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Das Eurosystem hat bis Dezember 2018 im Rahmen des Public Sector Purchase Programme (PSPP) Staatsanleihen für fast 2,2 Billionen Euro erworben, um (laut offizieller Begründung) die Inflationsrate auf den Zielwert von knapp 2 % zu bringen. Nicht wenige Ökonomen qualifizieren die Anleihekäufe aber als monetäre Staatsfinanzierung. Das betrifft nicht nur die Auswirkungen auf die Refinanzierungsbedingungen, sondern ebenso das Halten der Anleihen. Die Trennlinie zwischen Geld- und Fiskalpolitik wird dadurch endgültig aufgehoben.

Zwischen dem 9. März 2015 und dem 18. Dezember 2018 hat das Eurosystem1 unter der Ägide der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihres Präsidenten Mario Draghi Staatsanleihen im Nennwert von 2,17 Billionen Euro erworben. Offiziell begründet wurden die Anleihekäufe2 mit dem Ziel, die Inflationsrate nach einer zweijährigen Phase der kontinuierlich nachlassenden Inflationsdynamik auf das selbstgesteckte Ziel von „nahe bei, aber unter zwei Prozent“ zu bringen. Trotz des gewaltigen Volumens der Anleihekäufe wurde dieses Ziel aber nur vorübergehend erreicht (vgl. Abbildung 1). Die jährliche Inflationsrate lag im Programmzeitraum zwischen 0,2 % (2015) und 1,8 % (2018), für den EZB-Rat Motivation genug, das Programm über 2018 hinaus weiterlaufen zu lassen und die geldpolitische „Normalisierung“ in weite Ferne zu rücken.3

Veränderte Grenzrefinanzierungsbedingungen

Erworben werden die Staatsanleihen auf den Sekundärmärkten. Damit sollte sichergestellt werden, dass sie nicht gegen Art. 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Dieser untersagt den Notenbanken den unmittelbaren Erwerb von Staatsanleihen. Dennoch sind nicht wenige Ökonomen der Ansicht, die EZB verstoße damit gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung.4

Wird das Eurosystem auf den Sekundärmärkten als Nachfrager aktiv, treibt die zusätzliche Nachfrage die Kurse nach oben und die Renditen nach unten. Das wäre nur dann nicht der Fall, wenn die Nachfrage des Eurosystems im selben Maße Nachfrage durch private Investoren verdrängen würde. Diese Annahme ist aber realitätsfern, weil Banken und Investoren auf die Versorgung mit Staatsanleihen angewiesen sind. Sie benötigen sie etwa, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen, als liquide Vermögenswerte oder für Investitionsvorgaben.

Abbildung 1
Inflations- und Kerninflationsrate in der Eurozone
Monatswerte
Inflations- und Kerninflationsrate in der Eurozone

Quelle: Eurostat.

Das Eurosystem kauft die Anleihen zwar nur auf den Sekundärmärkten und betreibt damit keine unmittelbare Staatsfinanzierung. Aber: Die Anleihekäufe haben mittelbare Auswirkungen auf die Refinanzierungsbedingungen auf den Primärmärkten, denn die Effektivverzinsung auf den Sekundärmärkten kann sich nicht unabhängig von jener auf den Primärmärkten entwickeln. Andernfalls ergäben sich für Investoren Arbitragemöglichkeiten. Veränderte Renditen am Sekundärmarkt durch die Anleihekäufe ändern nichts an der Verzinsung der bereits emittierten Schulden. Aber bei Neuemissionen werden die veränderten Bedingungen des Sekundärmarkts am Primärmarkt wirksam, wodurch sich die Anleihekäufe auf die Verzinsung der neu emittierten Schulden auswirken.5 Die Renditen am Sekundärmarkt spiegeln somit die Grenzrefinanzierungsbedingungen für Staaten wider.6 Es ist nicht überraschend, dass die Zinsen am Primärmarkt und die Durchschnittsverzinsung auf die aufgelaufene Staatsschuld seit Beginn des Public Sector Purchase Programme weiter zurückgegangen sind (vgl. Abbildung 2).7

Abbildung 2
Durchschnittsverzinsung der Staatsschuld
Durchschnittsverzinsung der Staatsschuld

Quelle: AMECO, eigene Berechnungen.

Anleihekäufe und Defizitfinanzierung

Tabelle 1 gibt die Anleihekäufe des Eurosystems Ende Februar 2019 an sowie die kumulierten absoluten Defizite und die Differenz aus beiden Zahlen. Das kumulierte Gesamtdefizit zwischen 2015 und 2018 betrug 565,2 Mrd. Euro, während sich die Anleihekäufe beinahe auf das Vierfache beliefen. Die positive Differenz für alle Staaten mit Ausnahme von Griechenland8 gibt an, dass keiner der Eurostaaten während des PSPP zusätzliche Marktnachfrage benötigt hat, um seine Defizite zu finanzieren: Die Nachfrage des Eurosystems hat das Volumen der neu am Markt platzierten Anleihen weit übertroffen. Sieht man von einigen formalen Einschränkungen ab,9 hat kein Staat der Eurozone im Betrachtungszeitraum den Markt gebraucht, um sich zu refinanzieren.10

Tabelle 1
Anleihekäufe und Defizitfinanzierung
in Mrd. Euro
  Anleihe-bestände des Eurosystems Kumulierte Defizite 2015-20181 Differenz
Österreich 58,6 13,5 45,1
Belgien 73,8 -28,8 102,6
Zypern 0,8 -0,8 1,5
Deutschland 515,6 -139,9 655,5
Estland 0,0 0,0 0,0
Spanien 258,6 175,3 83,3
Finnland 33,5 12,8 20,7
Frankreich 422,0 281,8 140,2
Irland 30,5 7,6 22,9
Italien 368,9 161,2 207,8
Litauen 3,2 -0,5 3,7
Luxemburg 2,6 -3,1 5,7
Lettland 2,1 0,7 1,4
Malta 1,2 -0,5 1,7
Niederlande 112,7 -3,5 116,2
Portugal 37,7 18,8 18,8
Slowenien 7,8 1,6 6,1
Slowakei 11,8 5,0 6,9
Griechenland 0,0 6,4 -6,4

1 Negative Werte geben kumulierte Haushaltsüberschüsse an.

Quellen: EZB; AMECO; eigene Berechnungen.

Dass sich die Mitgliedstaaten über vier Jahre ausschließlich durch die Nachfrage des Eurosystems refinanzieren konnten, zeigt den beträchtlichen fiskalischen Einfluss des Programms.11 Durch die Aufkäufe auf den Sekundärmärkten konnten die Mitgliedstaaten entsprechend mehr neue Anleihen emittieren12 bzw. profitierten von gesunkenen Refinanzierungskosten. Ökonomen der EZB sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anleihekäufe die Renditen von Staatsanleihen in der Eurozone um etwa 1 Prozentpunkt gedrückt haben (vgl. Abbildung 3). Für Frankreich, Spanien und Italien war der Effekt größer.13

Abbildung 3
Ankündigung des PSPP und Anleiherenditen
Monatswerte
Ankündigung des PSPP und Anleiherenditen

Quelle: Eurostat.

Milderung der Schuldenlast

Die fiskalischen Konsequenzen des PSPP gehen aber weiter und beschränken sich nicht auf günstigere Refinanzierungsbedingungen: Solange das Eurosystem die Staatsanleihen hält, gehen die Zinserträge dieser Anleihen an die nationalen Notenbanken, entweder weil sie die Anleihen selber halten oder in ihrer Rolle als Anteilseigner der EZB. Auf die erworbenen Anleihen müssen die Notenbanken Zinsen entsprechend dem Hauptrefinanzierungssatz in den gemeinsamen Zinspool einzahlen. Da der Hauptrefinanzierungssatz seit Anfang 2016 bei 0,00 % liegt, entfallen diese Zahlungen. Die Differenz aus Zinserträgen und Einzahlungen in den gemeinsamen Zinspool kommt den nationalen Notenbanken zugute und trägt zu ihren Gewinnen bei. Diese Gewinne werden wiederum an die Finanzminister der Mitgliedstaaten überwiesen.

Die Eurostaaten zahlen die Zinserträge somit an sich selber. Die vom Eurosystem gehaltene Staatsschuld wird dadurch zinsfrei. Zinsfreie Schulden stellen für Staaten jedoch keine Last dar, weil damit keine Zinszahlungen einhergehen und diese auch niemals getilgt werden müssen (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4
Staatsanleihekäufe des Eurosystems
Staatsanleihekäufe des Eurosystems

Quellen: EZB; Eurostat; AMECO.

Die Staatshaushalte werden auf diese Weise erheblich entlastet. Um einen groben Eindruck über die Größenordnung zu bekommen, lässt sich folgende Rechnung aufmachen: Das Eurosystem hielt Ende 2015 Staatsanleihen im Wert von 494,9 Mrd. Euro. Die durchschnittliche Verzinsung lag bei 2,5 %. Dadurch ergibt sich eine Ersparnis von 12,5 Mrd. Euro. Die Werte für die übrigen Jahre ergeben sich aus Tabelle 2.14

Zwischen 2015 und 2018 könnte das Public Sector Purchase Programme den Mitgliedstaaten der Eurozone eine Zinsersparnis von etwa 131,7 Mrd. Euro beschert haben. Zum Vergleich: Die Zinsausgaben beliefen sich im selben Zeitraum auf 913,5 Mrd. Euro.

Das PSPP wirkte somit wie eine Schuldenerleichterung, weil die Zinszahlungen auf die vom Eurosystem gehaltene Staatsschuld entfielen. Die erheblichen Ausmaße dieser Schuldenerleichterungen sprechen ebenfalls für den fiskalischen Charakter des PSPP.

Ein Schuldenschnitt?

Im Gegensatz zur Fed in den USA ist die EZB noch nicht dazu übergegangen, ihre Bilanzsumme wieder zu schrumpfen und den Bestand an Anleihen abzubauen (vgl. Abbildung 5). Sie hat dem Markt bislang keine einzige Anleihe wieder zugeführt. Sie ersetzt für die Dauer des Programms alle auslaufenden Anleihen durch Neuerwerbungen.

Abbildung 5
Bilanzsummen von Fed und Eurosystem
jeweils in Billionen
Bilanzsummen von Fed und Eurosystem

Quellen: Fed; EZB.

Dass sie diese Politik absehbar ändert, ist nahezu ausgeschlossen. Mario Draghi hat angekündigt, dass die EZB den Leitzins bis mindestens Mitte 2020 nicht erhöhen und erst nach den ersten Zinserhöhungen dazu übergehen wird, den Bestand an Anleihen abzubauen. Die Schuldenlast, die die EZB übernommen hat, wird in diesem Zeitraum folglich für die Mitgliedsländer nicht spürbar sein.

Aber selbst Mitte 2020 wird das Public Sector Purchase Programme wohl nicht enden. Zum einen wegen der erwähnten Sequenz des Ausstiegs. Zum anderen ist fraglich, ob es überhaupt zu einem Abbau der Anleihebestände kommt. Mario Draghi hat die Anleihekäufe auf der turnusmäßigen Pressekonferenz am 14. Juni 2018 zu einem künftig normalen Instrument der Geldpolitik erklärt, das jederzeit erneut eingesetzt werden kann. Dies deutet folglich eher auf eine Wiederaufnahme der Nettoerwerbungen hin, selbst wenn die selbstgesteckten Grenzwerte in einigen Fällen schon gefährlich nahekommen. Gegen einen Abbau der Anleihebestände spricht außerdem, dass die hochverschuldeten Mitgliedstaaten höhere Zinsen kaum verkraften würden. Bereits am 26. April 2018 hatte darüber hinaus der damalige EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio auf einer Pressekonferenz Zweifel daran geäußert, dass die Zentralbanken jemals zu Vorkrisenzeiten mit kleinen Bilanzsummen zurückkehren würden.

Tabelle 2
Zinsersparnis für das Eurosystem durch das PSPP
in Mrd. Euro
  2015 2016 2017 2018
PSPP-Bestand 494,90 1272,80 1931,20 2171,30
Verzinsung 2,53 2,34 2,23 2,14
Geschätzte Zinsersparnis 12,50 29,80 43,00 46,40

Quellen: AMECO; EZB; eigene Berechnungen.

An einen Abbau der Anleihebestände ist auf absehbare Zeit somit nicht zu denken. Constâncios Aussage lässt sogar den Schluss zu, dass das Eurosystem mindestens einen Teil der Staatsschulden dauerhaft in seinen Büchern halten wird. Die Anleihekäufe kämen dann einem dauerhaften Schuldenschnitt gleich, weil die Zinserträge aus den vom Eurosystem gehaltenen Anleihen jedes Jahr zurück an die Finanzminister gehen würden. Diese Staatsschulden wären also faktisch gestrichen. Selbst wenn man der EZB benevolent unterstellt, dass sie mit dem Anleihekaufprogramm ihr Inflationsziel erreichen will, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass sie mit dem Public Sector Purchase Programme mindestens gleichberechtigt „monetäre Fiskalpolitik“15 betreibt.

Gefahren der monetären Fiskalpolitik

Das klassische und wichtigste Argument gegen die Übernahme von Staatsschulden durch die Zentralbank lautet, dass dies zu Inflation führen würde. Nach konventioneller Lehre und basierend auf der Fisherschen Quantitätstheorie16 wäre angesichts der Dimensionen des Asset Purchase Programmes (APP) ein Inflationsschub erwartet worden. Doch obwohl die EZB explizit auf eine Erhöhung der Inflationsrate abzielt, zeitigen die Anleihekäufe wie erwähnt in dieser Hinsicht bislang allenfalls sehr eingeschränkt Wirkung (vgl. Abbildung 1).17 So lange das so bleibt und die vergrößerte Zentralbankbilanz tatsächlich keinen Inflationsschub hervorruft, wirkt diese Lösung zunächst einmal elegant und politisch bequem. Die Haushaltskonsolidierung müsste andernfalls (in deutlich größerem Maße) über Sparprogramme oder Strukturreformen zur Stärkung des Wirtschaftswachstums erfolgen. Das Ausbleiben höherer Inflationsraten muss deshalb betont werden, weil die EZB bei ihren Anleihekäufen nur auf die Einhaltung ihres Mandats verweisen kann, solange ebendiese Inflation ausbleibt.

Dass das APP und damit das PSPP nicht zu Inflation führt, bedeutet aber längst nicht, dass es keine negativen Nebenwirkungen hat, denn die monetäre Staatsfinanzierung ist der EZB aus gutem Grund und unabhängig von ihrem Mandat zur Erreichung von Preisstabilität verboten. Mit dem Erwerb von 21,5 % der gesamten Staatsschulden der Mitgliedstaaten kann beispielsweise die Erwartungshaltung entstehen, dass die EZB auch künftig bereitsteht, wenn die Mitgliedstaaten an den Finanzmärkten in Schwierigkeiten geraten. Unter politischem Druck wäre die EZB gezwungen, erneut zu intervenieren, möglicherweise sogar unter Missachtung ihres Mandats.

Aber nicht nur wegen des politischen Drucks würde sich die EZB gezwungen sehen, zugunsten pleitebedrohter Staaten am Kapitalmarkt zu intervenieren. Als größter Einzelgläubiger hat sie ein inhärentes Interesse an der Bedienung der Anleihen.18 Eine Staatspleite, zumal die eines großen Mitgliedslandes, würde ihr Eigenkapital schwer beschädigen oder gar aufzehren. Weil das ihre Glaubwürdigkeit beschädigen würde, könnte sie das nur schwer hinnehmen.

Nicht zuletzt deshalb haben selbst ranghöchste Vertreter der EZB immer wieder argumentiert, dass die EZB nicht dauerhaft zugunsten der Mitgliedstaaten intervenieren kann und diese ihre Hausaufgaben in Form von Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung erledigen müssen. Andernfalls wird der EZB eine Last aufgebürdet, die sie leicht in einen Zielkonflikt mit ihrem Mandat bringen und dauerhaft kaum stemmen kann.

Unabhängig von diesem Szenario wurde die Trennlinie zwischen Geld- und Fiskalpolitik mit dem Public Sector Purchase Programme endgültig aufgegeben, auch wenn diese Aufgabe im Securities Markets Programme (SMP) und im Outright Monetary Transaction Programme (OMT) schon angelegt war. Nach regelgebundener Fiskalpolitik und Nicht-Beistandsregel ist damit ein weiterer konstituierender Baustein der Währungsunion gefallen.

  • 1 Die Anleihen wurden nur zu 20 % von der EZB und zu 80 % von den nationalen Notenbanken gekauft. 12 % der Anleihen entfielen auf supranationale Institutionen, die fast ausschließlich von der EZB selber gekauft werden, 88 % auf Regierungen und Agenturen.
  • 2 Das PSPP stellt mit etwa 82 % der Anleihekäufe den Löwenanteil des Asset Purchase Programmes (APP). Zum APP zählen außerdem Programme zum Ankauf von Unternehmensanleihen (Corporate Sector Purchase Programme (CSPP)), von Asset-Backed Securities (ABSPP) und von gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programme (CBPP)).
  • 3 Die Frage nach einem Anstieg der Vermögenspreise, die durch die Konsumentenpreisinflationsrate nicht erfasst werden, wird an dieser Stelle nicht betrachtet.
  • 4 Vgl. etwa N. Berthold: Monetäre Fiskalpolitik aus Frankfurt, Wirtschaftliche Freiheit, 22.1.2015; J. König: Mehr Transfer als Stabilität? Stiftung Marktwirtschaft: Argumente zu Marktwirtschaft und Politik, Nr. 140, März 2018; H.-D. Horn, B. Lucke: Keine gute Empfehlung für die Demokratie in Europa, Focus online, 3.12.2018; H.-W. Sinn: Staatsfinanzierung per Notenpresse, in: Die Weltwoche vom 19.12.2018; J. Stark: Die geldpolitische Geisterfahrt der EZB wird auch mit Mario Draghis Rücktritt kein Ende finden, in: Neue Zürcher Zeitung vom 28.1.2019. Das Bundesverfassungsgericht sah dies in seinem Urteil zum PSPP genauso (Urteil vom 18.7.2017; 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, BvR 2006/15, 2 BvR 1651/15). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich dem jedoch nicht angeschlossen (Urteil vom 11.12.2018, C-493/17).
  • 5 Vgl. L. Feld, C. Fuest, J. Haucap, H. Schweitzer, V. Wieland, B. Wigger: Das entgrenzte Mandat der EZB, Kronberger Kreis 61, 2016.
  • 6 Dass sich durch das PSPP die Refinanzierungsbedingungen für Staaten verbessern, hat auch der EuGH in seinem positiven Urteil zum PSPP festgestellt. Er sah den Anreiz für eine gesunde Haushaltsführung dadurch aber aus verschiedenen Gründen nicht gefährdet. Unter anderem hat er argumentiert, dass die EZB jederzeit wieder Anleihen verkaufen könne, wenn sich Mitgliedstaaten nicht an die Grundsätze einer gesunden Haushaltspolitik hielten. Damit gesteht der EuGH indirekt ein, dass das PSPP sowohl beim Erwerb als auch beim Verkauf erhebliche Auswirkungen auf die Fiskalpolitik hat. Kritisch muss darüber hinaus gesehen werden, dass der EuGH der EZB mit dieser Argumentation faktisch eine Rolle als Wächter über die Haushaltspolitik zugesteht. Dies ist durch die Europäischen Verträge und das Mandat der EZB nicht gedeckt.
  • 7 Die zurückgehende Verzinsung widerspricht der Marktdisziplinierungshypothese, weil parallel die Verschuldung der meisten Mitgliedstaaten weiter angestiegen ist. Hierin lässt sich ebenso der fiskalische Einfluss des PSPP erkennen. Vgl. für einen Überblick und Evidenz: N. Afflatet: Public debt and borrowing: Are governments disciplined by financial markets?, in: Cogent Economics and Finance, 4. Jg. (2016).
  • 8 Griechische Anleihen wurden im Rahmen des PSPP aufgrund des nicht-investitionswürdigen Ratings Griechenlands nie erworben.
  • 9 Die EZB hat es sich beispielsweise auferlegt, keine Anleihen mit kurzer und über 30-jähriger Laufzeit zu erwerben. Wegen des Mangels an aufkauffähigen Anleihen wurde die Mindestrestlaufzeit im Januar 2017 von zwei Jahren auf ein Jahr abgesenkt. Weitere, zwischenzeitlich korrigierte Einschränkungen betrafen Anleihen mit einem Negativzinssatz unterhalb des Zinssatzes der Einlagenfazilität und die Emittentengrenze.
  • 10 Vgl. F. Heinemann: Die Bedeutung der EZB-Anleihekäufe für die Schuldenfinanzierung der Euro-Staaten, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Oktober 2017.
  • 11 Für die Kritik am PSPP als monetäre Staatsfinanzierung spricht auch, dass die EZB deutlich vom Kapitalschlüssel – dem Kriterium für die Verteilung der Anleihekäufe auf die Mitgliedstaaten – abgewichen ist. Friedrich Heinemann hat gezeigt, dass sie damit die großen Schuldnerstaaten bevorzugt hat. Vgl. F. Heinemann: Zur Aufteilung der Anleihekäufe auf die Euro-Mitgliedsstaaten, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Januar 2018.
  • 12 Vgl. H.-W. Sinn: The ECB’s Fiscal Policy, CESifo Working Paper, Nr. 7019/2018.
  • 13 Vgl. F. Hammermann, K. Leonard, S. Nardelli, J. von Landesberger: Taking stock of the Eurosystem’s asset purchase programme after the end of net asset purchases, ECB Economic Bulletin, Nr. 2, 2019.
  • 14 Die Berechnungen sind mit einer Reihe von Unschärfen verbunden. Deshalb sollen die Zahlen nur dazu dienen, einen Eindruck von den Größenordnungen zu vermitteln.
  • 15 N. Berthold: Monetäre Fiskalpolitik aus Frankfurt, Wirtschaftliche Freiheit, 22.1.2015.
  • 16 Vgl. I. Fisher: The Purchasing Power of Money, New York 1911.
  • 17 Die Inflationsrate hat sich seit der Ankündigung des PSPP von -0,3 % (Februar 2015) auf 1,5 % (Februar 2019) erhöht, die Kerninflationsrate aber hat sich mit einer Erhöhung von 0,7 % auf 1,0 % kaum bewegt.
  • 18 Man kann einwenden, dass sich die EZB als bevorrechtigter Gläubiger darum nicht scheren muss. Dann muss aber wiederum berücksichtigt werden, dass ein größerer Anteil von Anleihen in der Hand eines bevorrechtigten Gläubigers wie der EZB die Risiken für die übrigen Gläubiger erhöhen, weil deren Verlustpotenzial im Fall einer Staats­insolvenz umso stärker ansteigt, je mehr Anleihen in den Händen eines bevorrechtigten Gläubigers liegen.

Title:Government Financing Through Monetary Policy

Abstract:By December 2018, the Eurosystem had purchased government bonds under the Public Sector Purchase Programme for almost 2.2 trillion Euro in order to – according to the official justification – raise the inflation rate to the target of close to two percent. A fair number of economists consider these bond purchases to be monetary public financing. This relates not only to refinancing conditions but also to the holding of government bonds. The dividing line between monetary and fiscal policy is thus definitively abolished.


DOI: 10.1007/s10273-019-2491-z