Die elektronische Ausweisfunktion (eID) des deutschen Personalausweises ermöglicht es Bürgern sicher am digitalen Geschäftsverkehr und an digitalen Verwaltungsdiensten teilzunehmen. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage von Oktober 2024 zeigt, dass 35 % der erwachsenen Wohnbevölkerung die eID-Funktion aktiviert haben, während 6 % diese gar nicht kennen. Merkmale mit statistisch signifikanter Vorhersagekraft für eine aktivierte eID sind männliches Geschlecht, Alter unter 65 Jahren, städtischer Wohnort, Migrationshintergrund, Kinder im Haushalt, Abitur sowie Wohnort in Berlin. Es sollten besonders denjenigen Bevölkerungsgruppen mit signifikant niedrigerer Benutzungsrate (Frauen, Ältere, geringer Bildungsstand) die Vorteile des Systems kommuniziert werden.
Die sichere digitale Identität ist Bestandteil der Digitalstrategie der Bundesregierung ausweislich des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD (2025) und verankert in der eIDEAS-Agenda der Europäischen Kommission (Verordnung (EU) Nr. 910/2014). Sie dient dem Ziel, sich rechtssicher im Internet gegenüber der öffentlichen Verwaltung und anderen Wirtschaftssubjekten auszuweisen. Nicht ohne Grund ist die Verbreitung der digitalen Identitäten ein Maß im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission.1
In Deutschland wurde zur Umsetzung der digitalen Identitäten die eID-Funktion des deutschen Personalausweises eingeführt (Hemesath & Gerrits, 2023). Seit 2010 werden ausschließlich Personalausweise ausgegeben, die die eID-Funktion beinhalten. Bis 2017 musste sie manuell aktiviert werden, seitdem ist sie standardmäßig aktiviert. Auch elektronische Aufenthaltstitel für Ausländer aus Drittstaaten können die eID-Funktion nutzen.
Die elektronische Funktion des Personalausweises erfordert jedoch eine aktive Freischaltung des Ausweisinhabers. Bürger müssen die eID-Funktion aktiv mit einer Transport-PIN (Transport Personal Identity Number) freischalten. Anschließend müssen sie die Nummer in eine spezielle App eingeben und eine eigene PIN festlegen. Zwischen 2022 und 2023 konnten Bürger die Transport-PIN per Brief erhalten. Etwa zwei Millionen Briefe wurden zu diesem Zweck verschickt, jedoch wurden nur 60 % davon tatsächlich zur Aktivierung der eID genutzt (BMIH, 2024). Aus Kostengründen wurde der Versand der Briefe zum Dezember 2023 eingestellt. Seitdem ist eine persönliche Vorsprache in einer öffentlichen Verwaltungseinrichtung nötig. Hemesath und Gerrits (2023) demonstrieren, dass die institutionellen Hürden, sich eine digitale Identität zu verschaffen, in Deutschland höher sind als in anderen europäischen Staaten.
Wissenschaftliche Forschung zur eID
15 Jahre nach Ausgabe der ersten eID-fähigen Personalausweise zeigt sich, dass die Nutzungsraten des elektronischen Personalausweises hinter den Erwartungen zurückbleiben (Gerrits et al., 2019; Hemesath & Gerrits, 2023; Skierka & Parycek, 2023). Laut dem eGoverment Monitor 2024 der Initiative D21 und der Technischen Universität München (2024) haben zum Mai 2024 erst 22 % der Personalausweis-Inhaber den Online-Ausweis schon einmal verwendet.
Mehrere Erklärungsgründe speziell für Deutschland wurden identifiziert. Kubicek (2011) diskutiert die niedrige Benutzerfreundlichkeit, die sich aus den im internationalen Vergleich hohen Sicherheitsanforderungen ergibt. Gerrits et al. (2019) sowie Hemesath und Gerrits (2023) führen kulturelle Gründe an. Gerrits et al. (2019) sowie Initiative D21 und Technische Universität München (2024) weisen darauf hin, dass es bislang nur wenige Anwendungsmöglichkeiten gibt, die eine Aktivierung der eID sinnvoll erscheinen lassen. In einer Überblicksstudie kommen Tsap et al. (2019) basierend auf 48 Studien zu dem Schluss, dass insgesamt zwölf Kategorien eine Rolle spielen könnten: Komplexität, Nutzerfreundlichkeit, Funktionalität, Verständnis, Vertrauen, Datenschutz, Sicherheit, Kontrolle, kulturelle Faktoren, Pfadabhängigkeit und Transparenz.
Die geringe Nutzungsrate der eID ist insgesamt kein Einzelfall; für andere digitale Dienste werden in Deutschland Nutzungsraten von weniger als 50 % beobachtet (Distel, 2020). Distel (2020) resümiert basierend auf einer Befragung, dass weniger die technischen Hürden, sondern vielmehr der Status-Quo-Bias und der Bedarf nach persönlicher Beratung ausschlaggebend sind. Hinzu kommt eine Gruppe von „digitalen Zweiflern“ von 30 % der erwachsenen deutschen Bevölkerung, die Kostka (2023) in einer Online-Umfrage identifiziert. Digitale Zweifler sind „Bürger, die staatliche digitale Technologien klar ablehnen“. Deutschland hat hier den Spitzenwert in der vom Autor untersuchten Ländergruppe (China: 10 %, USA und Vereinigtes Königreich je ungefähr 20 %).
Ergebnisse der repräsentativen Umfrage 2024
Im Oktober 2024 haben wir die Aktivierungsrate des elektronischen Personalausweises in einer Umfrage erfasst (Rose et al., 2025a, 2025b). Die Umfrage ist repräsentativ für die deutschsprachige erwachsene Wohnbevölkerung. In diesem Beitrag korrelieren wir die Aktivierungsrate mit zahlreichen sozioökonomischen und geografischen Merkmalen.
Für die Umfrage hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Oktober 2024 insgesamt 2.003 erwachsene Einwohner Deutschlands befragt. Die Antworten wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutschsprachige Wohnbevölkerung im Alter von 18 bis 74 Jahren.2
Abbildung 1a zeigt, dass 34,9 % der erwachsenen Einwohner die eID aktiviert haben. Dieser Wert liegt nahe an der Schätzung von 30 % durch Gerrits et al. (2019) und von 39 % von der Initiative D21 und der Technischen Universität München (2024), ist jedoch deutlich niedriger als die Schätzung von fast 64 % durch die Europäische Kommission (2024). 5,8 % der Befragten gaben an, die eID-Funktion nicht zu kennen.
Abbildung 1b zeigt eine große geografische Variation im Anteil derer, die die eID aktiviert haben. Den höchsten Anteil weist das Bundesland Berlin mit 53,6 % auf, den niedrigsten das Saarland mit 22,4 %.
Abbildung 1
Anteil der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands, die die eID aktiviert hat

Ergebnisse zur Frage „Haben Sie die elektronische Ausweisfunktion Ihres Personalausweises aktiviert?“
Quelle: eigene Berechnungen.
In einer multivariaten Kleinste-Quadrate-Schätzung haben wir den Zusammenhang zwischen der Aktivierung der eID und den sozioökonomischen sowie geografischen Merkmalen der Befragten untersucht. Für diese Merkmale gleichzeitig zu kontrollieren ist wichtig, da sie stark miteinander korrelieren können, wie beispielsweise Einkommen, Berufstätigkeit, Bildungsgrad und die Wahrscheinlichkeit, in einer Stadt zu wohnen.
Abbildung 2 zeigt die Koeffizienten dieser Schätzung. Koeffizienten, die bei p < 0,1 statistisch signifikant sind, sind farblich hervorgehoben. Dem blauen Modell, das alle Antworten enthält, stellen wir das lila Modell gegenüber, in dem nur berufstätige Einwohner befragt wurden (N = 1.348). Das lila Modell enthält zwei zusätzliche Merkmale: ob ein juristischer Hintergrund vorliegt und ob der Befragte beruflich vorwiegend mit Verwaltungstätigkeiten betraut ist. Es ist jedoch nicht repräsentativ.
Abbildung 2
Determinanten für die Aktivierung der eID

Ergebnisse zweier multivariater Kleinste-Quadrate-Schätzungen. Grau hinterlegte Koeffizienten sind statistisch insignifikant mit p ≥ 0,1. Blaues Modell: alle Antworten, N = 2.003; lila Modell: Antworten von Berufstätigen, N = 1.348. Interzept nicht dargestellt. Referenz-Region ist Baden-Württemberg.
Lesebeispiel: Verglichen mit sonst gleichen Männern, haben Frauen eine um 12,2 % reduzierte Wahrscheinlichkeit, die eID aktiviert zu haben (blauer Punkt). Verglichen mit sonst gleichen berufstätigen Männern (lila Punkt) sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür um 11,2 %.
Quelle: eigene Berechnungen.
Merkmale, die unter sonst gleichen Bedingungen eine deutlich niedrigere Aktivierung der eID vorhersagen, sind: weibliches Geschlecht (-12,2 %) und ein Alter von mindestens 65 Jahren (-8,1 %). Auch unter den Berufstätigen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen die eID aktiviert haben, niedriger.
Merkmale, die unter sonst gleichen Bedingungen (im blauen Modell) eine deutlich höhere Aktivierung der eID vorhersagen, sind: Wohnsitz in einer Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern (+4,9 %), Migrationshintergrund (+8,1 %), Kinder im Haushalt (+5,4 %), Abitur ist höchster Schulabschluss (+4,5 %), Wohnsitz in Berlin (+14,8 %, im Vergleich zu Baden-Württemberg), und verfolgt neue Trends und Entwicklungen (+15,3 %).
Unter den Berufstätigen, die wir auch nach ihrem juristischen Hintergrund und einer Verwaltungstätigkeit befragt haben, zeigt sich, dass Frauen unter sonst gleichen Bedingungen deutlich seltener die eID aktiviert haben. Ein juristischer Hintergrund (ein rechtswissenschaftliches Studium oder eine juristische Tätigkeit) weist unter sonst gleichen Bedingungen die höchste Vorhersagekraft auf. Zudem haben die Merkmale „Wohnsitz in Berlin“, „Interesse an neuen Trends und Entwicklungen“ und „beruflich mit Verwaltungstätigkeiten betraut“ eine statistisch signifikante Vorhersagekraft für die aktivierte eID.
Fazit und politische Schlussfolgerungen
Unsere Umfrage zeigt, dass die eID-Funktion des deutschen Personalausweises von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich wahrgenommen wird. Gerrits et al. (2019, S. 11) resümieren, dass „wenn der Nutzen der eID als gering erachtet wird, […] demnach auch deren Nutzung gering sein [wird].“ Dies scheint der Fall zu sein: Keil et al. (2022) demonstrieren in qualitativen Interviews, dass nur technikaffine Deutsche schnell und ohne Hilfe in der Lage waren, mittels der eID-Funktion eine Zwei-Faktor-Authentifizierung in einem gewöhnlichen Google-Konto einzurichten.
Erwachsene, die einen juristischen Hintergrund haben (Jura studiert haben oder in einem juristischen Bereich tätig sind), mit Verwaltungstätigkeiten betraut sind, nach eigener Einschätzung Trends und neue Entwicklungen mit Interesse verfolgen, das Abitur abgelegt haben, einen Migrationshintergrund haben und in Städten wohnen, haben die eID-Funktion deutlich häufiger aktiviert. Berliner haben unter sonst gleichen Bedingungen die eID am häufigsten aktiviert. Einkommen und Erwerbsstatus haben keinen Einfluss.
Vor allem Frauen und ältere Menschen haben die eID deutlich seltener aktiviert. Die „German Angst“, die Hemesath und Gerrits (2023) sowie Gerrits et al. (2019) auf kulturelle Erklärungsansätze zurückführen, scheint also in diesen Bevölkerungsgruppen besonders ausgeprägt zu sein.
Es besteht die Gefahr eines Henne-Ei-Problems (Skierka & Parycek, 2023). Für Unternehmen könnte es sich aufgrund der niedrigen Aktivierungsrate nicht lohnen, die eID in ihren Diensten zu nutzen. Zum Vergleich: In Estland entfallen die meisten Nutzungen der eID auf den privaten Sektor (Tsap et al., 2020). Gleichzeitig bieten die geringen Anwendungsmöglichkeiten in Deutschland den Bürgerinnen und Bürgern wenig Grund, ihre eID zu aktivieren. Hier ist die Politik gefordert.
Entsprechend schlagen wir vor, besonders denjenigen Bevölkerungsgruppen mit signifikant niedrigerer Benutzungsrate (Frauen, Ältere, geringer Bildungsstand) die Vorteile des Systems zu kommunizieren. Es könnte zudem sinnvoll sein, diese Gruppen aktiv in die Weiterentwicklung einzubeziehen – wie das erfolgreiche Beispiel der „AusweisApp2“ zeigt, die deutlich benutzerfreundlicher ist als die Vorgänger-App (Willomitzer et al., 2016).
- 1 Der aktuelle DESI für 2022 platziert Deutschland in der Mittelgruppe (Europäische Kommission, 2022). In den Kategorien „Integration der Digitaltechnik“ und „Digitale öffentliche Dienste“ schnitt Deutschland unterdurchschnittlich ab.
- 2 Diese umfasst etwa 50 Mio. Einwohner.
Literatur
BMIH – Bundesministerium des Innern und für Heimat. (2024, 2. Januar). Der PINRücksetz und Aktivierungsdienst wurde ausgesetzt.
CDU, CSU & SPD. (2025). Verantwortung für Deutschland. Koalitationsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode.
Distel, B. (2020). Assessing citizens’ nonadoption of public eservices in Germany. Information Polity, 25(3), 339–360.
Europäische Kommission. (2022). .
Gerrits, L., Wirtz, M. & Hemesath, S. (2019). Der elektronische Personalausweis. In T. Klenk, F. Nullmeier & G. Wewer (Hrsg.), Handbuch Digitalisierung in Staat und Verwaltung (S. 539–551). Springer VS.
Hemesath, S. & Gerrits, L. (2023). Der elektronische/digitale Personalausweis im internationalen Vergleich (E-ID). In T. Klenk, F. Nullmeier & G. Wewer (Hrsg.), Handbuch Digitalisierung in Staat und Verwaltung (S. 1–16). Springer Fachmedien Wiesbaden.
Initiative D21 & Technische Universität München. (2024). eGovernment MONITOR 2024.
Keil, M., Markert, P. & Dürmuth, M. (2022). “It’s just a lot of prerequisites”: A user perception and usability analysis of the German ID card as a FIDO2 authenticator. In Association for Computing Machinery (Hrsg.), EuroUSEC‚ 22: Proceedings of the 2022 European Symposium on Usable Security (S. 172–188).
Kostka, G. (2023). Digital doubters in different political and cultural contexts: Comparing citizen attitudes across three major digital technologies. Data & Policy, 5, e27.
Kubicek, H. (2011). Akzeptanzprobleme sicherer elektronischer Identitäten: Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung in acht Ländern. Datenschutz und Datensicherheit – DuD, 35(1), 43–47.
Rose, M. E., Hoffmann, J. & Harhoff, D. (2025a). Digital consumer law, competition and the (un-)informed consumer: Evidence from a survey among German consumers. Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper, Nr. 25-06.
Rose, M. E., Hoffmann, J. & Harhoff, D. (2025b). Digitalization and signatures: Evidence from a survey among German citizens. Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper, Nr. 25-05.
Skierka, I. & Parycek, P. (2023, 8. März). Einwurf – Kann Deutschland seine eID noch retten? HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 60(2), 255–260.
Tsap, V., Pappel, I. & Draheim, D. (2019). Factors Affecting e-ID Public Acceptance: A Literature Review. Electronic Government and the Information Systems Perspective, 11709, 176–88.
Tsap, V., Lips, S. & Draheim, D. (2020). Analyzing eID public acceptance and user preferences for current authentication options in Estonia. In A. Kö, E. Francesconi, G. Kotsis, M. Tjoa & I. Khalil (Hrsg.), Electronic Government and the Information Systems Perspective (Lecture Notes in Computer Science, Bd. 12394, S. 159–173). Springer.
Willomitzer, J., Heinemann, A. & Margraf, M. (2016). Zur Benutzbarkeit der AusweisApp2. In Mensch und Computer 2016 – Workshopband: Workshop Usable Security and Privacy (Lecture Notes in Informatics, Gesellschaft für Informatik, S. 172–188). Gesellschaft für Informatik e.V.