Die Monopolkommission hat in ihrem Hauptgutachten „Wettbewerb 2016“ die Wettbewerbssituation auf Verkehrsflughäfen betrachtet. Sie bemängelt dabei insbesondere die Doppelrolle der öffentlichen Hand, die sowohl Eigentümer als auch Aufsichtsbehörde „ihrer“ Flughäfen ist. Die Kommission empfiehlt, die Aufsicht über die Flughäfen einer zentralen unabhängigen Behörde zu übergeben. Zudem sollte der Markt für Bodenabfertigungsdienste weiter geöffnet werden.
Die Luftverkehrswirtschaft ist von erheblicher Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft. Sie trägt in wesentlichem Umfang zu Wachstum und Beschäftigung bei.1 Dies gilt umso mehr für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die deutsche, in der viele Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen mithilfe des Luftverkehrs grenzüberschreitend anbieten. Hinzu kommen wichtige gesellschaftliche Funktionen des Luftverkehrs wie die Sicherstellung der Mobilität der Bevölkerung. Die heutige Leistungsfähigkeit des Luftverkehrssektors geht nicht zuletzt auf einen umfänglichen Liberalisierungsprozess Ende der 1980er Jahre zurück. Fluggesellschaften und einige Flughäfen wurden privatisiert sowie Begrenzungen im Luftverkehr zwischen Mitgliedstaaten aufgehoben. Die Intensivierung des Wettbewerbs zwischen Fluggesellschaften hat dazu beigetragen, dass das Angebot an Flugverbindungen deutlich ausgebaut werden konnte und Flüge für Passagiere zunehmend erschwinglicher geworden sind.2 Flughäfen haben sich zu Mehrproduktunternehmen entwickelt, die einen Großteil ihrer Umsätze im Non-Aviation-Bereich z.B. mit der Vermietung von Geschäfts- und Parkflächen erzielen.
Da Flughäfen potenziell Marktmacht ausüben können, sind regulatorische Vorgaben weiterhin notwendig, um einen funktionierenden Wettbewerb auf Luftverkehrsmärkten zu ermöglichen. In Europa hat man sich dazu unter anderem auf gemeinsame Regeln etwa in den Bereichen Flughafenentgelte und Bodenverkehrsdienste geeinigt.3 Diese zielen darauf ab, den Zugang zur Infrastruktur Flughafen wettbewerblicher zu gestalten. In Deutschland leidet eine effiziente Regulierung von Flughäfen jedoch teilweise darunter, dass zahlreiche Flughäfen zwar gewinnorientiert geführt werden, sich aber noch immer im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Durch die Doppelrolle der öffentlichen Hand als Eigentümer und Regulierer kommt es sowohl bei der Festlegung von Flughafenentgelten als auch beim Zugang zum Markt für Bodenabfertigungsdienste zu Interessenkonflikten. Die Monopolkommission hat dies in ihrem Hauptgutachten „Wettbewerb 2016“ aufgegriffen. Im vorliegenden Artikel fassen wir die wesentlichen Empfehlungen an den Gesetzgeber zusammen.4
Entgeltgenehmigung an eine zentrale Aufsichtsbehörde übergeben
Fluggesellschaften zahlen verschiedene Entgelte für die Nutzung von Einrichtungen und Dienstleistungen an Flughäfen. Hierzu zählen Entgelte für das Starten und Landen, das Abstellen von Flugzeugen sowie die Abfertigung von Fluggästen und Fracht. Im Jahr 2015 belief sich die Summe der an deutschen Flughäfen gezahlten Entgelte auf ca. 2,8 Mrd. Euro.5 Die Grundsätze für die Erhebung solcher Entgelte auf Flughäfen der Europäischen Gemeinschaft werden durch eine europäische Richtlinie festgelegt.6 Sie findet Anwendung bei Flughäfen in der Europäischen Union, die mehr als 5 Mio. Fluggastbewegungen aufweisen bzw. bei dem Flughafen eines Mitgliedstaates mit den meisten Fluggastbewegungen. In Deutschland wurden die europäischen Vorgaben zur Genehmigung von Flughafenentgelten im § 19b Luftverkehrsgesetz umgesetzt. Darin wird unter anderem geregelt, dass Flughafenbetreiber eine Entgeltordnung veröffentlichen, die durch die zuständige nationale Luftfahrtbehörde genehmigt werden muss. Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Entgelte die gesetzlichen Anforderungen an Objektivität und Transparenz erfüllen. Zudem muss erkennbar sein, dass sich der Flughafenbetreiber an einer effizienten Leistungserstellung orientiert. In Deutschland wurde die Genehmigung der Entgelte an die jeweiligen Luftfahrtbehörden der einzelnen Bundesländer übertragen.7 Anders als in anderen europäischen Staaten erfolgt die Entgeltgenehmigung in Deutschland also derzeit nicht durch eine zentrale Behörde, sondern durch verschiedene Landesbehörden.
Kritik an dem derzeitigen Genehmigungsverfahren wird insbesondere mit Blick auf die unzureichende Unabhängigkeit der verantwortlichen Genehmigungsbehörden geäußert. Aufgrund der zahlreichen Beteiligungen der öffentlichen Hand an Flughäfen befinden sich viele Bundesländer in einer Doppelrolle gegenüber „ihren“ Flughäfen (vgl. Tabelle 1). Da sie sowohl Eigentümer der Flughäfen als auch Genehmigungsbehörde sind, kommt es zwangsläufig zu Interessenkonflikten. Entscheidungen zugunsten der Flughäfen werden wahrscheinlicher, wenn diese sich positiv im öffentlichen Haushalt bemerkbar machen – sei es weil Gewinne vergrößert oder Verluste vermindert werden. Umgekehrt werden Maßnahmen zuungunsten von Flughäfen unwahrscheinlicher, wenn die öffentliche Hand mögliche Verluste mittragen müsste. Zweifel an der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden können auch nicht alleine dadurch beseitigt werden, dass die Flughafenbeteiligungen üblicherweise bei den Landesfinanzministerien verwaltet werden, während die Landesluftfahrtbehörden den jeweiligen Verkehrsministerien zugeordnet sind. So wird der Eindruck fehlender Unabhängigkeit verstärkt, wenn in einer Reihe von Fällen Vertreter der Ministerien Aufsichtsratsmandate bei den Flughafengesellschaften besetzen. Beispielsweise ist der baden-württembergische Minister für Verkehr und Infrastruktur, Winfried Hermann, vor dem Hintergrund der Anteilseignerschaft des Landes als Vorsitzender im Aufsichtsrat des Flughafens Stuttgart vertreten. Gleichzeitig ist das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur für die Entgeltgenehmigung am Stuttgarter Flughafen zuständig.
Tabelle 1
Gesellschafter der zehn größten deutschen Verkehrsflughäfen
Marktanteile von Bodenverkehrsdienstleistern an ausgewählten deutschen Flughäfen
Flughafen | Gesellschafter bzw. Aktionäre | Anteil in % |
---|---|---|
Berlin- Brandenburg | Land Berlin | 37 |
Land Brandenburg | 37 | |
Bundesrepublik Deutschland | 26 | |
Dresden | Mitteldeutsche Flughafen AG1 | 94 |
Freistaat Sachsen | 4,8 | |
Landkreis Meißen | 0,6 | |
Landkreis Bautzen | 0,6 | |
Düsseldorf | Airport Partners GmbH | 50 |
Landeshauptstadt Düsseldorf | 50 | |
Frankfurt | Land Hessen | 31,32 |
Stadtwerke Frankfurt a.M. Holding GmbH | 20 | |
Deutsche Lufthansa AG | 8,44 | |
Lazard Asset Management LCC | 5,05 | |
Streubesitz | 35,91 | |
Hamburg | Freie und Hansestadt Hamburg | 51 |
AviAlliance GmbH | 49 | |
Hannover | Hannoversche Beteiligungsgesellschaft GmbH2 | 35 |
Stadt Hannover | 35 | |
Fraport AG | 30 | |
Köln/Bonn | Stadt Köln | 31,12 |
Bundesrepublik Deutschland | 30,94 | |
Land Nordrhein-Westfalen | 30,94 | |
Stadt Bonn | 6,06 | |
Rhein-Sieg-Kreis | 0,59 | |
Rheinisch Bergischer Kreis | 0,35 | |
Leipzig | Mitteldeutsche Flughafen AG1 | 94 |
Freistaat Sachsen | 5,5 | |
Landkreis Nordsachsen | 0,25 | |
Stadt Schkeuditz | 0,25 | |
München | Freistaat Bayern | 51 |
Bundesrepublik Deutschland | 26 | |
Stadt München | 23 | |
Stuttgart | Land Baden-Württemberg | 65 |
Stadt Stuttgart | 35 |
1 Eigentümer der Mitteldeutsche Flughafen AG sind zu 77,29% Freistaat Sachsen, 18,54% Land Sachsen-Anhalt, 2,1% Stadt Leipzig, 1,87% Stadt Dresden, 0,2% Stadt Halle (Saale). 2 Alleingesellschafter Land Niedersachsen.
Quelle: Flughafenverband ADV (2017).
Ein weiterer Nachteil, der sich aus der dezentralen Organisation der Aufsicht ergibt, ist die bundesweit uneinheitliche Durchführung der Genehmigungsverfahren, da jede Landesbehörde die gesetzlichen Vorgaben anders interpretieren kann. Dies hat zur Folge, dass etwa Konsultationen unterschiedlich durchgeführt oder Transparenzanforderungen anders erfüllt werden. So beanstanden einige Marktteilnehmer einen Mangel an Transparenz hinsichtlich der Kosten, die für eine Ermittlung der Flughafenentgelte zugrunde gelegt und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durch die Aufsichtsbehörde überprüft werden. Beispielsweise wird kritisiert, dass die von den Flughäfen vorgelegten Informationen keine ausreichende Untergliederung der Gesamtkosten nach Kostenarten enthielten und Verteilungsschlüssel bei der Zuordnung von Gemeinkosten nicht angegeben würden. Es wird außerdem bezweifelt, dass die Detailtiefe der vorzulegenden Unterlagen ausreicht, um die Angemessenheit der Entgelte oder die Höhe der voraussichtlichen tatsächlichen Kosten nachvollziehen zu können.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Monopolkommission in ihrem jüngsten Hauptgutachten dafür ausgesprochen, eine Bundesbehörde nach Art der Bundesnetzagentur mit der Aufsicht über die Entgeltgenehmigungsverfahren zu betrauen.8 Da die Entgeltgenehmigung derzeit durch die Luftfahrtbehörden der Länder erfolgt, wäre dies mit einer Beendigung der Bundesauftragsverwaltung in diesem Bereich verbunden, an deren Stelle eine bundeseigene Verwaltung treten würde.
Eine derartige zentrale behördliche Aufsicht würde nicht nur für mehr Unabhängigkeit bei der Entgeltgenehmigung sorgen, auch ließen sich so die genannten Interessenkonflikte deutlich vermindern. Zudem würden durch eine zentrale Regulierung auf Bundesebene Skaleneffekte mit Blick auf die Erfahrung der Regulierungsbehörde und eine insgesamt konsistentere Regulierung in Deutschland erzielt werden. Auch erscheint es wahrscheinlich, dass bei einer zentralen Organisation mögliche Deregulierungspotenziale eher genutzt würden. Flughäfen, die über keine nennenswerte Marktmacht verfügen, könnten weniger streng reguliert oder ganz aus der Regulierung entlassen werden. Die Verhandlung der Entgelte würde in so einem Fall zunächst den Marktteilnehmern überlassen werden. Die Regulierungsbehörde würde die Entgeltermittlung nur dann übernehmen, wenn es nicht zu einer Einigung zwischen den Verhandlungspartnern kommen sollte. Das teilweise vorgebrachte Argument, eine zentrale Behörde sei „zu weit weg“ und könne die lokalen Besonderheiten einzelner Flughäfen nicht ausreichend beurteilen, kann hingegen nicht überzeugen. Tatsächlich gehört die Berücksichtigung regionaler und lokaler Besonderheiten bei den Regulierungsentscheidungen zu den typischen Aufgaben einer Bundesbehörde wie etwa der Bundesnetzagentur.
Markt für Bodenabfertigungsdienste weiter öffnen
Ein weiterer Flughafenbereich, in dem Reformbedarf besteht, ist der Markt für Bodenabfertigungsdienste. Bodenabfertigungsdienste werden von Fluggesellschaften nachgefragt und können grundsätzlich entweder vom Flughafenbetreiber, unabhängigen Diensteanbietern oder den Fluggesellschaften selbst durchgeführt werden (sogenannte Selbstabfertigung). Dabei können land- und luftseitige Abfertigungsdienste unterschieden werden. Erstere werden im Terminal erbracht und umfassen z.B. den Check-In, die Sicherheitskontrollen und die Gepäckabfertigung. Demgegenüber erfolgt die luftseitige Abfertigung auf dem Vorfeld. Hierzu gehören beispielsweise das Reinigen und Betanken von Flugzeugen sowie das Be- und Entladen von Fracht und Gepäck. Es wird geschätzt, dass 2011 weltweit rund 50 Mrd. Euro mit Bodenabfertigungsdiensten umgesetzt wurden und in Europa mindestens 60 000 Personen in diesem Sektor beschäftigt waren. Für Fluggesellschaften stellen Bodenabfertigungsdienste 5% bis 12% ihrer Betriebskosten dar.9
Während landseitige Abfertigungsdienste bereits vor der Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs durch Drittanbieter oder Fluggesellschaften erbracht wurden, konnten die luftseitigen Bodenverkehrsdienste an deutschen Flughäfen ausschließlich durch den jeweiligen Flughafenbetreiber bzw. dessen Tochtergesellschaft angeboten werden. Andere Anbieter waren darauf angewiesen, eine Lizenz zu erhalten, die ihnen in der Regel durch die Flughafenbetreiber verweigert wurde. Flughäfen hatten damit ein De-facto-Monopol bei der Erbringung der luftseitigen Abfertigungsdienste.10 Ein erster Schritt zur Öffnung dieses Marktes war die europäische Richtlinie 96/67/EG11, die in Deutschland ein Jahr später mit der Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen (BADV) umgesetzt wurde. Die Richtlinie sorgte für eine schrittweise Öffnung im Markt der Bodenabfertigung, indem Fluggesellschaften die Selbstabfertigung ermöglicht und Drittanbieter bei einer Reihe von Diensten wie dem Catering, der Fluggastabfertigung und der Flugzeugreinigung zugelassen wurden. Studien deuten darauf hin, dass sich in der Folge die Qualität der erbrachten Bodenabfertigungsdienste verbessert hat und die Preise sanken.12 Zu bestimmten Bodenabfertigungsdiensten wie der Abfertigung von Gepäck und Fracht, der Betankung und Vorfelddiensten wie dem Be- und Entladen von Flugzeugen wird der Zugang jedoch weiterhin beschränkt. Oftmals wird es nur einem unabhängigen Anbieter gestattet, seine Dienste neben dem Flughafenbetreiber anzubieten.
Aus Sicht der Monopolkommission sollte die vor mehr als 20 Jahren begonnene Öffnung des Marktes für Bodenverkehrsdienste konsequent weitergeführt werden, da es an deutschen Flughäfen noch immer an einem effektiven Wettbewerb bei Bodenverkehrsdiensten mangelt. Bis heute ist es den unabhängigen Anbietern in vielen Fällen nicht gelungen, Marktanteile von mehr als 25% zu erreichen. Abbildung 1 zeigt die Marktanteile bei Bodenverkehrsdiensten von Flughafenbetreibern bzw. deren Tochterunternehmen in Relation zu unabhängigen Drittanbietern an verschiedenen deutschen Flughäfen im Mai 2016. An den Flughafenstandorten Berlin, Bremen, Düsseldorf und Nürnberg kommt es derzeit praktisch nicht zu einer Konkurrenzsituation zwischen Flughafenbetreibern und unabhängigen Anbietern bei der Erbringung von Bodenverkehrsdiensten. In Nürnberg und Bremen sind keine unabhängigen Anbieter tätig. Während in Nürnberg der unabhängige Wettbewerber seine Lizenz ruhen lässt, ist in Bremen die Betriebsaufnahme des Drittanbieters noch nicht erfolgt, sodass auch hier der Flughafenbetreiber alleine tätig ist.
Abbildung 1
Quelle: Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), Vereinigung der Dienstleister an Deutschen Flughäfen (VDF); Stand Mai 2016.
Im Gegensatz dazu sind Flughafenbetreiber an den Standorten Berlin und Düsseldorf nicht bzw. kaum noch aktiv. Historisch bedingt war der gemeinsame Flughafenbetreiber an den Berliner Standorten Tegel und Schönefeld noch nie als Bodenverkehrsdienstleister tätig, sodass es hier nur unabhängige Anbieter gibt.13 In Düsseldorf wird erwartet, dass sich der Flughafenbetreiber aus betriebswirtschaftlichen Gründen aus der Bodenabfertigung zurückzieht. Es wurde seitens des Flughafenbetreibers angestrebt, eine weitere Lizenz an einen unabhängigen Anbieter zu vergeben.14 An den verbleibenden sechs Flughäfen, an denen sowohl unabhängige Drittanbieter als auch Flughafenbetreiber konkurrieren, zeigt sich, dass unabhängige Dienstleister einen durchschnittlichen Marktanteil von 20% haben. Eine weitere Folge der Begrenzung des Marktzutritts ist, dass keiner der sieben unabhängigen Anbieter an allen zehn Flughafenstandorten vertreten ist.15 Ein Anbieter ist an fünf Standorten und die übrigen an drei oder weniger Standorten vertreten. Dadurch sind Fluggesellschaften und Drittanbieter kaum in der Lage, standortübergreifende Synergien und Produktivitätsverbesserungen zu erzielen.16
Vor diesem Hintergrund hat sich die Monopolkommission dafür ausgesprochen, dass insbesondere an großen Flughäfen mit vielen Flugbewegungen weitere unabhängige Drittanbieter zugelassen werden.17 Dies ist nach den Vorgaben der geltenden Richtlinie bereits möglich, da lediglich Mindestvorgaben hinsichtlich der Zahl der Dienstleister bestehen. Für eine Anpassung der Anbieterzahl genügt bereits eine Änderung der Zahl der Drittabfertiger in der BADV.
Gegen eine weitere Öffnung des Marktes wird häufig eingewendet, dass mehr Wettbewerb zulasten der Mitarbeiter und der Sicherheit am Flughafen ginge. Dies widerspricht jedoch den bisherigen Erfahrungen mit der Marktöffnung. Mitarbeiter von Drittanbietern werden nicht per se schlechter bezahlt als andere Beschäftigte in der Bodenabfertigung. Tatsächlich wird die Vergütung von Mitarbeitern von unabhängigen Drittanbietern typischerweise nach Tarifverträgen geregelt, deren Niveau auch über dem von flughafeneigenen Tochtergesellschaften liegen mag. Auch sind Beeinträchtigungen der Flughafensicherheit nicht zu erwarten. Alle Beschäftigten werden – unabhängig davon, ob sie bei einem Drittanbieter oder einem Flughafen angestellt sind – der gleichen Sicherheitsüberprüfung durch die zuständigen Landesbehörden unterzogen. Nach erfolgreicher Sicherheitsüberprüfung durchlaufen auch die Mitarbeiter von Drittanbietern Fort- und Weiterbildungen. Bei den unabhängigen Drittanbietern handelt es sich also nicht, wie teilweise suggeriert wird, um „Billiganbieter“, die unzureichend ausgebildete Angestellte zu Dumpinglöhnen beschäftigen. In jedem Fall ist die Verhinderung von Wettbewerb nicht der richtige Weg, Sozialstandards zu sichern.
Auch das vielfach vorgebrachte Argument, eine weitere Öffnung sei aus logistischen Gründen nicht umsetzbar, da es nicht genug Platz für weitere Anbieter gebe, kann nicht überzeugen. Zwar dürfte sich die Anbieterzahl nicht unbegrenzt vergrößern lassen, dennoch scheint ein moderater Anstieg der Anbieterzahl von zwei auf drei zumindest an großen Verkehrsflughäfen nicht unverhältnismäßig. Die praktischen Erfahrungen an deutschen und anderen europäischen Flughäfen deuten darauf hin, dass es in vielen Fällen möglich sein dürfte, mehr als die bisherigen zwei Anbieter zuzulassen. Beispielsweise kooperieren Anbieter bei der Nutzung von Fahrzeugen, was den Platzbedarf reduziert. Außerdem sollte ein eventuell gestiegener Platzbedarf bei der Planung neuer Flughafengebäude berücksichtigt werden.
Zudem sollte beim Zugang zum Markt für Bodenverkehrsdienste für mehr Transparenz und Diskriminierungsfreiheit gesorgt werden. Die Erteilung von Lizenzen erfolgt in der Regel durch die Verkehrsministerien der Länder, die gleichzeitig Gesellschafter der Flughafenbetriebsgesellschaften sind. Da die Flughafenbetreiber gewöhnlich ebenfalls Bodenabfertigungsdienste anbieten, können ähnlich wie im Bereich der Entgeltgenehmigung Interessenkonflikte bestehen. Es verwundert daher nicht, dass unabhängige Drittanbieter Kritik an den Markteintritts- und Tätigkeitsbedingungen an deutschen Flughäfen geübt haben.18 Um derartige Interessenkonflikte zu vermeiden, bietet es sich an, eine (zentrale) unabhängige Behörde, die auch die Entgeltgenehmigung durchführen sollte, mit der Lizenzvergabe zu betrauen. Sollte dies in absehbarer Zeit nicht möglich sein, sollte stattdessen in Betracht gezogen werden, den Flughafenbetrieb und die Bodenabfertigung rechtlich zu trennen. Damit kann das Risiko vermindert werden, dass es bei der Vergabe von Zulassungen und im späteren betrieblichen Ablauf zu Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen Dienstleistern kommt.
- 1 Verschiedene empirische Studien schätzen die Bruttowertschöpfung der deutschen Luftverkehrswirtschaft auf 39 Mrd. bis 57 Mrd. Euro und die direkten und indirekten Beschäftigungseffekte auf 522 000 bis 826 000 Arbeitsplätze. Vgl. InterVISTAS: Economic Impact of European Airports: A Critical Catalyst to Economic Growth, Bath 2015; Oxford Economics: Economic Benefits from Air Transport in Germany, 2011; Air Transport Action Group: Powering Global Economic Growth, Employment, Trade Links, Tourism and Support for Sustainable Development through Air Transport, Genf 2014; und Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)/ifo Institut: Report 2013 – Luftfahrt und Wirtschaft, April 2013.
- 2 Die Zahl der Sitzplätze auf Flügen innerhalb der EU wuchs von 5,5 Mio. (1992) auf 13,9 Mio. (2015). Im selben Zeitraum stieg die Zahl verschiedener Flugverbindungen innerhalb der EU von 874 auf 3522 und die der Flugverbindungen zwischen europäischen und nicht europäischen Flughäfen von 988 auf 2621. Vgl. European Commission, Commission Staff Working Document accompanying the document Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions: An Aviation Strategy for Europe, SWD(2015) 261 final, vom 7.12.2015, S. 17.
- 3 Vgl. Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2009 über Flughafenentgelte, ABl. EU L 70 vom 14.3.2009, S. 11; und Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15.10.1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. EU L 272 vom 25.10.1996, S. 36.
- 4 Darüber hinaus hat die Monopolkommission das Thema Flughafen-Slots in ihrem Hauptgutachten behandelt und sich dafür ausgesprochen, bei der Zuteilung von Slots stärker als bisher auf marktbasierte Mechanismen zu setzen, um mehr Effizienz zu erreichen.
- 5 Angabe des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) gegenüber der Monopolkommission.
- 6 Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2009 über Flughafenentgelte, ABl. EU L 70 vom 14.3.2009, S. 11.
- 7 Dabei handelt es sich um eine Bundesauftragsverwaltung im Sinne des Art. 85 GG im Rahmen der Luftverkehrsverwaltung gemäß Art. 87d Abs. 2 GG in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Nr. 4 LuftVG.
- 8 Vgl. Monopolkommission: XXI. Hauptgutachten, Wettbewerb 2016, S. 62 f.
- 9 Die Europäische Kommission unterscheidet die folgenden elf Kategorien von Bodenabfertigungsdiensten: 1. Administrative Abfertigung am Boden und Überwachung, 2. Fluggastabfertigung, 3. Gepäckabfertigung, 4. Fracht- und Postabfertigung, 5. Vorfelddienste, 6. Reinigungsdienste und Flugzeugservice, 7. Betankungsdienste, 8. Stationswartungsdienste, 9. Flugbetriebs- und Besatzungsdienste, 10. Transportdienste am Boden, 11. Bordverpflegungsdienste (Catering). Vgl. Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG vom 1.12.2011, S. 2.
- 10 Vgl. T. Neuscheler: Flughäfen zwischen Regulierung und Wettbewerb – Eine netzökonomische Analyse, Baden Baden 2008, S. 137.
- 11 Vgl. Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15.10.1996 über den Zugang zum Markt für Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L272 vom 25.10.1996, S. 36.
- 12 Vgl. hierzu auch SH&E: Study on the quality and efficiency of ground handling services at EU airports as a result of the implementation of Council Directive 96/67/EC, final report, vom 7.10.2002; Airport Research Center: Study on the Impact of Directive 96/67/EC on Ground Handling Services 1996-2007, final report, Februar 2009; sowie C. Templin: Competition for Airport Services – Ground Handling Services in Europe: Case Studies on Six Major European Hubs, in: P. Forsyth et al. (Hrsg.): Airport Competition – The European Experience, Farnham 2010, S. 393-412.
- 13 Am Flughafen Tegel sind zwei unabhängige Anbieter und am Flughafen Schönefeld drei unabhängige Anbieter tätig.
- 14 Vgl. R. Schleucher: Der neue Flughafen-Chef redet Klartext, www.wz.de (29.4.2015).
- 15 An den genannten zehn Flughafenstandorten gibt es derzeit sieben verschiedene unabhängige Drittanbieter. Hierbei handelt es sich um Acciona, Aeroground Berlin, Aviapartner, Losch, Swissport/Gegenbauer, Swissport/Losch und WISAG.
- 16 Vgl. Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), http://www.bdf.aero/themen/bodenverkehrsdienste/ (10.3.2017).
- 17 Vgl. Monopolkommission, a.a.O., S. 75 ff.
- 18 So wurde bemängelt, dass Ausschreibungen oftmals nicht ausreichend transparent seien und durch das Setzten von undurchsichtigen Zeitrahmen zugunsten der flughafeneigenen Anbieter verzerrt worden seien, was in mehreren Fällen die Werbung von Kunden und die fristgerechte Betriebsaufnahme erschwert habe. Vgl. Vereinigung der Dienstleister an Deutschen Flughäfen (VDF): Positionspapier zur Richtlinie 96/67/EG des Rates der Europäischen Union vom 15.10.1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft vom 14.4.2015.