Der CO2-Preis auf Kraftstoffe ist sozial ungerecht und ökologisch wenig effektiv. Er verteuert die Autonutzung ab dem ersten gefahrenen Kilometer und nimmt keine Rücksicht auf die Jahresfahrleistung und die individuellen Alternativen zur Autonutzung: Steigt der Preis auf Kraftstoff – so die Hoffnung – werden die Nutzer:innen weniger davon nachfragen und sich nach Alternativen für ihre Mobilität umsehen. Tun sie das aktuell nicht, müsse der CO2-Preis eben einfach so lange gesteigert werden, bis sie es tun. Überbietungswettbewerbe dieser Art waren im Bundestagswahlkampf bereits zu beobachten.
Was dabei aus dem Blick gerät, ist der Umfang an Alternativen, die den Nutzer:innen zur Verfügung stehen: Wo kein Bus oder Zug verkehrt, kann nicht auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen werden. Wenn die Distanzen zu weit sind, kann auch schwerlich zu Fuß gegangen oder mit dem Rad gefahren werden. So verfehlt der CO2-Preis seine Lenkungswirkung und trifft auch preisunelastische Nachfrager:innen, die zähneknirschend jeden Preis zahlen müssen. Auch eine Klimaprämie, die die Einnahmen aus dem CO2-Preis zu gleichen Teilen an alle Bürger:innen zurückerstattet, löst das Problem nicht. Sie schafft keine Alternativen zur Autonutzung und könnte psychologisch sogar kontraproduktiv sein: In dem Wissen, etwas erstattet zu bekommen, werden die Kraftstoffpreise unterbewusst mit der Rückerstattung verrechnet und dabei die Rückerstattung allzu gerne mehr als einmal wieder ausgegeben. Diesen Effekt nutzt jeder Einzelhändler, der eine Rabattaktion durchführt.
Die CO2-Abgabe sollte daher ersetzt werden durch eine fahrleistungsbezogene Kfz-Steuer. Sie sollte einen Freibetrag an Kilometern mit unveränderter Besteuerung gewähren und alle darüber hinausgehenden Kilometer progressiv besteuern. Jeder gefahrene Kilometer ist zwar gleich umweltschädlich, die Substituierbarkeit von Teilen der Fahrleistung nimmt mit zunehmender Gesamtfahrleistung aber zu: Nur weil es für bestimmte Mobilitätsbedürfnisse unter manchen Lebensumständen keine Alternative zum Auto gibt, bedeutet das nicht, dass es stets für alle Mobilitätsbedürfnisse keine Alternative zum Auto gibt. In einem einfachen Beispiel ausgedrückt: Nur weil der Weg vom Wohnort zum Bahnhof nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden kann, bedeutet das nicht, dass man ab dem Bahnhof nicht trotzdem auf den Zug wechseln könnte. Es muss also zwischen preiselastischer und preisunelastischer Nachfrage nach Automobilität unterschieden werden, um eine pauschale Belastung aller zu vermeiden. Wird die Fahrleistung dagegen ab Kilometer eins belastet, würde das vielmehr als „Abzocke“ aufgefasst und mehr Frust als Lenkung verursachen – so, wie aktuell beim CO2-Preis.
Noch besteht der Fehlanreiz, selbst bei gegebenen Alternativen nicht umzusteigen und stattdessen mit dem Auto bis zum Zielort durchzufahren, weil die Fixkosten des Autos durchschlagen. Gewichtet man dagegen die umweltrelevante Nutzung des Autos höher – zumindest oberhalb der Freikilometer – so kann dieser Fehlanreiz abgebaut werden. Wie die Freikilometer genutzt werden, bleibt jedem selbst überlassen. Da die darüber hinausgehenden Kilometer aber zählen, besteht das Interesse, das Auto trotz Verfügbarkeit nur sparsam zu verwenden und es am besten nur dann einzusetzen, wenn es wirklich keine Alternative gibt. Das gelingt mit einer fahrleistungsabhängigen Kfz-Steuer besser als mit zusätzlichen Steuern auf Kraftstoffe, da die Preise an der Tankstelle wohl kaum für alle Kund:innen individuell nach Fahrleistung berechnet werden können. Da die Steuer überdies nicht an die Energiequelle anknüpft, können sämtliche Antriebsarten in das Konzept einbezogen werden. Das ist auch fair, da nutzungsbedingte Umweltauswirkungen wie Lärm und Reifenabrieb nicht nur beim Verbrennungsmotor anfallen.
Das Prinzip der fahrleistungsabhängigen Kfz-Steuer lässt sich auch im Zeitverlauf viel differenzierter an klimapolitische Notwendigkeiten und soziale Bedürfnisse anpassen als der CO2-Preis: Kann der CO2-Preis nur den Preis pro Einheit Kraftstoff im Ganzen verändern, lassen sich bei der Kfz-Steuer Progression und Freibetrag getrennt voneinander entwickeln. Eine Verschärfung der Progression unter Konstanthaltung des Freibetrags würde vor allem Vielfahrer:innen treffen und daher geringere sozialpolitische Auswirkungen haben als eine Erhöhung des CO2-Preises für alle. Eine stufenweise Senkung des Freibetrags könnte im Gegenzug an eine stufenweise Erhöhung von Mindeststandards im öffentlichen Verkehr gekoppelt werden. So würde Klimaschutz im Verkehrssektor nicht länger als Stakkato von Einzelmaßnahmen erscheinen, sondern als Gesamtkonzept, in dem Alternativen zum Auto und Anreize zur Verhaltensänderung komplementär zueinander entwickelt werden und den Verbraucher:innen Autonomie über ihr Handeln zurückgegeben wird.