Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Die Klimakonferenz hat erneut gezeigt, dass es einfacher ist, sich auf internationaler Ebene auf allgemeine und möglichst in der Zukunft liegende, unverbindliche Emissionsreduktionsziele zu einigen – so wie 2015 in Paris – als auf kurzfristige, konkrete Maßnahmen für einzelne Länder. Anders als das Kyoto-Protokoll statuiert das Übereinkommen von Paris keine einzelstaatlichen quantifizierten Emissionsreduktionspflichten (Rickels et al., 2020) und Vertragsparteien sind völkerrechtlich nicht individuell verpflichtet, die von ihnen notifizierten national festgelegten Beiträge auch zu erreichen (Mayer, 2018). Sie müssen „nur“ bestmögliche Bemühungen anstellen sowie geeignete Maßnahmen treffen, um das kollektive Ziel der Temperaturbegrenzung zu erreichen (Voigt, 2016). So sind viele der kritischen Kommentare verfehlt, da sie den schwierigen, multilateralen Prozess an einer falschen Erwartungshaltung messen. Bemerkenswert ist, dass viele kleine, aber echte Fortschritte erzielt wurden, die wenn sie umgesetzt werden, die Lücke zum 1,5 °C-Ziel reduzieren.

Ein wichtiger Fortschritt ist das starke Signal, dass sich das Zeitalter der fossilen Energieträger dem Ende zuneigt. Bereits in den erste Gipfeltagen haben sich internationale Allianzen gebildet, die den Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl voran­treiben. Im Abschlussdokument wurde der Kohle­ausstieg letztlich auf Druck von Indien und China abgeschwächt. Dennoch ist erstmals der Abschied von der Kohle verankert. Das explizite Bekenntnis zur Reduktion von Methanemissionen ist ein wichtiger Schritt für effiziente Klimapolitik, auch wenn erneut China und Indien bislang nicht unterzeichnet haben. Effiziente Klimapolitik und nachhaltige Entwicklung erfordern ebenfalls, die Zerstörung von Wäldern und wertvollen Ökosystemen zu stoppen – dieses Ziel wurde mit Nachdruck erneuert. Positiv ist auch die Einigung auf Regeln für den Artikel 6 des Übereinkommens von Paris, sodass Emissionsgutschriften über Ländergrenzen hinweg möglich werden. Dies ist sinnvoll, um günstige Vermeidungsoptionen schnell zu nutzen und die klimapolitisch wichtigen internationalen Kooperationen zu fördern. So ist es möglich, in Reduktionsprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern zu investieren, die durch neue Technologien und Einnahmen profitieren. Dabei werden Doppelzählungen durch Glasgow immerhin erschwert. Der Dialog und die Vereinbarungen der beiden größten Emittenten USA und China und das Verkünden eines Netto-Null-Ziels durch Indien geben Hoffnung, dass erkennbare Schritte zur globalen Emissionsminderung folgen. Ohne ein Engagement dieser Länder, ist internationale Klimapolitik nahezu wirkungslos.

Neben vielen positiven Signalen fehlt aber die Ehrlichkeit, dass das 1,5 °C-Ziel durch die Reduktion von Treibhausgasen alleine nicht mehr zu erreichen ist (Rickels et al., 2019). Deshalb muss die Anpassung an den Klimawandel in der politischen Diskussion an Priorität gewinnen und es bedarf eines klaren Bekenntnisses zum Einsatz negativer Emissions­technologien. Die Ergebnisse bezüglich Artikel 6 geben Anlass zur Hoffnung, dass CO2-Offset-Märkte, bei denen ein Angebot durch die Reduktion von Emissionen an anderer Stelle entsteht, zunehmend durch CO2-Entnahme-Märkte ersetzt werden. Diese bieten die Möglichkeit, dem Ziel eines umfassenden Emissionshandels näherzukommen. CO2-Entnahme-Zertifikate, die in unterschiedlichen nationalen CO2-Preissystemen anrechenbar sind, erlauben, diese zu verknüpfen. Zudem fiele es bei einheitlichen CO2-Entnahme-Zertifikaten weniger schwer, deren Zusätzlichkeit nachzuweisen und deren Anrechnung in unterschiedlichen Ländern zu verfolgen. Für die Umsetzung kommt es weniger auf internationale Klimakonferenzen als auf regionale Initiativen an, wie z. B. das für Frühjahr 2022 angekündigte EU-Zertifizierungssystem für die CO2-Entnahme und der Plan der EU-Kommission, ab 2030 jährlich etwa 5 Mt CO2 durch technische Maßnahmen aus der Atmosphäre zu entnehmen. Auch wenn die Ankündigungen von Glasgow kein hinreichendes Bekenntnis zu diesen Maßnahmen enthalten, die zur Erreichung des 1,5 °C-Ziels notwendig sind, machen sie doch Hoffnung, dass sich die Erwärmung auf etwa 2 °C begrenzen lassen wird. Damit würden Horrorszenarien eines sich selbst beschleunigenden Klimawandels sehr unwahrscheinlich. Auf diesem Pfad muss man die Klimakonferenz als Teil der internationalen Klimapolitikarchitektur sehen, in der Dialog und Annährung im Vordergrund stehen, die den Rahmen für die regionalen und anderen multilateralen Initiativen setzen.

Literatur

Mayer, B. (2018), Obligations of conduct in the international law on climate change: A defence, Review of European, Comparative & International Environmental Law, 27, 130-140.

Rickels, W., C. Merk, J. Honneth, J. Schwinger, M. Quaas und A. Oschlies (2019), Welche Rolle spielen negative Emissionen für die zukünftige Klimapolitik? Eine ökonomische Einschätzung zum 1,5 °C-Sonderbericht des Weltklimarats, Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 20, 145-158.

Rickels, W., A. Proelß und O. Geden (2020), Negative Emissionen im europäischen Emissionshandelssystem, https://shop.freiheit.org/download/P2@927/313610/2020_Gutachten__FNF_NETs_in_ETS-1.pdf

Voigt, C. (2016), The Paris Agreement: What is the Standard of Conduct for Parties?, Questions of International Law, 26, 17-28.

© Der/die Autor:in 2021

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-021-3057-4