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2020 wurden in Deutschland 537.000 Unternehmen gegründet, darunter waren laut KfW ca. 47.000 Start-ups, das sind gerade mal 8 %. Schauen wir bei den Existenzgründungen insgesamt auf Geschlechterverteilungen, so waren Frauen an allen Gründungen mit 38 % beteiligt. Bei den (kapitalintensiven) Start-up-Gründungen lag ihr Anteil nur bei 16 %. Was hindert Frauen daran zu gründen und wo liegen Hindernisse für den Aufbau von Start-ups? Ein wichtiger struktureller Grund für die geringen Frauenanteile besteht in der Ausbildung. Eine Selbständigkeit liegt bei bestimmten Ausbildungen und Studienfächern eher nahe, bei anderen eher fern: So sind z. B. in der Human- und Zahnmedizin 32 % der Ärztinnen und 42 % der Ärzte selbständig und im Journalismus 35 % der Frauen und 39 % der Männer. Dagegen ist eine Gründung sehr selten bei Ausbildungen in Büroberufen (2 % der Frauen und 4 % der Männer gründen daraus), in Erziehung und Sozialarbeit (4 % der Frauen und 3 % der Männer) und in der Krankenpflege (2 % der Frauen und 1 % der Männer). Frauen erlernen insgesamt häufiger als Männer Berufe, in denen die Chancen und Gelegenheiten für Gründungen gering sind. Bei den Start-up-Gründungen dominieren „typisch männliche“ Studienfächer wie Wirtschafts-, Ingenieurwissenschaften und Informatik. Die beiden letzten Studienfächer werden von Frauen immer noch sehr selten gewählt, weshalb man sie auch unter den Start-up-Gründenden selten antrifft. Die Berufswahl und das Studienfach können den Geschlechterunterschied in den Gründungsquoten gut, aber nicht ganz erklären.

Die fehlende (finanzielle) Sicherheit nach der Geburt eines Kindes oder im Krankheitsfall sowie eine fehlende bzw. instabile Rücklagenbildung für das Alter nennen Frauen als Gründe, eine Selbständigkeit gar nicht erst zu beginnen oder sogar zu beenden. Erst seit 2007 gibt es für Selbständige eine Pflicht zur Krankenversicherung. Der 2018 neu geregelte Mutterschutz gilt (weiterhin) nicht für selbständige Frauen: Sie erhalten kein Mutterschaftsgeld. Elterngeld steht Selbständigen zu und ist wie bei allen anderen regulär auf zwölf Monate begrenzt. Allerdings laufen die Kosten für das Unternehmen weiter. Es können zudem Aufträge verloren gehen und Kund:innen abspringen.

Die Orientierung des bundesrepublikanischen Sicherungssystems an der abhängigen Erwerbsarbeit ist für selbständige Frauen, insbesondere, wenn sie klein und alleine starten, problematisch. Hier gilt es, Perspektiven für neue Solidarstrukturen auszuloten. Dies ist sicherlich nicht leicht zu erreichen und bedarf konzertierter Anstrengungen, ist jedoch nicht völlig undenkbar, wie das Beispiel der Künstlersozialkasse zeigt.

Insgesamt ist es nicht so, dass Unternehmen von Frauen nicht wachsen, das Wachstum von Gründungen durch Frauen geschieht jedoch oft langsamer und organischer. Gründungen gelten als erfolgversprechender, wenn sie über ausreichend Startkapital verfügen. Frauen nehmen allerdings seltener eine externe Finanzierung in Anspruch und arbeiten stattdessen mit Erspartem oder mit privat geliehenem Geld. Dies hat mehrere Gründe: Die meisten Gründungen von Frauen liegen im Dienstleistungssektor, finden im Nebenerwerb statt und sind Kleingründungen. Das gilt allerdings ganz ähnlich auch für Gründungen durch Männer. In diesem Sektor ist der Kapitalbedarf zumeist gering. Weiterhin fehlt vielen Frauen trotz guter Ausbildung und mehrjähriger Berufstätigkeit ausreichendes Eigenkapital. Zudem schließt das Förderdesign vieler Programme Frauen aus, z. B. wenn es nur für „Vollzeit“-Gründungen gilt oder für MINT-Innovationen, statt z. B. für soziale oder soziotechnische Innovationen. Mit den oft sozialen Geschäftsideen von Frauen sind Finanzierungsinstitutionen seltener vertraut. Im Start-up-Bereich haben nur sehr wenige Frauenteams Zugang zu Risikokapital, man traut Frauen offenbar unternehmerisches Handeln weniger zu. Das gesellschaftliche Bild des Unternehmers ist immer noch männlich, Maßstab ist der dynamische junge Start-up-Gründer.

Wir sollten nicht nur auf die wenigen Start-ups gucken, sondern auf Frauengründungen insgesamt. Politische Maßnahmen sollten darauf ausgerichtet werden, die Bedarfe von Frauengründungen besser zu berücksichtigen. Das betrifft sowohl Fragen der sozialen Absicherung als auch die Ausgestaltung von Förder- und Wachstumsprogrammen. Es kommt auch auf das Engagement der Unternehmerinnen füreinander an, um sich gegenseitig zu unterstützen und Know-how und Erfahrungen weiterzugeben. Hier könnte es noch mehr Netzwerke geben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass strukturelle Gründe, wie die unterschiedliche Berufswahl, die Geschlechterunterschiede bei den Gründungen zu einem guten Teil erklären können. Hinzu kommt, dass das deutsche soziale Sicherungssystem Gründerinnen mit Kinderwunsch benachteiligt.

© Der/die Autor:in 2021

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Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-021-3036-9