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Im OECD-Vergleich erscheint der deutsche Krankenhaussektor vielen Beobachtern ineffizient. Wie aber sieht ein Vergleich der deutschen Bundesländer aus? Die Autoren untersuchen Umfang und Ursachen von Effizienzveränderungen im deutschen Krankenhaussektor. Es zeigt sich: Zwischen den Ländern bestehen substanzielle Unterschiede. Die wesentliche Einflussgröße ist die Verweildauer; andere Effekte wie eine stärkere Spezialisierung hängen vom Finanzierungssystem und regionalen Besonderheiten ab. Die Landespolitik, insbesondere in Westdeutschland, sollte vermehrt krankenhauspolitische Instrumente etwa der Investitionsförderung ausschöpfen, die mehr und bessere Leistungen bei gleichzeitig schonenderem Ressourceneinsatz versprechen und die Patientenzufriedenheit erhöhen.

Wie lässt sich die Effizienz im Krankenhaussektor steigern? Ist „mehr öffentliche Leistungen bei gleichzeitig geringerem Mitteleinsatz“ nur ein akademisches Gedankenexperiment oder hat die Politik tatsächlich Gestaltungsoptionen? In diesem Beitrag1 zeigen wir anhand des deutschen Krankenhaussektors, dass substanzielle Effizienzsteigerungen bei öffentlich finanzierten Leistungen möglich sind, wenn die zur Verfügung stehenden politischen Möglichkeiten und Maßnahmen tatsächlich genutzt werden. Wir zeigen die Ergebnisse eines Langzeit-Benchmarks der deutschen Bundesländer, die weitgehend autonom über die institutionelle Ausrichtung und Ausgestaltung „ihres“ Kranken­haussektors entscheiden können. Zu den wesentlichen Gestaltungsinstrumenten zählen die Krankenhausgesetze der Länder, die Krankenhausplanung sowie die Investitionsfinanzierung. Hierdurch können die Länder direkten Einfluss auf Standorte, Bettenzahl, Kapazitäten und Ausrichtung nahezu aller Krankenhäuser nehmen – unabhängig von deren Rechtsform als private, freigemeinnützige oder öffentliche Häuser.2 Den Ländern, insbesondere den Landesgesundheitsministern, steht damit potenziell eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, um Einfluss auf die Effizienz im Krankenhaussektor in ihrem Bundesland zu nehmen.

Die vorliegende Untersuchung soll neben der Analyse eines konkreten Fallbeispiels auch zum vermehrten Einsatz von Benchmarks im Allgemeinen anregen. Der Bundesrechnungshof beklagte jüngst die fehlende Ausschöpfung der mit der Föderalismusreform II etablierten Möglichkeit von länderübergreifenden Leistungsvergleichen nach Art. 91d GG.3 Trotz anfänglichen Eifers nutzen bisher nur wenige Behörden und Fachbereiche die Möglichkeit von Benchmarks, möglicherweise aus (falscher) Rücksichtnahme auf das Image potenzieller Ranking-Verlierer. Benchmarks bieten jedoch enorme Potenziale im Sinne eines lernenden „Trial-and-Error-Föderalismus“. Die 16 Länder sind „Versuchslabore“ für unterschiedliche Politikstrategien. Ein beherztes Umsetzen von aus Benchmarks gewonnenen Erkenntnissen bezüglich erfolgreicher „Politikinnovationen“ böte die Chance auf substanzielle Effizienz- und Qualitätsverbesserungen. Eine stärkere Ausschöpfung der Potenziale eines „Lernen von den Besten“ könnte nicht zuletzt auch das (zu Unrecht) gemeinhin schlechte Standing des Föderalismus in der deutschen Bevölkerung verbessern.

Messung von Effizienz im Krankenhauswesen

Effizienz kann als das Verhältnis von erzeugten Outputs zu den eingesetzten Inputs definiert werden.4 Die eingesetzten Inputs werden mithilfe einer bestimmten Produktionstechnologie in Outputs umgesetzt. Beobachtungseinheiten, die besonders wenige Inputs für eine gegebene Menge an Outputs benötigen, sind relativ effizient.5 Inputs und Outputs müssen jeweils sektorspezifisch definiert werden. Als Inputs im Krankenhaussektor werden zumeist drei Produktionsfaktoren herangezogen: Arbeit, Kapital und Vorleistungen aus anderen Sektoren. In unserer Analyse betrachten wir aggregierte Daten auf der Ebene der 16 Länder zwischen 1993 und 2013 (vgl. Tabelle 1). Als Inputfaktoren verwenden wir die Zahl der Vollzeitstellen von Ärzten, Pflege- und sonstigem Personal (Faktor Arbeit), einen eigens aus verschiedenen Quellen geschätzten landesspezifischen Kapitalstock des Krankenhaussektors in Preisen von 2013, der den Wert aller in den Krankenhäusern gebundenen Gebäude, Grundstücke und Anlagegüter umfasst (Kapital), sowie die preisbereinigten Vorleistungen aus anderen Sektoren, etwa Spritzen, Heil- und Hilfsmittel, Energie und Dienstleistungen wie z. B. Reinigungsleistungen.6 Diese drei Produktionsfaktoren werden in Krankenhäusern eingesetzt, um Patienten zu behandeln.

Tabelle 1
Für die Effizienzmessung verwendete Variablen
Variable   Messung
Output   Zahl der Behandlungsfälle, bereinigt um mortalitätsbasierten Qualitätsindex
Input Arbeit Vollzeitäquivalente von Ärzten, Pflegepersonal und sonstigem Personal (jeweils getrennt)
  Kapital Krankenhaus-Kapitalstock in Preisen von 2013
  Vorleistungen Vorleistungen für Energie, Material, Dienstleistungen (jeweils getrennt) in Preisen von 2013

Quelle: eigene Darstellung.

Der Output von Krankenhäusern besteht daher in der Zahl der behandelten Patienten (Behandlungsfälle). Hierbei sind jedoch Unterschiede in der Behandlungsqualität möglich. Wir tragen diesen Unterschieden Rechnung, indem wir die Fallzahl mithilfe eines landesspezifischen Qualitätsindex bereinigen, der auf der Krankenhausmortalität beruht. Der Qualitätsindex steigt in dem Maße, in dem sich die Mortalität im Krankenhaus stärker reduziert als die Mortalität in der Gesamtbevölkerung. Wir gehen hierbei analog zu wirtschaftswissenschaftlich etablierten Verfahren bei der Preisbereinigung von Zeitreihen vor.7

Abbildung 1 zeigt, wie sich die von uns verwendeten Output- und Inputvariablen über die Zeit verändern. Wir beobachten einen kontinuierlichen Anstieg der mortalitätsadjustierten Fallzahlen im Krankenhaus für den Zeitraum 1993 bis 2013, die Jahre 2002 bis 2006 sind hierbei Ausnahmen. Bei den Inputs folgen der Kapitalstock und die Vorleistungen mehr oder weniger dem Trend der Outputs. Die Zahl der Betten und Gebäude vollzieht zumindest langfristig den Trend der behandelten Fälle nach, Vorleistungen wie Verbrauchsmaterial sowie Energiekosten sind ebenfalls eng mit der Fallzahl verbunden. Seit Anfang der 2000er Jahre entwickeln sich die Vorleistungen allerdings deutlich dynamischer als der gemessene Output. Eine Ursache hierfür ist die Tendenz zum Outsourcing, z. B. zur Auslagerung von Reinigungsdiensten oder Wäschereien aus dem Kerngeschäft. Dies kann auch zumindest teilweise den von den anderen Maßen völlig entkoppelten Trend in der Beschäftigung im Krankenhaussektor erklären. Abbildung 1 zeigt eine faktische Stagnation des Inputfaktors Arbeit für einen Zeitraum von rund 20 Jahren und einen zeitgleichen Anstieg der Fallzahlen um rund 60 %.

Abbildung 1
Output und Input im Zeitverlauf
Output und Input im Zeitverlauf

Für die Definitionen vgl. Tabelle 1.

Quelle: A. Karmann, F. Rösel: Hospital Policy and Productivity – Evidence from German States, in: Health Economics, im Erscheinen; zugleich: CEPIE Working Paper, Nr. 07/16, Technische Universität Dresden, Dresden; eigene Darstellung.

Insgesamt wachsen zwei Inputfaktoren – Kapital und Vorleistungen – etwas stärker als der Output an, während das Arbeitsvolumen deutlich hinter dem Zuwachs der Outputs zurückbleibt. Die Kapital- und Vorleistungsproduktivität ist folglich gesunken, die Arbeitsproduktivität dagegen stark gestiegen. Der Gesamteffekt – gemessen als Totale Faktorproduktivität (TFP) – ist allerdings a priori unklar. Bei der Veränderung der TFP wird gemessen, wie sich die Summe aller Outputs im Verhältnis zur Summe aller Inputs entwickelt. Wir verwenden zur Berechnung der TFP die von L. Törnqvist bzw. R. Solow begründete Methodik der Wachstumszerlegung (growth accounting).8 Hierbei wird die Veränderungsrate der Outputs der Veränderungsrate der nach ihren jeweiligen Anteilen an der Produktion gewichteten Inputs gegenübergestellt. Die hierbei entstehende Differenz (Solow-Residuum) misst die nicht durch das Inputwachstum erklärbare Veränderung des Outputwachstums. Eine positive Wachstumsrate der TFP gibt an, dass die erzeugten Outputs stärker als die eingesetzten Inputs gewachsen sind (Effizienzverbesserung). Wachsen dagegen Inputs stärker als Outputs, werden immer mehr Ressourcen pro erzeugter Einheit Output benötigt – die Effizienz verschlechtert sich. Die Gewichte der Inputs Arbeit, Kapital und Vorleistungen ermitteln wir als deren jeweiligen Anteil am Umsatz.

Abbildung 2
Länder-Ranking nach Effizienzveränderung
Länder-Ranking nach Effizienzveränderung

BB = Brandenburg, BE = Berlin, BW = Baden-Württemberg, BY = Bayern, D = Durchschnitt, HB = Bremen, HE = Hessen, HH = Hamburg, MV = Mecklenburg-Vorpommern, NI = Niedersachen, NW = Nordrhein-Westfalen, RP = Rheinland-Pfalz, SH = Schleswig-Holstein, SL = Saarland, SN = Sachsen, ST = Sachsen-Anhalt, TH = Thüringen.

Quelle: eigene Darstellung.

Berlin und Sachsen an der Spitze der Länder

Wir berechnen die Effizienzveränderung separat für jedes Bundesland und jedes Jahr zwischen 1993 und 2013. Hierbei differenzieren wir aufgrund der großen Unterschiede in der Ausstattung mit Investitionsmitteln nach westdeutschen und ostdeutschen Bundesländern. Abbildung 2 zeigt einen Anstieg der durchschnittlichen Effizienz im deutschen Krankenhaussektor um rund 1,3 % pro Jahr. Das bedeutet, dass im Durchschnitt die mortalitätsbereinigten Fallzahlen schneller wachsen als die (gewichtete) Summe aller Inputs. Die Krankenhäuser sind folglich immer besser in der Lage, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen einzusetzen und produzieren mehr Fälle mit einer höheren Qualität (hier: gemessen als geringere Mortalität). Auf Effizienzgewinne entfällt rund die Hälfte des Outputzuwachses von durchschnittlich insgesamt rund 2,4 % pro Jahr.

Die Effizienzzuwächse unterscheiden sich jedoch erheblich zwischen den Ländern. In Ostdeutschland verbesserte sich die Effizienz um rund 2 % pro Jahr, in Westdeutschland etwa um rund 1 %. Berlin und Sachsen weisen die höchsten Zuwachsraten auf, allerdings bildet Berlin aufgrund der starken Konsolidierung seines teilungsbedingt in den frühen 1990er Jahren noch stark überdimensionierten Krankenhaussektors eine Besonderheit. Innerhalb des Rankings ist keine augenfällige Systematik erkennbar: In Westdeutschland wird das Ranking vom größten Flächenland Nordrhein-Westfalen angeführt, gefolgt vom kleinen Stadtstaat Bremen. Mit Hamburg, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein teilen sich drei sehr heterogene Länder die Schlussplätze. Dies legt die Frage nahe, wie die Unterschiede der Länder zu erklären sind.

Wie lässt sich Effizienz steigern?

Wir verwenden eine multivariate Paneldatenregression, um gesundheitspolitische, managementbedingte und soziodemografische Einflussfaktoren, die mit Effizienzveränderungen einhergehen, zu identifizieren. Die abhängige Variable sind die jeweiligen Veränderungsraten der Effizienz im Krankenhaussektor, die wir für den Zeitraum 1993 bis 2013 (20 Jahre) für alle 16 Bundesländer beobachten; es ergeben sich damit 320 Beobachtungspunkte. Wir erklären diese Veränderungsraten mit jahres- und bundeslandfixen Effekten sowie mit den Veränderungsraten der in Tabelle 2 dargestellten Variablen. Wir verzichten auf eine Darstellung der quantitativen Größenordnung der Effekte und geben lediglich die qualitative Wirkungsrichtung der gefundenen, signifikanten Effekte an.9 Spalte (1) in Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse für den Gesamtdatensatz; die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch erheblich in zeitlichen und regionalen Subsamples (Spalten (2) bis (5)).

Tabelle 2
Mit Effizienzsteigerungen im Krankenhauswesen korrelierte Faktoren
  Gesamt Subsamples nach Vergütungssystem Subsamples nach Region
Tagesgleiche
Pflegesätze
(1993-2003)
Diagnosebezogene Fallgruppen DRG (1994-2003) Westdeutschland (mit Berlin) Ost- deutschland (ohne Berlin)
(1) (2) (3) (4) (5)
Rahmenbedingungen
Anteil öffentlicher Krankenhäuser ™ ™ ™ ™ ™
Anteil privater Krankenhäuser ™ ™ ™ ™
Krankenhausgröße (Betten je Haus) ™
Spezialisierungsgrad (nach Fachabteilungen) ™ ™
Anteil der Krankenhausfinanzierungsgesetz-Mittel am Landeshaushalt ™ ™ ™ ™ ™
Medizinstudenten an Universitäten ™ ™ ™ ™ ™
Gesundheitsminister von linker Partei1 ™ ™ ™ ™
Krankenhaus-Kennziffern
Verweildauer
Bettenbelegungsrate ™
Kapitalintensität2 ™ ™ ™
Sozio-demografische Faktoren
Anteil Intensivpflegetage ™ ™ ™
Anteil „einpendelnde“ Patienten anderer Bundesländer ™ ™ ™ ™ ™
Anteil „auspendelnde“ Patienten in andere Bundesländer ™ ™ ™ ™
Bedeutung niedergelassener Bereich3 ™ ™ ™
Altenquotient ™ ™ ™ ™
Arbeitslosenquote ™ ™ ™ ™ ™
BIP je Einwohner (preisbereinigt) ™ ™ ™ ™ ™

Erläuterungen: Die Ergebnisse beruhen auf verschiedenen Regressionsanalysen und werden wie folgt qualitativ dargestellt: ™: Kein signifikanter Zusammenhang. ▲: Signifikanter, positiver Zusammenhang. ▼: Signifikanter, negativer Zusammenhang. Zu Details und allen einzelnen Ergebnissen vgl. A. Karmann, F. Rösel: Hospital Policy and Productivity – Evidence from German States, in: Health Economics, im Erscheinen.

1 Linke Parteien: SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke. 2 Kapitalstock je Vollzeitkraft. 3 Relation von niedergelassenen Ärzten zu Krankenhausärzten.

Quelle: eigene Darstellung.

Im Ergebnis sind es vor allem Einflussfaktoren im Bereich der einschlägigen Krankenhaus-Kennziffern, die die Änderungsraten der Effizienz erklären. Eine niedrigere Verweildauer geht in sämtlichen Spezifikationen mit signifikanten Effizienzgewinnen einher und ist damit die zentrale Schlüsselvariable.10 Alle anderen Variablen wirken unterschiedlich – je nach Vergütungssystem und betrachteter Region. Insgesamt scheinen vor der Einführung Diagnosebezogener Fallgruppen (DRG) größenorientierte Faktoren zu dominieren (Spalte (2)): Größere Krankenhäuser (im Durchschnitt) sowie eine höhere Bettenbelegungsrate waren zwischen 1993 und 2003 mit Effizienzgewinnen verbunden. Nach 2004 bzw. unter dem DRG-System dominieren dagegen eher qualitätsorientierte Faktoren (Spalte (3)): Ein höherer Spezialisierungsgrad (gemessen als Gini-Koeffizient der Betten in Fachabteilungen) sowie ein höherer Anteil privater Krankenhäuser waren mit Effizienzzuwächsen verbunden. Auch ein höherer Anteil an auspendelnden Patienten11 geht im DRG-System mit höheren Effizienzraten einher; Patienten wählen bewusster ihren Behandlungsort. Außerdem hat nach 2004 der ambulante Sektor an Bedeutung gewonnen; insbesondere vor dem Hintergrund einer kürzeren Verweildauer ist eine höhere Relation von niedergelassenen Ärzten zu Krankenhausärzten von zunehmender Bedeutung; sowohl in vor- und nachstationärer Behandlung, als auch über eine veränderte Substituierung von Krankenhausleistungen.

Politikmaßnahmen wirken lokal sehr unterschiedlich. So finden wir etwa in Ostdeutschland (Spalte (5)) keine nennenswerten Effekte von gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen auf die Effizienzveränderung; die Vergrößerung der im Bundesvergleich im Durchschnitt bereits ohnehin großen ostdeutschen Krankenhäuser ging sogar mit Effizienzeinbußen einher. Die fehlenden Effekte von Politikmaßnahmen in Ostdeutschland könnten auf die radikale Konsolidierung des ostdeutschen Krankenhaussektors nach 1990 zurückzuführen sein, die das Potenzial für weitere inkrementelle Verbesserungen deutlich reduziert hat. Demgegenüber finden wir einen stärkeren Einfluss der Krankenhauspolitik in Westdeutschland, die eher von kontinuierlichen Veränderungen als von großen Reformen geprägt ist. In Westdeutschland wird (insbesondere im Vergleich zu Ostdeutschland) ein spürbarer Investitionsstau im Krankenhauswesen konstatiert.12 Die Ergebnisse in Spalte (4) zeigen, dass dieser Investitionsstau auch mit einem Rückgang der Effizienz verbunden sein dürfte: Eine bessere Kapitalausstattung bzw. eine höhere Kapitalintensität könnte zu einer Erhöhung der Effizienz im westdeutschen Krankenhaussektor beitragen. So sind etwa bei Krankenhausneubauten die Belange der Prozessabläufe mitberücksichtigt, was letztlich über verbesserte Arbeitsabläufe Effizienzgewinne ermöglicht. Frühere Studien konnten Unterschiede zwischen linken und rechten Parteien im Bereich von Gesundheitsausgaben zeigen.13 Unsere Ergebnisse schließen hieran an und zeigen zumindest im Falle von Westdeutschland geringere Effizienzverbesserungen unter Gesundheitsministern von Parteien aus dem linken Spektrum (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke). Dieser Effekt könnte insbesondere auf eine stärkere Gewerkschaftsorientierung linker Gesundheitsminister zurückzuführen sein – verbunden mit einem tendenziell niedrigeren Druck, den Personaleinsatz im Krankenhaussektor zu reduzieren oder kapitalintensive Innovationen durchzusetzen. Keine parteispezifischen Unterschiede konstatieren wir dagegen im Falle von Ostdeutschland. Für sozioökonomische bzw. materielle Einflussgrößen wie den Altenquotienten, die Arbeitslosenquote oder das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner finden wir keinen durchweg systematischen Zusammenhang mit der Effizienzentwicklung im Krankenhauswesen.

Effizienz auf Kosten der Patienten?

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass ein Mehr an Behandlungsmöglichkeiten (bei reduzierter Mortalität) den Patienten zugutekommt. Patienten profitieren damit von Effizienzzuwächsen, da Behandlungsmöglichkeiten erweitert und Wartezeiten reduziert werden können. Eine höhere Zahl von Fällen bei gleichbleibendem Inputeinsatz könnte bei Patienten allerdings das Gefühl einer zunehmenden „Massenabfertigung“ und schlechterer Betreuung auslösen. Wir stellen daher die subjektiv gemessene Behandlungsqualität (in Schulnoten) unserer Effizienzkennziffer gegenüber; den Ausreißer Berlin klammern wir hierbei aus.14 Abbildung 3 zeigt, dass Patienten in Ländern mit stärkeren Effizienzzuwächsen zwischen 1993 und 2013 tendenziell zufriedener mit ihrer Behandlung im Jahr 2014 waren (bessere Schulnoten in der Bewertung). Effizienzgewinne gehen also nicht auf Kosten der Patienten, sondern scheinen sogar zur Patientenzufriedenheit beizutragen.15

Abbildung 3
Patientenzufriedenheit und Effizienzentwicklung
Patientenzufriedenheit und Effizienzentwicklung

y = -0,0246x + 1,9476, R2 = 0,0578

1 Der Ausreißer Berlin (BE) wurde bei der Regression ausgeklammert.

Quelle: Auf Basis von Daten zur Patientenzufriedenheit aus J. Böcken, T. Kostera: Pflegepersonal im Krankenhaus, Spotlight Gesundheit, Daten, Analysen, Perspektiven, Nr. 6, 2017, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh; eigene Darstellung.

Fazit und Ausblick

Krankenhauspolitik ist in Deutschland vorrangig Ländersache. Dieser Beitrag untersucht mithilfe eines Benchmark-Ansatzes, wie sich die Effizienz in den Kranken­haussektoren der Länder zwischen 1993 und 2013 entwickelt hat und welche gesundheitspolitischen Maßnahmen mit Effizienzgewinnen einhergingen. Wir konnten hierbei große Unterschiede zwischen den Ländern in der Veränderung des Output-Input-Verhältnisses dokumentieren. Haupttreiber der Effizienzentwicklung ist insbesondere die Verweildauer; nach Einführung des DRG-Systems gingen auch Spezialisierung und Privatisierung mit Effizienzzuwächsen einher. Diese Prozesse treten typischerweise bei der Transformation kleinerer Krankenhäuser auf. In Ostdeutschland scheinen mit der radikalen Restrukturierung in der Nachwendezeit mögliche Effizienzreserven ausgeschöpft worden zu sein, während in Westdeutschland z. B. durch eine verbesserte Krankenhausinfrastruktur (Investitionen) weitere Effizienzgewinne realisierbar wären. Die Landespolitik, insbesondere in Westdeutschland, sollte vermehrt krankenhauspolitische Instrumente, die mehr und bessere Leistungen bei gleichzeitig schonenderem Ressourceneinsatz versprechen, ausschöpfen.

Unsere Untersuchung soll außerdem zu weiteren Benchmarks in anderen Feldern der Landespolitik motivieren, z. B. im Bereich der Polizei, dem Schul- und Hochschulwesen oder der Justiz.16 Hierbei muss jedoch stets auch der Frage der Qualität der erbrachten öffentlichen Leistungen sowie der Perspektive der Beschäftigten verstärkt Rechnung getragen werden. Eine höhere Patientenzufriedenheit deutet auf positive Effekte von Produktivitätsgewinnen für die Patienten hin. Der – bezogen auf die Zahl der Fälle – immer geringere Personaleinsatz in Krankenhäusern ist allerdings auch mit einer hohen körperlichen und seelischen Belastung, sich häufenden Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften sowie einer steigenden Fluktuation auf Seiten des Krankenhauspersonals verbunden. Die von uns dokumentierten betriebswirtschaftlichen Effizienzgewinne könnten aus volkswirtschaftlicher Sicht lediglich Scheingewinne sein, wenn die auf Mitarbeiter externalisierten Kosten größer wären als der betriebswirtschaftlich generierte Nutzen. Künftige Arbeiten sollten insbesondere diese Entwicklungen in den Blick nehmen und einen gesamtheitlichen, volkswirtschaftlichen Effizienzbegriff für Benchmark-Analysen implementieren.

  • 1 Der vorliegende Beitrag greift in großen Teilen auf Ergebnisse einer von den Autoren vorgelegten Studie zurück: A. Karmann, F. Rösel: Hospital Policy and Productivity – Evidence from German States, in: Health Economics, im Erscheinen; zugleich: CEPIE Working Paper, Nr. 07/16, Dresden 2016.
  • 2 Nach der Krankenhausstatistik sind freigemeinnützige und private Krankenhäuser wie folgt abzugrenzen: „Freigemeinnützig: Krankenhäuser, die von Trägern der kirchlichen oder freien Wohlfahrtspflege, Kirchengemeinden, Stiftungen oder Vereinen unterhalten werden. Privat: Krankenhäuser, die als gewerbliche Unternehmen einer Konzession nach § 30 Gewerbeordnung bedürfen. Bei Krankenhäusern mit unterschiedlichen Trägern wird der Träger angegeben, der überwiegend beteiligt ist oder überwiegend die Geldlasten trägt.“ Vgl. Statistisches Bundesamt: Grunddaten der Krankenhäuser. Qualitätsbericht, Wiesbaden 2016.
  • 3 Bundesrechungshof: Abschließende Mitteilung an das Bundesministerium des Innern über die Prüfung – Leistungsvergleiche unter Beteiligung von Behörden und Einrichtungen des Bundes (Kontrollprüfung) GZ VII 4 (I 3) - 2014 - 0859, 2015.
  • 4 Zur Effizienzmessung im Gesundheitswesen vgl. A. Karmann, F. Rösel, C. Plaul: Zum Wohle! Produktivitätswachstum in der Gesundheitswirtschaft, in: Wirtschaftspolitische Blätter, 64. Jg. (2017), H. 1, S. 81-90; A. Karmann, F. Rösel, M. Schneider: Produktivitätsmotor Gesundheitswirtschaft: Finanziert sich der medizinisch-technische Fortschritt selbst?, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 17. Jg. (2016), H. 1, S. 54-67; A. Karmann, M. Schneider, G. Braeseke: Produktivität in der Gesundheitswirtschaft, Heidelberg u. a. O. 2014; B. Hollingsworth: The Measurement of Efficiency and Productivity of Health Care Delivery, in: Health Economics, 17. Jg. (2008), S. 1107-1128.
  • 5 Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass der Gesamtsektor absolut effizient ist. Das hier verwendete Effizienzkonzept ist ein explizit relatives und wird mitunter als „technische Effizienz“ bezeichnet.
  • 6 Ausführliche Informationen zu den verwendeten Variablen geben A. Karmann, F. Rösel, a. a. O.
  • 7 Der Index ergibt sich aus der Entwicklung des Anteils von Sterbefällen an allen Behandlungsfällen im Krankenhaus unter Berücksichtigung der allgemeinen Mortalitätsentwicklung des jeweiligen Bundeslandes. Formal ergibt sich der Output damit als Produkt der Behandlungsfälle mit einem Qualitätsindex q, der sich für ein bestimmtes Jahr t wie folgt berechnet: qt = [(dm,t /dt )(dm,1 /d1 )-1 [(pm,t /pt )-1 (pm,1 /p1 )]. Hierbei steht dt für die Zahl der Behandlungsfälle im Jahr t. d1 ist die Zahl der Behandlungsfälle eines beliebigen Basisjahres. dm definiert die Zahl der Krankenhaus-Sterbefälle. pt ist die Gesamtbevölkerung eines Bundeslandes im Jahr t. pm,t sind alle Sterbefälle im Jahr t in einem Bundesland (innerhalb oder außerhalb von Krankenhäusern).
  • 8 L. Törnqvist: The Bank of Finland’s Consumption Price Index, in: Bank of Finland Monthly Bulletin, 10. Jg. (1936), S. 1-8; R. Solow: Technical Change and the Aggregate Production Function, in: Review of Economics and Statistics, 39. Jg. (1957), S. 312-320.
  • 9 Vgl. A. Karmann, F. Rösel, a. a. O.
  • 10 Dies folgt der einfachen Regel, dass bei geringerer Verweildauer mehr Fälle pro Krankenhaus behandelt werden können.
  • 11 Patienten, die ihren Wohnsitz im Land haben, aber Leistungen in einem anderen Land in Anspruch nehmen.
  • 12 B. Augurzky, S. Krolop, A. Pilny, C. Schmidt, C. Wuckel: Krankenhaus Rating Report 2017: Strukturfonds – beginnt jetzt die große Konsolidierung?, Heidelberg 2017; F. Rösel: Kränkelnde Krankenhäuser – Ursachen und Auswirkungen des Rückgangs der Krankenhausinvestitionen der Länder, in: ifo Dresden berichtet, 20. Jg. (2013), H. 5, S. 3-15.
  • 13 A. Vatter, C. Rüefli: Do Political Factors Matter for Health Care Expenditure? A Comparative Study of Swiss Cantons, in: Journal of Public Policy, 23. Jg. (2003), S. 301-323; H. Herwartz, B. Theilen: Health care and ideology: a reconsideration of political determinants of public healthcare funding in the OECD, in: Health Economics, 23. Jg. (2014), S. 225-240.
  • 14 Daten zur Patientenzufriedenheit aus J. Böcken, T. Kostera: Pflegepersonal im Krankenhaus, Spotlight Gesundheit, Daten, Analysen, Perspektiven, Nr. 6, 2017, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.
  • 15 Ein solcher Zusammenhang ist nicht zwingend erwartbar, da etwa geringe Investitionen (zumindest kurz- und mittelfristig) die Effizienz verbessern, jedoch die Patientenzufriedenheit unter veralteter Infrastruktur leiden dürfte.
  • 16 Andere Autoren haben dazu erste Arbeiten vorgelegt, z. B. N. Potrafke, M. Reischmann, M. Riem, C. Schinke: Evaluierung der Effizienz von Gerichtsverfahren in Deutschland, ifo Institut, München 2017.

Title:How to Increase Efficiency in the Hospital Sector? Results of a Long-term Benchmark Study in Germany

Abstract:The authors assess the scope and sources of changes in the technical efficiency of German hospital care in the period 1993 to 2013. German states (Länder) differ substantially in terms of efficiency. The length of stay is the most important driver of efficiency, while the effects of other policy measures depend on funding systems and regional idiosyncrasies. For example, East German hospitals were drastically restructured after reunification, reducing the scope for further improvements. In West Germany, by contrast, increased capital could enhance efficiency. The authors conclude that appropriate policy measures should be pursued, especially in West Germany, in order to increase efficiency.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2240-8