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Die Bundesfernstraßen bilden das verkehrliche Rückgrat der Bundesrepublik Deutschland. Zum Bundesfernstraßennetz zählen knapp 13 000 km Autobahn, 40 000 km Bundesstraßen und ungefähr 39 000 Brücken. Diese werden vom Bund finanziert, die konkrete bauliche Betreuung wird aber von Landesbehörden wahrgenommen, die im Rahmen der sogenannten Auftragsverwaltung für den Bund tätig werden.

Heute gibt es guten Grund, sich über den Zustand dieser für Deutschland lebenswichtigen Infrastruktur Sorgen zu machen, denn die Bundesfernstraßen sind seit Langem deutlich unterfinanziert. Die unterlassenen Investitionen der letzten 15 Jahre sind inzwischen vielen Strecken und Brücken anzumerken. Verschärft wird die Situation dadurch, dass im gleichen Zeitraum die Belastung der Bundesfernstraßen – insbesondere durch den Güterverkehr – kräftig angestiegen ist. 2014 wurde auf den Straßen eine Verkehrsleistung von 469 Mrd. tkm erbracht. Im Jahr 2000 waren es noch 346 Mrd. tkm. Zudem ist zu beobachten, dass die Investitionslücke im Laufe der Jahre immer größer geworden ist. Das liegt daran, dass die Investitions­etats des Verkehrsministers für den Straßenbau weitgehend konstant geblieben sind, während die Baukosten für Straßen und Brücken deutlich angezogen haben. Für die kommenden Jahre ist jetzt aber eine Trendwende geplant. Laut Koalition sollen die Investitionen in die Bundesfernstraßen in den Jahren 2016 bis 2018 sichtbar steigen, wobei die Masse der zusätzlichen Mittel durch Mauteinnahmen bereitgestellt werden soll. Auch wenn noch offen ist, ob die geplanten Investitionen ausreichen werden, um den Investitionsbedarf der Bundesfernstraßen zu decken, stellen sie doch in jedem Fall eine große Erleichterung dar. Allerdings wird sich noch erweisen müssen, ob die Behörden in der Lage sein werden, die zusätzlichen Mittel abzurufen, denn fast alle Bundesländer haben im letzten Jahrzehnt ihre Bauplanungsabteilungen so stark reduziert, dass schon die heutigen Mittel nicht verbaut werden können. Das zeigt, dass mehr Geld eine notwendige, aber keine hinreichende Maßnahme zur Sicherung der Straßeninfrastruktur in Deutschland ist.

Baulicher Zustand des Bundesfernstraßennetzes besorgniserregend

Ende November 2012 wurde die Leverkusener Brücke für den Lkw-Verkehr gesperrt. Inzwischen ist klar, dass die Brücke nicht mehr zu retten ist und bis spätestens 2020 ersetzt werden muss. Die Vorgänge rund um eine der meist genutzten Autobahnbrücken Deutschlands stehen dabei exemplarisch für einen schleichenden Prozess des Substanzverlustes, der inzwischen große Teile der deutschen Verkehrsinfrastruktur betrifft.

Wie groß der Sanierungsbedarf inzwischen ist, zeigt sich im Rahmen der regelmäßigen „Zustandserfassung und -bewertung der Fahrbahnoberflächen von Straßen“ (ZEB). Bei der ZEB werden die baulichen Zustände von Bundesautobahnen oder Bundesstraßen mithilfe schnell fahrender Messfahrzeuge erfasst und anhand einer Notenskala klassifiziert. Wenn eine Straße die Note 4,5 oder schlechter erhält, ist von dringendem Reparaturbedarf auszugehen. Eine Note von 3,5 gilt als Warnschwelle. Die jüngsten ZEB-Ergebnisse für die Bundesfernstraßen zeigen,1 dass inzwischen beachtliche Teile dieser Hauptverkehrsrouten sanierungsbedürftig sind. Zwar bekommt mehr als die Hälfte der Fahrbahnen von Autobahnen die Note „sehr gut“, jedoch erhalten fast 19% eine Note von 3,5 oder schlechter (vgl. Tabelle 1). Fast 9% sind sogar als dringend reparaturbedürftig ausgewiesen. Für die Bundesstraßen sieht es im Vergleich noch deutlich schlechter aus. Fast 39% des Netzes weisen eine Zustandsnote oberhalb des Warnwerts auf und fast 21% sind dringend reparaturbedürftig, dies entspricht über 8000 Streckenkilometern.

Tabelle 1
Zustand der Bundesfernstraßen
in % der Bundesfernstraßen, mit den Noten 1,00 bis 5,00
1,00-1,49 1,50-3,49 3,50-4,49 4,50-5,00
Bundesautobahnen 55,8 25,7 9,9 8,7
Bundesstraßen 29,8 31,5 17,8 20,9

Rundungsdifferenzen; Zustandsnoten auf einer Skala von 1,00 = sehr gut bis 5,00 = sehr schlecht.

Quelle: Deutscher Bundestag: Verkehrsinvestitionsbericht für das Jahr 2012, Berlin 2014, S. 192.

Auch der Zustand der Brücken wird regelmäßig untersucht. Bei dem Verfahren wird allerdings nur eine Viererskala verwendet, und es basiert auf anderen Kriterien als die der ZEB. Eine Brücke mit einer Note von 3,5 und schlechter weist also einen ungenügenden Bauzustand auf. Die Warnschwelle liegt in diesem Verfahren bei einer Note von 2,5. Fast die Hälfte der untersuchten Brückenflächen erhielt zuletzt bestenfalls die Note „befriedigend“ (Note von weniger als 2,5). Mit „nicht ausreichend“ wurden gut 12% bewertet und knapp 2% erhielten die Note „ungenügend“.

Auch wenn der Zustand größerer Teile des Bundesfernstraßennetzes bedenklich ist, so ist zu betonen, dass die Lage in den nachgeordneten Straßennetzen deutlich schlimmer ist. Allerdings wird die Datenlage umso schlechter, je weiter man in der Hierarchie der Straßen nach unten geht. Schätzungen gehen aber davon aus, dass in absehbarer Zeit allein in den deutschen Kommunen gut 10 000 Brücken ersetzt werden müssen.

Unterfinanzierung und Substanzverlust: eine langfristige Entwicklung

Der Hauptgrund für den beschriebenen Substanzverlust liegt in einer lang anhaltenden Unterfinanzierung des Bundesfernstraßennetzes. Schon im Jahr 2000 wies die Pällmann-Kommission2 für die Bundesfernstraßen einen Finanzbedarf von ungefähr 7 Mrd. Euro pro Jahr aus. Dieser Investitionsbetrag wurde seitdem nicht einmal erreicht. Zwischen 2000 und 2005 lagen die Investitionen in die Bundesfernstraßen zumeist knapp unter 5 Mrd. Euro, danach schwankten sie zumeist zwischen 5,0 Mrd. Euro und 5,4 Mrd. Euro. Diese Zahlen zeigen bereits, dass die Investitionsrückstände seit dem Bericht der Pällmann-Kommission kräftig angestiegen sind.

Eine greifbare Folge hatte der Pällmann-Bericht aber dennoch, allerdings nur auf der Einnahmenseite. Die Einführung der Lkw-Maut zum 1. Januar 2005 geht auf Empfehlungen dieser Kommission zurück. Mit Hilfe dieses neuen Instrumentes hat der Bund inzwischen gut 40 Mrd. Euro eingenommen. Allerdings kam nur ein Teil davon dem Straßenverkehr zugute, da bei der Formulierung des Mautgesetzes bewusst darauf verzichtet wurde, eine echte Zweckbindung für den Straßenbau einzuführen. Erst 2011 wurde diese Gesetzeslücke geschlossen. Das hatte zur Folge, dass von den seit 2005 aufgelaufenen Mauteinnahmen nur 24,3 Mrd. Euro in die Bundesfernstraßen investiert wurden.3 Weitere 7,8 Mrd. Euro flossen in Schiene und Wasserstraße, der Rest wurde zur Deckung der Mauterhebungskosten aufgewendet. Doch obwohl erhebliche Einnahmen erzielt wurden, blieb die Einführung der Lkw-Maut ohne Effekt auf die Investitionsetats im Verkehrsministerium, denn zeitgleich wurden im großen Umfang Steuermittel aus dem Haushalt des Verkehrsministers abgezogen. Für den Investitionsetat ergab sich damit ein Nullsummenspiel. Die Investitionen blieben weitgehend konstant. Im Jahr 2005 standen 5,2 Mrd. Euro zur Verfügung, für 2015 sind Investitionen von 5,1 Mrd. Euro geplant. In dieser Größenordnung bewegen sich die Investitionen seit dem Jahr 2000. Es gab nur einen Ausreißer: 2009 wurden die Investitionen im Rahmen der Konjunkturpakete I und II deutlich aufgestockt, dies wirkte auch 2010 noch nach (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Investitionen und Preise im Straßenbau
2005 = 100
31927.png

Quellen: Statistisches Bundesamt: Preisindizes für die Bauwirtschaft, Fachserie 17, Reihe 4, Wiesbaden 2015, S. 16; Bundesministerium der Finanzen.

Völlig anders entwickelten sich die Baukosten für Straßen und Brücken. Von 2000 bis 2005 blieben diese ebenfalls konstant. Doch dann begannen die Baupreise deutlich zu steigen. Besonders kräftig stiegen sie bis zum Krisenjahr 2008, vor allem wegen steigender Rohstoffkosten. Doch auch in den Folgejahren kletterten die Baukosten weiter, wobei die zunehmende Gesamtnachfrage im Bausektor eine Treiberrolle übernommen hatte. 2015 liegt der Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes für den Straßenbau gute 31% über dem Wert von 2005. Beim Brückenbau ist ein Plus von ungefähr 25% zu verzeichnen. Mit anderen Worten: Seit 2005 sind die Investitionsrückstände weiter angewachsen, da der Bund für seine weitgehend konstanten Mittel immer weniger Bauleistungen einkaufen kann.

Diesen Befund bestätigten auch die Untersuchungen der von der Verkehrsministerkonferenz eingesetzten Daehre-Kommission, die im Dezember 2012 ihren Bericht vorlegte.4 Sie ermittelte eine jährliche Finanzierungslücke über alle Verkehrsträger in Höhe von mindestens 7,2 Mrd. Euro. Für die Bundesfernstraßen ergab sich ein Finanzbedarf von 7 Mrd. Euro pro Jahr und eine Unterdeckung des Etats von 2,1 Mrd. Euro.5 Es ist zu betonen, dass diese Werte als Untergrenze zu verstehen sind, da sie von kapazitätssteigernden Neu- und Ausbauten abstrahieren. Diese sind aber insbesondere auf den besonders stark belasteten Routen dringend geboten.

Anstieg der Investitionen und mehr Mautabgaben

Nun zeichnet sich am aktuellen Rand eine Änderung ab. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Einführung der Pkw-Maut kündigten Koalitionspolitiker einen deutlichen Anstieg der Investitionen in die Bundesfernstraßen an. Der Investitionsetat soll von 5,1 Mrd. Euro (2015) auf 8,2 Mrd. Euro (2018) erhöht werden. Wenn diese Ankündigungen umgesetzt werden können, würde die Finanzlücke im Fernstraßenbereich erstmals signifikant reduziert. 2015 sind 5,1 Mrd. Euro für den Fernstraßenbau eingeplant. Davon stammen 3,1 Mrd. Euro aus der Lkw-Maut und 2 Mrd. Euro aus Steuermitteln.6 Der Anteil der Steuermittel befindet sich damit auf einem historischen Tiefstand. Der Betrag liegt zudem deutlich unter dem, was sich aus der in Art. 1 Straßenbaufinanzierungsgesetz7 festgelegten Zweckbindung von Teilen der Mineralölsteuer ergeben würde. Denn würde dieser Artikel nicht im Rahmen der jährlichen Haushaltsgesetzgebung regelmäßig ausgesetzt, müssten jedes Jahr schätzungsweise 6 Mrd. Euro aus der Mineralölsteuer für den Fernstraßenbau bereitgestellt werden.

Abbildung 2
Finanzierungsquellen für Bundesfernstraßen
in Mrd. Euro
31714.png

Quelle: ProMobilität.

Der geplante Investitionsanstieg soll sich dabei aus verschie­de­nen Quellen speisen (vgl. Abbildung 2). Im Rahmen des im November 2014 vom Bundesfinanzminister angekündigten 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogrammes sol­len bis 2018 insgesamt 1,9 Mrd. Euro für Investitionen in die Bundesfernstraßen bereitgestellt werden. Zudem stehen in den kommenden beiden Jahren aufgrund der im Koalitionsvertrag vereinbarten Aufstockung der Investitionsmittel um 5 Mrd. Euro über die Legislaturperiode zusätzliche Steuermittel zur Verfügung, die jedoch 2018 auslaufen. Hinzu kommen gut 330 Mio. Euro aus den in diesem Jahr beschlossenen Ausweitungen der Lkw-Maut auf Lkw ab 7,5 t und weitere 1100 km vierspurige Bundesstraßen. Diese zusätzlichen Investitionsmittel können als gesichert angesehen werden.8

Die Masse der angekündigten Investitionen soll aber über zusätzliche Mauteinnahmen finanziert werden. Hierbei handelt es sich um deutlich unsichere Einnahmen, denn weder die für 2018 geplante Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen noch die zum 1. Januar 2016 beschlossene Einführung der Pkw-Maut sind schon in trockenen Tüchern und tauchen daher auch noch nicht in der Finanzplanung des Bundes auf. Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen soll ab 2018 zusätzliche Einnahmen von bis zu 2 Mrd. Euro für den Fernstraßenhaushalt einbringen, befindet sich aber noch im Gesetzgebungsverfahren. Ferner ist der Zeitplan für dieses Projekt nicht unambitioniert, sieht er doch eine Ausweitung des mautpflichtigen Straßennetzes von ungefähr 15 000 Streckenkilometern auf nahezu 53 000 km in nur drei Jahren vor.

Auch hinter dem planmäßigen Start der Pkw-Maut stehen noch rechtliche Fragezeichen. Die EU-Kommission hat zu dieser Frage am 1. Juni 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angekündigt. Auch das geplante zusätzliche Einnahmevolumen von 500 Mio. Euro wird von vielen Experten als sehr optimistische Schätzung angesehen. Doch selbst wenn hinter einigen Positionen noch Fragezeichen stehen, ist in den kommenden Jahren mit einer spürbaren Ausweitung des Investitionsetats für die Bundesfernstraßen zu rechnen. Wenn die Pläne umgesetzt werden, wird das Unterfinanzierungsproblem spürbar reduziert werden. Ob es aber gelingt, die zusätzlichen Investitionsmittel auch in die entsprechenden Bauleistungen umzusetzen, wird sich erst noch erweisen müssen.


DOI: 10.1007/s10273-015-1844-5