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Dieser Beitrag ist Teil von Die Zukunft der Mobilität in Deutschland: Strategien für nachhaltigen Verkehr

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und Vor­aus­setzung für eine effiziente arbeitsteilige Wirtschaft. Deutschland war lange bekannt für seine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. In den letzten 20 Jahren jedoch hat Deutschland die Weiterentwicklung dieser Infrastruktur vernachlässigt. Die Güterverkehrsleistung ist in diesem Zeitraum um ca. 30 % gestiegen, die Verkehrsleistung im Personenverkehr um ca. 10 %. Das Anlagevermögen der Verkehrsinfrastruktur ist gleichzeitig brutto nur um etwa 10 %, netto um rund 5 % angestiegen (BMDV, 2024a, S. 34-35, 218-219, 244-245).

Die aktuellen Berichte zum Zustand von Gleisen und Straßen passen zu diesen aggregierten Werten. So steigt gemäß Infrastrukturzustandsbericht das Durchschnittsalter der Eisenbahnbrücken seit Jahren an, eine seriöse Auswertung wird allerdings durch häufige Methodenwechsel erschwert1. Auch auf der Straße wird ein Sanierungsstau berichtet (Heyl & Richardsen, 2025), Brückeneinstürze und kurzfristige Sperrungen, wie aktuell in Dresden, Magdeburg und Berlin, lösen kaum noch öffentliche Aufregung aus.

Angesichts der großen politischen Krisen rückt die Sorge um die Umwelt in den Hintergrund. Zwar befürwortet weiterhin eine große Mehrheit der Deutschen den ökologischen Umbau der Wirtschaft, der Anteil derer, die die Umwelt für ein wichtiges Thema halten, ist zuletzt jedoch deutlich zurückgegangen (BMUV & UBA, 2023). Die gesellschaftliche Diskussion über den Beitrag jedes Einzelnen zum Klimaschutz (z. B. „Flightshaming“) hat deutlich abgenommen. In Deutschland ist binnen vier Jahren der Anteil derer, die sich selbst in der Verantwortung für den Klimaschutz sehen, von 69 % auf 53 % gesunken (Zeit Online, 2025).

Dazu passt, dass sich auch die Muster der Verkehrsmittelnutzung in Deutschland kaum ändern. Seit zwei Jahrzehnten ist der Modal Split, also der prozentuale Anteil, den verschiedene Verkehrsmittel am gesamten Personenverkehrsaufkommen haben, sehr stabil. All die Verbesserungen bei Eisenbahn und Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) haben nicht zu einer Steigerung des Marktanteils geführt. Im Güterverkehr ist der Modal Split von Lkw und Schiene über die Jahrzehnte zulasten der Binnenschifffahrt leicht angestiegen.

Reaktion auf geändertes Umweltbewusstsein

Die deutsche Politik reagiert auf das abnehmende Umweltbewusstsein der Bürger. Letztes Jahr wurde das Klimaschutzgesetz dahingehend geändert, dass die Ziele zur Emissionssenkung nicht mehr nach Sektoren getrennt nachgewiesen werden müssen. Hintergrund war, dass in den letzten Jahren der Verkehrssektor seine Reduktionsziele nie erreicht hat. Eigentlich hätte die Regierung ein Maßnahmenpaket für den Verkehr beschließen müssen, um die Ziele zu erreichen. Dies wäre politisch sehr unpopulär. Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2025 enthielten kaum noch Maßnahmen zur Emissionssenkung im Verkehr, auch der aktuell vorliegende Koalitionsvertrag umfasst keine ernsthaften Ansätze. Sehr konkret hingegen sind Vereinbarungen zur Förderung des Flugverkehrs, für den Lkw-Verkehr und zum Führerscheinerwerb. Für das Klima sind diese Maßnahmen eher schädlich, es ist aber davon auszugehen, dass sie bei den Wählern starke Unterstützung genießen.

Eine alternde Verkehrsinfrastruktur, eine abnehmende Besorgnis der Bevölkerung um den Klimaschutz und wenig Veränderung des Mobilitätsverhaltens bilden die aktuellen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen für die neue Bundesregierung.

Geringes Interesse an Investitionen

Noch vor Bildung der Regierung hat der Bundestag ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro für die Verkehrsinfra­struktur geschaffen. Unmittelbar nach der Beschlussfassung verlagerten sich die Diskussionen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf den Kernhaushalt, der durch das Sondervermögen entlastet werden wird. Die verhandelnden Parteien überboten sich in Forderungen, die freien Haushaltsmittel an die eigene Klientel zu verteilen. Dies zeigt ein fundamentales Problem des politischen Betriebes in Deutschland: Alle Parteien sehen ihre primäre Aufgabe darin, ihre jeweiligen Wählergruppen finanziell besserzustellen. Dabei liegt der Fokus stets auf Maßnahmen, die kurzfristig wirken, idealerweise in der aktuellen Legislaturperiode. Investitionen entfalten ihre Wirkungen allerdings erst mit Umsetzung, also oft mit jahrelanger Verzögerung. Entsprechend gering ist das Interesse der Politik daran.2

Während um die Mittel im Bundeshaushalt intensiv gerungen wurde, gab es in den Wochen nach Beschlussfassung wenig Diskussionen zur Verwendung des Sondervermögens. Länder und Kommunen sollen 100 Mrd. Euro erhalten, die Deutsche Bahn AG (DB AG) hat Anspruch auf 150 Mrd. Euro erhoben. Im Entwurf des Koalitionsvertrages wird nur festgelegt, dass Straße, Schiene und Schifffahrt „angemessene“ Mittel erhalten sollen. Zeitgleich gab es erste Vorstöße aus der Politik, das Sondervermögen Infrastruktur auch für konsumptive Ausgaben zu öffnen (Timmler, 2025; Welt, 2025).

Nicht nur die sektorale Aufteilung des Sondervermögens, sondern auch die Nutzung der Mittel ist bei den Diskussionen um die Regierungsbildung in den Hintergrund geraten. Tatsächlich wird es nicht einfach sein, einen solchen Betrag sinnvoll einzusetzen. Um die Herausforderung zu verstehen, sind die Umsätze und Bauvolumina der letzten Jahre genauer zu untersuchen.

Verkehrsbauvolumina und Kostenentwicklung

2023 hat der staatliche Sektor rund 35 Mrd. Euro in Verkehrsbauten investiert (BMDV, 2024a). Dies ist ein Anstieg um nominal 75 % binnen 10 Jahren. Allerdings verbirgt sich hinter dieser Entwicklung weniger eine Steigerung der Bauvolumina als vielmehr eine massive Kostensteigerung. Laut einer Auswertung im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sind die Baukosten für Straßenbauprojekte des Bundesverkehrswegeplan im Zeitraum von 2015 bis 2022 um 67 %, für Schienenprojekte gar um 80 % gestiegen. Bereinigt um die allgemeine Preissteigerung, ergibt sich für die Straße eine Steigerung von 42 % und die Schiene von 54 % (Hartl et al., 2025, S. 48). Anders gesagt, sind die Projektkosten in dem Zeitraum massiv stärker angestiegen als die allgemeine Inflationsrate.

Ähnlich ist das Ergebnis einer Auswertung der Mengen und Preise aus dem Infrastrukturzustandsbericht der DB AG (DB AG, 2008; 2023). Danach haben sich die Baukosten je berichteter Einheit (z. B. Brücke, Weiche, Gleismeter) in den Jahren 2018 bis 2023 etwa verdoppelt (Berschin, 2025).

Die Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zu geleisteten Arbeitsstunden und Umsätzen von Bauunternehmen im Straßen- und Bahnbau bestätigen diese Befunde grundsätzlich. Die Umsätze der Bauunternehmen im Straßen- und Bahnbau sind im Zeitraum von 2015 bis 2024 deutlich stärker gestiegen als die kumulierte Steigerung von Arbeitsstunden und Inflationsrate. Diese „unerklärte“ Steigerung betrug in dem Zeitraum knapp 30 % (Statistisches Bundesamt, 2024).

So unterschiedlich die verwendeten Datensätze und Analysemethoden auch sind, zeigen sie alle, dass die Preise für Projekte im Verkehrswegebau im letzten Jahrzehnt deutlich stärker gestiegen sind als die allgemeine Inflationsrate. Ein Teil der Differenz lässt sich wohl dadurch erklären, dass die Inputpreise wie z. B. Material- und Lohnkosten überproportional gestiegen sind. So zeigen die Destatis-Daten, dass die Stundenlöhne in dem betrachteten Segment von 2015 bis 2024 um 47 % gestiegen sind, während die allgemeine Inflationsrate im Zeitraum nur 27 % betrug. Generell sind die Löhne in Deutschland in diesem Zeitraum stärker gestiegen als andere Indizes, zunehmend getrieben vom Fachkräftemangel. Dabei wird berichtet, dass der Personalmangel besonders im gewerblichen Bereich und bei Tätigkeiten mit Schichtarbeit einerseits zu Engpässen, andererseits zu überproportionalen Lohnsteigerungen geführt hat. Allerdings tragen die Lohnkosten nur rund 20 % zu den Umsätzen des untersuchten Sektors bei. Für andere Kostenblöcke der Bauunternehmen liegen keine ähnlich detaillierten Informationen vor.

Es bleibt die alternative Hypothese, dass die Margen der Bauunternehmen in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegen sind. Dies wird anekdotisch bestätigt, eine systematische Datenauswertung ist dem Autor nicht bekannt.

Bei aller Unschärfe der Daten ergibt sich aber eine plausible Erklärung für die Entwicklung der letzten Jahre: Die Bauindustrie hat aufgrund der geringen Investitionstätigkeit der Öffentlichen Hand in den Jahren bis ungefähr 2015 Kapazitäten abgebaut. Etwa zu dieser Zeit verbesserte sich die Haushaltslage, die Investitionen stiegen an. Gleichzeitig setzte die Wirkung des demografischen Wandels ein, der Arbeitsmarkt wurde enger, es wurde immer schwieriger, freie Stellen zu besetzen. In dieser Situation stiegen zum einen die Löhne überproportional, zum anderen entstanden zunehmend Engpässe bei der Projektbearbeitung. Aus den letzten Jahren wird bei Bahnprojekten von Ausschreibungen berichtet, bei denen nur ein oder gar kein Angebot eingereicht wurde.3 Eine geringe Wettbewerbsintensität führt im Allgemeinen zu höheren Preisen, als Resultat erwirtschaften die Baufirmen höhere Margen.

Zu viele Mittel verfügbar?

Vor dem Hintergrund dieser plausiblen, wenngleich nicht belegten Hypothese ist zu diskutieren, wie die in Aussicht stehenden zusätzlichen Mittel des Sondervermögens In­fra­struk­tur sinnvoll verausgabt werden könnten. Hierzu ist im ersten Schritt zu untersuchen, ob in dem vorgesehenen Zeitraum hinreichend Projekte geplant und von der Planungs- in die Umsetzungsphase überführt werden können. Anschließend ist zu prüfen, ob hinreichend Ressourcen zur baulichen Realisierung vorhanden sind und welche Konsequenzen ein Ressourcenmangel hätte.

Ausgehend von den 35 Mrd. Euro Verkehrsinvestitionen in 2023 würde das Sondervermögen, wenn es wie geplant binnen 12 Jahren verausgabt würde, die aktuell verfügbaren Mittel mehr als verdoppeln. Grundsätzlich gibt es kaum Zweifel, dass ein entsprechender Bedarf besteht. Wie auch für andere Verkehrsträger gibt es für die Schiene eine lange Liste überfälliger Projekte: Die offenen Projekte des „vordringlichen Bedarfes“ im Bundesverkehrswegeplan wurden vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf 89 Mrd. Euro taxiert (BMDV, 2024b). Etliche der noch nicht begonnen Projekte sind bereits seit 1992 als „vordringlich“ aufgeführt.4 Bei den Werten für Ersatzinvestitionen schwanken die Angaben, zuletzt hat die DB AG einen Wert von 170 Mrd. Euro bis 2034 genannt, davon etwa die Hälfte aus dem Sondervermögen (DB AG, 2025). Nicht enthalten in diesen Werten sind etliche Projekte, die für das Zielnetz des Deutschlandtaktes oder für das Wachstum des Güterkehrs erforderlich wären (SMA & Partner AG et al., 2021; Ifok, 2022). Darüber hinaus verfolgen Länder und Kommunen zahlreiche Nahverkehrsprojekte, insbesondere Neu- und Ausbau von S-Bahn, U-Bahn und Tram, Grundsanierung von ÖPNV-Strecken und die Reaktivierung stillgelegter Strecken. Für das Hauptfinanzierungsinstrument, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, sind Projekte mit einem Volumen von 80 Mrd. Euro angemeldet (Müller, 2025). Alle vorgenannten Werte beruhen auf Kostenabschätzungen, die einige Jahre alt sind und mit den aktuellen bahnspezifischen Kostensteigerungssätzen zu beaufschlagen sind.

Erster Projektschritt bei Infrastrukturvorhaben ist stets die Planung. In diesem Schritt bestehen heute massive Engpässe. Die Planung wird aufgrund immer komplexerer Regelwerke immer aufwändiger. Der Bedarf an Planung variiert nach Projekttypen. Für Projekte des Neu- und Ausbaus entsteht hoher Planungsaufwand, bei Ersatzinvestitionen ist der Planungsaufwand deutlich niedriger. In jedem Fall bestehen Engpässe bei der Planung sowohl bei den beantragenden Stellen (DB InfraGo oder andere Infrastrukturbetreiber) als auch bei den genehmigenden Behörden. Nur in Einzelfällen werden die Gründe offen benannt.5

Auch wenn kein klarer Nachweis erbracht werden kann, scheint die Hypothese plausibel, dass nicht nur Baukapazitäten hoch ausgelastet sind, sondern auch Planungskapazitäten. Trotz mehrfacher politischer Ankündigungen gibt es keine nennenswerten Vorratsplanungen für die Schiene. Selbst in der aktuellen Lage stoppt die DB AG offenbar wegen fehlender Finanzierung die Planung zentraler Projekte (Schwietering, 2025).

Reformansätze für mehr Infrastrukturinvestitionen

Zentrale Frage ist, wie sichergestellt werden kann, dass die Investitionsmittel wirtschaftlich eingesetzt werden. Dies steht in Frage aufgrund der zuvor beschriebenen Annahme, dass bereits heute die Planungs- und Bauressourcen hoch ausgelastet sind und es kaum denkbar ist, binnen 12 Jahren doppelt so viel Geld für Infrastrukturprojekte zu verausgaben, ohne dass die Preise explodieren.

Ein Baustein für ein Maßnahmenprogramm wäre eine weitere Beschleunigung der Planungsverfahren. Die bisherigen Initiativen des Bundes zu diesem Thema sind weitgehend verpufft, weitere Maßnahmen sind erforderlich. Es scheint sinnvoll, eine Liste mit Projekten zu identifizieren, bei denen ein Baubeginn schnell erfolgen kann und diese Projekte vorzuziehen. Dies könnte insbesondere bedeuten, dass in den ersten Jahren vermehrt Mittel für Ersatzinvestitionen verwendet werden sollten, für die wenig Planungsvorlauf erforderlich ist.

Zugleich ist ein neuer Umgang mit Anwohnerwiderstand erforderlich. Die derzeitigen Formate führen zu massiver Verzögerung und teils absurden Kostensteigerungen. Viele Konflikte sind nur eingefroren, weil die Anwohner sich bislang darauf verlassen konnten, dass die Projekte wegen fehlender Mittel verschoben wurden. Hinreichende Mittel und Zeitdruck bei der Umsetzung werden die Konflikte aktivieren und zu einer großen Widerstandswelle führen.

Die Schaffung zusätzlicher Ressourcen für Planung und Bau wird von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Investitionsprogrammes sein. In den letzten Jahren wurde Fachkräftemangel bei den medial inszenierten „Bahngipfeln“ und „Masterplänen“ thematisiert und untersucht (BMVI, 2020; Büker et al., 2022; Hartmann et al., 2022). Tatsächlich sind jedoch kaum Maßnahmen umgesetzt worden. Ideen liegen auf dem Tisch. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen von Politik, Verwaltung und Branche, um die Ressourcen so weit aufzubauen, dass die verfügbaren Investitionsmittel sinnvoll verausgabt werden können.

In den letzten Jahren hat die Bauwirtschaft den Aufbau von Kapazitäten gescheut, weil es eine große Unsicherheit hinsichtlich der längerfristigen Geschäftsaussichten gab. Das Sondervermögen ermöglicht eine stabile Finanzierung. Zu überlegen ist, mit welchen Verfahren einerseits der Wettbewerb erhalten und ausgebaut werden kann, anderseits die einzelnen Unternehmen hinreichend Sicherheit erlangen können, damit sie Investitionen tätigen. Auch ist zu prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, verstärkte Anreize für internationale Wettbewerber zu geben, sich an Vergaben in Deutschland zu beteiligen.

All diese Maßnahmen sind erforderlich, um die alternde Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu erneuern. Es zeichnet sich aber ab, dass zumindest in den ersten Programmjahren des Sondervermögens keine neue Infrastruktur entstehen wird, die eine massive Verkehrsverlagerung auf die Schiene ermöglicht. Dies führt zu der Frage, welche Verlagerungsziele realistisch sind und welche Optionen jenseits neuer Infrastruktur bestehen, um Verkehr auf die Schiene zu verlagern.

Handlungsbedarf jenseits von Investitionen

Wie oben erläutert, ist es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten trotz massiver Investitionen in den öffentlichen Verkehr nicht gelungen, ernsthaft zusätzlich Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Alle Parteien scheuen ernsthafte Eingriffe, um eine Verkehrsverlagerung regulatorisch zu erzwingen („Push“). Stattdessen wird Mobilität aller Verkehrsträger immer intensiver subventioniert. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung setzt diese Entwicklung fort (unter anderem Senkung der Luftfahrtsteuer, Erhöhung der Pendlerpauschale, Festschreibung des Deutschlandtickets). Vor dem Hintergrund der oben geschilderten abnehmenden Umweltorientierung der Wähler ist in Deutschland keine politische Trendwende zu erwarten. Es wird über Jahre wohl keine ernsthaften politischen Initiativen geben, mit denen Druck in Richtung einer umweltfreundlichen Verkehrsverlagerung ausgeübt wird.

So bleibt nur, die Modernisierung des Netzes anzugehen und darüber hinaus die Optimierungspotenziale innerhalb des Sektors konsequent zu heben:

Die DB AG hat seit zwei Jahren sehr erfolgreich das Narrativ in der Öffentlichkeit platziert, die alternde Infrastruktur sei das Kernproblem der Eisenbahn in Deutschland. Die Störungsstatistiken bestätigen diese Behauptung nur sehr eingeschränkt. Tatsächlich besteht aber ein anderes, weniger kommuniziertes, Problem in der Überlastung der Infrastruktur (Leuschel, 2023). Binnen 20 Jahren ist die Nutzung um etwa 15 % gestiegen und hat sich immer mehr auf die Hauptachsen verschoben. So ist eine Überlastungssituation entstanden, die auch die betriebliche Stabilität massiv beeinträchtigt. Eine Reduktion der Zugzahlen, vor allem im Schienenpersonennahverkehr (SPNV), und flankierende Maßnahmen könnten den Betrieb massiv verbessern.

Ein weiteres Problem, das den Betrieb der Eisenbahn in Deutschland massiv erschwert, ist die zunehmende Zahl technisch-betrieblicher Vorschriften. Diese sind bei der Bahn weit rigider als bei anderen Verkehrsträgern und bei Bahnen in Nachbarländern (Prechtl & Schulz, 2020). In der Branche wird diese Überregulierung als erhebliches Problem wahrgenommen, das Kosten treibt und die Betriebsstabilität reduziert. Allerdings fehlen Ansatzpunkte und politische Unterstützung für eine Reform der Regelwerke. Mit einem entsprechenden Programm könnte die Eisenbahn finanziell und betrieblich deutlich entlastet werden.

Ein dritter Ansatzpunkt ist die Marktordnung bei der Eisenbahn. Der Wettbewerb im SPNV war jahrelang ein Erfolgsmodell, inzwischen ziehen sich Marktteilnehmer zurück, bei vielen Ausschreibungen gibt es keine Angebote mehr. Ursache ist neben Kostensteigerungen eine problematische Risikoverteilung – weitgehend haften die Betreiber für Störungen der Infrastruktur, die sie nicht beeinflussen können. Hier ist eine Korrektur des eigentlich erfolgreichen Modells erforderlich.

Im Güterverkehr haben Wettbewerber inzwischen 60 % Marktanteil. Das Segment Einzelwagenverkehr ist ein natürliches Monopol, das heute nur von DB Cargo organisiert wird. Das Segment ist, wie auch in anderen Ländern, defizitär. Der Bund bezuschusst den Betrieb, da einige Branchen auf diese Verkehre angewiesen sind. Im Rahmen der Restrukturierung der DB Cargo sollte ein anderes Marktmodell geprüft werden, z. B. mit Ausschreibungen.

Des Weiteren sollte die Steuerung der DB AG durch den Eigentümer fundamental reformiert werden. In den letzten Jahren hat weder die Steuerung durch vertragliche Vereinbarungen noch die direkte Steuerung durch den Eigentümer funktioniert. Die wirtschaftliche und die betriebliche Krise des Unternehmens entwickelte sich trotz vertraglicher Vereinbarungen und unter den Augen von Aufsichtsrat, Ministerium und Bundestag. Zur Steuerung wird ein neues Konzept benötigt. Eine Möglichkeit besteht darin, das Verhältnis zwischen Bund und Deutscher Bahn durch Verträge zu regeln. Diese müssten gegenüber heute klarer ausgestaltet sein und klarere Pönalen, auch gegenüber dem Management, enthalten. Die andere Option besteht darin, die Rolle als Eigentümer stärker zu nutzen. Hierfür wäre ein besserer Durchgriff auf den Aufsichtsrat sinnvoll, z. B. durch eine Umwandlung der DB AG in eine GmbH.

Schließlich bestehen wohl auch erhebliche Optimierungspotenziale innerhalb des DB Konzerns. In den letzten Jahren ist die Verwaltung stark gewachsen, viele Entscheidungen wurden zentralisiert, zugleich wurden die Verantwortlichkeiten so atomisiert, dass Entscheidungen immer langsamer – und weit weg von den Fachleuten vor Ort – getroffen werden. Die DB AG hat ein Kostensenkungsprogramm angekündigt, ähnliche Programme wurden mehrfach in der Vergangenheit angekündigt und versandeten jeweils.

Fazit

Das Sondervermögen Infrastruktur bietet eine große Chance, die alternde Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu modernisieren. Politisch zeichnet sich allerdings derzeit keine Mehrheit für eine Verkehrsverlagerung auf der Schiene ab, entsprechende politische Impulse sind nicht zu erwarten. Angesichts der hoch ausgelasteten Kapazitäten für Planung und Baudurchführung muss der Einsatz der Mittel sorgfältig geplant werden. Für die Schiene wird in den kommenden Jahren die Infrastruktur der entscheidende Engpass bleiben. Entsprechend wird es von zentraler Bedeutung sein, andere Optimierungspotenziale des Sektors zu heben.

  • 1 Das Durchschnittsalter der Brücken in Deutschland war 2008 mit 54 Jahren angegeben, im Jahr 2023 waren es 75,9 Jahre (DB AG, 2008; 2023).
  • 2 Gleiches gilt auch für Strukturreformen (z. B. in der Rentenversicherung) und Kostensenkungen im öffentlichen Sektor.
  • 3 Genannt werden z. B. die Elektrifizierungen bei der Euregiobahn, der Voreifelbahn und S5 Hamburg..
  • 4 Z. B. die Bahnstrecken Hamburg – Hannover, Frankfurt – Mannheim.
  • 5 Ausnahmsweise berichtet wurde von der Verzögerung bei der Regionaltangente West (Frankfurter Neue Presse, 2024) oder mehrfachen Verzögerungen bei der Reaktivierung der Strecke Kiel – Schönberg, (Südschleswigscher Wählerverband, 2025).

Literatur

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Title:More Money in a Tense Situation: How the Special Infrastructure Fund Can Be Used Effectively

Abstract:Germany’s infrastructure is not keeping pace with the growing need for mobility. The Infrastructure Special Fund is intended to reverse this trend. However, price increases in recent years, some of which have significantly exceeded inflation, raise concerns that the expected increase in demand for construction services as a result of the special fund will cause prices to rise further. Planning and construction resources are already at high capacity. This article, therefore, explores how the anticipated additional resources from the special fund can be spent wisely. Opportunities include simplifying planning procedures and enforcing regulatory measures to shift traffic from road to rail.

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© Der/die Autor:in 2025

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DOI: 10.2478/wd-2025-0085