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Die persönlichen Daten der Verbraucher stellen einen Wert dar, der sich auch pekuniär bestimmen lässt. Verschiedene Rabattprogramme wie beispielsweise Payback bieten den Verbrauchern auch einen Gegenwert. Ob dessen Höhe angemessen ist, wird bisher nicht hinterfragt. Zudem gibt es Probleme bei der Interoperabilität digitaler Dienste und der Datenportabilität. Der Autor plädiert dafür, zum einen technische Mindeststandards festzulegen und zum anderen eine Verwertungsgesellschaft Daten einzuführen, die dafür sorgt, dass den Verbrauchern ihre Daten entgeltlich vergütet werden.

Die Vermarktung personenbezogener Daten, auch als „Monetarisierung“ bezeichnet, ist längst in vollem Gange. Viele Verbraucher haben grundsätzlich erkannt, dass in unserer Marktwirtschaft kaum etwas tatsächlich unentgeltlich oder gratis angeboten wird, sondern z.B. der pekuniäre Gegenwert der eigenen Daten zur Bezahlung dient. Die Daten selbst sind dabei keine „Währung“, sondern ökonomisch betrachtet nur deren Gegenwert in Euro oder Dollar, also ihr Tauschwert. Auch wenn im juristischen Kontext z.B. des aktuellen Referentenentwurfs der 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder des Deutschen Juristentags 2016 noch von unentgeltlichen Märkten die Rede ist, sollte dies nicht von diesem klaren ökonomischen Sachverhalt ablenken. Aus ökonomischer Perspektive funktionieren die anbieterseitigen Geschäftsmodelle nachvollziehbarerweise ausschließlich pekuniär.

Offenbar ist dies grundsätzlich auch vielen klar. Auf die Frage „Wie hoch schätzen Sie Ihr persönliches Risiko ein, Opfer der folgenden Gefahren zu wer­den?“ nennen als erste und häufigste Gefahr fast zwei Drittel der Befragten die Gefahr des Weiterverkaufs ihrer Daten, auch eine deutliche Mehrheit der 14- bis 29-Jährigen (57%).1 Die Deutsche Bundesbank ergänzt: „In der Praxis hat sich jedoch häufig gezeigt, dass Verbraucher bereit sind, ihre Verhaltensgewohnheiten offenzulegen, wenn sie dadurch einen finanziellen Vorteil erlangen können. So ist es in Deutschland eine Minderheit von lediglich 10% der Bevölkerung, die Rabattprogramme vollständig ablehnt. Kundenkarten wie beispielsweise die Payback- oder Deutschlandkarte, bei deren Einsatz gezielt Kundendaten bezüglich des Kaufverhaltens gesammelt werden, nutzen rund 60% der Bevölkerung.“2 Schneider fügt hinzu: „75 Prozent der Befragten sind sich allerdings auch der Tatsache bewusst, dass sie für diese kostenlosen Online-Angebote in der Regel mit ihren persönlichen Daten bezahlen müssen.“3 Es ist als alltäglich zu klassifizieren, dass persönliche Daten zu Lebensgewohnheiten oder Kauf- und Zahlungsverhalten weitergegeben und gegen Nutzungsmöglichkeiten verkauft oder auch unbewusst von Nutzern „gespendet“ werden. Graudenz beschreibt die aktuelle Lage so: „Vielfach unbemerkt werden bei fast jeder digitalen Transaktion Daten nicht nur verarbeitet, sondern von großen Plattformanbietern auch gespeichert und im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle verwertet. Oftmals lautet der unausgesprochene Deal der Plattformen mit dem Nutzer: Meine Services kosten nichts, aber dafür überlässt du mir deine Daten. Für den Nutzer ist dabei vielfach nicht transparent, was im Hintergrund abläuft.4

Aus der Perspektive der Verbraucher geht es dabei weniger um eine rechtsdogmatische Erörterung, ob und wenn ja, an welchen originären oder verarbeiteten Daten ein Eigentum im Sinne eines immateriellen Sachgutes besteht. Vielmehr dürfte es – zusätzlich zu Aspekten der IT-Sicherheit der Daten – ganz pragmatisch darum gehen, ob Nutzer der Digitalen Welt am pekuniären Wert ihrer Daten partizipieren dürfen und können, ob sie also für die Verwertung und Nutzung ausreichend pekuniär vergütet werden. Genügt die Einmalzahlung von z.B. 10% Rabatt auf den nächsten Online-Einkauf, wenn ein Account mit persönlichen Daten eröffnet oder dem Übersenden eines Newsletters an die E-Mail-Adresse zugestimmt wird? Ist beispielsweise ein Discount in Höhe von 1% angemessen, wenn dafür alle Einkäufe, egal ob filialgebunden oder online, registriert und die zugehörigen Daten verwertet werden?

Längst fokussiert die Datensammlung und die Datenverwertung nicht mehr nur auf Werbebotschaften oder personalisierte Produktangebote, sondern auf weitreichendes Profiling und Tracking aller erfassbaren Lebensumstände inklusive der finanziellen und gesundheitlichen Gesamtsituation der Einzelpersonen und der Haushalte sowie ihrer Verknüpfung mit Daten dritter Anbieter und Verwerter. Die originären und die verarbeiteten Daten sind also selbst entgeltliches Handelsgut. Dabei spielt es aus Nutzersicht weniger eine Rolle, ob die Datennutzung und die Datenverwertung ein anderes Sachgut oder eine Dienstleistung verbilligt (Rabatt) oder selbst direkt als Entgelt eingesetzt wird. Vielmehr geht es um ein Entgelt für die darin enthaltene Wertschöpfung wie sie aus der Lizensierung von immateriellen Vermögensgegenständen bekannt ist. Kerber kommentiert dies mit Bezug zur Literatur so: „But it might be helpful to think less in terms of markets for selling personal data and more in terms of markets for licensing the use of personal data. Such licensing agreements would also allow a much more precise specification for what kinds of uses and to whom the rights to use the data should be sold (and for how long).“5 Die bisherige Nicht-Regulierung hat zur Folge, dass die Bürger ihre „Datenspende“ zwar wahrnehmen, aber nicht taxieren können, weder nach Umfang noch nach pekuniärem Wert.

Zivilgesellschaftliche Infrastruktur

Gleichzeitig gehört zu dieser Thematik die ganz grundlegende Frage nach einer Regulierung der zivilgesellschaftlichen Infrastruktur, zu der heute die alltägliche internetbasierte Nutzung Sozialer Netzwerke und von Messenger-Diensten gehört. Gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) (III ZR 98/12) vom 24.1.2013 hat der BGH bezogen auf einen zweimonatigen Ausfall des Internets deutlich gemacht, dass es sich hier um eine Leistung von zentraler Bedeutung handelt, die die jeweilige Lebensgestaltung entscheidend prägt.6

Aus guten Gründen unterliegen wichtige, daseinsvorsorgende Infrastrukturen gesetzlichen Mindeststandards zu Wettbewerb und Durchlässigkeit. Es fällt auf, dass dies für das Internet und insbesondere für Soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste aber praktisch nicht zutrifft. Die Verbraucherkommission Baden-Württemberg kommt daher aktuell zu dem Schluss: „Erst auf der Basis moderner, effizienter und kontrollierter staatlicher Infrastrukturen entwickelt sich dann um die Nutzung der entsprechenden Netze ein fruchtbarer Wettbewerb konkurrierender Angebote, der der Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger ... gerecht wird ... So kennt man dies gut aus dem Zahlungsverkehr des Euroraums, wo auf Basis des staatlichen Liquiditätsnetzes Unternehmen wie Verbrauchern von privaten Finanzdienstleistern eine Auswahl traditioneller und innovativer Geschäftsmodelle zur Verfügung steht, vom stationären Bezahlen über Internet-Bezahlverfahren bis hin zu Mobile Payments.“7 Ökonomisch lässt sich einfach nachvollziehen, dass dann die Marktzutrittskosten bzw. die erwarteten Marktaustrittskosten im Falle des Scheiterns eines Geschäftsmodells ausreichend niedrig liegen, damit sich ein Wettbewerb durch neue Anbieter entfalten kann. Am Beispiel des genannten digitalen Zahlungsverkehrs lässt sich eine solche Mindestregulierung heute gut beobachten: Abgesehen vom innovations- und prosperitätsfördernden Effekt für FinTechs liegt die Hauptwirkung für die Bürger darin, dass sie unabhängig von einzelnen Kontoanbietern einfach und unkompliziert jederzeit Transfers zwischen ihren Konten und zu solchen Dritter durchführen können und zwar 24/7. Viele Bürger haben dies gut erkannt und schaffen neue Accounts im Zahlungsverkehr und zur Geldanlage statt komplett zu wechseln.

Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste sind davon noch meilenweit entfernt, obwohl sie zur gesellschaftlichen Infrastruktur gehören. Dort ist es weder möglich, Accounts zu wechseln und zumindest ein Minimum an Daten mitzunehmen, noch – viel gravierender – besteht die Möglichkeit auf der Basis eines gesetzlich regulierten technischen Mindeststandards von jedem beliebigen Account eines Anbieters alle anderen Accounts Dritter, von „Freunden“ und Bekannten, zu erreichen, wenn diese andere Anbieter nutzen. Zum Beispiel kann also nicht von WhatsApp zu Wire oder Threema oder von Wire zu Threema oder WhatsApp kommuniziert werden. Ähnliches gilt für Soziale Netzwerke, hierzu hatte sich die Verbraucherkommission Baden-Württemberg schon 2011 deutlich geäußert: „Die in vieler Hinsicht heilsamen Wirkungen eines Konkurrenzkampfes um Kunden gibt es aufgrund einer derart eingeschränkten Konkurrenz unter den Netzwerkanbietern nur sehr begrenzt.“8 Bürger werden also massiv beschränkt und von den hier unregulierten Anbietern unfrei gehalten. Dies verhindert zudem systematisch den Markteintritt neuer Anbieter, denen unter anderem eine Kundengewinnung praktisch unmöglich gemacht wird.

Handlungsempfehlungen

Aus beiden Problemlagen resultieren zwei Handlungsempfehlungen und Lösungsvorschläge, um eine Chance auf eine selbstbestimmte Datennutzung zu erhalten.

  1. Einfache Interoperabilität mit preiswerter Datenportabilität: Ein technischer Mindeststandard sollte eine jederzeitige Kompatibilität zwischen den digitalen Diensten sicherstellen, sodass ein beliebiger Wechsel zwischen Anbietern ebenso leicht möglich wird wie eine Kommunikation zwischen Nutzer-Accounts unabhängig vom Anbieter und ohne Wechsel (mehrere Accounts gleichzeitig), analog den langjährigen Beispielen aus der Infrastruktur des digitalen Zahlungsverkehrs oder des Mobilfunks.
  2. Verwertungsgesellschaft Daten: Alle von Bürgern ausgelösten oder mit-ausgelösten Daten und deren Nutzung und Verwertung ist diesen gegenüber entgeltlich zu vergüten. Dies sollte für alle Bereiche der Digitalen Welt gelten, also z.B. für die Analyse-Tools im Auto, Wearables, Mobile Payment, Online-Beratung oder Online-Einkaufen sowie die zugehörigen Verschränkungen zwischen Digitaler Welt und analogen Prozessen.

Um eine realistische und pragmatische Handhabe für Bürger zu bieten, sollte nicht jeder Nutzer individuell und für sich verhandeln und kontrollieren müssen, sondern kollektiv eine Verwertungsgesellschaft Daten (VG Daten). Diese könnte z.B. – zumindest einführend und vorübergehend – bei der Bundesnetzagentur ebenso angesiedelt sein wie beim Bundeskartellamt.

Die VG Daten handelt als Datenverwertungsagent nicht nur zeitpunktbezogen, sondern in der Dynamik der Datenverwertung in der Zeit. Ein Geburtsdatum verbunden mit einer Wohnadresse mit einer Kreditkartentransaktion auf einer Online-Plattform zur Reisebuchung oder auf einem Vergleichsportal für Energiedienstleistungen verquickt, die wiederum mit einem Mobile Payment beim Car Sharing verknüpft wurde, kann heute ca. 3 Euro Gegenwert haben. Solche Datensätze zusammen mit Gesundheitsdaten aus einer Smart Watch sowie in Verknüpfung mit der Analyse des Fahrverhaltens im neuen Kraftfahrzeug und einer Immobilienfinanzierung gewinnen aber gegebenenfalls einen Datenwert von ca. 300 Euro.

Eine dynamische, laufend angepasste Vergütung, die durch den Verwertungsagenten VG Daten dem hinterlegten Nutzerkonto gutgeschrieben wird, beteiligt Bürger damit nicht nur am entgeltlichen Tauschwert ihrer Daten, sondern sensibilisiert zugleich für Datensammlung, Datenverwertung und damit einhergehende wirtschaftliche Prozesse. Sie zeigt den Beteiligten direkt auf, was bei der „Datenspende“ und bei der Verarbeitung sowie bei dem Handel personenbezogener und weiterverarbeiteter Daten bereits alltäglich ist. Die heutige Entgeltverschleierung in angeblich unentgeltlichen Märkten würde ein stückweit entzaubert und Verbrauchern eine faire Chance geboten, an der wohl nicht vermeidbaren systematischen Verwertung ihrer Daten zu partizipieren.

Beide vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen, das Mindestmaß einer einfachen Interoperabilität mit preiswerter Datenportabilität einerseits und die Teilhabe an der Datensammlung und Datenverwertung mit einer Verwertungsgesellschaft Daten andererseits, dürften das Vertrauen der Bürger in die Nutzung digitaler Dienste stärken und die zivilgesellschaftliche Infrastruktur digitaler sozialer Kommunikation sichern und von interessengeleiteten Einflüssen etwas unabhängiger werden lassen.

  • 1 Vgl. Initiative D21: D21 – Digital – Index 2014. Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft in Deutschland, Berlin 2014, S. 41; erst danach wird mit deutlichem Abstand (53%) Schadware genannt.
  • 2 Vgl. Deutsche Bundesbank: Der digitale Strukturwandel im Zahlungsverkehr, Geschäftsbericht 2014, S. 53.
  • 3 Vgl. M. Schneider: DIVSI Studie „Daten – Ware und Währung“, in: DIVSI magazin, H. 4, Dezember 2014, S. 14; Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI): Daten – Ware und Währung, Hamburg 2014.
  • 4 Vgl. D. Graudenz: Digitaler Kodex: Spielregeln für den Einsatz von Big Data, in: DIVSI magazin, H. 2, Juli 2015, S. 18; Verbraucherzentrale Bundesverband: Jahresbericht 2014/2015, Berlin 2015, S. 26, konstatiert hierzu mit Bezug zu Facebook: „Je genauer das Nutzerprofil und die Steuerung des Werbeangebots sind, desto teurer kann der Werbeplatz verkauft werden. Jede Information über einen Nutzer ist für Facebook daher bares Geld.“
  • 5 W. Kerber: Digital Markets, Data, and Privacy: Competition Law, Consumer Law, and Data Protection, MAGKS Joint Discussion Paper Series in Economics, Nr. 14-2016, S. 16.
  • 6 Bundesgerichtshof: Bundesgerichtshof erkennt Schadensersatz für den Ausfall eines Internetanschlusses zu, Mitteilung der Pressestelle, Nr. 14/2013 vom 24.1.2013, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0014/13; vgl. auch Verbraucherkommission Baden-Württemberg: Daseinsvorsorge in der Digitalen Welt: Der Staat für alle oder jeder für sich?, Stellungnahme, Nr. 41, 2015.
  • 7 Verbraucherkommission Baden-Württemberg, a.a.O., S. 3/4.
  • 8 Verbraucherkommission Baden-Württemberg: Soziale Netzwerke: Recht auf Privatheit ernst nehmen! Vielfalt fördern!, Positionspapier, Nr. 22, 2011, S. 3.

Title:Chances for the Self-Determined Use of Data?!

Abstract:Consumers’ personal data are assets whose value can be determined pecuniarily. Different discount programs like Payback already offer their consumers compensation for their data. However, the appropriateness of this compensation has thus far not been scrutinised. Furthermore, consumers face problems regarding the interoperability of and the data portability between digital services. The author recommends establishing technical minimum standards for digital services and introducing a collecting agency that ensures consumers appropriate compensation for their data.

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DOI: 10.1007/s10273-016-2057-2