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Mehr Flexibilität im Arbeitsmarkt hat kürzere und flüchtigere Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Folge. Damit erodieren Vertrauen und Loyalität, wodurch Betriebe mehr Manager benötigen, um die Folgen einzudämmen. Die Autoren zeigen am Beispiel der Niederlande, dass Organisationen mit mehr flexiblen Arbeitskräften signifikant mehr Manager beschäftigen als vergleichbare Organisationen mit mehr fest angestelltem Personal. Interessant ist auch der Befund, dass kleinere Betriebe im Vergleich zu Großbetrieben relativ viele Manager haben und dass die Managementebene in jungen Betrieben keinesfalls kleiner ist als in älteren. Bemerkenswert ist auch, dass Organisationen im öffentlichen Sektor relativ weniger Manager beschäftigen als private und marktorientierte Organisationen.

Ein viel gehörtes Argument in der europäischen Arbeitsmarktdebatte lautet, dass der Gesetzgeber Stammbelegschaften (zu) gut schützt, wodurch Betriebe gezwungen sind, ihren Bedarf an personeller Flexibilität durch das Anheuern von flexiblen (atypischen) Beschäftigten sicherzustellen. So argumentiert etwa Muffels, dass zeitlich befristete Anstellungen, Leiharbeitskräfte oder Werkvertragsnehmer (in den Niederlanden: „Selbständige ohne Personal“) dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt flexibler funktioniert, wodurch knappe Mittel effizienter eingesetzt werden.1 Bei dieser Art von Argumenten wird allerdings zuweilen vergessen, dass mit dem „freieren“ Funktionieren von Märkten auch das Marktversagen zunehmen kann.

So zeigt sich z.B. in den Niederlanden, dass das Anheuern von flexiblen Arbeitskräften auf Unternehmensniveau mit der Innovation2 sowie mit dem Wachstum der Wertschöpfung pro Arbeitsstunde3 negativ zusammenhängt. Dies kann mit einer Reihe von Argumenten, unter anderem externe Effekte, Informationsasymmetrien oder Mangel an Motivation und Loyalität von flexiblen Arbeitskräften begründet werden. Bei rascherem Personalumsatz spielen solche Faktoren eine größere negative Rolle für die Innovation. Vor allem die „kreative Akkumulation“ und Geheimhaltung von (oft personengebundenem) Wissen wird bei rascherem Personalumsatz schwieriger, wodurch Monopolgewinne aus der Innovation schneller erodieren. Damit vermindert sich der Anreiz, in riskante Innovationsprojekte zu investieren.4

Vor diesem Hintergrund untersuchen wir die folgende Hypothese: Mehr Flexibilität in den Arbeitsbeziehungen geht auf Kosten von Vertrauen und Loyalität. Dadurch benötigen Betriebe mehr Manager, um die Folgen von illoyalem Verhalten zu beherrschen. Mit anderen Worten: mit mehr flexiblen Arbeitskräften steigt auch der Anteil der Manager in der Belegschaft.

Der Einfluss von „weichen“ Faktoren wie Vertrauen und Loyalität auf die Unternehmensführung ist bislang wenig erforscht. Inspiriert durch Arbeiten von Gordon in den USA5 haben Storm und Naastepad auf Basis von ILO-Daten gezeigt, dass in typisch „rheinländischen“ Arbeitsmärkten der Anteil der Manager an der Belegschaft in den 1980er und 1990er Jahren zwischen 2% und 6% lag.6 In flexibleren angelsächsischen Arbeitsmärkten hingegen liegen die Anteile zwischen 11,5% und 13,5%. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung von De Beer, dass der Anteil der Manager an der niederländischen Erwerbsbevölkerung von Ende der 1970er Jahre bis Ende der 1990er Jahre von 2% auf 6% stieg – dies geschah in einer Periode, in der flexible Arbeit deutlich zugenommen hat.7

Naastepad und Storm argumentieren, dass eine steigende Managerzahl ein Indikator für den Abbau von sozialem Kapital ist.8 Diese Hypothese wird durch Ergebnisse von Svensson unterstützt.9 Svensson zeigt, dass durch flexible Arbeit Vertrauen vermindert wird. Gegen die Ergebnisse von Naastepad und Storm könnte man einwenden, dass sie möglicherweise durch einen inflationären Gebrauch des Begriffs „Manager“ in angelsächsischen Kulturen und/oder durch andere (nicht observierte) nationale Besonderheiten verzeichnet sind. Es ist darum interessant, ihre Hypothese mit Mikrodaten innerhalb eines Landes mit gleicher nationaler Kultur und Institutionen zu untersuchen.

Daten

Das Arbeitsnachfrage-Panel des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP) der Niederlande bietet die Gelegenheit, die Hypothese von Naastepad und Storm mit Daten auf Organisationsniveau zu untersuchen. Die SCP-Daten sind im Internet dokumentiert.10 Sie beruhen auf einer Stichprobe unter allen Organisationen in den Niederlanden mit einer Untergrenze von fünf Arbeitnehmern. Neben Industrie, Dienstleistungsgewerbe und Landwirtschaft wurden auch nicht-kommerzielle Organisationen und Einrichtungen des öffentlichen Sektors in die Stichprobe aufgenommen. Der Datensatz erfasst Informationen über den Anteil von „Menschen in Führungsfunktionen“ an der Gesamtbelegschaft und deckt danach auch allerlei Arbeitsmarktindikatoren ab, darunter den Anteil von flexiblem Personal. Bei letzteren wird nach zwei Kategorien gefragt: (1) Personal mit zeitlich befristeten Verträgen und (2) Leiharbeiter plus Werkvertragsnehmer („Selbständige ohne Personal“). Derzeit wird der Anteil flexibler Arbeitnehmer in den Niederlanden auf 23% bis 35% geschätzt, je nach Definition (vgl. Abbildung 1).11

Abbildung 1
Anteil flexibler Arbeitnehmer an der erwerbstätigen Bevölkerung der Niederlande, 1991-2010
in %
31861.png

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des Arbeitsnachfragepanels des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP), (www.dans.knaw.nl).

In diesem Beitrag wird der Anteil der flexiblen Arbeitskräfte an der Belegschaft als Indikator für flexible Arbeitsverhältnisse genutzt. Wir testen, ob letztere (nach Kontrolle für andere Faktoren) die Unterschiede in der Managerzahl zwischen Organisationen erklären können. Die zweijährliche Umfrage umfasst ungefähr 3000 Organisationen in den Niederlanden mit fünf und mehr Arbeitnehmern,
gegliedert nach Sektor und Organisationsumfang. Die Daten wurden in drei telefonischen Umfragerunden sowie einer schriftlichen Befragung gesammelt.

Der Anteil der Manager schwankt zwischen 12% und 14% des gesamten Personals. Dies ist höher als die Prozentsätze in den Studien von Naastepad und Storm bzw. von De Beer.12 Der Unterschied kann auf unterschiedliche Definitionen und den Messzeitpunkt zurückzuführen sein.

 

Vorgehen

Aus pragmatischen Gründen haben wir die Umfrage 2009 bis 2010 genutzt und beschränken uns auf Daten aus der ersten telefonischen Umfragerunde. Diese erfasst die für die Analyse wichtigsten Variablen und hat die größte Zahl von Beobachtungen (in späteren Umfragerunden fallen regelmäßig Organisationen aus). Die Beschränkung auf eine Umfrage hat den Nachteil, dass wir im Regressionsmodell keine Zeitverzögerung zwischen exogenen und endogenen Variablen aufnehmen können. Wir müssen also vorsichtig sein mit kausalen Schlussfolgerungen.13

Die interessantesten Variablen für die Erklärung von Unterschieden in der Managerzahl sind die beiden oben genannten Indikatoren für flexible Arbeit. Im Anfangsstadium unserer Schätzungen zeigte sich, dass beide einen signifikant positiven Einfluss auf die Zahl der Manager haben. Dies galt allerdings nur, wenn eine der beiden Variablen aufgenommen und die andere weggelassen wurde. Bei gleichzeitiger Aufnahme von beiden Variablen ergibt sich ein Problem mit Multikollinearität (die Korrelation ist 0,46). Wir haben darum die beiden Variablen mit Hilfe
einer Faktoranalyse zusammengefügt.14 Dies hat den Vorteil, dass wir die drei wichtigsten Formen flexibler Arbeit in den Niederlanden (Zeitverträge, Leiharbeit und Selbständige ohne Personal) in einem Indikator zusammengefasst in die Schätzung aufnehmen können.

Als Kontrollvariablen dienen unter anderem das Alter und der Umfang der Organisation. Es wird viel geschrieben über kleine, junge und unternehmende Organisationen mit übersichtlichen Organisationsstrukturen und kurzen Kommunikationslinien („lean and mean“). Tabelle 1 suggeriert allerdings, dass die Beziehung zwischen Organisationsgröße und Zahl der Manager anders ist, als viele intuitiv erwarten würden: kleinere Organisationen haben relativ mehr Manager als größere. Hier scheint sich ein klassisches Problem kleiner Organisationen zu manifestieren: zu geringe Skalenerträge. Interessant ist außerdem, dass sich junge Organisationen nicht unterscheiden von älteren. Tabelle 2 gibt dieselbe Information nach Sektoren. Hier zeigt sich ebenfalls ein kontra-intuitives Bild: Organisationen im Bildungssektor, im Gesundheitsbereich und Regierungsinstanzen scheinen relativ weniger Manager zu haben als markt-
orientierte Unternehmen.

Tabelle 1
Manageranteil nach Organisationsumfang und Organisationsalter
Größenklassen (Arbeitnehmer) Manager in % Größenklassen (Organisationsalter) Manager in % Zahl der Beobachtungen
1 bis 9 22,4 5 Jahre oder weniger 13,9 587
10 bis 19 14,8 6-10 Jahre alt 14,2 545
20 bis 99 11,1 11-20 Jahre alt 14,1 771
100 bis 499 8,2 21-50 Jahre alt 13,7 706
>500 8,3 >50 Jahre alt 12,3 216

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des Arbeitsnachfragepanels des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP), (www.dans.knaw.nl).

Tabelle 2
Sektoraler Anteil verschiedener Arbeitsverhältnisse
in %
Sektor Manager zeitlich befristete Arbeitskräfte Leiharbeiter + Unternehmer ohne Personal Zahl der Beobachtungen
Landwirtschaft 21,60 18,31 15,31 33
Holz, Textil, Papier, etc. 13,56 12,20 9,50 24
Chemie 12,08 5,36 11,20 45
Metallindustrie 13,62 13,51 15,40 91
Maschinenbau 13,60 11,14 10,27 252
Automobilbau 14,54 15,22 18,56 248
Kommerzielle Dienstleister 13,27 12,61 8,61 254
Öffentlicher Dienst 8,44 23,85 12,53 283
Bauindustrie 16,63 11,03 16,30 97
Groß- und Einzelhandel 15,78 23,01 10,59 71
Transport 12,44 19,46 13,84 220
Kenntnisintensive Dienstleister 14,22 19,23 11,74 238
Regierung 9,00 9,22 8,30 52
Ausbildungssektor 8,40 16,95 4,95 532
Gesundheitssektor 10,60 15,79 5,45 211
Nicht-kommerzielle Dienstleister 14,47 24,65 9,01 210

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des Arbeitsnachfragepanels des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP), (www.dans.knaw.nl).

Zum Schluss nehmen wir in unserem Schätzmodell Dummy-Variablen auf für die Frage, ob es in den letzten beiden Jahren eine große Reorganisation, Fusion etc. gab. Solche Maßnahmen ermöglichen einen Abbau von überflüssigen Managementebenen. Wir kontrollieren auch, ob die Organisation in einer Umgebung mit großem Wettbewerbsdruck funktioniert und/oder ob die Aktivitäten empfindlich sind für Konjunkturschwankungen. Unsere Regressionen sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Tabelle 3 dokumentiert die dazugehörigen deskriptiven Statistiken.

Tabelle 3
Deskriptive Statistik
  Durchschnitt Standardabweichung Minimum Maximum Zahl der Beobachtungen
Kontinuierliche Variablen
Anteil der Manager in % 13,2 9,5 0 100 2828
Log Zahl der Arbeitnehmer 1,6 0,7 0 4,1 2825
Log Alter der Organisation 1,4 0,4 0 2,0 2551
Log Stellen- wachstum 2,0 0,1 0 3,1 2443
Zeitlich befristete Stellen in % 17,3 17,4 0 180 1984
Leiharbeiter und Selbständige ohne Personal in % 10,7 13,4 0 100 1458
Dummy-Variablen
Reorganisation (letzte 2 Jahre)?, in % Ja: 30,5 - - - 2861
Starker Wettbewerbsdruck?, in % Ja: 76,3       2854
Konjunktur- empfindliche Aktivitäten?, in %

Ja: 63,1       2861

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des Arbeitsnachfragepanels des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP), (www.dans.knaw.nl).

Tabelle 4
Zusammenfassung der Regressionen zu den Managementebenen
  Modell 1 Modell 2 Modell 3
Kontroll-Variablen Koeffi­zienten t-Werte Koeffi­zienten t-Werte Koeffi­zienten t-Werte
Konstante 21,92 6,35*** 23,45 8,85** 27,26 10,19***
Log Arbeitnehmer -7,48 -26,02*** -7,01 -15,04** -6,97 -25,15***
Log Wachstumsrate der Arbeitnehmer -0,94 -0,65 -0,76 -0,59 -0,50 -0,39
Log Alter der Organisation (Jahre) -0,17 -0,38 -0,04 -0,61 -0,01 -1,51
Reorganisation: ja (Dummy)     0,92 2,29** 0,89 2,24**
Starker Wettbewerbsdruck?: ja (Dummy)     1,37 3,07*** 0,67 1,49
Empfindlich für die Konjunktur?: ja (Dummy)     1,87 5,02*** 1,39 3,71***
Kernvariable: Flexible Arbeit, d.h. der Faktorscore von: % befristete Stellen + % Leiharbeiter und Selbständige ohne Personal 0,73 2,89** 1,75 3,62*** 1,68 4,58***
Sektor-Dummys (Referenzgruppe: Landwirtschaft) nein nein ja ja
Textil, Papier, Holz, etc.         -2,06 -1,27
Chemie         -2,18 -0,98
Metallindustrie         -3,24 -1,47
Maschinenbau         -2,98 -1,25
Automobilbau         -2,85 -1,01
Kommerzielle Dienstleister         -4,17 -1,58
Öffentlicher Dienst         -3,69 -1,32
Bauindustrie         -1,34 -0,75
Groß- und Einzelhandel         -1,97 -0,98
Transportdienste         -4,88 -1,67
Kenntnisintensive Dienstleister         -2,07 -1,11
Regierungseinrichtungen         -4,78 -2,18**
Bildungssektor         -6,58 -3,86***
Gesundheitssektor         -6,64 -3,97***
Nicht-kommerzielle Dienstleister         -5,26 -2,09**
R2 0,207 0,254 0,291
Zahl der Beobachtungen: 1397 1255 1255

* (**) [***] bezeichnen ein Signifikanzniveau von 10% (5%) [1%].

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des Arbeitsnachfragepanels des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP), (www.dans.knaw.nl).

Ergebnisse

Tabelle 4 fasst unsere OLS-Regressionen in drei Modellen zusammen. Wir beginnen mit einem einfachen Modell und fügen schrittweise Variablen hinzu. Im Allgemeinen verursacht das schrittweise Hinzufügen von neuen Variablen wenig Veränderungen in den Koeffizienten der übrigen Variablen (mit einer Ausnahme beim einfachsten Model). Interessant ist auch, dass das Hinzufügen von Sektor-Dummys wenig verändert.

Tabelle 4 zeigt, dass der Anteil flexibler Arbeitskräfte einen signifikant positiven Effekt auf die Zahl der Manager hat. Organisationen mit mehr flexiblen Arbeitnehmern haben also deutlich mehr Manager als (vergleichbare) Organisationen mit mehr fest angestellten Mitarbeitern. Dieser Befund ist konsistent mit dem Argument, dass Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern eine feste Anstellung mit Langfristperspektive bieten, damit auch in Vertrauen und Loyalität investieren, wodurch Transaktionskosten niedriger bleiben. Oder umgekehrt: Wenn durch flexible Arbeit Vertrauen und Loyalität vermindert werden, dann ist auch mehr Kontrolle durch zusätzliches Management nötig.

Des Weiteren bestätigen die multivariaten Schätzungen in Tabelle 4 das Bild aus den deskriptiven Tabellen 1 und 2: Regierungsinstitutionen, Einrichtungen für Bildung, Organisationen im Gesundheitssektor und nichtkommerzielle Dienstleister haben weniger Manager als private, marktorientierte Unternehmen. Die positiven Koeffizienten für die Variablen „empfindlich für die Konjunktur“ und „starker Wettbewerbsdruck“ geben an, dass diese Faktoren den Umfang von Managementebenen in privaten Organisationen (weiter) erhöhen können.

Die Koeffizienten für das Alter der Organisation sind negativ und insignifikant. Wie auch immer man dies interpretiert: Es gibt keine Unterstützung für die Vermutung, dass jüngere Organisationen weniger Manager hätten als ältere. Tabelle 4 bestätigt auch das Bild aus Tabelle 2: Kleinere Organisationen haben relativ mehr Manager als größere. Alles in allem unterstützen unsere Schätzungen nicht das populäre Bild von alten und großen verkrusteten Organisationen versus kleine („lean and mean“), junge und unternehmende Organisationen. Es scheint eher so, als ob letztere oft unfähig sind, Skalenerträge bezüglich des Managements zu benutzen.

Zum Schluss ist interessant, dass die Vermutung über einen möglicherweise günstigen Einfluss von eingreifenden Strukturveränderungen (Reorganisationen, Fusionen etc.) auf die Managementebenen nicht durch die Ergebnisse unterstützt wird. Im Gegenteil: Nach den Strukturveränderungen gibt es relativ mehr Manager! Eine mögliche Erklärung liegt in der Notwendigkeit von zusätzlichem Management, um die Organisation nach der Strukturveränderung wieder zu integrieren und gut funktionieren zu lassen. Eine ergänzende Erklärung liegt möglicherweise darin, dass in einer Periode eingreifender Strukturveränderungen die Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze fürchten und sich anderswo bewerben. Im Prinzip finden die besten Mitarbeiter dann als erste eine andere Stelle („adverse selection“). Die Organisation muss dann nach der Reorganisation mit denen weiterarbeiten, die sich nicht wegbewerben konnten. Sinkt dann die Unternehmensleistung, dann ist die klassische Reaktion, dass man die Zügel mit zusätzlichem Management und Kontrolle anzieht. Der Prozess von „adverse selection“ könnte übrigens auch eine der Erklärungen dafür sein, dass so viele Fusionen und Übernahmen hinterher die Erwartungen nicht erfüllen.15

Zum Schluss

Unter neoklassisch geschulten Ökonomen besteht ein breiter Konsensus bezüglich der Notwendigkeit von „strukturellen Reformen“ des Arbeitsmarkts. Aus Walrasianischer Perspektive führt im Prinzip jedes Hindernis gegen das „freie“ Funktionieren von Märkten zu Wohlfahrtsverlusten. Dies gilt auch für Starrheiten im Funktionieren von Arbeitsmärkten. Aus neoklassischer Perspektive würden Strukturreformen des Arbeitsmarktes (wie etwa die Lockerung des Kündigungsschutzes) eine effizientere Verwendung knapper Mittel erlauben. Allerdings wird hier zuweilen vergessen, dass „freiere“ Märkte oft auch mehr Marktversagen bedeuten, und dann vor allem Marktversagen bezüglich der Innovation. Dies läuft darauf hinaus, dass Institutionen, die eine effiziente Allokation knapper Mittel fördern, gerade nicht förderlich (oder sogar kontraproduktiv) sind für die Innovationen, die Mittel weniger knapp machen.16

Dieser Beitrag fügt dieser Diskussion ein Element hinzu: Wenn der Arbeitsmarkt durch den Einsatz von atypischen Stellen „dynamischer“ funktioniert und Menschen kürzer für denselben Arbeitgeber arbeiten, dann hat das einen Preis. Es findet ein Abbau von sozialem Kapital statt: weniger Vertrauen und Loyalität.17 Dadurch steigen die Transaktionskosten. Unsere Ergebnisse sind konsistent mit dieser Hypothese: Organisationen mit mehr flexiblen Arbeitnehmern haben offensichtlich signifikant mehr Manager nötig. Wenn umfangreichere Managementebenen zu schwerfälligen und komplexen Entscheidungsprozessen führen, dann kann das für kreative und unternehmende Mitarbeiter frustrierend sein. Es liegt in diesem Zusammenhang auf der Hand zu spekulieren, ob die hohe Zahl von Start-ups etwa in den USA nicht auch das Ergebnis umfangreicher Managementebenen in bestehenden Betrieben sind.18 Diese könnten jedenfalls den kreativsten Mitarbeitern starke Anreize geben, zur Realisierung ihrer Ideen eigene Betriebe zu gründen, mit allen Risiken, die damit verbunden sind. Sollte diese Vermutung realistisch sein, dann ist die relativ niedrige Zahl von Start-ups im alten Europa nicht unbedingt ein Nachteil: Möglicherweise haben kreative Menschen in europäischen Betrieben mit relativ weniger Managern einfach mehr Spielraum für gute Ideen. Diese Vermutung fordert selbstverständlich mehr Forschung.

Da die Studie auf einer einfachen Querschnittsanalyse beruht, müssen wir mit kausalen Schlussfolgerungen vorsichtig sein. Nichtsdestoweniger sind die Ergebnisse konsistent mit der Hypothese, dass die Nutzung flexibler Arrangements in der Personalpolitik letztendlich mehr Rigidität in der Unternehmensführung zur Folge hat. Mehr Flexibilität führt also wieder zu mehr Rigidität. Es gibt halt nie ein „gratis lunch“! (Milton Friedman).

  • 1 R. J. A. Muffels et al.: Flexicurity en sociale modellen in Europa, in:
    A. Goudzwaard, J. Sanders, W. Smits (Hrsg.): Dynamiek op de Nederlandse Arbeidsmarkt, Den Haag 2015.
  • 2 A. Kleinknecht, F. N. Van Schaik, H. Zhou: Is Flexible Labour Good for Innovation? Evidence from Firm-level Data, in: Cambridge Journal of Economics, 38. Jg. (2014), H. 5, S. 1207-19.
  • 3 R. Vergeer, S. Dhondt, K. Kraan, A. Kleinknecht: Will „Structural Reforms“ of Labour Markets Reduce Productivity Growth? A Firm-Level Investigation, in: European Journal of Economics and Economic Policy, 2015, http://www.elgaronline.com/abstract/journals/ejeep/aop/ejeep.2015.00011.xml.
  • 4 Vgl. A. Kleinknecht: How ‚Structural Reforms‘ of Labour Markets Harm Innovation, Research Paper, Nr. 6, Juli 2015, http://www.socialeurope.eu/book/re-no-6-how-structural-reforms-of-labour-markets-harm-innovation/, für mehr Argumente.
  • 5 D. M. Gordon: Who Bosses Whom? The Intensity of Supervision and the Discipline of Labor, in: American Economic Review, 80. Jg. (1990), H. 2, S. 28-32; ders.: Bosses of Different Stripes: A Cross-National Perspective on Monitoring and Supervision, in: American Economic Review, Papers and Proceedings, 84. Jg. (1994), H. 2, S. 375-79.
  • 6 C. W. M. Naastepad, S. Storm: The Innovating Firm in a Societal Context: Labor-Management Relations and Labor Productivity, in: R. Verburg, J. Ortt, W. Dicke: Management of Technology, London 2006, S. 170-191.
  • 7 P. de Beer: Over werken in de postindustriële samenleving, Den Haag 2001, S. 335.
  • 8 C. W. M. Naastepad, S. Storm, a.a.O.
  • 9 S. Svensson: Flexible Working Conditions and Decreasing Levels of Trust, in: Employee Relations, 34. Jg. (2011), H. 2, S. 126-137.
  • 10 Vgl. www.dans.knaw.nl.
  • 11 R. Dekker, H. Howing, L. Kösters: Arbeidsmarkt – Doorstroom van flexwerkers, in: Economisch Statistische Berichten, 97. Jg. (2012), Nr. 4628, S. 70-73.
  • 12 C. W. M. Naastepad, S. Storm, a.a.O.; P. de Beer, a.a.O.
  • 13 Im Anfangsstadium dieser Schätzungen haben wir auch mit der Kopplung von zwei Umfragen experimentiert. Dies hatte den Vorteil, dass die exogenen Variablen aus der Umfrage 2007/2008 zwei Jahre Zeitverzögerung bezüglich der endogenen Variablen aus der Umfrage 2009/2010 haben. Dies hatte jedoch den Nachteil, dass bei der Kopplung der zwei Umfragen annähernd die Hälfte der Beobachtungen verloren gingen (wegen Betriebsbeendigungen, Fusionen, keiner Antworten etc.). Die Koeffizienten dieser Schätzungen sind ungefähr vergleichbar mit den hier wiedergegebenen Schätzungen. Allerdings sind die Signifikanzniveaus im Allgemeinen niedriger (die Schätzungen können auf Anfrage zugeschickt werden). Auch weil die Anteile der Manager und der flexiblen Arbeitnehmer (vgl. Abbildung 1) um 2009/2010 nur geringe Fluktuationen verzeichneten, haben wir entschieden, die Daten aus nur einer Umfrage (2009/10) zu nutzen. Dies hat den Nachteil, dass wir keine Zeitverzögerung zwischen exogenen und endogenen Variablen modellieren können, hat aber den Vorteil einer erheblich größeren Zahl von Beobachtungen.
  • 14 Wir haben eine prinzipale Komponentenanalyse mit orthogonaler Rotation (varimax) ausgeführt. Die Determinante der Korrelationsmatrix hat einen Wert von 0,0098 und ist damit größer als der notwendige Wert von 0,00001. Der Kaiser-Meyer-Olkin(KMO)-Maßstab beträgt 0,67 und erfüllt damit die minimalen Anforderungen. Vgl. A. P. Field: Discovering Statistics Using SPSS, 3. Aufl., London 2009. Der Barlett-Test ist signifikant auf 5%-Niveau (d.h. 0,014). Beide Tests zeigen also, dass die minimalen Anforderungen für eine Faktoranalyse erfüllt sind. Die diagonalen Elemente der Anti-Image-Korrelationsmatrix haben Werte von gut über 0,5 (d.h. 0,73-0,89), und die nicht-diagonalen Elemente haben kleine Werte, was eine gute Faktoranalyse indiziert.
  • 15 Vgl. E. J. J. Schenk: Mergers and Concentration Policy, in: P. Bianchi, S. Labory (Hrsg.): International Handbook of Industrial Policy, Cheltenham 2006, S. 153-179.
  • 16 Vgl. ausführlicher A. Kleinknecht, a.a.O.
  • 17 Vgl. auch S. Sevensson, a.a.O.
  • 18 D. M. Gordon: Who Bosses Whom? … a.a.O.; ders.: Bosses of Different Stripes …, a.a.O.; C. W. M. Naastepad, S. Storm, a.a.O.

Title:Rigidity by Flexibility: Flexible Work and the Growth of Management Bureaucracies

Abstract:Flexibility in labour markets increases transaction costs. Using organisation-level data representative for the Netherlands, we show that firms have higher shares of managers in their personnel if they employ more flexible workers. This fits to earlier observations that Anglo-Saxon countries with flexible labour markets have substantially thicker management bureaucracies than “Rhineland” countries with more regulated labour markets. We also find that percentages of managers in younger firms do not differ from those in older firms, while smaller firms have relatively more managers than larger firms. Moreover, not-for-profit and government organisations have relatively thinner management bureaucracies than private firms.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1913-9