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Die Bedeutung von Städten wächst. Vor diesem Hintergrund analysieren die Autoren die Entwicklung der 30 größten Städte Deutschlands seit 2010. Basis der Untersuchung ist das HWWI/Berenberg-Städteranking, mithilfe dessen gezeigt wird, dass sich die untersuchten Städte in den letzten Jahren auf langfristigen Pfaden in relativ stabilen Gleichgewichten fortbewegten. Offenbar wirken sich wirtschaftspolitische Entscheidungen nur langsam und mit großer zeitlicher Verzögerung auf die Entwicklung von Städten aus.

Städte sind die Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung. In ihnen ballen sich Unternehmen auf engstem Raum, hier reifen Ideen zu marktfähigen Produkten. Erfolgreichen Städten gelingt es besonders gut, innovative Unternehmen und intelligente Köpfe zu mobilisieren und vor Ort anzusiedeln, sodass als Ergebnis ein sich selbstverstärkender Effekt dieser Konzentrationsentwicklung entsteht. Städte bewegen sich in strukturellen Pfad­abhängigkeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen, die nur langsam durchbrochen werden können. Die aus der Siedlungsgeschichte resultierenden Stadtstrukturen bestimmen die Ausgangsposition einer Stadt, auf Basis derer Weiterentwicklungen stattfinden können, z. B. als Anpassungen an technologische Neuerungen, geänderte Kundenpräferenzen, sich wandelnde Anforderungen an die Infrastrukturausstattung oder Zielvorgaben im Bereich Klima und Umwelt.

Zum Hintergrund der Dynamik von Städten

Städte sind in ihrem Gleichgewicht tendenziell stabil und folgen langfristigen Entwicklungen. Die Gleichgewichte werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst, explizit durch die räumliche Mobilität der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit, wobei das Arbeitsangebot dem Spezialisierungsvorteil (komparativen Kostenvorteil) einer Stadt folgt.1 Daneben sind für einen Standort die räumlich immobilen Faktoren wie Boden und Infrastruktur von zentraler Bedeutung. In neoklassischen Wachstumsmodellen wird das Langzeitwachstum durch Faktoren außerhalb des Modells (d. h. exogen) durch Wachstumsraten des technologischen Fortschritts oder die Zunahme des Arbeitskräftepotenzials begründet. In anderen Ansätzen wie der Neuen Wachstumstheorie spielen endogene Faktoren wie das Humankapital, die Infrastruktur oder die Wirtschaftspolitik die zentrale Rolle bei der Stadtentwicklung. Sie können das Angebot beeinflussen, wodurch sich das (relativ statische) Gleichgewicht im Zeitablauf verändert.

Die Siedlungsgeschichte spielt in der ökonomischen Geografie eine zentrale Rolle. So wird z. B. das anfängliche Ansiedeln an einem Fluss auf das mangelnde Angebot an sonstigen Verkehrswegen zurückgeführt. Nach dem Bedeutungsverlust der Flussschifffahrt als Folge des Schienen- und Straßenbaus wachsen Städte aufgrund der dort bereits bestehenden Agglomerationsvorteile weiter an. Folge dieser räumlichen Entwicklungen sind Pfadabhängigkeiten, die durch Technologien, Präferenzen und Marktformen beeinflusst werden. Auch Zufälle, wie die Entdeckung einer neuen Technologie durch einen Forscher oder eine Forschungsgruppe oder den Ausbau einer zukunftsfähigen Industrie am Stammsitz eines alteingesessenen Unternehmens, können einen Standort durch das damit verbundene Wachstum positiv beeinflussen.2

Weiterhin sind Bevölkerungszahl und -struktur einer Stadt für deren weitere Entwicklung von Bedeutung. Größere Städte erscheinen Unternehmen und Erwerbstätigen attraktiver als kleinere Städte, solange der Ballungsnutzen (darunter werden Agglomerationsvorteile wie die räumliche Nähe zu Unternehmen der gleichen Branche, ein hohes, qualifiziertes Arbeitskräfteangebot mit geringen Suchkosten (Matching) oder große, lokale Konsumentenmärkte sowie leistungsfähige Infrastruktur verstanden) die räumlichen Ballungskosten (z. B. verknapptes Wohnungsmarktangebot und dessen soziale Folgekosten, Verkehrsverdichtungen und deren Auswirkungen auf Klima und Umwelt) überwiegen.3 Insbesondere Städte mit großen, in Ausbildungsstand und Fähigkeiten diversifizierten Arbeitskräftepools ziehen Unternehmen verstärkt an. Hochspezialisierten Unternehmen gelingt es hier mit nur geringem Aufwand, künftige hochqualifizierte Arbeitnehmer zu gewinnen. Darüber hinaus führt die Ballung von Wissen und Humankapital zu Wissens-Spillovers, da in Städten der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Menschen und Unternehmen gefördert und damit Innovationen und Imitationen erleichtert werden.4

In der Literatur gibt es hinreichende Hinweise darauf, dass sich die jeweiligen Entwicklungspfade der Städte im Zeitablauf verstetigen. Erfolgreiche Städte „schwimmen“ auf einer Welle der wirtschaftlichen Selbstverstärkung, während nicht erfolgreiche Städte sich in einer Abwärtsspirale wiederfinden. Entsprechend driften Städte in ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit weiter auseinander, sodass die regionale Divergenz zwischen „Top-Regionen“ und allen sonstigen Regionen wächst.5 Weitere Analysen zeigen, dass die Ursachen für diese Verstetigungen in hohem Maße von den Ausstattungen der lokalen Arbeitsmärkte abhängig sind. Das städtische Wachstum und damit die künftige Entwicklung einer Stadt werden von der Größe des Arbeitsmarktes, einer niedrigen Arbeitslosenquote und der Höhe des Einkommens bestimmt, während weiche Standortfaktoren von nachrangiger Bedeutung sind.6

Städtegleichgewicht in der Langzeitbetrachtung

Im Folgenden wird eine Auswertung des HWWI/Berenberg-Städterankings der Jahre 2010, 2013, 2015 und 2017 durchgeführt, um langfristige Entwicklungstendenzen und -pfade von Städten zu betrachten und einzuordnen (vgl. Kasten 1). Das HWWI/Berenberg-Städteranking konzentriert sich auf die Analyse wesentlicher Wettbewerbs- und Standortfaktoren der 30 (nach Einwohnerzahlen) größten Städte Deutschlands. Mithilfe von drei Indizes werden die wirtschaftliche und die demografische Dynamik (Trend- und Demografieindex) sowie verschiedene Standortfaktoren (Standortindex) untersucht. Alle drei Teilindizes fließen zu gleichen Teilen in einen Gesamtindex ein, der die finale Positionierung der 30 Städte bestimmt. Zur Bildung der Teilindizes wird jede Variable, die in einen der drei Teilindizes einfließt, für jede Stadt in Abweichung zum Mittelwert über alle Städte gesetzt.7 Aus diesem Verfahren resultiert, dass die Entwicklungen der Indizes einer Stadt nicht absolut, sondern immer in Relation zu den übrigen Städten zu interpretieren sind.

Das HWWI/Berenberg-Ranking bildet nicht alle Determinanten städtischer Entwicklung ab, ermöglicht jedoch, die relative Position einer Stadt und die Dynamik der städtischen-ökonomischen Entwicklung im Vergleich zu den anderen untersuchten Städten zu ermitteln. Zudem gestattet es, Einflussfelder für Entwicklungspfade zu erkennen sowie Stärken und Schwächen einzelner Städte aufzuzeigen. Die Berechnung des Rankings erfolgt seit 2008, wobei seit 2010 durchgehend die gleichen 30 Städte beobachtet wurden.8 Während Krefeld im HWWI/Berenberg-Städteranking 2008 noch zu den 30 größten Städten Deutschlands zählte, wies Kiel ab 2010 mehr Einwohner als Krefeld auf und wird seitdem konstant im Städteranking mitanalysiert. Diese stabile Grundgesamtheit an Städten, deren Positionierungen im Zeitablauf jeweils mit der gleichen Methodik analysiert wurden, eröffnet die Möglichkeit, die langfristigen Entwicklungstendenzen der Städte im Zeitverlauf der Jahre 2010 bis 2017 zu betrachten.

Abbildung 1
Gesamtindex 2017 sowie 2010 und Mittelwert des Gesamtindex 2010 bis 2017
Gesamtindex 2017 sowie 2010 und 
Mittelwert des Gesamtindex 2010 bis 2017

Die Berechnung der Durchschnittswerte erfolgte auf Basis von vier Einzelwerten, sodass bereits ein einzelner Ausreißer deutliche Auswirkungen auf die Höhe des berechneten Durchschnittswertes nach sich ziehen kann. Dies zeigt sich beispielsweise an der Stadt Kiel, in der eine Abwertung im Jahr 2015 dazu führt, dass im Durchschnitt über alle Jahre ein Wert ausgewiesen wird, der sowohl unter dem des Jahres 2010 als auch unter dem des Jahres 2017 liegt.

Quelle: HWWI.

Um einen ersten Eindruck von den langfristigen Entwicklungen der aufgeführten Städte zu erhalten, werden die aktuellen Gesamtindizes (2017) im Ranking dem Durchschnitt der Rankings über alle Beobachtungszeitpunkte (arithmetische Mittel der Gesamtindizes der Jahre 2010 bis 2017) gegenübergestellt. Abbildung 1 zeigt diesen Vergleich für jede Stadt, absteigend sortiert nach Höhe des durchschnittlichen Indexwertes (2010 bis 2017). Sie veranschaulicht, welche Städte sich in der aktuellen Berechnung gegenüber den anderen Städten besser oder schlechter als in der durchschnittlichen Langfristbetrachtung positionieren konnten. Vor dem Hintergrund des langfristigen Mittelwertes können temporär positive Entwicklungstendenzen am aktuellen Rand in Städten wie beispielsweise Chemnitz, Kiel, Bielefeld, München, Dresden und insbesondere Leipzig ausgemacht werden. All diese Städte konnten 2017 ihre relative Position zu den anderen Städten im Vergleich zu ihrer durchschnittlichen relativen Position über die Jahre 2010 bis 2017 verbessern. Negative Entwicklungstendenzen bzw. eine deutlich geringere Dynamik als die anderen Städte zeigen hingegen Gelsenkirchen, Duisburg, Essen, Hannover, Aachen oder Karlsruhe.

Um einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Städte eine positivere bzw. negativere Entwicklung im Zeitverlauf als andere Städte aufweisen, wird der Gesamtindex des Ausgangsjahres 2010 herangezogen, der mit dem Mittelwert der Jahre 2010 bis 2017 verglichen wird (vgl. Abbildung 1). Städte, die im Gesamtdurchschnitt eine bessere Position als im Ausgangsjahr erreichen konnten, könnten sich im Vergleich zu den anderen untersuchten Städten auf einem positiveren relativen Entwicklungspfad befinden. Dies trifft beispielsweise für die Städte Leipzig, Berlin oder München zu. Negativ war die durchschnittliche Entwicklung im Vergleich zu den anderen Städten seit der Erstbetrachtung im Jahr 2010 hingegen unter anderem in Bonn, Duisburg, Düsseldorf, Gelsenkirchen oder Hannover.

Langfristige Entwicklungsverläufe einzelner Städte

Einen detaillierteren Eindruck der langfristigen Entwicklungstendenzen9 liefert die Analyse der Zeitreihen der einzelnen Rankingergebnisse, da die Durchschnitte der vorangegangenen Analyse stark von einzelnen statistischen Ausreißern abhängen können (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2
Gesamtindizes ausgewählter Städte im Zeitverlauf
Gesamtindizes ausgewählter Städte im Zeitverlauf

Quelle: HWWI.

Für einen neutralen Entwicklungspfad steht die Hansestadt Hamburg, die sich seit Beginn der Erhebung des HWWI/Berenberg-Städterankings in einer relativen stabilen Position zu den anderen untersuchten Städten befindet. Weitere Städte, in denen der Gesamtindex im Zeitablauf ebenfalls nur geringe Schwankungen aufwies (Differenz zwischen den Extremwerten ≤ 0,2 Indexpunkte), sind Augsburg, Bremen, Karlsruhe, Köln, Mannheim, Mönchengladbach und Wiesbaden. Eine nur marginal größere maximale Differenz weisen Braunschweig und Wuppertal auf. Eine stetig positive Entwicklung zeichnet sich für die Stadt Leipzig ab, für die es seit 2010 konstant aufwärts geht. Während die relative Position im Ausgangsjahr 2010 noch etwas schwächer als die Hamburgs war, konnten insbesondere 2015 und 2017 deutliche Verbesserungen in den Platzierungen erreicht werden. Eine weitere Stadt, in der der Gesamtindex im Zeitablauf stetig anstieg und um insgesamt mehr als 0,2 Indexpunkte zulegen konnte, ist München. Weniger vorteilhaft verlief die Entwicklung hingegen in Gelsenkirchen. Im Vergleich zu den anderen Städten startete die Stadt 2010 bereits mit einer negativen Einordnung und wurde seitdem kontinuierlich weiter abgestuft. Weitere Städte, die sich konstant im Abwärtstrend befinden und im Zeitablauf mehr als 0,2 Indexpunkte verloren, sind Duisburg, Düsseldorf und Hannover.

In einigen Städten waren über die Erhebungsjahre temporär größere Schwankungen zu beobachten, sodass sie sich keinem der oben definierten Pfade eindeutig zuordnen lassen. Dennoch sind in einigen Städten Tendenzen zu erkennen, die auf eine eher positive oder negative Entwicklung schließen lassen. Als Beispiel für einen tendenziell negativen Entwicklungspfad sei Bonn aufgeführt. Während Bonn in den ersten beiden Erhebungen noch positive, konstante Indexwerte aufweist, sackt die Stadt seit 2015 in der Bewertung ab und nimmt nunmehr eine mittlere Position ein. Tendenziell positiv ist beispielsweise der Verlauf Berlins. Berlin konnte seine Position zu den ersten drei Erhebungszeitpunkten stetig verbessern, sackt am aktuellen Rand jedoch wieder etwas in der Bewertung ab. Da auch der aktuelle Wert noch mehr als 0,2 Indexpunkte über dem Startwert von 2010 liegt, kann eine tendenziell positive Entwicklung vermutet werden. Neben Berlin haben sich auch Bielefeld und Stuttgart tendenziell positiv entwickelt.

München profitiert besonders stark von den Agglomerationsvorteilen und den Selbstverstärkungseffekten, die erfolgreiche Städte auszeichnen. Als „Top-Stadt“ erzielt die Stadt an der Isar seit 2010 ausnahmslos hervorragende Werte im Gesamtindex (jeweils über 0,8) und konnte zudem seit Beginn der Beobachtung auch ihre Position stetig weiter verbessern. Damit wird bestätigt, dass München im Vergleich zu den anderen Städten auf einem sehr hohen Niveau agiert. Als weitere Top-Stadt kann neben München — jedoch mit Abstrichen — Frankfurt am Main gewertet werden. Auch hier ist das Niveau in den Jahren 2010, 2013 und 2017 sehr hoch (Gesamtindex größer als 0,8). Allerdings musste die Mainmetropole im Jahr 2015 eine deutliche Herabstufung hinnehmen (Gesamtindex fiel auf 0,61), sodass die künftigen Entwicklungstendenzen insgesamt unklar bleiben.

Kasten 1
Überblick über die Indikatoren

Das HWWI/Berenberg-Städteranking bildet wichtige Determinanten städtischer Entwicklungen ab, indem es die relative Position einer Stadt im Vergleich zu allen anderen untersuchten Städten bestimmt und deren Dynamik in der städtischen Entwicklung im Vergleich zu den anderen untersuchten Städten aufzeigt. Es umfasst drei Einzelindizes, die zu gleichen Teilen in den Gesamtindex einfließen:

1. Trendindex: Dynamik der städtischen Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit. Dazu drei Indikatoren: die in der jüngsten Vergangenheit erzielten Wachstumsraten der Bevölkerungs- und der Erwerbstätigenzahl sowie der Produktivitätsentwicklung (Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen).

2. Demografieindex: Zusammenfassung von vier Indikatoren – drei zur erwarteten demografischen Entwicklung bis 2030 (Gesamtbevölkerung, unter 20-jährigen Bevölkerung, Zahl der Erwerbspersonen), einen vierten zu durchschnittlichen Fertilitätsraten der zurückliegenden Jahre.

3. Standortindex: Elf Standortfaktoren zu drei Teilindizes, davon fünf zu Bildung und Innovationsfähigkeit, drei zum Teilindex Internationalität, drei zur Erreichbarkeit (Zugang zur Verkehrsinfrastruktur anhand durchschnittlicher Pkw-Fahrtzeiten (zum nächsten IC-/EC-/ICE-Bahnhof, zur nächsten Bundesautobahn-Anschlussstelle, zum nächsten internationalen Flughafen)).

Die Berechnungen werden für alle Indizes mit der gleichen Methode durchgeführt. Für jeden Standortfaktor wird der Mittelwert sowie die Standardabweichung über alle 30 Städte bestimmt. Anschließend wird für jede Stadt ermittelt, wie stark der von ihr erzielte Wert vom Mittelwert abweicht, und abschließend zur Standardabweichung in Relation gesetzt.

Trendindex als Treiber für die Dynamik der Städte

Aufgrund der Analyse aller Rankings seit 2010 lässt sich feststellen, dass die Schwankungen im Gesamtindex einzelner Städte über die Jahre hinweg überwiegend auf Veränderungen im Trendindex beruhen (vgl. Kasten 1). Demgegenüber zeigt der Demografieindex im Zeitablauf nur eine geringe Dynamik. Dieser Index fasst Prognosekomponenten zusammen, die die künftigen Entwicklungen der Bevölkerungs- und Erwerbspersonenzahlen sowie Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung beleuchten und sich über die Zeit – abgesehen von kleineren statistischen Revisionen – als relativ konstant erweisen. Auch der Standortindex, der die Aspekte Bildung und Innovation, Internationalität und Erreichbarkeit betrachtet, verharrt über die Zeit auf ungefähr demselben Niveau. Gestützt werden die oben beschriebenen Beobachtungen von der Höhe der jeweiligen gemittelten Standardabweichungen (2010 bis 2017) der drei Teilindizes. Während sich für den Trendindex eine gemittelte Standardabweichung von 0,38 errechnet, liegen die entsprechenden Standardabweichungen für den Demografieindex mit 0,19 sowie für den Standortindex mit 0,15 deutlich darunter.10 Gerade die Persistenz des Standortindex kann als Indiz dafür angeführt werden, dass strukturelle Verbesserungen von Standortfaktoren nicht bereits kurzfristig nach ihrer Umsetzung greifen, sondern längerfristige Zeiträume benötigen, bis sich Erfolge in der städtischen Entwicklung einstellen.

Fazit

Insgesamt liefert die Analyse der Rankingergebnisse über mehrere Jahre hinweg interessante Einsichten in die Entwicklungspfade der einzelnen Städte. Während Jahresrankings die relative Position einer Stadt zu anderen Städten zum Zeitpunkt der Analyse dokumentieren, ermöglichen die langfristigen Betrachtungen eine Einordnung der langfristigen Entwicklungspfade, auf dem sich einzelne Städte im Vergleich zu anderen Städten befinden. Es zeigt sich, dass sich insbesondere die Großstädte aus Nordrhein-Westfalen (Bonn, Duisburg, Düsseldorf, Gelsenkirchen) im Zeitverlauf unterdurchschnittlich entwickelten und ihre Wettbewerbspositionen gegenüber ihren deutschen Wettbewerbern verschlechterten. Demgegenüber weist insbesondere Leipzig eine besonders positive Entwicklung im Zeitverlauf auf und konnte zu den Großstädten der alten Bundesländer weiter aufschließen. „Top-Städte“ profitieren besonders stark von den Agglomerationsvorteilen und den Selbstverstärkungseffekten. In der Folge wächst die regionale Divergenz zwischen hoch gerankten Städten mit positiver Tendenz wie München, hochgerankten Städten mit tendenziell positiver Tendenz wie Frankfurt oder Berlin oder hochgerankten Städten mit neutralem Entwicklungspfad wie Hamburg und den Städten, die niedriger gerankt sind und sich zudem noch relativ negativ entwickeln.

Für politische und unternehmerische Entscheidungsträger stellt sich die Herausforderung, dass viele Entwicklungen persistent erscheinen, strukturelle Änderungsmaßnahmen nur langsam greifen und sich bezweckte Fortentwicklungen nur verzögert bemerkbar machen. Politisches Handeln bedarf längerer Vorläufe und sorgfältiger strategischer Planungen. Politische Entscheidungsträger müssen sich daher in Geduld üben, bis sich die Erfolge ihrer Kurskorrekturen einstellen.

  • 1 Vgl. D. S. Dendrinos: Dynamics of City Size and Structural Stability. The Case of a Single City, in: Geographical analysis, 12. Jg. (1980), Nr. 3.
  • 2 Vgl. P. Krugman: Geography and Trade, Leuven, Cambridge 1991.
  • 3 Vgl. T. Buch, S. Hamann, A. Niebuhr, A. Rossen: What makes cities attractive? The determinants of urban labour migration in Germany, in: Urban Studies, 2013, S. 1-19; J. Wedemeier: Germany’s Creative Sector and its Impact on Employment Growth, in: Structural Change and Structural Policies, 22. Jg. (2011).
  • 4 Vgl. ebenda.
  • 5 Vgl. ebenda.
  • 6 Vgl. ebenda.
  • 7 Für eine detaillierte Berechnungsmethodik siehe D. Nitt-Drießelmann, J. Wedemeier: HWWI/Berenberg-Städteranking 2017, Die 30 größten Städte Deutschlands im Vergleich, HWWI und Berenberg (Hrsg.), Hamburg 2017.
  • 8 D. Nitt-Drießelmann, J. Wedemeier: HWWI/Berenberg-Städteranking 2017, a. a. O.; dies.: Das HWWI/Berenberg-Städteranking 2015: Die 30 größten Städte Deutschlands im Vergleich, HWWI und Berenberg (Hrsg.), Hamburg 2015; M. Teuber, J. Wedemeier: HWWI/Berenberg-Städteranking 2013: Die 30 größten Städte Deutschlands im Vergleich, HWWI und Berenberg (Hrsg.), Hamburg 2013; S. Döll, S. Stiller: HWWI/Berenberg-Städteranking 2010: Die 30 größten Städte Deutschlands im Vergleich, HWWI/Berenberg (Hrsg.), Hamburg 2010; M. Bräuninger, S. Stiller: HWWI/Berenberg-Städteranking 2010: Die 30 größten Städte Deutschlands im Vergleich, HWWI und Berenberg (Hrsg.), Hamburg 2010.
  • 9 Im Folgenden wurden als Einstufungen zugrunde gelegt: Stetig positiv = fortwährende Verbesserungen im Zeitablauf mit einer Gesamtverbesserung von mindestens 0,2 Indexpunkten; stetig negativ = fortwährende Verschlechterungen im Zeitablauf mit einer Gesamtverschlechterung von mindestens 0,2 Indexpunkten; neutral/stabil = absolute Differenz zwischen maximalem und minimalem Indexwert ≤ 0,2; tendenziell positiv = zwei konsekutive Verbesserungen und eine Gesamtverbesserung von mindestens 0,2 Indexpunkten zwischen 2010 und 2017; tendenziell negativ = zwei konsekutive Verschlechterungen und eine Gesamtverschlechterung von mindestens 0,2 Indexpunkten zwischen 2010 und 2017.
  • 10 J. Wedemeier, D. Nitt-Drießelmann: HWWI/Berenberg-Städteranking 2017, a. a. O.

Title:The Dynamics of Cities and its Structural Path Dependence

Abstract:The dynamics of cities is subject to structural path dependence. The authors demonstrate – using the HWWI/Berenberg Städteranking – that the socio­economic development of most German cities is relatively constant in time. This has consequences for regional politics since structural changes depend on long-term planning, and therefore the results of political decisions can be observed only with a delay.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2288-5