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Es ist eigentlich offensichtlich: Die gesetzliche Rentenversicherung, zentrale Säule der deutschen Alterssicherung, steht vor gewaltigen Finanzierungsproblemen. Fachleute warnen schon lange davor, dass die Belastungen durch die ab 2025 in Rente gehenden Babyboomer das System überfordern werden. Eingriffe sind unvermeidbar, die möglichen Stellschrauben bekannt: Beitragssätze und/oder Steuerzuschüsse erhöhen, Rentenniveau absenken, Renteneintrittsalter anheben. Jede Maßnahme lässt sich kontrovers diskutieren. Eine Lösung, die alle Seiten zufriedenstellt, gibt es nicht. An der Tatsache, dass etwas passieren muss, ändert dies freilich nichts. Wenig lässt sich so gut vorhersagen wie die Demografie.

Umso bedauerlicher ist es, dass das Thema im zurückliegenden Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle spielte. Liest man die Wahlprogramme, entsteht vielmehr der Eindruck, dass der Großteil der etablierten Parteien das Problem verharmlost oder es noch gar nicht erkannt hat. Anders sind Versprechen, wonach das Rentenniveau dauerhaft stabilisiert, das Renteneintrittsalter nicht weiter angehoben und (gleichzeitig) eine Überforderung der Beitragszahlenden vermieden werden soll, kaum zu verstehen. Immerhin: Dass all dies irgendwie finanziert werden muss, scheint zumindest einigen klar zu sein. Doch ob im Einbezug weiterer Bevölkerungsgruppen oder der Erhöhung des Steuerzuschusses eine langfristig tragfähige Lösung liegt, ist zweifelhaft. Damit steht fest: Wird das Thema von der künftigen Regierung nicht grundlegend anders behandelt, droht in wenigen Jahren der Kollaps, Leistungskürzungen nicht ausgeschlossen.

Private Vorsorge scheint vor diesem Hintergrund wichtiger denn je. Dass dies viele bereits umsetzen und das Geldvermögen der Deutschen laut Bundesbank auch in Pandemiezeiten stetig steigt, ist diesbezüglich eine gute Nachricht. Allein, der Hang zu sicheren und somit wenig rentierlichen Anlageformen schmälert den Erfolg. Studien zeigen, dass dies tendenziell für Haushalte aller Vermögensklassen gilt, besonders aber für jene mit geringem bis mittlerem Vermögen. Verantwortlich dafür ist weniger ein Mangel an Möglichkeiten; Apps, Vergleichsportale und der intensive Wettbewerb im Finanzsektor ermöglichen grundsätzlich jedermann einen einfachen und kostengünstigen Zugang zu unterschiedlichen Finanzprodukten.

Hinderlich sind vielmehr Defizite in der finanziellen Bildung. Alternativen zum Sparbuch sind vielen nach wie vor entweder nicht bekannt oder werden bewusst gemieden, weil sie als zu teuer, riskant oder ungeeignet eingeschätzt werden. Auch das ist keine neue Erkenntnis. Die OECD fordert schon seit 2005 eine bessere Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge, allen voran durch das Bildungssystem. Passiert ist hierzulande bislang indes wenig. Die ökonomische Bildung in Schulen gleicht einem Flickenteppich, eine nationale Strategie gibt es nicht. Das ist misslich, hat eine DIW-Studie doch gerade erst gezeigt, dass finanzielle Bildung das Spar- und Anlageverhalten dauerhaft positiv beeinflusst.

Im uns kulturell ähnlichen Österreich hat man die Zeichen der Zeit offenbar erkannt. Dort hat das Bundeskabinett jüngst eine Finanzbildungsstrategie beschlossen. Ziel ist unter anderem „die Förderung einer verantwortungsvollen Finanzplanung für ein langfristiges finanzielles Wohlergehen“. Bislang sind dort die Renditen, die private Haushalte mit ihrem finanziellen Vermögen erzielen, noch niedriger als hierzulande. Dies könnte sich nun bald ändern.

Auch das Niedrigzinsumfeld, häufig für den schlechten Anlageerfolg verantwortlich gemacht, steht dem nicht entgegen. Analysen zeigen, dass private Haushalte trotz Nullzinspolitik positive reale Renditen mit ihrem Finanzvermögen erzielen können. Haushalte mit hohen Vermögen schaffen dies schon bisher zuverlässig durch eine entsprechende Vermögensstruktur. Diese zu verändern, steht auch anderen Haushalten offen – wenn sie wissen, wie. Ratsam wäre es allemal, denn: Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt doch zu einem sinkenden Rentenniveau oder anderen Leistungskürzungen kommen, dürften davon vor allem jene betroffen sein, für die die gesetzliche Rente die zentrale Einkommensquelle ist. Ein rentierlicheres Vermögen könnte diesen Einbußen zumindest entgegenwirken.

Lassen sich die absehbaren Probleme in der Rentenversicherung so lösen? Nein, dafür ist die gesetzliche Rente für viele zu wichtig, das jeweilige Vermögen zu gering. Mittelfristig kann eine bessere Vermögensstruktur die Folgen fehlender Reformen aber zumindest abmildern. Optimistisch stimmt, dass alle Parteien der künftigen Regierung die private Altersvorsorge stärken wollen. Auch in Bildung soll kräftig investiert werden. Wenn es gelingt, diese Aspekte klug miteinander zu verbinden und so auch die finanzielle Bildung der Bevölkerung systematisch zu verbessern, besteht zumindest die Hoffnung, dass die Probleme in der Alterssicherung nicht ganz so dramatische Folgen haben werden wie bisweilen vorhergesagt.

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© Der/die Autor:in 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-3013-3