differenz der Betriebskosten) generiert.

Ein strikter angewandtes volkswirtschaftliches Effizienzkriterium und eine kritische Überprüfung aller Neubauprojekte würde den Überhang von eindeutig realisierungswürdigen Projekten nicht auflösen, aber signifikant abbauen können. Neben der materiellen Neubewertung vieler Projekte ist eine Reform des institutionalisierten Entscheidungsprozesses dringend erforderlich, um die Effizienz der Verkehrsinfrastrukturpolitik zu steigern. Auch im Luftverkehr und im Binnenschiffverkehr gab und gibt es erhebliche Fehlleitungen von Bundes- und Landesmitteln. Noch immer werden Flüsse wie die Saale, bei denen der volkswirtschaftliche Nutzen in Gestalt niedrigerer Transportkosten in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen steht, für den Binnenschiffverkehr ausgebaut. Verschiedene Länder haben mit dem Ausbau von Regionalflughäfen Überkapazitäten geschaffen, die zu erheblichen Senkungen der Start- und Landegebühren führten und sich in dauerhaften Betriebsdefiziten der Flughafengesellschaften niederschlugen.

In der gegenwärtigen Diskussion wird gelegentlich Kritik geäußert, dass die Deutsche Bahn durch ihre Netztochter einen zu hohen Überschuss erwirtschaftet, der zur Quersubventionierung der wettbewerbsintensiven Sparten Güterverkehr und Fernverkehr missbraucht würde. Angesichts der hohen Kapitalbindung im Netz erscheint ein jährliches „Earnings before Interest and Taxes“ (EBIT) von 700 Mio. Euro jedoch nicht unangemessen hoch. Die Ausgliederung des Netzes in eine nicht gewinnorientierte bundeseigene Infrastrukturgesellschaft würde den Verdacht der Quersubventionierung zwar entkräften, aber ein neues Koordinationsproblem in der Investitionspolitik schaffen. Bei einer konsequenten Trennung der Netzgesellschaft von den Betriebsgesellschaften des Deutsche-Bahn-Konzerns wäre das Risiko von Fehlinvestitionen größer, da die Investitionsentscheidungen nicht mehr in einer Konzernholding koordiniert werden. Eine im Auftrag der DB AG erstellte Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens Booz Allen Hamilton kam 2006 zu dem Ergebnis, dass die Dysenergieeffekte einer Trennung einen zusätzlichen Kostenaufwand von 500 Mio. Euro verursachen würden.6

Das Problem der Infrastrukturfinanzierung liegt zu größeren Teilen, aber nicht allein auf der Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte. Eine konsequente Orientierung an volkswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Relationen und eine bedarfsgerechte Prioritätenliste sind unabdingbar, um Bottleneck-Effekte in der Verkehrsinfrastruktur zu vermeiden.

  • 1 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Dezember 2012.
  • 2 Vgl. wiki.pavementinteractive.org/index.php?title=ESAL#Generalized_Fourth_Power_Law (16.9.2013).
  • 3 Bundesministerium der Finanzen: Entwicklung der Energie- (vormals Mineralöl-) und Stromsteuersätze in der Bundesrepublik Deutschland, Mai 2009.
  • 4 Bundesfernstraßenmautgesetz in der Fassung vom 19.7.2011, www.asfinag.at/maut/maut-fuer-lkw-und-bus (16.9.2013); Eidgenössische Zollverwaltung, LSVA – kurz erklärt, Januar 2008.
  • 5 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Bundesverkehrswegeplan 2003, Juli 2003.
  • 6 Booz Allen Hamilton: Privatisierungsvarianten der DB AG „mit und ohne Netz“, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), März 2006.

Verkehrsinfrastruktur im Defizit – Defizite der Infrastrukturpolitik

Spätestens seit dem Abschlussbericht der sogenannten Pällmann-Kommission im September 2000 werden nahezu gebetsmühlenartig erhebliche Defizite bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung angemahnt.1 Nachdem bereits in den 1980er Jahren die Lücke zwischen Verkehrsaufkommen und Investitionen in Erhaltung, Ausbau und Neubau der Bundesverkehrswege immer größer wurde, ermittelte die Pällmann-Kommission für den Bundesverkehrswegeplan 1992 bis 2003 eine Unterfinanzierung von 25% (60 Mrd. Euro) und konstatierte eine latente Instandhaltungskrise und beträchtliche Engpässe durch Infrastrukturüberlastungen.

Die dabei von der Kommission artikulierte Vermutung, dass sich die Situation weiter verschärfen werde, wenn es zu keinem „Paradigmenwechsel“ in der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung komme, scheint sich bislang zu bestätigen. So war der aktuelle Bundesverkehrswegeplan 2003 bis 2015 mit einem Volumen von 145 Mrd. Euro gegenüber dem ermittelten Bedarf von 212 Mrd. Euro bereits bei seiner Entstehung zu 30% unterfinanziert. Aber selbst dieser Minderbetrag wird trotz der beiden Konjunkturpakete 2009/2010 für die Verkehrsinfrastruktur in Höhe von 4 Mrd. Euro bis 2015 nicht erreicht werden.

In ihrem Bericht vom Dezember 2012 kommt denn auch die Daehre-Kommission zu dem Ergebnis, dass bis 2020 durch jahrzehntelange Unterfinanzierung allein für die Erhaltung der Bundesverkehrswege ein Nachholbedarf von jährlich etwa 3 Mrd. Euro aufgelaufen sein wird, davon 1,5 Mrd. Euro für die Straßen, 1,2 Mrd. Euro für die Schienenwege und 0,5 Mrd. Euro für die Bundeswasserstraßen. Werden auch die Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen sowie die Schienenwege der nicht-bundeseigenen Eisenbahnen berücksichtigt, summiert sich der Betrag für den Erhalt und Betrieb der Bestandsnetze auf 7,2 Mrd. Euro p.a.; Ausbau- und Neubaumaßnahmen sind darin nicht enthalten.2 Hier wird der über die vorgesehenen Maßnahmen hinaus bestehende Bedarf allein für die Bundesfernstraßen und das Schienennetz auf noch einmal rund 2 Mrd. Euro pro Jahr veranschlagt, wobei unsicher ist, ob die vorgesehenen Maßnahmen überhaupt realisiert werden.

Wachstums- und Wohlfahrtseffekte der Verkehrsinfrastruktur

Nun lässt sich feststellen, dass Deutschland im internationalen Vergleich über ein umfangreiches und dichtes Netz vor allem an Straßen und Schienenwegen verfügt. Nach neueren Studien zur „Accessibility“, d.h. zur Möglichkeit wachstumsfördernder räumlicher Interaktion für Personen und Güter durch die Verkehrsinfrastruktur, nahm inbesondere der Westen Deutschlands im Jahr 2006 sogar Spitzenpositionen in Europa ein.3 Dies ändert aber nichts daran, dass die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur durch Zustandsverschlechterungen und Überlastungen der Bestandsnetze immer stärker beeinträchtigt wird.

Die Folge sind steigende Kosten der Raumüberwindung, weil sich die Zeit-, Betriebs- und Unsicherheitskosten von Transporten erhöhen. Da sich damit der Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten verschlechtert, nehmen die Interaktionswiderstände zu, was zu sinkender Produktivität, geringerem Wettbewerbsdruck, sinkenden Skalenvorteilen und geringerer technologischer Innovation und Diffusion führt.4 Wachstum und Wohlfahrt sinken.

Im Wesentlichen werden diese Zusammenhänge von empirischen Studien sowie Nutzen-Kosten-Analysen – auch für Deutschland mit seiner international herausragenden Position – weltweit bestätigt.5 Besonders ausgeprägt sind die Wachstums- und Wohlfahrtseffekte der überörtlichen Straßeninfrastruktur. Generell sind solche Effekte allerdings nur zu beobachten, wenn auch ein entsprechender Bedarf besteht. Zudem gilt für die Verkehrsinfrastruktur das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs, wonach mit steigendem Umfang und steigender Qualität der Infrastruktur der Grenzertrag jeder zusätzlichen Investition sinkt. Das bedeutet, dass Neubaumaßnahmen nur noch relativ geringe „gesellschaftliche Renditen“ abwerfen, die Einbußen durch unterlassene Investitionen in die Erhaltung und die Beseitigung von Engpässen jedoch ungleich größer sind.

Infrastrukturpolitik in der Rationalitätenfalle

Vor diesem Hintergrund sind die Klagen über wachsende Erhaltungsdefizite und Infrastrukturüberlastungen durchaus berechtigt. Das wird auch von großen Teilen der Politik so gesehen, die für den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 den Vorrang von Erhaltung und Engpassbeseitigung fordert und die öffentliche Infrastruktur generell zum Thema im Bundestagswahlkampf gemacht hat.

Nun sind Bekenntnisse der Politik zur Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur und Notwendigkeit ihrer angemessenen Finanzierung nichts Neues. Übersehen wird dabei jedoch gemeinhin, dass es gerade das von der Politik bislang präferierte Finanzierungssystem ist, das zu erheblichen Ineffizienzen in Form ungenügender Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen und der Fehllenkung von Mitteln führt.

Bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur wird nämlich in Deutschland nahezu vollständig auf kostendeckende Preise für die Nutzung verzichtet. Finanziert wird vielmehr aus den allgemeinen Haushalten, die sich aus Steuern, Abgaben und öffentlicher Verschuldung speisen. Bei Straßen sind mit Ausnahme einer die Wegekosten deckenden Autobahnmaut für schwere LKW ab 12 t überhaupt keine Gebühren zu entrichten, für die Wasserstraßen nur äußerst geringe Abgaben. Aber auch das Schienennetz und die Infrastruktur des ÖPNV erhalten neben Nutzerentgelten, wie Trassen- und Stationspreisen, Fahrgeldeinnahmen sowie Ausgleichszahlungen, öffentliche Subventionen und Haushaltsmittel in erheblichem Umfang.

Da die Haushaltsmittel für die Verkehrsinfrastruktur im Rahmen der jährlichen Haushaltsgesetze beschlossen werden, sind Verkehrsinfrastrukturinvestitionen abhängig von der jeweils aktuellen Haushaltslage und jedes Jahr Gegenstand von Haushaltsdebatten. Das bedeutet nicht nur Diskontinuität, sondern bei den jährlichen Haushaltsentscheidungen konkurriert der Verkehrsetat mit anderen Ausgabenposten und wird offensichtlich als Schwankungsreserve genutzt. Denn die Eigenschaften von Infrastrukturgütern treffen auf eine politische Rationalität, die im Zweifelsfalle gegen Investitionen im Allgemeinen und Erhaltungsmaßnahmen im Besonderen spricht. Die meisten Wähler besitzen nämlich eine ausgeprägte Präferenz für Gegenwartskonsum. D.h. sie bewerten ihre gegenwärtigen Bedürfnisse und die mit deren Befriedigung verbundenen Nutzen und Kosten höher als ihre zukünftigen Bedürfnisse. Diese Vorliebe für die Gegenwart, die sich in einer positiven Zeitpräferenzrate ausdrückt, mit dem die Bürger in der Gegenwart die Nutzen und Kosten aller aktuellen zukünftigen Maßnahmen implizit diskontieren, gilt auch für die Bewertung von öffentlichen Maßnahmen.6

Infrastrukturinvestitionen entsprechen dieser Gegenwartsvorliebe gerade nicht, denn in der Gegenwart fallen erst einmal nur hohe Kosten für Erhaltung, Ausbau oder Neubau an, während die Nutzen erst in der Zukunft entstehen, unsicher sind und sich dann noch über viele Jahre verteilen. Öffentliche Investitionen werden daher im Allgemeinen von den Wählern weniger honoriert als öffentliche Konsumausgaben, was stimmenmaximierende Politiker dazu veranlasst, sich im Zweifel kurzfristig gegen investive Maßnahmen zu entscheiden – auch wenn sie meinen, dass die Gesellschaft davon langfristig profitiert. Das gebietet die politische Rationalität, und zwar umso mehr, je älter die Wähler sind. Wenn dann gleichwohl Investitionen durchgeführt werden, präferieren die Wähler wiederum Neubauprojekte mit hohem Aufmerksamkeitsgrad. Hier sind die Resultate deutlich sichtbar, während sich Erhaltungs- und Ausbesserungsmaßnahmen eher dadurch auszeichnen, dass sie zu spürbaren Behinderungen des Verkehrsflusses führen.

Bei einem Teil dieser Neubauprojekte kommt es dann noch zu Fehlallokation. Nicht selten erhalten Projekte mit geringen Nutzen-Kosten-Relationen, mit denen man mangels Knappheitspreisen die Projektbewertung vornimmt, aus politischem Kalkül den Vorrang vor höher bewerteten Maßnahmen. Grund sind konfliktvermeidende Absprachen zwischen den Gebietskörperschaften und die Sicherung von Wählerstimmen. Das gilt vor allem dann, wenn diejenigen, die von solchen Infrastrukturprojekten profitieren, nicht für die Kosten aufkommen müssen, wie das etwa bei den Bundesverkehrswegen der Fall ist. Auch für diese Form von Ineffizienz ist der Verzicht auf eine direkte Nutzerfinanzierung die Ursache. Die Nutzer und ihre politischen Vertreter haben den Eindruck, dass sie die Infrastruktureinrichtung „zum Nulltarif“ erhalten und handeln als Trittbrettfahrer.

Auf fehlenden Knappheitspreisen beruhen schließlich auch Ineffizienzen bei der Auslastung der Bestandsnetze. Bei Überlastungen wird nämlich den Nutzern der Engpassfaktor Infrastrukturkapazität nach dem sozialistischen Prinzip der Mengenrationierung zugeteilt. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, bilden sich Warteschlagen, die ohne Kapazitätsausweitung zum Dauerzustand werden. Die damit verbundenen Kosten durch Zeitverluste, höhere Betriebskosten und Umweltbelastungen gehen jährlich in die Milliarden. Sie ließen sich durch auslastungsdifferenzierte Preise für die Nutzung ebenso vermeiden, wie Ausbaumaßnahmen, die zusätzliche Verkehre in einem Umfang induzieren, dass wieder neue Überlastungen entstehen. Bei diesem bereits 1962 von Anthony Downs für die Straßeninfrastruktur postulierten „Fundamentalgesetz von Straßenstaus“7 suggeriert der Verzicht auf Gebühren den Infrastrukturnutzern offensichtlich, dass der Ausbau zum Nulltarif zur Verfügung steht, es also individuell rational ist, möglichst viel davon in Anspruch zu nehmen.

Nutzerfinanzierung und Fondslösung

Um zu verhindern, dass die Funktionsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur durch unzureichende Investitionen und Fehlallokation der vorhandenen Mittel nachhaltig beeinträchtigt wird, ist eine Neuordnung der Infrastrukturfinanzierung erforderlich. Eine Lösung dafür bieten Nutzergebühren und autonome Infrastrukturfonds, wie sie in anderen Ländern vor allem für Fernstraßen schon praktiziert und in Deutschland seit der Pällmann-Kommission immer wieder vorgeschlagen werden.8

Bei nutzungsabhängiger Ausgestaltung erlauben Gebühren eine verursachergerechte Anlastung der Bereitstellungskosten, d.h. der Abschreibungen, Kapitalkosten und Kosten für den laufenden Betrieb. Gleichzeitig liefern sie über das streckenbezogene Mautaufkommen Signale für bedarfsgerechte Investitionen. Um die Fixkosten zu decken, sollten sich die Gebühren an den Durchschnittskosten orientieren. Die Anlastung von externen Kosten sollte durch Steuern erfolgen, um kostentreibende technische Überfrachtungen der Nutzergebühren zu vermeiden. Eine auslastungsabhängige Differenzierung der Gebühren ermöglicht eine effizientere Auslastung der Bestandsnetze und die Vermeidung dauerhafter Kapazitätsüberlastungen.

Zur Vermeidung von Doppelbelastungen der Nutzer ist zumindest für das Bestandsnetz der Straßeninfrastruktur eine Kompensation durch die Mineralöl- oder Kfz-Steuer angebracht – es sei denn der Staat will nachdrücklich dokumentieren, dass er die hohe Zahlungsbereitschaft der Straßennutzer in großem Umfang für andere Zwecke abschöpft. Dort, wo der Staat aus regionalpolitischen Gründen oder aufgrund von positiven externen Effekten Investitionen für erforderlich hält und daher auf kostendeckende Gebühren verzichtet, hat die Finanzierung aus den allgemeinen Haushalten zu erfolgen.

Während der Staat die Letztverantwortung für die Verkehrsinfrastruktur durch Genehmigung, Kontrolle und Beauftragung wahrnimmt, wird die Finanzierungsverantwortung für das Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetz auf autonome öffentliche Infrastrukturfonds übertragen. Sie treffen die Entscheidungen über Neubau-, Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen und organisieren Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung, mit denen – je nach Zweckmäßigkeit – auch Private beauftragt werden können. Die Entscheidungen orientieren sich an Wirtschaftlichkeitskriterien und Nutzen-Kosten-Relationen. Die Finanzierung erfolgt durch Gebühreneinnahmen sowie nach dem Bestellerprinzip aus den Haushalten der Gebietskörperschaften dort, wo gemeinwirtschaftliche Ziele verfolgt werden. Die Höhe der Gebühren wird reguliert, um eine Ausbeutung der Nutzer bei bestehenden Infrastrukturmonopolen zu vermeiden.

Analog zum Vorschlag der Daehre-Kommission, die allerdings keine Autonomie für die Infrastrukturfonds und deren Zuständigkeit nur für Erhaltung und Unterhaltung vorsieht, sind diese Fonds organisatorisch auf Bundes- und Länderebene zu verorten.9 Für die Bundesfernstraßen ist dabei zu überlegen, ob den Vorschlägen der „Föde­ralismuskommission“ gefolgt werden sollte, die Bundesauftragsverwaltung für Autobahnen und sogenannte „gleichgestellte Bundesstraßen“ zurückzuführen und die Bundesstraßen mit regionaler Bedeutung auf die Länderebene zu verlagern.10 Hier wären Länderfonds für die Straßeninfrastruktur zuständig, die sich über Mauteinnahmen und Mittel der Länderhaushalte finanzieren. Über sie können auch Landesmittel für die kommunale Straßeninfrastruktur an die Gemeinden weitergeleitet und durch eigene Haushaltsmittel und Gebühreneinnahmen ergänzt werden. Für die Bundesschienenwege liegt die Entscheidungs- und Finanzierungsverantwortung bei der DB AG, für die regionale Schieneninfrastruktur liegt sie bei den Bundesländern. Die Finanzierung erfolgt vorrangig durch Trassenpreise. Bei Zuschüssen aus den Haushalten der Gebietskörperschaften sind entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Die Regulierung erfolgt weiterhin durch die Bundesnetzagentur. Für die Bundeswasserstraßen wäre ein zur Straßeninfrastruktur vergleichbarer Wasserstraßenfonds zuständig.

Sofern den Verkehrsteilnehmern ihre externen Kosten über spezifische Abgaben angelastet werden, also die vielbeschworene Wettbewerbsgleichheit und Fairness zwischen den Verkehrsträgern besteht, könnten für Straßen, Schienenwege und Wasserstraßen geschlossene Finanzierungskreisläufe bestehen. Querzahlungen vor allem zwischen Straße und Schiene bzw. Wasserstraße wären dann nicht effizient.

Die Einführung nutzerfinanzierter Verkehrsinfrastrukturfonds ist mit erheblichen Kosten verbunden: Systemkosten für die Gebührenerhebung, Wohlfahrtsverluste durch die mögliche Verdrängung und Verlagerung von Verkehren, Organisationskosten für die Änderung von Zuständigkeiten und vor allem Kosten des Widerstands gegen die Neuausrichtung der Infrastrukturpolitik von Seiten jener, die materielle und immaterielle Einbußen erwarten. Das größte Problem besteht wohl darin, dass die Neuausrichtung nur von der Politik durchgesetzt werden kann, die Handlungsspielräume abgeben müsste. Sollte dies jedoch nicht gelingen, dann dürfte sich die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur langfristig weiter verschlechtern.

  • 1 Vgl. Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung: Schlussbericht, Berlin 2000.
  • 2 Vgl. Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Dezember 2012.
  • 3 Vgl. K. Spiekermann, M. Wegner: Update of Selected Potential Accessibility Indicators, Final Report, European Spatial Planning Network, Brüssel 2007.
  • 4 Vgl. unter anderem T. R. Lakshmanan: The broader economic consequences of transport infrastructure investments, in: Journal of Transport Geography, 19. Jg. (2011), H. 1, S. 1-12.
  • 5 Vgl. den Überblick bei K.-H. Hartwig: Drei Fliegen mit einer Klappe? Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur als Konjunkturprogramm, in: ifo Schnelldienst, 62. Jg. (2009), S. 6-9; F. Allroggen: Fördert ein Leistungsfähiges Verkehrssystem die Wirtschaftliche Entwicklung? – Ein Überblick, Diskussionspapier des IVM, Münster 2013.
  • 6 Vgl. S. A. Marglin: The Social Rate of Discount and the Optimal Rate of Investment, in: The Quarterly Journal of Economics, 77. Jg. (1963), S. 95-111.
  • 7 Vgl. A. Downs: The law of peak-hour expressway congestion, in: The Traffic Quarterly, 16. Jg. (1962), H. 3, S. 393-409; sowie aktuell G. Duranton, M. A. Turner: The fundamental law of road congestion: Evidence from US Cities, in: American Economic Review, 101. Jg. (2011), H. 6, S. 2616-2652.
  • 8 Vgl. unter anderem Wissenschaftlicher Beirat für Verkehr beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen: Privatfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur, Gutachten, Berlin 2005; K.-H. Hartwig, T. Huld: Nachhaltige Finanzierung der Straßeninfrastruktur, in: LIST Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 35 (2009), Nr. 2-4, S. 106-124; sowie den Überblick bei T. Beckers, J. P. Klatt, G. Maerschalk: Organisationsmodelle für die Produktion und Finanzierung im Bereich der Bundesautobahnen, Berlin 2009.
  • 9 Vgl. Daehre-Kommission, a.a.O., S. 111.
  • 10 Vgl. Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung: Gutachten zur Neuordnung der Verwaltung im Bundesfernstraßenbau, Berlin 2004.

Fonds für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich die Verkehrsleistungen1 im Personenverkehr um ein Viertel erhöht, im Güterverkehr mehr als verdoppelt und im Straßengüterverkehr sogar fast verdreifacht. Die Bruttoinvestitionen im Verkehr waren dagegen stagnierend, so dass real ein Rückgang von 24% zu verzeichnen war. Die Folgen zeigen sich nun unter anderem durch spektakuläre Ausfälle von Bauwerken, wie z.B. der Rheinbrücke zwischen Köln und Leverkusen entlang der Bundesautobahn A 1. Aufgrund erforderlicher Sanierungsmaßnahmen wurde die Brücke von November 2012 bis März 2013 für den Schwerverkehr ab 3,5 t gesperrt, weitere Sperrungen sind für Ende 2013 angekündigt. Das Desaster um die Leverkusener Brücke hat die Politik in hektische Betriebsamkeit versetzt. Mittlerweile hat die Landesregierung NRW über 150 weitere Brücken untersuchen lassen und festgestellt, dass etwa die Hälfte von ihnen mittelfristig in einen ähnlich desolaten Zustand geraten kann.

Dies ist eigentlich keine Überraschung. Bereits die Pällmann-Kommission2 diagnostizierte eine „Instandhaltungskrise“ bei der deutschen Verkehrsinfrastruktur und schlug einen radikalen „Paradigmenwechsel“ von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung vor, um die Finanzierungsengpässe zu beseitigen. Die Verkehrsinvestitionsberichte der Bundesregierung haben diese Diagnose periodisch bestätigt. So weist der 2008 veröffentlichte Bericht aus, dass bei 19,6% aller Bundesautobahnstrecken, 41,5% aller Bundesstraßenabschnitte und 46,1% aller Brücken an Bundesfernstraßen die sogenannten „Warnwerte“3 erreicht oder überschritten wurden.4

Im kommunalen Bereich gibt es noch größere Probleme, wie sie das Deutsche Institut für Urbanistik5 aufgezeigt und der Wissenschaftliche Beirat6 bestätigt haben. Zum Beispiel hat man im ÖPNV in den vergangenen Jahrzehnten massiv in den Neu- und Ausbau investiert und dabei die Finanzierungsinstrumente von Bund und Ländern ausgeschöpft.7 Nun droht den Kommunen ein doppelter Schlag: Erstens stehen die traditionellen Fördermittel des Bundes auf dem Prüfstand, denn das Entflechtungsgesetz läuft 2019 aus und die Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz könnten bereits früher beschnitten werden. Zweitens fallen bereits heute die Ersatzinvestitionen für Neubaustrecken aus den 1970er und 1980er Jahren an. Hierfür ist keinerlei Vorsorge getroffen worden, denn eine Bildung von Abschreibungen und Finanzreserven für künftige Ersatzmaßnahmen ist in den öffentlichen Haushalten nicht vorgesehen.

Während der ÖPNV–Bereich die Defizite öffentlicher Infrastrukturplanung und -finanzierung schonungslos deutlich macht, gilt der Bereich der Bundeseisenbahnen auf den ersten Blick als ein Modell für künftige Lösungskonzepte. Die sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) garantiert der Infrastrukturgesellschaft DB Netz AG eine Zuwendung des Bundes in Höhe von 2,5 Mrd. Euro p.a. für einen Zeitraum von fünf Jahren. Die DB AG gibt einen Betrag von 0,5 Mrd. Euro dazu, so dass ein Gesamtvolumen von 3 Mrd. Euro für Erhaltungsinvestitionen entsteht. Für Betrieb und Unterhaltung der Strecken hat die DB Netz AG selbst zu sorgen und dies über Einnahmen aus Trassengebühren zu finanzieren. Den Neu- und Ausbau finanziert überwiegend der Bund nach dem Bundesschienenwegeausbau-Gesetz (BSWAG) mit Beteiligung der DB AG.

Die LuFV hat für wesentliche Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit bei den Ersatzinvestitionen für die Bundeseisenbahnen gesorgt. Die DB AG nennt Einsparungen in einer Größenordnung von 20% durch ein besser koordiniertes überjähriges Erhaltungsprogramm und rechtzeitige Anpassung der Fahrpläne an Baustellen. Allerdings steht auch dieses Erfolgsmodell wieder in Frage, da die erste LuFV Ende 2013 ausläuft und eine Folgevereinbarung vor den Bundestagswahlen im Herbst 2013 nicht zustande kam. Damit lebt die LuFV derzeit nur durch eine Übergangsvereinbarung mit dem Bund in Höhe von 2,75 Mrd. Euro p.a. für 2014/2015 weiter und ist wieder den Angriffen aller Gruppierungen ausgesetzt, die ein unternehmerisch ausgerichtetes Infrastruktur-Management bei der Bahn ablehnen. Weiterhin ist die LuFV in einer Größenordnung von 1 Mrd. Euro unterfinanziert, zum Beispiel ist ca. ein Drittel aller Eisenbahnbrücken älter als 100 Jahre und bedarf einer Grundsanierung.

Befunde der Daehre- und Bodewig-Kommissionen

Nachdem die Pällmann-Kommission für den Bund bereits im Jahr 2000 die Finanzierungssituation für die Bundesverkehrswege analysiert hatte, hat die von der Verkehrsministerkonferenz der Länder Ende 2011 eingesetzte Kommission unter Leitung von Karl-Heinz Daehre (ehemals Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt) die Aufgabe übernommen, die „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ für alle Gebietskörperschaften zu untersuchen. Die Daehre-Kommission8 kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt pro Jahr 7,2 Mrd. Euro fehlen, die sich aus Ersatzinvestitionen in notwendiger Höhe (4,55 Mrd. Euro p.a.) und dem in 15 Jahren aufgestauten Nachholbedarf (2,65 Mrd. Euro p.a.) zusammensetzen.

Die im April 2013 eingesetzte Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter Leitung von Kurt Bodewig (ehemals Bundesverkehrsminister) hat diese Ausgangslage bestätigt und die Daehre-Vorschläge in einigen Bereichen weiter konkretisiert.9

Lösungsansätze im internationalen Vergleich

In internationalen Vergleichsstudien zur Infrastrukturqualität schneidet Deutschland nicht schlecht ab.10 Dies liegt aber am Blick in die Vergangenheit, der für Deutschland wegen des vergleichsweise zügigen Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur bis 1990, fortgesetzt durch das Infrastrukturinvestitionsprogramm „Deutsche Einheit“, positiv ausfällt. Die Vernachlässigung der Erhaltung zeigt sich erst 30 bis 40 Jahre nach dem Neubau, weil dann die ersten großen Ersatzinvestitionen anfallen. Dafür gibt es jetzt massive Signale.

In den USA ist die Vernachlässigung der Infrastrukturerhaltung noch stärker gewesen und in Großbritannien ähnlich. Japan weist einen guten Zustand der Verkehrsinfrastrukturen aus, wobei das Fernstraßennetz durch Mauten und die Instandhaltung des Eisenbahnnetzes durch unternehmerische Umsätze über Beförderungs- und Nebenleistungen (z.B. Einkaufszentren an Bahnhofsarealen) erreicht wird. Auch der ÖPNV ist aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens in den verdichteten Gebieten selbst finanzierend. In Frankreich wird der größte Teil des Autobahnnetzes von privaten Konzessionsgesellschaften betrieben, die auch die laufenden Unterhaltungs- und Erhaltungsaufgaben übernehmen. Die dazu erforderlichen Mittel stammen aus Mauteinnahmen. Im nachgeordneten Netz von ca 13 000 km ist ab 2014 eine Lkw-Maut („Eco tax“) ab 3,5 t geplant, die elektronisch erhoben werden soll. Die daraus erwarteten Einnahmen sind für die Erhaltung des Straßennetzes geplant.

In Österreich plant und finanziert die ASFINAG (Aktiengesellschaft im öffentlichen Eigentum) die ca. 2200 km Schnellstraßen. Dazu dient eine zeitbezogene Maut für Pkw und Lieferfahrzeuge (Vignette) und eine fahrleistungsbezogene Maut für Lkw ab 3,5 t. Die Gesellschaft hat die Aufgabe, die aufgenommenen Kredite für den Netzausbau bis 2047, wenn die Konzession endet, zurückzuzahlen. Die Schweiz hat eine lange Tradition der Fonds-basierten Finanzierung. Das langfristig aufzustellende Investitionsprogramm (z.B. 20 Jahre im Falle der FINÖV und FABI-Programme für den öffentlichen Verkehr) weist die geplanten Maßnahmen aus (z.B. Tunnelprojekte am Gotthard und Lötschberg, Netzanschlüsse, Lärmsanierungsmaßnahmen) und spezifiziert die dazu erforderlichen Einnahmen. Diese setzen sich aus Nutzergebühren (z.B. Pkw-Vignette und Lkw-Schwerverkehrsabgabe), Steueranteilen und Krediten zusammen, die in den Fonds fließen. Damit wird der öffentliche Haushalt formal nicht für Verkehrsinvestitionen in Anspruch genommen und es entsteht eine Kongruenz zwischen Investitionsausgaben und den dazu erforderlichen Einnahmen.

Aus dieser Übersicht lässt sich schließen, dass dort, wo in größerem Umfang Nutzerfinanzierungen realisiert wurden, auch Erhaltung und Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen besser organisiert werden konnten.

Wege aus dem Finanzierungsdefizit

Die grundsätzlichen Alternativen der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung bestehen in Steuern oder Gebühren/Beiträgen. Die in der Vergangenheit praktizierte Kreditfinanzierung bis zur verfassungsrechtlichen Obergrenze der öffentlichen Investitionen wird in Zukunft aufgrund der „Schuldenbremse“ eine untergeordnete Rolle spielen.

Steuerfinanzierung

Bei den Steuern sind die Energiesteuer, dominiert von der Mineralölsteuer mit rund 33 Mrd. Euro, und die Kraftfahrzeugsteuer mit rund 8 Mrd. Euro (Stand 2012) maßgebliche Quellen der allgemeinen Haushaltsfinanzierung. Obwohl für die Steuereinnahmen grundsätzlich das Nonaffektationsprinzip gilt, wurden mit dem Straßenfinanzierungsgesetz von 1960 und dem Verkehrsfinanzgesetz von 1971 Zweckbindungen von Teilen der Mineralölsteuer, in Höhe von 50% des damaligen Mineralölsteueraufkommens, verankert. Seit 1973 werden diese Zweckbindungen durch das Haushaltsgesetz auf den gesamten Verkehr erweitert, so dass auch Investitionsvorhaben des öffentlichen Verkehrs nach dem Entflechtungsgesetz und darüber hinaus die Finanzierung des ÖPNV nach dem Regionalisierungsgesetz aus der Mineralölsteuer finanziert werden. Der Wissenschaftliche Beirat11 beziffert den Anteil der insgesamt für den Verkehr gebundenen Ausgaben auf rund 50% des Aufkommens aus Mineralöl- und Kfz-Steuern und empfiehlt, diese Größenordnung in der Zukunft zumindest zu sichern und durch Nutzerfinanzierungen zu ergänzen.

Um das Finanzierungsdefizit von 7,2 Mrd. Euro p.a. auszugleichen, müsste die Kraftfahrzeugsteuer etwa verdoppelt werden. Alternativ könnte eine Erhöhung der Mineralölsteuer um rund 12 Cent je Liter Kraftstoff den gleichen Finanzierungsbeitrag leisten. Der Vorschlag des ADAC, temporär eine Straßengebühr in Höhe von 3 Cent je Liter über den Kraftstoffvertrieb einzuziehen, geht in diese Richtung, ist aber nicht ausreichend. Dabei ist zu beachten, dass die Einnahmen aus Mineralöl- und Kfz-Steuern eine rückläufige Tendenz zeigen, so dass ein Nachsteuern in der Zukunft erforderlich wird.

Nutzer- und Nutznießerfinanzierung

Gebühren sollen den Aufwand decken, der zur Erstellung einer Leistung entsteht, die dem Nutzer direkt zugerechnet werden kann. Bei Beiträgen ist der Nutzen für den Beitragszahler dagegen indirekter und optionaler Natur, wie etwa im Falle von Anliegerbeiträgen. Beim ÖPNV liegen die Einnahmen aus Nutzerentgelten in einer Größenordnung von 50% bis 80% der Betriebskosten, d.h. für die restlichen Betriebskosten und die Investitionskosten kommt die öffentliche Hand auf. Bei den Bundeseisenbahnen erzielt die DB Netz AG Einnahmen aus dem Verkauf von Bahntrassen. Diese decken die Kosten von Betrieb und Unterhaltung sowie einen Teil der Ersatzinvestitionen (0,5 Mrd. Euro p.a.). Bei den Straßen gibt es – von einigen Gebirgsstraßen abgesehen – bislang nur die Lkw-Maut auf Autobahnen und etwa 1100 km Bundesstraßen, wobei nur Lkw ab 12 t mautpflichtig sind.

Die Nutznießerfinanzierung bezieht sich auf Personen und Organisationen, die einen Vorteil durch die Bereitstellung von Verkehrseinrichtungen haben. Solche Vorteile können die Erhöhung der Grundstückswerte oder die gute Erreichbarkeit von Produktionsstandorten sein. Ein Beispiel ist die französische „versement transport“, eine arbeitsplatzbezogene Steuer auf Unternehmen, die dem ÖPNV zugute kommt.

Die Daehre-Kommission nennt eine Reihe von Instrumenten zur Erschließung dieser Finanzierungsquellen, unter anderem:

  • Erweiterung der Lkw-Mauten (Ausweitung des bemauteten Streckennetzes, der mautpflichtigen Lkw, Einbeziehung der Busse);
  • Einführung einer Pkw-Maut mit diversen Optionen (Vignette, elektronisch, Autobahnen, Bundesfernstraßen, Gesamtnetz);
  • Erhöhung der Eigenmittel der DB AG aus Trassenbewirtschaftung, Zweckbindung von Gewinnen der DB Netz AG und der Bahndividende an den Bund;
  • Nahverkehrsabgaben;
  • Einführung von City-Mauten.

Ohne Zweifel haben die Lkw- und Pkw-Mauten das höchste zusätzliche Einnahmenpotenzial. Wenn alle Lkw ab 3,5 t auf allen Bundesfernstraßen in Deutschland Maut zu entrichten hätten, so würde dies mehr als 3 Mrd. Euro zusätzlich bedeuten. Die gleiche Summe würde erreicht, wenn Pkw auf allen Bundesfernstraßen eine Maut in Höhe von 1 Cent/km entrichten würden. Im Falle einer Pkw-Maut von 2,5 Cent je km auf allen Bundesfernstraßen oder 3,5 Cent auf allen derzeit für Lkw mautpflichtigen Strecken wäre der zusätzliche Finanzierungsbedarf gedeckt – ohne Berücksichtigung von Erhebungskosten und Ausweichverlusten.

Die Bodewig-Kommission beschränkt sich auf die Empfehlungen, die Lkw-Maut auszudehnen – eventuell auf das gesamte Straßennetz und alle Lkw ab 7,5 t mit einer Zusatzeinnahme bis zu 3,9 Mrd. Euro p.a. – und die bislang von der DB AG an den Bund gezahlte Dividende von 0,5 Mrd. Euro p.a. für die Erhaltung der Bahninfrastruktur zu verwenden. Zu Gebühren/Abgaben für Pkw wird nur festgestellt, dass diese EU-rechtskonform sein müssen. Die Einführung einer Fernbusmaut wird zur Prüfung empfohlen. Der Bund soll jährlich 2,7 Mrd. Euro an Haushaltsmitteln in einen Fonds „Nachholende Sanierung“ für die nächsten 15 Jahre einbringen.

Fonds-Lösung

Eine vollständige Finanzierung aus Nutzergebühren für alle Verkehrsträger erscheint unrealistisch. Daher kommt es darauf an, eine Kombination von Steuer- und Nutzerfinanzierung zu finden, die von den Belasteten als gerecht empfunden wird und nachhaltige Effizienzanreize ausübt, wie sie in der LuFV erfolgreich getestet wurden. Die Daehre-und Bodewig-Kommission wie auch der Wissenschaftliche Beirat schlagen hierzu die Einrichtung von Infrastruktur-Fonds für verschiedene Verkehrsträger auf der Ebene des Bundes (Schiene, Straße, Wasserstraße) und regionale Fonds auf der Ebene von Ländern und Kommunen vor. Ohne auf die zahlreichen Optionen für die Gestaltung von haushaltsnahen (wie in der Schweiz) oder haushaltsfernen Fonds (wie bei der DB Netz AG) einzugehen, gelten als Vorzüge der Fonds-Lösung:

  • Sie sorgt für eine mittelfristig verlässliche Finanzierung für die Infrastrukturerhaltung.
  • Sie lässt eine „überjährige“ Mittelzuweisung zu, d.h. die Zuweisungen unterliegen nicht den Haushaltsprinzipien der Jährlichkeit und Spezialität, so dass ein wirtschaftlich basiertes mittelfristiges Erhaltungsprogramm aufgebaut werden kann.
  • Das Erhaltungsprogramm lässt sich mit Hilfe einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) verankern und verpflichtet den jeweiligen Fonds zu einer strikt zweckbezogenen Verwendung der Mittel.
  • Planung und Durchführung des Erhaltungsprogramms lassen sich mit Hilfe von Methoden des unternehmerischen Managements unterstützen.
  • Die zweckgerechte und wirtschaftliche Mittelverwendung wird durch Wirtschaftsprüfer attestiert und vom Rechnungshof überwacht.
  • Jeder Fonds veröffentlicht periodisch einen Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht.

Die Bodewig-Kommission hat einen Stufenplan ausgearbeitet, der eine Umsetzung der Fonds-Lösung und ihrer Finanzierungsgrundlagen von 2014 bis 2019 vorsieht. Darin ist auch die Schaffung einer verbindlichen Nachfolgeregelung für das Entflechtungsgesetz sowie die Weiterführung der Regionalisierungsmittel für die Finanzierung kommunaler Verkehrsinvestitionen und den ÖPNV enthalten.

Politische Barrieren

Die größte politische Barriere für eine Fonds-Lösung sind die Parlamente. Denn diesen wird für die Laufzeit einer LuFV die Möglichkeit entzogen, in das Infrastrukturprogramm eines Fonds einzugreifen. Die Tatsache, dass auf der anderen Seite jede LuFV parlamentarisch zu verabschieden und damit eine wirksamere Kontrolle möglich ist als im Falle von jährlichen Entscheidungen, die oft durch die Verwaltung vordefiniert werden, ist nicht leicht zu vermitteln. Weiterhin kann eine höhere wirtschaftliche Effizienz bei Bundesinvestitionen damit verbunden sein, dass die Investitionsmittel nicht mehr in jeder Periode nach dem Grundsatz der Proportionalität an die Länder verteilt werden. Auch hier findet das Argument, dass die Fonds-Lösung langfristig für eine bessere Angleichung der regionalen Infrastrukturqualitäten sorgt, kaum Anklang, weil Parlamentarier innerhalb der Legislaturperiode, für die sie gewählt sind, möglichst viel für ihre Regionen erreichen wollen. Insoweit verlangen bessere Finanzierungslösungen primär eine neue Dimension der politischen Weitsicht. Man darf gespannt sein, ob diese nach den Empfehlungen der Pällmann-, Daehre- und Bodewig-Kommissionen gewachsen ist.

  • 1 Gemessen in Personen- bzw. Tonnenkilometern.
  • 2 Pällmann-Kommission: Schlussbericht der Kommission „Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Berlin 2000.
  • 3 Die Bewertung der Streckenzustände geschieht mit einem Benotungsintervall von 1,0 (sehr gut) bis 5,0 (sehr schlecht). Für freie Strecken gilt ein „Warnwert“ von 3,5 und für Brücken von 2,5. Dieser indiziert, dass Instandhaltungsmaßnahmen mit hoher Priorität erforderlich sind, um die Verkehrssicherheit gewährleisten zu können.
  • 4 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Verkehrsinvestitionsbericht, Berlin 2008.
  • 5 Deutsches Institut für Urbanistik: Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen, Berlin 2008.
  • 6 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Verkehrsfinanzierungsreform – Integration des kommunalen Verkehrs, Berlin 2013.
  • 7 Bis 2006: Gemeindeverkehrsfinanzierungs-Gesetz, anschließend Entflechtungsgesetz. Zusätzlich: Regionalisierungsgesetz, wobei die Mittel primär für das ÖPNV-Angebot und nur zum geringen Teil für Investitionen gewidmet sind.
  • 8 Daehre-Kommission: Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Magdeburg 2012.
  • 9 Bodewig-Kommission: Konzeptdokument vom 30.9.2013, Berlin 2013.
  • 10 Vgl. Ernst & Young and Urban Land Institute: Infrastructure 2010: Investment Imperative, London 2010.
  • 11 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, a.a.O.

Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur – Optionen und polit-ökonomische Blockaden

Wieder einmal hat mit der „Daehre-Kommission“ 2012 ein Expertenkreis, diesmal auf Ministerebene, festgestellt, was doch seit langem öffentlich bekannt und in vielen Vorgänger-Kommissionen1 bereits konstatiert wurde: Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland bei Straße, Schiene und Wasserwegen ist dramatisch unterfinanziert. Die Daehre-Kommission spricht von einem zusätzlichen Finanzbedarf von 7,2 Mrd. Euro jährlich, um einem „fortschreitenden Substanzverzehr der Verkehrsinfrastruktur“ in den nächsten 15 Jahren vorzubeugen; langfristig seien über 4 Mrd. Euro jährlich zusätzlich nötig2 – von Erweiterungsinvestitionen ganz abgesehen. Auch die Finanzierungsoptionen liegen seit langem auf dem Tisch und sind dutzendfach hin- und hergewendet worden. Mit ihnen befasst sich auch die „Daehre-Kommission“ erneut ausführlich; dennoch wurde sogleich im Anschluss mit der „Bodewig-Kommission“ die nächste „Expertenrunde“ beauftragt, die bekannten Finanzierungsalternativen zum wiederholten Male zu konkretisieren. Auf deren Grundlage beschloss die Verkehrsministerkonferenz am 2.10.2013 die Empfehlung eines „Sanierungsfonds“ aus zusätzlichen Bundesmitteln und ergänzenden Nutzerfinanzierungen (Ausweitung der Lkw-Streckenmaut auf Bundes-/Landesstraßen und/oder kleine Transporter sowie Prüfung einer Pkw-Vignette).

Zwar sind die Fragen, wie knappe Mittel auf die Alternativen Bestandssicherung und Ausbau sowie zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Wasserwegen aufzuteilen sein sollen, durchaus kontrovers. Doch dass zusätzliche Mittel in erheblichem Umfange allein zum Substanzerhalt mobilisiert werden müssen, ist wohl unstrittig. Die Verfallserscheinungen werden zudem mit spektakulären Aktionen wie der Schließung des Nord-Ostsee-Kanals, Brückensanierungen und einer zunehmenden Zahl von qualitätsmindernden Langsamfahrstellen im Bahnnetz immer offensichtlicher.

Seit langem fehlt es aber wohl weder an einer „adäquaten gesellschaftlichen Wahrnehmung“ der Problemlage, wie die Daehre-Kommission meint, noch herrscht Mangel an Finanzierungsvorschlägen oder deren vergleichender Untersuchung. Was wirklich fehlt, ist der politische Mut, die Mittel endlich zur Verfügung zu stellen. Ursächlich hierfür sind die erheblichen politischen und ökonomischen Opportunitätskosten einer auskömmlichen Finanzierung des Infrastrukturerhalts:

  • Bei einer Haushaltsfinanzierung müssen entweder allgemeine Steuern erhöht (so immerhin die aktuellen Vorschläge von SPD, Grünen und Linken) oder anderweitige Ausgaben gekürzt werden. Dies gerade auch dann, wenn man gedanklich den spezifischen Finanzierungsanteil der verkehrsbezogenen Steuern (Energiesteuer, Kfz-Steuer) für die Wegekosten erhöhen wollte, denn dann fehlen wiederum die Mittel für die daraus bislang bestrittenen Staatszwecke. Mit der „Schuldenbremse“ ist künftig auch die Flucht in die öffentliche Schuld weitgehend versperrt.
  • Zweitens könnten gerade die verkehrsbezogenen Steuern gezielt erhöht werden.
  • Schließlich bleiben als dritte Quelle diverse Modelle einer direkten Nutzerfinanzierung über Mautlösungen, die aber in besonderer Weise „Entgeltwiderstände“ zu mobilisieren verstehen, weil sie die gewohnte Fiskalillusion zerstören und Lasten spezifisch zuweisen (und nicht über das allgemeine Steuersystem verschleiern).

Bei Erhaltungsinvestitionen machen sich diese Barrieren besonders stark bemerkbar, da sie für den politischen Budgetprinzipal zwar mit hohen Opportunitätskosten, aber – im Gegensatz zu Neubaumaßnahmen – weitgehend ohne politische Prämien auf Stimmen- und Stimmungsmärkten auskommen müssen: Denn die Funktionstüchtigkeit vorhandener Verkehrswege versteht sich für das Nutzerpublikum gleichsam „von selbst“ und bietet keinen erlebbaren und insoweit politisch vermarktbaren Nutzenzuwachs. Der jahrzehntelang empirisch zu beobachtende politische Bias zugunsten von Neubaumaßnahmen kann daher polit-ökonomisch kaum überraschen.

Im Wesentlichen sind jetzt zwei strukturelle Grundsatzentscheidungen zu treffen: budgetäre Verselbstständigung der Finanzierung (Fondsmodelle, geschlossene Projektfinanzierung) versus allgemeiner Haushalt einerseits sowie Finanzierungsverantwortung nach Gemeinlastprinzip oder nach Nutznießerprinzip andererseits.

Budgetäre Verselbstständigung der Finanzierung?

Die klassische Haushaltsfinanzierung, bei der nicht zweckgebundene Mittel (auch aus den verkehrsbezogenen Steuern) um vielfältige staatliche Ausgabezwecke konkurrieren müssen, gilt aus verschiedenen Gründen als ausgereizt: Die permanent kritische Haushaltslage, der anstehende Konsolidierungsdruck durch die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“, die Grundsätze der Haushaltsführung als Gesamtdeckung sowie der zunehmende Steuerwiderstand bei hoher Staatsquote führen dazu, dass hier kaum verlässlich nennenswerte Mittel zusätzlich mobilisierbar sein dürften. Hinzu kommt, dass das Rechnungslegungssystem der Kameralistik künftige Finanzbedarfe und Substanzzehrung politisch zu verschleiern hilft. Zwar wurde den Kommunen zwischenzeitlich doppische Rechnungslegung oktroyiert; Bund und Länder genießen jedoch lieber weiterhin die diskretionären Spielräume und Transparenzdefizite des kameralen Systems. Folgerichtig werden „Fondslösungen“ intensiv diskutiert, die – unabhängig von der Frage, wie diese Fonds konkret gespeist werden – zunächst einmal ein budgetäres Verselbstständigungskonzept verkörpern, bei dem sich die Infrastrukturfinanzierung von der allgemeinen Kassenlage abkoppelt und transparenzerhöhend wie akzeptanzsteigernd den aufkommenden Mitteln die direkten Verausgabungszwecke gegenüberstellt. Fondslösungen sind damit in erster Linie Vehikel, um auf der Einnahmenseite den Abgabenwiderstand zu mildern und auf der Ausgabenseite die Verlässlichkeit der Mittelbereitstellung zu erhöhen.

Allerdings ließen sich mit der nämlichen Begründung zahlreiche Fonds für diverse Staatszwecke auflegen – mit der Folge einer (weiteren) schleichenden Auszehrung des zentralen Etats, über den doch aus guten finanzwissenschaftlichen und finanzverfassungsrechtlichen Gründen der „Gleichwertigkeit der Staatszwecke“ im Wege der Gesamtdeckung zweckbindungsfrei politisch (und damit demokratisch kontrolliert) zu entscheiden sein soll.

Nutzerfinanzierung von Verkehrsinfrastruktur

Unabhängig von der Ausgestaltung des Haushaltskreislaufs muss aber zusätzlich die Frage beantwortet werden, wer letztlich nach welchem Lastausteilungsprinzip für die benötigten Mittel aufzukommen hat: Erfolgt die Aufbringung der Mittel nach Maßgabe der allgemeinen Inzidenz des Steuersystems (also nach Leistungsfähigkeit), aufgrund von verkehrsbezogenen „Äquivalenzsteuern“ oder noch direkter aufgrund der Wegenutzung selbst (Mautsysteme)?

Die Inanspruchnahme von Verkehrsinfrastruktur eignet sich jedenfalls in besonderer Weise für Nutzerfinanzierungen:3 Als gemischt-öffentliches „Mautgut“ besitzen zumindest Fernstraßen eine zu vertretbaren Kosten organisierbare Exklusionstechnik.4 In der Praxis werden Nutzerfinanzierungen von Verkehrswegen im In- und Ausland auch in vielfältigen Formen praktiziert.5 In Deutschland freilich ist bisher lediglich ein schleppender und rudimentärer Einsatz zu beobachten. Neben der seit langem üblichen Bemautung bestimmter Wasserstraßen6 und den traditionellen kommunalen Konzessionsabgaben für Strom-, Gas- und Wassernetze sind im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur erst in jüngerer Zeit einzelne Formen von Nutzerfinanzierungen eingesetzt worden. Nicht zuletzt die überwiegend mit Industrievertretern besetzte sogenannte Pällmann-Kommission hatte sich 2000 nachdrücklich für einen „Paradigmenwechsel“ in der Finanzierung eingesetzt.7

Mit der Einführung der streckenbezogenen Lkw-Maut 2005 auf der Grundlage der Wegekosten-Richtlinie (1999/62/EG) wurde zunächst das sogenannte „A-Modell“ („Ausbau-Modell“) realisiert: Dabei werden der Ausbau zusätzlicher Fahrsteifen, Erhaltung und Betrieb vorhandener Fahrstreifen sowie die diesbezügliche Finanzierung an Private übertragen. Das private Unternehmen erhält einen Konzessionsvertrag mit der Laufzeit von 30 Jahren, innerhalb derer die Strecke zu betreiben, zu unterhalten und nach Ablauf der Konzessionslaufzeit in einem vorher definierten Zustand an die öffentliche Hand zurückzugeben ist. Die Refinanzierung erfolgt ausschließlich aus dem jeweiligen Mautaufkommen von schweren Lkw, das sich in Abhängigkeit vom späteren Verkehrsaufkommen in Höhe von derzeit mindestens 14 Cent pro gefahrenem Kilometer errechnet,8 sowie durch eine staatliche Anschubfinanzierung, die ca. 50% der sonst üblichen Baukosten betragen soll.

Mit dem 1994 verabschiedeten Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) sind zudem auch Projekte nach dem „F-Modell“ möglich: Dabei werden neu zu errichtende Ingenieurbauwerke in Konzession privat errichtet, betrieben und durch Benutzungsgebühren refinanziert.9 Seither wurden erst für zwei Projekte (Warnowquerung in Rostock sowie Travequerung in Lübeck) Konzessionen nach dem F-Modell vergeben. Beide Projekte sind jedoch bereits kurz nach ihrer Inbetriebnahme finanziell notleidend geworden.10 F-Modelle nach dem FStrPrivFinG gelten – trotz zweimaliger Novellierung 2002 und 2005 insgesamt als gescheitert. Die geringe Zahl der bisher durchgeführten Projekte erklärte sich vor allem aus dem bis heute sehr begrenzten Anwendungsbereich des Gesetzes heraus, das sich auf besondere Ingenieurbauwerke wie Brücken und Tunnel beschränkt. Zudem erwies sich das Verkehrsmengenrisiko, also letztlich die Zahlungsbereitschaft der potenziellen Nutzer, als kaum beherrschbar für private Investoren.11 Theoretisch ist aber auch eine Haushaltsfinanzierung mittels Gebührenerhebung denkbar (Art. 74 Nr. 22 GG).

Chancen und Probleme nutzerfinanzierter Fernstraßeninfrastruktur

Aus finanzwissenschaftlicher Sicht verbinden sich mit der Anwendung von nutzerfinanzierten Betreiber- oder Gebührenmodellen in erster Linie Vorteile des Äquivalenzprinzips der Einnahmebeschaffung:12 Die Kosten werden hier direkt den Nutz(nieß)ern, verursachungsgerecht für Pkw und Lkw, und nicht nach Maßgabe der Lastverteilungsregeln des Steuersystems einer breiten Masse von Steuerzahlern angelastet. Es erscheint „gerecht“, soweit die einzelnen Verkehrsinfrastrukturnutzer nur in dem Maße zu einer Zahlung verpflichtet werden, wie ihnen auch „Gegenleistungen“ zukommen (Konzept der „Tauschgerechtigkeit“). Zudem wird Äquivalenzfinanzierung als vorteilhaft angesehen, weil durch die Verknüpfung von Leistung und Kosten Budgetentscheidungen rationaler und zugleich an den Präferenzen der Nachfrager ausgerichtet werden; die Nachfrage selbst muss von Fiskalillusion bei der Bereitstellung öffentlicher Güter Abstand nehmen, also der Vorstellung, staatlich unentgeltlich bereitgestellte Infrastrukturgüter seien „kostenlos“. Die wahren Kosten der Bereitstellung von Infrastruktur werden auf diese Weise transparent gemacht (Abbau von Kostenillusion), woraus marktgerechtere Lösungen resultieren, aber auch einer Übernachfrage entgegengewirkt wird.

Eine leistungsfähigkeitsorientierte Steuerfinanzierung verknüpft demgegenüber die Einnahmen nicht direkt mit den Ausgaben, sondern stellt bei der Bemessung der Finanzierungsbeiträge allein auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerbürger ab, unabhängig von ihrer Nutznießung. Effizienzaspekten einer öffentlichen Güterbereitstellung kann so nicht genügt werden. Das politische Angebot wird von Präferenzen und Zahlungsbereitschaften der Nachfrage abgekoppelt; die Nachfrager wiederum artikulieren einen der Sättigungsmenge entsprechenden, ineffizienten Bedarf an Verkehrsinfrastruktur.

Eine reine Anwendung präferenzorientierter Infrastruktursteuerung stößt jedoch naturgemäß an Grenzen; die Nachteile einer Äquivalenzfinanzierung13 geben insoweit zu Begrenzungen und Modifikationen Anlass: Neben den sozialen Folgen der Exklusion durch Entgeltlichkeit der Infrastrukturnutzung sind auch positive externe Effekte der Infrastruktur zu berücksichtigen, die durch eine Marktnachfrage nicht abgebildet werden können. In anderen Fällen mag zudem Veranlassung zu einer „meritorischen Präferenzkorrektur“ bestehen. Jedenfalls wären die „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ durch rein marktmäßige Äquivalenz kaum realisierbar gewesen, da die Nutzererlöse vorwiegend in den Ausbau stark nachgefragter bestehender Strecken geflossen wären.

Umwelt- und verkehrspolitische Zusatznutzen

Neben dem bloßen Finanzbedarf für Infrastrukturerhalt und -ausbau ergeben sich weitere gute Gründe für eine stärkere Nutzerfinanzierung: Hier sind in erster Linie lenkende Wirkungen in den Bereichen der Verkehrsvermeidung und Verkehrslenkung durch spezifische Anlastung der Wegekosten14 und der externen Kosten15 zu nennen. Nutzerfinanzierung kann zu Wettbewerbsgleichheit der Verkehrsträger beitragen (Angleichung der Wegekosten-Unterdeckungen) und unterstützt die bislang notleidenden Beiträge des Verkehrssektors in den Bereichen Energiewende und Klimaschutz.16 Nicht ohne Grund gilt der Verkehrssektor bislang als „klimapolitisches Sorgenkind“17. Auch könnten so die ambitionierten Ziele des Energiekonzepts der Bundesregierung (Endenergieverbrauch im Verkehr -40% bis 2050 gegenüber 2005; faktische Dekarbonisierung der Wirtschaft) wirksam unterstützt werden. Um die Ziele für 2020 und 2050 erreichen zu können, muss nämlich die durchschnittliche jährliche Energieverbrauchsreduktion im Verkehrssektor im Vergleich zu den Jahren von 1999 bis 2011 etwa verdoppelt werden.18

Allerdings sind Eingriffe in die fragile Rechtfertigungs- und Lenkungs-Statik der Finanzierungsformen der Verkehrsinfrastruktur nicht unproblematisch: Eine zur Kompensation einer Pkw-Maut entfallende Kfz-Steuer machte die erst 2009 eingeführte CO2-Komponente19 wieder zunichte und begünstigte Besitzer hubraumgroßer Fahrzeuge; klima- und energiepolitisch ergäbe die Erhöhung der Energiesteuer erkennbar mehr Sinn als eine Streckenmaut, noch dazu, wenn diese als bloße „Vignette“ unabhängig von Fahrleistung oder Energieverbrauch pauschaliert werden soll, um wiederum die Erhebungskosten der Bemautung beherrschbar zu halten.

Politische Ökonomie nutzerfinanzierter Verkehrsinfrastruktur

Gleichwohl ist fraglich, welche Aussichten die Implementierung einer stärkeren Nutzerfinanzierung, faktisch also einer Ausweitung der bestehenden Lkw- sowie einer zusätzlichen Pkw-Maut im politischen Prozess überhaupt besitzt. Zunächst erscheint klar, dass an „Fiskalillusion“ gewöhnte Infrastrukturnutzer eine plötzliche Entgeltpflicht interessenpolitisch ablehnen werden, zumal wenn diese als Zusatzbelastung bei im Übrigen unveränderter Steuerlast erlebt wird. Im Unterschied zu den europäischen Nachbarländern, in denen die Erstellung des Autobahnnetzes größtenteils über Gebühren finanziert wurde, geht es in Deutschland darum, ein bestehendes, bisher für den Nutzer scheinbar „kostenloses“ System auf Gebührenfinanzierung umzustellen, um es zu erhalten und auszubauen. Zugleich – als zweite spezifisch deutsche Erschwernis – blieben die F-Modelle als singuläre Projekte Fremdkörper in einem System weiterhin ganz überwiegend entgeltfreier Straßeninfrastrukturnutzung. Beides belastet die Akzeptanz von Nutzerfinanzierungen. Die Bereitschaft, für eine Leistung zu zahlen, die bisher scheinbar kostenlos zur Verfügung gestellt wurde und deren Entgeltpflicht nur ausnahmsweise an bestimmten Stellen aufscheint, ist denkbar gering.20 Das Resultat sind Widerstände in politischen Arenen und auf Wählerstimmenmärkten („politischer Widerstand“), aber auch „ökonomischer Widerstand“ durch Nachfrageverweigerung und (unerwünschte) Ausweichreaktionen.21

Die Anreize für „politische Unternehmer“ zur Mautfinanzierung, etwa durch Prämierungen auf Wählerstimmenmärkten, erscheinen daher denkbar schwach: Zum einen ist die Mauterhebung an sich bereits unpopulär, da die Gebührenfinanzierung die wahren Kosten der Verkehrsinfrastruktur sichtbar macht und nutzerspezifisch zuweist. Gegenüber einer Lastverteilung, die sich an der weniger merklichen Inzidenz des Steuersystems ausrichtet, geraten die Nutzer in eine Verliererposition. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit einer konsequenten Umsetzung einer nutzerbezogenen Infrastrukturfinanzierung auch Einschränkungen im Transportgewerbe verbunden sind, die zusätzliche, gut organisierte Interessengruppen-Widerstände evozieren. Akzeptanzbelastend wirken sich zudem die herrschende Fiskalillusion im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sowie die Ausnahmestellung einzelner Mautobjekte aus, die gegen mentale „Referenzpreise“ von Null ankämpfen müssen. Dies belastet die Fairness-Wahrnehmung von Preisen seitens der Nutzer. Eine kumulative Lastempfindung aus Mautgebühr und Mobilitätssteuern tut hier ein Übriges. Daher dürften gerade im Verkehrsbereich die Chancen einer politischen Zustimmung zu einer konsequenten Äquivalenzfinanzierung gering sein.22 Wegen der regionalen Inzidenz von (punktuellen) Nutzerfinanzierungen, etwa bei neuen Lkw-Mautstrecken, ist zudem mit Widerständen lokaler und regionaler Gebietskörperschaften zu rechnen, so dass die staatliche Seite nicht „gegnerfrei“ operiert, sondern mit internen Widerständen rechnen muss.23

Größeren Appeal bietet hier zweifellos die traditionelle Steuerfinanzierung, die verkehrspolitische Wohltaten unter Ausnutzung von Fiskalillusion ohne jede konkretisierbare Zumutung offerieren kann. Von Seiten der Politik wird die sich seit langem anbietende flächendeckende Nutzerfinanzierung öffentlicher Verkehrsinfrastruktur peinlich gemieden. Nicht zufällig zielen die aktuellen Konzepte von SPD und Grünen abermals auf allgemeine Steuererhöhungen, die der Mehrheit der Steuerzahler und den Nicht-Steuerzahlern wohl das beruhigende Gefühl vermitteln sollen, für die von ihnen allen genutzte und geforderte hochwertige Verkehrsinfrastruktur hätten andere (die „Reichen“) zu zahlen. Auch die CSU setzt auf das „Ander-Prinzip“ („Ausländer-Maut“). CDU und FDP machten vorsorglich gar keine Finanzierungsvorschläge.

Erweiterte Mautlösungen stehen so zwar seit Jahren immer wieder auf der politischen Agenda einzelner Vorstöße, ist jedoch jedesmal nach dem stets gleichen Widerstands-Muster gescheitert. Insbesondere politische Wettbewerber lassen sich nämlich die Gelegenheit nicht entgehen, Fiskalillusion und Belastungswahrnehmung für ihre Interessen auf Zustimmungsmärkten zu nutzen. Zuletzt wollte Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) nach Amtsantritt 2009 eine Pkw-Maut „prüfen“, zog jedoch nach verheerendem Medienecho rasch zurück. Generelle Mautlösungen erweisen sich so als politische Wiedergänger und trotzen bislang erfolgreich allen Kommissionen, die sich für ihre verstärkte Nutzung ausgesprochen haben. Daher lösen nicht weitere Kommissionen, sondern eine akzeptanzorientierte Implementationsstrategie das Kernproblem.

Fazit

Zwischen der Skylla zunehmend fehlender Steuermittel und der Charybdis heftiger Widerstände gegen Entgeltfinanzierungen zeigt sich die Verkehrspolitik seit Jahren faktisch paralysiert. Eine fiskalisch wie allokationspolitisch durchaus angezeigte Akzentverschiebung hin zu Entgeltlösungen ist bis heute aus polit-ökonomischen Gründen gescheitert. Vermutlich bieten Fondslösungen hier den entscheidenden Hebel, um die Blockade im Rahmen einer größeren Neuordnung der Infrastruktur-Finanzierung aufzulösen und die Widerstände zu begrenzen. Eine Große Koalition böte hierfür wohl ein besonders günstiges Gelegenheitsfenster, da die reflexartig einsetzende (oder antizipierte) Kritik der jeweiligen Opposition an unvermeidlichen Belastungs- und Verteilungseffekten die Mobilisierung notwendiger Mittel bislang zuverlässig vereitelt hat.

  • 1 Siehe nur die stark beachtete „Pällmann-Kommission“ (Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung: Schlussbericht, Berlin 2000).
  • 2 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Dezember 2012.
  • 3 T. Beckers et al.: Institutionelle Lösungen für die Bundesfernstraßenfinanzierung. Eine Analyse aus ökonomischer und juristischer Perspektive, Münster 2011; A. Kossak, W. Pällmann (Hrsg.): 10 Jahre Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. Aktualisierter und erweiterter Appell zum Paradigmenwechsel, Hamburg 2009.
  • 4 Dies gilt jedenfalls für Fernstraßen – zu Problemen einer Verallgemeinerung D. Brümmerhoff: Finanzwissenschaft, 9. Aufl., München, Wien 2007, S. 95.
  • 5 E. Gawel, C. Schmidt: Finanzwissenschaftliche Probleme der Gebührenfinanzierung von Verkehrsinfrastruktur nach dem FStrPrivFinG, Berlin 2010, S. 61 ff.
  • 6 E. Gawel et al.: Weiterentwicklung von Abwasserabgabe und Wasser­entnahmeentgelten zu einer umfassenden Wassernutzungsabgabe, Dessau-Roßlau 2011, S. 297 ff.
  • 7 A. Kossak, W. Pällmann, Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, a.a.O.
  • 8 Siehe § 1 MautHV 2011 (Verordnung zur Festsetzung der Höhe der Autobahnmaut für schwere Nutzfahrzeuge – Mauthöhenverordnung).
  • 9 T. Beckers, C. v. Hirschhausen: Konzessionsmodelle für Fernstraßen in Deutschland. Eine ökonomische Analyse der Risikoallokation beim F- und A-Modell, Berlin 2003.
  • 10 E. Gawel, C. Schmidt, a.a.O., S. 83 ff.
  • 11 E. Gawel, C. Schmidt, a.a.O.
  • 12 H. W. Alfen: Entwicklung, Bau, Finanzierung und Betrieb von Straßenverkehrsinfrastruktur in Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und Privaten, Weimar 2001; allgemein B. Hansjürgens: Äquivalenzprinzip und Staatsfinanzierung, Berlin 2001.
  • 13 Dazu jüngst im Überblick E. Gawel: Nutzerfinanzierung öffentlicher Aufgaben – Renaissance des Entgeltstaates?, in: C. Reichard, E. Schröter (Hrsg.): Zur Organisation öffentlicher Aufgaben: Effizienz, Effektivität und Legitimität, Leverkusen 2013, S. 236 ff.
  • 14 Siehe H. Link et al.: Wegekosten und Wegekostendeckung des Straßen- und Schienenverkehrs in Deutschland im Jahre 2007, Berlin 2009.
  • 15 Zu den externen Kosten des Automobilverkehrs jenseits der bloßen Wegekosten siehe die Meta-Studie von U. J. Becker et al.: Externe Autokosten in der EU-27. Überblick über existierende Studien, Dresden 2012.
  • 16 Siehe dazu etwa den ersten Bericht der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“: Stellungnahme zum ersten Monitoring-Bericht der BReg für das Berichtsjahr 2011, 2012, S. 36 ff.
  • 17 S. Böhler, D. Bongardt: Sorgenkind Verkehr – Maßnahmen zum Klimaschutz, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 29-30/2007.
  • 18 Expertenkommission zum Monitoring-Prozess, a.a.O., S. 36.
  • 19 Dazu E. Gawel: Kfz-Steuer-Reform und Klimaschutz, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 2, S. 137-143; ders.: Klimaschutz durch Kfz-Besteuerung – Der Beitrag der Kfz-Steuerreform 2009 zur Erfüllung klimapolitischer Ziele, in: Steuer und Wirtschaft, 88. Jg. (2011), H. 3, S. 250-258.
  • 20 H. W. Alfen, a.a.O., S. 6.
  • 21 E. Gawel: PPP for Trunk Road Construction – Lessons from the German Road Construction Private Financing Act, in: Journal for Public and Nonprofit Services, 36, Supplement 40/2011, S. 137 ff.
  • 22 M. Ullrich: Nutzerbezogene Infrastrukturfinanzierung von der theoretischen Fundierung über die politische Entscheidung zur praktischen Umsetzung, Bergisch Gladbach 2002.
  • 23 E. Gawel: Private Finanzierung von Fernstraßen – Erfahrungen und Probleme, in: Wirtschaftsdienst, 85. Jg. (2005), H. 3, S. 181 f.

Staatsversagen in der Verkehrsinfrastrukturpolitik?

Seit vielen Jahren beklagen Wirtschaftsunternehmen, Verbände und Lobbyorganisationen, dass die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland „auf Verschleiß gefahren werde“. Diese Einschätzung erhält durchaus Unterstützung aus der Verkehrswissenschaft, die immer wieder auf Defizite bei der Finanzierung und Bereitstellung der Verkehrsinfrastruktur hingewiesen hat.1 Offensichtlich ist das Thema mittlerweile auch in der Politik angekommen. Im Bundestagswahlkampf 2013 überboten sich die politischen Parteien mit Forderungen nach mehr Infrastrukturinvestitionen und entsprechenden Finanzierungsvorschlägen – bis hin zur Pkw-Maut für Ausländer. Im Hintergrund arbeitete eine Kommission unter der Leitung des ehemaligen Verkehrsministers Kurt Bodewig an einem mit den Bundesländern abgestimmten Konsensmodell für die zukünftige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Sie wird für Bürger, Wirtschaft und Steuerzahler unangenehme Wahrheiten zu verkünden haben, wenn sie tragfähige Lösungen für die von der Vorgängerkommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (Daehre-Kommission) herausgearbeiteten Probleme anbieten will. Es geht immerhin um einen zusätzlichen jährlichen Finanzierungsbedarf von mindestens 7 Mrd. Euro.2

Zunächst einmal ist das zunehmende Interesse der Politik an der Verkehrsinfrastruktur positiv zu bewerten. Es zeigt, dass Politiker entgegen landläufiger Vorurteile durchaus an Sach- und nicht nur an Machtfragen interessiert sind und mit einem solchen Thema sogar in der politischen Auseinandersetzung punkten können. Es stellt sich allerdings die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis die Verkehrsinfrastruktur als zentrale Voraussetzung für Mobilität, Wohlstand und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes wieder in den Fokus der politischen Diskussion gerückt ist.

Staatsausgaben: Konsum statt Investitionen

Eine Antwort auf diese Frage muss auf grundsätzliche gesellschaftlich-politische Entwicklungen Bezug nehmen. Offensichtlich hatte Infrastruktur in den politischen Programmen unserer Parteiendemokratie seit den umfangreichen Maßnahmenpaketen nach der deutschen Wiedervereinigung nur einen geringen Stellenwert. In den konkreten politischen Auseinandersetzungen spielte Verkehrsinfrastruktur vor allem dann eine Rolle, wenn es darum ging, lokale (Groß-)Projekte wie etwa Flughäfen, Ortsumgehungen oder Autobahntrassen zu initiieren oder auch zu verhindern. Hinzu kommt der Eindruck, dass Verkehr in der Bundespolitik generell nur einen geringen Stellenwert hatte – dazu passt die Beobachtung, dass das Amt des Verkehrsministers häufig als letzter Stein im Puzzle einer nach vielfältigen Proporzüberlegungen zusammengesetzten Regierung besetzt wurde.

Wenn wir Politiker als wählerstimmenmaximierende Agenten begreifen, wird außerdem klar, warum in einer Gesellschaft, in der mehr und mehr Individuen und sogar Unternehmen von staatlichen Transfers und Subventionen abhängen, konsumtive Verwendungen der Haushaltsmittel dominieren. Mit der Forderung nach Investitionen „in Beton“ ließen sich daher in der Vergangenheit keine Wahlen gewinnen. Für die breite Öffentlichkeit bleibt der Verschleiß der Infrastruktur auch über einen langen Zeitraum weitgehend unbemerkt, so dass Politiker nicht fürchten müssen, dafür bei den nächsten Wahlen bestraft zu werden. All dies hat zu dem offensichtlichen Staatsversagen in der Verkehrsinfrastrukturpolitik geführt.

Verkehrsinfrastruktur: Ausgabenstruktur und Finanzierungsquellen

Bemerkenswert an der im Bundestagswahlkampf 2013 geführten Diskussion ist, dass es den Protagonisten vordringlich um die Erschließung neuer Finanzierungsquellen ging, etwa um eine Pkw-Maut, höhere verkehrsspezifische Steuern oder die Anhebung von Steuern auf Einkommen und Vermögen, um zusätzliche Haushaltsmittel für die Verkehrsinfrastruktur zu generieren. Nur sehr wenige Stimmen wiesen auf mögliche Umschichtungen im Rahmen der derzeitigen Haushaltsobergrenzen oder auf Effizienzreserven im System hin. Auch das Thema einer stärkeren Priorisierung von Projekten nach volkswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Überlegungen wurde nicht thematisiert. In der Tat ist es unrealistisch anzunehmen, dass die politische Klasse in Deutschland im Angesicht der demnächst greifenden Schuldenbremse die Kraft aufbringt, Haushaltsmittel vom konsumtiven in den investiven Bereich umzuschichten. Was aber bleibt dann?

Es ist zunächst festzustellen, dass der Verkehrssektor insgesamt und insbesondere der Straßenverkehr in Deutschland hohe Mittel generieren, die wieder für Infrastruktur ausgegeben werden können. Die jährlichen straßenverkehrsbezogenen Einnahmen aus Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und Lkw-Maut beliefen sich zuletzt auf rund 45 Mrd. Euro. Einige Beobachter rechnen auch noch die auf die Mineralölsteuer erhobene Mehrwertsteuer hinzu, was durchaus plausibel erscheint. Dagegen stagnieren die Bundesausgaben für den Verkehr nominal bei knapp 22 Mrd. Euro. Hiervon entfallen im mehrjährigen Durchschnitt nur ca. 10 Mrd. Euro auf Investitionen: Die Bundesfernstraßen erhalten gut 5 Mrd. Euro, die Bundesschienenwege etwa 4 Mrd. Euro, und der Rest wird in Binnenwasserstraßenprojekte investiert. In den Verkehrsausgaben waren aber auch erhebliche nichtinvestive Ausgaben enthalten, neben den Regionalisierungsmitteln für den Nahverkehr (rund 7 Mrd. Euro) z.B. auch Ruhestandsbezüge ehemaliger Bundesbahnbeamter in Höhe von 3,7 Mrd. Euro.3

Zu bedenken sind auch die hohen Infrastrukturfinanzierungsbedarfe auf Ebene der Länder und der Gemeinden. So betragen allein die derzeitigen Nettoausgaben für Kreis- und Gemeindestraßen ca. 10 Mrd. Euro p.a., es besteht auf dieser Ebene vielfältiger Investitionsbedarf für den ÖPNV, und auch von den Ländern werden hohe investive Ausgaben für den Verkehr getätigt. Insgesamt würden die verkehrsbezogenen Abgaben jedoch ausreichen, um die notwendigen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen finanzieren zu können.

Zweckbindung von Steuereinnahmen?

Andererseits gilt für die Mineralölsteuer (und selbstverständlich auch die Kfz-Steuer) das finanzwissenschaftliche Non-Affektations-Prinzip, d.h. die grundsätzliche Nicht-Zweckbindung der Steuereinnahmen. Das Non-Affektations-Prinzip wird bezüglich der Mineralölsteuer aber faktisch durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz von 1960 durchbrochen, das in Artikel 1 eine Zweckbindung des auf den Kraftverkehr entfallenden Teils der Mineralölsteuer für Zwecke des Straßenwesens vorschreibt. Ab 1965 wurde die Bindung auf 50% des Aufkommens für Zwecke des Straßenwesens reduziert. Seit Anfang der 1970er Jahre wird diese teilweise Zweckbindung in den Haushaltsgesetzen Jahr für Jahr abgemildert, indem sie auf generelle verkehrspolitische Zwecke erweitert wird.

Auch in der Finanzwissenschaft wird die Mineralölsteuer nicht primär als eine allgemeine Steuer gesehen, sondern als eine Äquivalenzabgabe für den Straßenverkehr interpretiert, für die eine Zweckbindung gerechtfertigt ist. Dem Staat entstehen Straßenvorhaltungskosten durch den Kraftfahrzeugverkehr. Er kann diesen daher als Äquivalent für eine staatliche Sonderleistung mit einer besonderen Abgabe belasten. Insofern wäre eine enge Zweckbindung der Mineralölsteuer allein für den Straßenverkehr durchaus sachlich gerechtfertigt. Aus polit-ökonomischer Perspektive dürfte allerdings klar sein, dass sie politisch nicht mehrheitsfähig ist. Wenn zudem Umschichtungen von konsumtiven zu investiven Haushaltsverwendungen ebenfalls nicht durchsetzbar sind, werden Politiker, die mehr Geld für Verkehrsinfrastruktur ausgeben wollen, zur ultima ratio von Abgabenerhöhungen schreiten.

Neue Finanzierungsquellen

Als generelle Möglichkeit zur Schöpfung von Mitteln scheint neben Mehrwertsteuererhöhungen die Anhebung von Einkommen- und Ertragsteuern oder die (Wieder-)einführung der Vermögensteuer bzw. einer Vermögensabgabe opportun. Über die gesamtwirtschaftlichen Effekte solcher Maßnahmen soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden; es scheint jedoch offensichtlich, dass diese Vorschläge nicht primär verfolgt werden sollten, wenn spezifische Finanzierungsquellen aus dem Verkehrssektor selbst zur Verfügung stehen. Hinzuweisen ist allerdings auf die Entfernungspauschale bzw. die generelle Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für den Weg zur Arbeitsstätte im Einkommensteuerrecht. Eine Abschaffung dieser Subvention mit zudem unerwünschten verkehrserzeugenden Effekten würde ca. 4 Mrd. Euro zusätzliches Steueraufkommen generieren.

Zielführender als allgemeine Steuererhöhungen könnte eine Reform bzw. Erhöhung der verkehrsspezifischen Steuern sein. Nachdem die in ihren Anreizwirkungen diffuse Kraftfahrzeugsteuer seit dem 1.7.2009 eine Bundessteuer ist, wäre zum einen eine Umlegung dieser Steuer auf die Mineralölsteuer denkbar; zum anderen wäre eine Erhöhung der Steuersätze auf Benzin und Diesel möglich, die zuletzt zum 1.1.2003 angepasst wurden. Unterstellt man, dass mit einer Erhöhung des Steuersatzes um 1 Cent ca. 600 Mio. Euro Mehreinnahmen zu erwarten sind,4 dürfte eine Erhöhung der Mineralölsteuersätze um 10 Cent bis 15 Cent ausreichen, um den derzeit genannten Finanzbedarf zu befriedigen. Ungeachtet einer vorzunehmenden umfassenden Wirkungsanalyse erscheint dies jedoch allein deswegen kontraproduktiv, weil infolge der notwendigen Steuersatzerhöhung auch für Dieselkraftstoff die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Straßengüterverkehrsgewerbes maßgeblich beeinträchtigt würde. Hinzu kommt, dass man den ohnehin bedenklichen EU-Tanktourismus im gewerblichen Verkehr zusätzlich befeuern würde.

Ein Ausweg aus dieser Problemlage wäre die Erweiterung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 t und die Einführung einer Pkw-Maut für Autobahnen, idealerweise in Form einer Vignette. Aus verkehrspolitischer Sicht wären diese Maßnahmen wettbewerbsneutral und würden (je nach Mauthöhe) schätzungsweise jeweils bis zu 4 Mrd. Euro in die Kasse bringen. Es bleibt allerdings ein Wermutstropfen: Auch bei der Einführung der Lkw-Maut im Jahre 2005 hatte man eine Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen in Aussicht gestellt. Letztendlich wurden aber hierdurch nur die allgemeinen Haushaltsmittel substituiert. Damit wurde die generelle Akzeptanz höherer Belastungen für die Nutzer der Straßeninfrastruktur erheblich beschädigt; eine Pkw-Maut dürfte daher in der Bevölkerung nur akzeptiert werden, wenn glaubhafte Zusicherungen für eine zusätzliche investive Verwendung dieser Mittel abgegeben werden.

Sehr ruhig geworden ist es in der letzten Zeit um die so genannte Privatfinanzierung von Verkehrsinfrastrukturen. Sie war und ist ohnehin nur für den Straßensektor relevant, da nur hier ausreichende Rückflüsse seitens der Nutzer entstehen, welche die Renditeerwartungen von privatem Kapital erfüllen. Nach den katastrophalen Resultaten der in Deutschland umgesetzten F-Modelle scheinen auch die Erfahrungen mit den auf einigen Autobahnen begonnenen A-Modellen nicht uneingeschränkt positiv zu sein. In jedem Fall ist zu befürchten, dass die Einbindung Privater im gegebenen institutionellen Kontext erhebliche Risiken und auch gesamtwirtschaftliche Mehrkosten mit sich bringt. Die schnellere Verfügbarkeit von Infrastrukturen aufgrund privaten Engagements wird in der Regel teuer erkauft.5

Nutzerfinanzierung als Königsweg?

Es bleibt als Ausweg eine konsequentere Verfolgung der Nutzerfinanzierung, die nicht nur auf zusätzliche Einnahmen der Infrastrukturnutzer, sondern auch auf die Integration verkehrsspezifischer Steuereinnahmen und eine größere Staats- und Haushaltsferne der eigentlichen Infrastrukturbewirtschaftung setzt. Bei einer Nutzerfinanzierung („user pays principle“) sind Verkehrsinfrastrukturen primär über Benutzungsabgaben zu finanzieren, wobei wohlfahrtsökonomische Überlegungen zur optimalen Struktur solcher Gebühren wichtig sind, denn es sollen ja nach Möglichkeit keine Nutzer verdrängt werden.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Mineralölsteuer in ihrer Zwitterrolle aus der Finanzierungsverantwortung für die Verkehrsinfrastruktur entlassen wird. Es macht aber angesichts der heutigen Finanzierungsprobleme des Verkehrssektors keinen Sinn, auf der dogmatisch zwar nach wie vor richtigen, aber realitätsfernen Position zu verharren, dass die Mineralölsteuer alleine der Finanzierung des Straßenverkehrs zu dienen habe, die Einführung weiterer Nutzungsabgaben daher entbehrlich sei und die anderen Verkehrsträger selbst für ihre Finanzierung zu sorgen hätten.

Ein pragmatischer Blick auf die derzeitige verfahrene Situation dürfte klarmachen, dass eine Pkw-Maut im Sinne einer intelligenten Vignette zusammen mit einer Ausdehnung der Lkw-Maut auf niedrigere Gewichtsklassen die erforderlichen Mittel generieren könnte, um die notwendige Finanzierung des Fernstraßennetzes zu ermöglichen und damit aus dem Korsett der jährlichen Haushaltsfinanzierung zu lösen. Diese institutionelle Trennung müsste dann aber auch konsequent umgesetzt werden, um die zu erwartenden Effizienzpotenziale zu heben.

Schwieriger erscheint die Situation bei den Verkehrsträgern Schiene und Binnenwasserstraße. Das Fundamentalproblem der Schieneninfrastruktur in Deutschland ist, dass unter realistischen Annahmen ein kostendeckender Betrieb nicht möglich erscheint. Nach dem letzten vorliegenden Wegekostengutachten wurden die (gesamtwirtschaftlichen) Kosten der Schieneninfrastruktur 2007 nur zu 47% gedeckt, im Güterverkehr sogar nur zu 11%. Die Finanzierung der Schieneninfrastruktur erfolgt daher zu einem überwiegenden Teil aus Bundesmitteln: Während Neu- und Ausbauvorhaben seit langem ausschließlich über nicht rückzahlbare Baukostenzuschüsse finanziert werden, wird die Instandhaltung des Bestandsnetzes seit 2009 mit Mitteln aus einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und Bahn in Höhe von 2,5 Mrd. Euro p.a. unterstützt.

Bei kritischer Betrachtung tickt in der Finanzierung der Schieneninfrastruktur eine Zeitbombe. So wurden allein im Zehnjahreszeitraum 2002 bis 2011 von der Bahn über 73 Mrd. Euro investiert, wovon aber nur 29 Mrd. aus Eigenmitteln stammten. Hier tut sich eine Lücke von 44 Mrd. auf, die im Wesentlichen auf Infrastrukturvorhaben entfällt und im Rechnungswesen der DB AG aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht auftaucht, denn Investitionen aus verlorenen Zuschüssen dürfen in der Bilanz nicht aktiviert werden. Es ist aber in Frage zu stellen, ob im Bahngeschäft ausreichende Mittel verdient werden, um die trotzdem ökonomisch relevanten Abschreibungen auf diesen Produktionsfaktor zu verdienen und so die Anlagen auf Dauer zu erhalten. Die jüngst seitens der DB AG erhobene Forderung nach einer Erhöhung der LuFV-Mittel für das Bestandsnetz auf 4 Mrd. Euro deutet in diese Richtung.6

Noch sehr viel problematischer erscheint die Umsetzung einer reinen Nutzerfinanzierung in der Binnenschifffahrt. Schifffahrtsabgaben decken heute nur zu einem sehr geringen Teil die Infrastrukturkosten der Binnenwasserstraßen, insbesondere weil das Rheinstromgebiet aufgrund bindender völkerrechtlicher Verträge abgabenfrei ist. Dringend erforderliche höhere Investitionen in die Infrastruktur können daher nur über zusätzliche Haushaltsmittel realisiert werden. Zu beachten ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass der Bund in den Jahren 2009 bis 2011 im Mittel 2,1 Mrd. Euro für Zwecke der Bundeswasserstraßen verausgabt hat. Im fraglichen Zeitraum lagen die Investitionen in die Infrastruktur aber nur bei 1,1 Mrd. p.a. Gut die Hälfte der Haushaltsmittel entfällt demnach auf die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die mit rund 13 000 Mitarbeitern eine der größten Bundesbehörden darstellt.

Fazit: mehr Geld allein reicht nicht

Es steht zu befürchten, dass in dieser Behördenstruktur trotz in der Vergangenheit bereits absolvierter Reformen und Einsparungsprogramme erhebliche Ineffizienzen schlummern, eine Schlussfolgerung die mutatis mutandis auch für Straße und Schiene gilt: Begleitend zur Sicherung ausreichender Finanzierungsgrundlagen ist die Frage nach der Effizienz und Effektivität des institutionellen Rahmens der staatlichen Infrastrukturbereitstellung und der operativen Umsetzung bei Planung, Bau und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen zu stellen. Wünschenswert wäre daher die Einsetzung einer dritten Verkehrsinfrastrukturkommission, die sachgerechte und politisch durchsetzbare Antworten für diese Herausforderungen erarbeiten sollte.

  • 1 Vgl. stellvertretend K.-H. Hartwig: Infrastruktur in Not – Volkswirtschaftliche Aspekte des Straßenverkehrs, in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft (Hrsg.), 45. Deutscher Verkehrsgerichtstag, Hamburg 2007, S. 316-331.
  • 2 Vgl. Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (Daehre-Kommission): Abschlussbericht, Berlin 2012.
  • 3 Vgl. T. Puls: Stur in den Stau? Ein Plädoyer für neue Wege in der deutschen Verkehrspolitik, Positionen zur Ordnungspolitik aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Nr. 59, Köln 2013.
  • 4 Vgl. Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, a.a.O., S. 68.
  • 5 Vgl. A. Knorr, A. Eisenkopf: Road Infrastructure PPPs in Germany: Why Did the F-Modell Fail?, Two Case Studies, Speyer, September 2008.
  • 6 Vgl. V. Böttger: Die Eisenbahninfrastruktur knirscht, in: Bahn-Report Nr. 2, 2013, H. 182, S. 6.

Title:German Transport Infrastructure: Decrepit and Underfinanced

Abstract:In German transport infrastructure provision, political decision-making and a lack of user charges are the main reasons for inefficiencies, such as underinvestment, misallocation of funds and congestions. In the last decades, transport policy in Germany has focused on network extensions, while maintaining and renewing the infrastructure have been neglected. Additional financial resources will be needed to restore the quality of the federal, state and local transportation networks, in order of magnitude of €7.2 billion p.a. in the next 15 years. Although the government collects about €45 billion in taxes and infrastructure charges from road transport, it is unable to fund the transport infrastructure adequately. Several committees have suggested new concepts to provide sufficient funding, continuity and efficiency for renewing the transport infrastructure, and different options of raising more funds are under discussion (launching a fund, increasing general or energy taxes, extending road charges). Special attention is paid to the political economy of public funding and both tax and charge resistance which are considered to be the main obstacle rather than a lack of ideas or scientific knowledge. In the end, German transport infrastructure does not only need additional money but also structural reforms to increase efficiency in the infrastructure sector.

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DOI: 10.1007/s10273-013-1582-5