Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur hat eine Kurzstellungnahme zur Errichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft Verkehr abgegeben. Ein Referentenentwurf für eine für dieses Vorhaben notwendige Grundgesetzänderung liegt bereits vor. Der Beirat kritisiert insbesondere die Konfliktgefahr bei der Beteiligung privater Investoren und begrüßt ausdrücklich, dass die Infrastrukturgesellschaft Verkehr als GmbH gegründet werden soll.
Der Bericht der sogenannten Fratzscher-Kommission vom April 2015 hat in Deutschland zu einer intensiven Diskussion über die Vor- und Nachteile sowie die Rahmenbedingungen der Einführung einer Bundesfernstraßengesellschaft geführt. Die Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ hatte in ihrem Gutachten für den Bundeswirtschaftsminister eine Infrastrukturgesellschaft vorgeschlagen, die Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen aus einer Hand gewährleisten soll. Außerdem wurde – zumindest im Mehrheitsvotum des Gutachtens – eine stärkere Beteiligung privater Investoren an der Verkehrsinfrastruktur gefordert. Eine ähnliche Lösung nur für das hochrangige Autobahnnetz, auf die auch das Gutachten der Fratzscher-Kommission eingeht, gibt es in Österreich mit der ASFINAG. Diese wurde in den Fachdiskussionen auch immer wieder als Referenzpunkt einer möglichen Lösung für Deutschland angeführt.
Im Dezember 2015 hat das Bundesverkehrsministerium erste Eckpunkte einer solchen Bundesautobahngesellschaft präsentiert, die aber von den Landesverkehrsministern auf der Basis der Vorschläge der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ vom 23.2.2016 (Bodewig-II-Kommission) abgelehnt wurden. Sie schlugen stattdessen die Weiterentwicklung der bestehenden Auftragsverwaltung sowie eine Optimierung der Finanzierungsprozesse auf Bundesebene vor.
Mittlerweile haben sich Bund und Länder im Zuge der Verhandlungen über die Zukunft des Finanzausgleichs auf die Einrichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft geeinigt (Infrastrukturgesellschaft Verkehr). Es liegt bereits ein Referentenentwurf für eine Grundgesetzänderung vor, der den Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 14.10.2016 zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 umsetzt. Kernelemente der Neufassung des Art. 90 GG nach dem Stand vom 24.11.2016 sind:1
- Der Bund bleibt Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Eigentum ist unveräußerlich.
- Die Verwaltung der Bundesautobahnen und autobahnähnlichen Bundesstraßen außerhalb geschlossener Ortslagen mit unmittelbarer Anbindung an Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes.
- Es bleibt bei einer Verwaltung der sonstigen Bundesstraßen durch die Länder, wobei der Bund auf Antrag eines Landes sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung übernehmen kann.
Darüber hinaus liegt ein Entwurf für die Verabschiedung eines Gesetzes zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr vor, der die Rahmenbedingungen dieser Gesellschaft präzisiert. Sie soll als Gesellschaft privaten Rechts (zunächst als GmbH) gegründet werden, wobei die Gesellschaftsanteile im Eigentum des Bundes stehen. Die Gesellschaft soll spätestens zum 1.1.2021 ihre Arbeit aufnehmen; nach drei Jahren ist eine Evaluation der Rechtsform vorgesehen. Weiterhin soll auch ein Fernstraßen-Bundesamt als Aufsichts- und Planfeststellungsbehörde etabliert werden.
Grundsätzliche Bewertung
Der Beirat begrüßt ausdrücklich die institutionelle Neuordnung im Bereich der Bundesfernstraßenverwaltung durch die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr, die in Zukunft für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen und autobahnähnlichen Bundesstraßen zuständig sein wird, auch wenn damit erhebliche Überleitungskosten und Umsetzungsprobleme verbunden sind. Mit dieser Grundsatzentscheidung für eine institutionelle Reform gibt es eine wichtige Weichenstellung für eine effizientere Bereitstellung von Bundesfernstraßen, die geeignet erscheint, den zahlreichen und kritischen Mängeln des bisher praktizierten Systems der Auftragsverwaltung abzuhelfen. Als systemimmanente Schwächen werden insbesondere die Intransparenz, Fehlanreize aufgrund der Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten und die Zersplitterung der Zuständigkeiten genannt. Der Beirat hat die Probleme der Auftragsverwaltung bereits in einem Gutachten 2006 ausführlich thematisiert.2
In Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung und das Aufgabenspektrum sowie die Eigentümerstruktur einer solchen Infrastrukturgesellschaft verbleiben allerdings zahlreiche offene Fragen. Nachfolgend problematisiert der Beirat einige aus seiner Sicht zentrale Aspekte und nimmt insbesondere zur Thematik einer möglichen Privatisierung der Gesellschaft Stellung. Diskutiert werden die Governance und Rechtsform der Gesellschaft, die Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern sowie die Organisationsstruktur und die Frage des Eigentums an einer solchen Gesellschaft.3
Ergänzend weist der Wissenschaftliche Beirat auf die nach wie vor ungelösten Probleme bei der Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen der Länder und Gemeinden hin. Ähnlich wie die Daehre- und die Bodewig-Kommission hat der Beirat in einem Gutachten aus dem Jahr 2013 für die Einführung von Fondsgesellschaften plädiert, die in ihrem Gefüge die Trennungen zwischen den föderativen Ebenen überwinden und damit auch die Finanzierungsprobleme der Länder und Gemeinden lösen könnten.4 Neben zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten wie Ausweitung der Nutzer-, Nutznießer-, Steuer- und Kreditfinanzierung wurden in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats insbesondere auch Gedanken zur organisatorischen Struktur (inklusive Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen und Infrastrukturzustandsberichten), zur quantitativen Bemessung der verschiedenen zusätzlichen Finanzierungsquellen und zur Effizienzsicherung durch die Etablierung von Benchmarkverfahren entwickelt.
Governance und Rechtsform der Infrastrukturgesellschaft
Laut § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr soll diese als GmbH errichtet werden. Der Beirat begrüßt diese Regelung, da aus seiner Sicht die Vorteile einer privatrechtlichen Rechtsform hinsichtlich Handlungsfähigkeit, Effektivität und ökonomischer Effizienz deren mögliche Nachteile überwiegen.
Im Falle der Infrastrukturgesellschaft ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Steuerung des Unternehmens über das Rechnungswesen nach kaufmännischen Prinzipien erfolgen sollte, wie es in Unternehmen mit privatrechtlicher Rechtsform üblich ist. Angesichts der umfangreichen wirtschaftlichen Werte, über die eine solche Gesellschaft in Gestalt des im Bundesfernstraßennetz gebundenen Anlagevermögens disponiert, bieten ein an kaufmännischen Prinzipien orientiertes Rechnungswesen, das an wirtschaftlichen Größen ausgerichtete Zielsystem und die Effizienzkriterien widerspiegelnden Entscheidungsstrukturen eines Unternehmens in privatrechtlicher Rechtsform klare Vorteile. Im Rahmen einer solchen Governance-Struktur wird insbesondere eine entscheidungsorientierte Kostenrechnung und -steuerung im Sinne effizienter Kosten ermöglicht. Dies beinhaltet die Ermittlung und Bereinigung der relevanten Mengengerüste und die Berücksichtigung des anfallenden Werteverzehrs durch ökonomisch relevante Abschreibungen und marktmäßige Kapitalkosten.
Investitions- und Unterhaltsstrategien können auf Basis aussagekräftiger betriebswirtschaftlicher Rechenwerke geplant werden, die in entsprechende Business-Pläne münden. Bauliche Instandsetzung, Sanierung und Erneuerung dürften in einem privatrechtlich verfassten Unternehmen zum bestmöglichen Zeitpunkt umgesetzt werden, um die Substanz des Netzes zu erhalten, Kosten im Sinne einer Life-Cycle-Cost-Betrachtung gesamthaft zu minimieren und den Straßennutzern maximale Verfügbarkeit und Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Dagegen bleibt beim Neubau auch eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft an den Primat der politischen Steuerung durch den Bundesverkehrswegeplan bzw. die Fernstraßenausbaugesetze gebunden.
In diesem Kontext ist auch darauf hinzuwirken, dass die Infrastrukturgesellschaft ein Monitoring des Straßenzustands durchführt und dem Parlament regelmäßig einen Straßenzustandsbericht vorlegt. Für diesen können Methoden der Zustandserfassung und Bewertung (ZEB) genutzt werden; er sollte als Grundlage für ein Pavement-Management-System (PMS) sowie ein Benchmarking von Zustand und Verfügbarkeit dienen.
Der Beirat weist darauf hin, dass die gewählte Rechtsform der GmbH dauerhaft beibehalten werden sollte. Diese stellt am besten sicher, dass die Interessen der Akteure, also der Eigentümer und des Managements, gleichgerichtet sind und dass es nicht zu opportunistischem Verhalten des Managements kommt, wie man es z.B. beim formell privatisierten Bundesunternehmen Deutsche Bahn beobachten kann, das in der Rechtsform der Aktiengesellschaft geführt wird. Die Aktiengesellschaft stellt keine wünschenswerte Rechtsformalternative für die zu gründende Infrastrukturgesellschaft dar. Daher sollte die Regelung zur Evaluation der Rechtsform gemäß § 2 Abs. 3 des Errichtungsgesetzes gestrichen werden, um keinen Weg zu einem einfachen Wechsel der Rechtsform zu eröffnen.
Abgrenzung zwischen Bund und Ländern
Im Zuge der Reform übernimmt der Bund die alleinige Verantwortung für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung der Bundesautobahnen und autobahnähnlichen Bundesstraßen, die eine herausgehobene Bedeutung für den Fernverkehr haben.5 Die Länder dagegen verwalten weiterhin die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrag des Bundes, wobei der Bund auf Antrag eines Landes auch sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung nehmen kann.
Unabhängig von den zu erwartenden gravierenden Überleitungs- und Anpassungsproblemen, die mit der Ad-hoc-Übernahme des gesamten Fernstraßennetzes entstehen würden, spricht aus ökonomischer Sicht vieles für eine zentrale Verantwortung der Infrastrukturgesellschaft für das gesamte Netz der Bundesfernstraßen. Langfristig sollte ein Nebeneinander von zwei Systemen vermieden werden, die nicht ausreichend synchronisiert sind und Reibungsverluste bzw. Ineffizienzen aufgrund von Doppelstrukturen erzeugen sowie eine integrierte Netzbetrachtung erschweren. Mit der nunmehr vorgeschlagenen Lösung wird dies nicht zwangsläufig erreicht, denn im Extremfall müsste das System der Auftragsverwaltung nur für ein einziges Bundesland aufrechterhalten werden. Zwar bestehen zu Recht Bedenken hinsichtlich der Schaffung einer „Mammutbehörde“ für das gesamte Fernstraßennetz, doch können dafür langfristig durchaus anreizkompatible Organisationsstrukturen geschaffen werden. Dabei müsste die Verkehrspolitik auf eine stärker dezentrale Struktur der Infrastrukturgesellschaft und eine Neuzuordnung des Fernstraßennetzes setzen.
So ist zu erwarten, dass eine effiziente Organisation und Führung einer vollkommen zentralisierten Infrastrukturgesellschaft kaum zu gewährleisten ist. Auch in der Privatwirtschaft wird die Effizienz und Effektivität zentral geführter Großunternehmen häufig infrage gestellt. Dort bietet die Dezentralisierung wirtschaftlicher Aktivitäten und der Managementverantwortung einen Ansatzpunkt für die Steigerung von Flexibilität, Effizienz und Marktorientierung von Unternehmen. Vor diesem Hintergrund kann in einer stärker dezentralen Organisationsstruktur einer Infrastrukturgesellschaft ein sinnvoller Gestaltungsansatz gesehen werden. Dies gilt umso mehr, als gerade in einem ähnlichen Aufgabenbereich bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die Umsetzung eines Zentralisierungsansatzes im Wesentlichen gescheitert ist.
Der Beirat begrüßt daher die Regelung von § 4 des Errichtungsgesetzes, dass bedarfsgerecht regionale Tochtergesellschaften eingerichtet werden sollen. Ein plausibles Konzept für die zukünftige Bereitstellung von Bundesfernstraßen sollte auf das Zusammenwirken einer zentral koordinierenden und verbindliche Rahmenbedingungen setzenden Infrastrukturgesellschaft mit regionalen Niederlassungen auf Landesebene als teilweise selbständigen und eigenverantwortlichen Projektträgern abstellen. Hier könnten organisatorisch auch die bestehenden Auftragsverwaltungen der Länder integriert werden.
In Hinblick auf das Problem der Zentralisierung bzw. Dezentralisierung von Aufgaben stellt sich auch die Frage, welche der von der Infrastrukturgesellschaft zu erbringenden Aufgaben konkret wo zu leisten sind. Genannt werden im Errichtungsgesetz explizit die Funktionen Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung. Während aus Sicht des Beirats einerseits die Zentralisierung des Finanzmanagements bei der Infrastrukturgesellschaft des Bundes absolut wünschenswert ist, stellt sich z.B. die Frage, ob Aufgaben des Betriebs und der Erhaltung, d.h. des Betriebsdienstes im engeren Sinne (z.B. Winterdienst, Grünschnitt) oder der (leichten) Instandhaltung auf eine zentrale Bundesgesellschaft übertragen werden sollten. Aus ökonomischer Sicht sprechen gute Argumente dafür, solche explizit dezentral zu erbringenden Aufgaben auch dezentral zu organisieren und die bisherigen Strukturen der Straßenbauverwaltung dahingehend zu belassen bzw. zu optimieren. Das Wissen um die spezifischen Voraussetzungen und Einsatzbedingungen vor Ort und die Vorteile kurzer Entscheidungswege und schneller Einsatzmöglichkeiten sollten genutzt werden. Außerdem werden im Bereich des Betriebs und der Instandhaltung Verbundvorteile bezüglich der verschiedenen Straßenkategorien realisiert. Dies gilt generell, aber insbesondere auch in einem Szenario, in dem der Verantwortungsbereich der Infrastrukturgesellschaft des Bundes nur die Autobahnen beinhaltet. Für die Zusammenarbeit der Infrastrukturgesellschaft mit den regional für den Betrieb zuständigen Verwaltungseinheiten der Länder sind daher standardisierte vertragliche Regelwerke vorzubereiten.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Aufgabenzuordnung ist die Frage des Netzzuschnitts. Wie bereits ausgeführt wurde, spricht aus ökonomischer Sicht vieles für eine Verantwortung der Infrastrukturgesellschaft des Bundes für das gesamte Netz der Bundesfernstraßen. Um dies umsetzbar zu machen, sollte daher im Zuge einer Neustrukturierung der funktionalen Zuordnung des Straßennetzes das Netz der Bundesautobahnen auf das großräumige nationale und grenzüberschreitende Straßennetz begrenzt werden. Auch das Netz der Bundesstraßen ist anhand der erfüllten Verkehrsfunktionen kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls in Teilen ab- oder aufzustufen. Damit könnte das von einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes zu verantwortende Netz erheblich schlanker geschnitten sein. Der Beirat empfiehlt – wie bereits in seinem Gutachten 2006 – trotz der zu erwartenden erheblichen politischen Widerstände diese Aufgabe umgehend anzugehen.
Eigentümerstruktur und Privatisierung
Bereits das Gutachten der Fratzscher-Kommission empfiehlt eine stärkere Beteiligung privater Investoren an der Verkehrsinfrastruktur. Es besteht allerdings nach Einschätzung des Beirats kein objektiver Bedarf an ergänzender privater Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft über Eigenkapital bzw. Eigenkapitalsurrogate, da hierdurch lediglich höhere Renditeerwartungen privater Anleger zu befriedigen sind, ohne dass dem zusätzliche relevante ökonomische Effizienzvorteile gegenüberstehen. Die erforderlichen Finanzierungsmittel für das hochrangige Straßennetz sollten ausschließlich über eine Nutzerfinanzierung generiert werden, wobei Entscheidungen über Struktur und Höhe der Benutzungsabgaben außerhalb der Kompetenz der Gesellschaft liegen müssen.
Bei einer Kapitalbeteiligung Privater dürfte es nach Einschätzung des Beirats regelmäßig zu Konflikten zwischen den Interessen privater Kapitalanleger und dem öffentlichen Auftrag der Infrastrukturgesellschaft kommen. Analysen aus der Perspektive der Prinzipal-Agenten-Theorie legen nahe, dass es insbesondere dazu kommen kann, dass sich Management und private Anteilseigner zulasten Dritter, also des öffentlichen Eigentümers und der Nutzer, verbünden. Die grundsätzlich positiv zu bewertende Idee einer Infrastrukturgesellschaft sollte auch nicht dadurch diskreditiert werden, dass der Eindruck entsteht, die Höhe der Nutzergebühren sei von den Renditeerwartungen privater Investoren bestimmt.
Unabhängig davon sollte eine Infrastrukturgesellschaft zur Optimierung ihrer Leistungserstellungs- und Finanzierungsprozesse aber die Möglichkeit haben, privates Fremdkapital aufzunehmen. Dies wird allerdings deutlich verteuert, wenn der Bund keine Staatsgarantie für die Verbindlichkeiten der Infrastrukturgesellschaft gibt. Der Beirat empfiehlt daher eine Garantie des Bundes für die Verbindlichkeiten der Infrastrukturgesellschaft, was in den derzeit vorliegenden Referentenentwürfen nicht vorgesehen ist.
Wenn der politische Wille, für den Bereich der Bundesfernstraßen das ausschließliche öffentliche Eigentum sicherzustellen, mit ökonomischen Überlegungen in Einklang steht, die nahelegen, dass eine materielle Privatisierung der hochrangigen Straßeninfrastruktur keine Effizienzvorteile bringt, sollten die gesetzlichen Festschreibungen sicherstellen, dass es auch nicht „durch die Hintertür“ zu einer materiellen Privatisierung oder Teilprivatisierung des Bundesfernstraßennetzes kommen kann. Grundsätzlich bestimmt die vorgesehene Regelung von Art. 90 Abs. 1 GG, dass der Bund (alleiniger) Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs ist und das Eigentum unveräußerlich bleibt. In der aktuellen politischen Diskussion wurde bereits eine (Teil-)Privatisierung der Infrastrukturgesellschaft erwogen und wieder verworfen. Der Beirat begrüßt vor diesem Hintergrund die verfassungsrechtliche Privatisierungsschranke der Infrastrukturgesellschaft im Entwurf zu Art. 90 Abs. 2 GG.
Darüber hinaus würden es aber die derzeit vorgesehenen Regelungen des Errichtungsgesetzes erlauben, privates Kapital für Projekte der Gesellschaft einzubinden, wenn die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Dadurch soll laut Gesetzesbegründung die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich Private an Netzausbau und Netzerhalt beteiligen. Aus Sicht des Beirats sollte der Einsatz von projektbezogenen Öffentlich-Privaten-Partnerschaft(ÖPP)-Lösungen kritisch geprüft werden. Wenn die Idee einer ÖPP die Lösung des Infrastrukturbereitstellungsproblems aus einer Hand im Sinne einer Lebenszyklusbetrachtung ist, wird ja gerade dieses Thema mit dem Konstrukt der Infrastrukturgesellschaft umfassend adressiert. Sinn und Zweck einer ÖPP wäre dann primär die Attrahierung privaten Kapitals.
Die Gesamtwirtschaftlichkeit vom ÖPP wird jedoch aufgrund der höheren Finanzierungskosten Privater bereits bei streckenbezogenen Lösungen häufig infrage gestellt. Umso mehr bestehen Bedenken bezüglich ÖPP-Vorhaben, die sich auf Teilnetze beziehen und damit z.B. den Autobahnkonzessionsgesellschaften in Frankreich ähnlich wären, wo erhebliche Fehlentwicklungen zu beobachten sind (insbesondere überhöhte Gebühren und Gewinne der Autobahngesellschaften).
Derartige Vorhaben wären aber im Rahmen der aktuell diskutierten gesetzlichen Regelungen umsetzbar; es erscheint durchaus möglich, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt dann auch politisch realisiert werden. Der Beirat spricht sich daher mit Nachdruck dafür aus, das Verbot solcher ÖPP-Lösungen (Teilnetz-ÖPP) auch grundgesetzlich zu verankern. Auch die materielle Privatisierung von Tochtergesellschaften der Infrastrukturgesellschaft sollte grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Kurzstellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Mitglieder: Prof. Dr. Alexander Eisenkopf, Friedrichshafen; Prof. Dr.-Ing. Hartmut Fricke, Dresden; Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich, Stuttgart; Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike, Dresden; Prof. Dr. Hans-Dietrich Haasis, Bremen; Prof. Dr. Günter Knieps (Vorsitzender), Freiburg; Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Knorr, Speyer; Prof. Dr. Kay Mitusch, Karlsruhe; Prof. Dr. Stefan Oeter, Hamburg; Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher, Ulm; Prof. Dr. Bernhard Schlag, Dresden; Prof. Dr. Gernot Sieg, Münster; Prof. Dr.-Ing. Jürgen Siegmann, Berlin; Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, St. Gallen; Prof. Dr.-Ing. Dirk Vallée, Aachen; Prof. Dr.-Ing. Peter Vortisch, Karlsruhe; Prof. Dr. rer. nat. Hermann Winner, Darmstadt.
- 1 Nach dem Stand vom 15.12.2016 (Kabinettsbeschluss) soll der Bund nicht mehr die Verwaltung der autobahnähnlichen Bundesstraßen außerhalb geschlossener Ortslagen mit unmittelbarer Anbindung an Bundesautobahnen übernehmen. Der Entwurf zur Änderung von Art. 90 GG Abs. 2 sieht vor, dass (zunächst) nur die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund geht.
- 2 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat: Neuorganisation der Zuständigkeiten im Bereich der Bundesfernstraßen, Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, 77. Jg. (2006), H. 2, S. 81-104.
- 3 Der Beirat kann im Rahmen dieser Kurzstellungnahme nicht auf alle relevanten Probleme der Etablierung einer Infrastrukturgesellschaft eingehen. Er adressiert z.B. nicht das wichtige Thema der Personalüberleitung und der künftigen Personalstrukturen einer solchen Gesellschaft.
- 4 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat: Verkehrsfinanzierungsreform – Integration des kommunalen Verkehrs, Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, 84. Jg. (2013), H. 2, S. 138-194.
- 5 Nach dem Sachstand 15.2.2016 soll dies nur noch für die Bundesautobahnen gelten.