Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterbringung und Heizung (KdU) erfolgt seit der Einführung des SGB II 2005 mit dem Ziel, die Kommunen finanziell zu entlasten. Seitdem wurde die Bundesbeteiligung in Höhe, Struktur, Berechnung und Zweck beständig verändert. Der Beitrag zeigt, wie sich dieser Transfer im Zeitablauf entwickelt hat, aus welchen Komponenten er heute besteht und welche Kritikpunkte sich um die KdU ergeben. Die Autoren schlussfolgern, dass die Bundesbeteiligung vereinfacht werden sollte, indem regionale Privilegien auslaufen und sachfremde Leistungen auf anderen Wegen finanziert werden.
Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe 2005 war nicht allein ein sozialpolitischer Systemwechsel. Sie änderte Finanzierungslasten und führte zu einer neuen Verflechtung der Finanzströme im Bundesstaat. Im alten System lag die Finanzierung der Arbeitslosenhilfe beim Bund, jene der Sozialhilfe bei den Kommunen. Mit dem SGB-II wurde den Kommunen die Finanzierung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) übertragen. Da die Kommunen gleichzeitig finanziell entlastet werden sollten, erstattete der Bund einen Teil dieser Ausgaben. Diese Bundesbeteiligung an den KdU war fortwährend Gegenstand kommunaler Forderungen, politischer Debatten, wissenschaftlicher Analysen und fiskalischer Tauschgeschäfte. Allein seit 2011 wurde die Finanzierungsbeteiligung neun Mal geändert. Mitte 2020 beschloss die Bundesregierung, den Bundesanteil auf bis zu 75 % zu erhöhen.1 Doch auch mit diesem großen Schritt bleiben Kritikpunkte und wird die Debatte um die KdU nicht beendet sein.
Entwicklungen und Hintergründe von 2005 bis 2019
Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sind die Kommunen für die Unterbringungskosten der Bedarfsgemeinschaften verantwortlich. Diese Leistung erfolgt in Höhe der tatsächlichen (angemessenen) Wohnkosten. Die Ausgaben der kommunalen Träger stehen daher in enger Beziehung zur örtlichen Arbeitsmarktlage.2 Je größer die Quote der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften an der Bevölkerung, desto höher sind tendenziell auch die kommunalen Ausgaben. Aus diesem Grund sind große interkommunale Niveauunterschiede beobachtbar und zwangsläufig.
Durch die Bundesbeteiligung sollte sichergestellt werden, dass die mit der Schaffung des SGB-II versprochene finanzielle Entlastung der Kommunen auch tatsächlich eintritt.3 Diese Bundesbeteiligung blieb nicht konstant, sondern wurde in der Folge wiederholt auf unterschiedliche Weise und aus unterschiedlichen Gründen geändert (vgl. Tabelle 1) (Wixforth, 2016).
Tabelle 1
Veränderungen der Bundesbeteiligungen
Jahr | Änderung der Bundesbeteiligung an den KdU |
---|---|
2005 | Einführung der bundesweit einheitlichen „Sockelbeteiligung“ mit 29,1 % |
2007 | Erhöhung der „Sockelbeteiligung“ auf bundesdurchschnittlich 31,8 % Einführung der höheren Sonderquoten für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz |
2008 | Einführung der formelbasierten Anpassung der „Sockelbeteiligung“ anhand der Zahl der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften, und in der Folge schrittweiser Rückgang der Beteiligungsquote auf bundesdurchschnittlich 23,6 % in 2010 |
2011 | Anhebung der „Sockelbeteiligung“ auf bundesdurchschnittlich 31 % Rückkehr zur quotalen Beteiligung an den KdU-Ausgaben (anstelle der Zahl der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften) Einführung der Beteiligungskomponente „Bildungs- und Teilhabepaket“ |
2015 | Einführung der Beteiligungskomponente „Kommunalentlastung“ mit 3,7 % |
2016 | Einführung der Beteiligungskomponente „Asyl-KdU“ mit anfänglich 2,9 % |
2017 | Erhöhung der Beteiligungskomponente „Kommunalentlastung“ auf 7,4 % |
2018 | Absenkung der Beteiligungskomponente „Kommunalentlastung“ auf 5,8 % |
2019 | Absenkung der Beteiligungskomponente „Kommunalentlastung“ auf 3,3 % |
2020 | Erhöhung der Beteiligungskomponente „Kommunalentlastung“ um 25 % |
2022 | Wegfall der Beteiligungskomponente „Asyl-KdU“ |
Quelle: eigene Darstellung.
Aufgrund des verfassungsrechtlichen Kooperationsverbots zwischen Bund und Kommunen fließen die Mittel nicht direkt vom Bund an die Kommunen, sondern über die Haushalte der Länder. Diese Regelung ist durchaus geeignet, den Finanzföderalismus auszuhöhlen. Denn die Länder stehen als bloße „Transferstelle“ nur am Rande. Ihre Zuständigkeit für die kommunalen Finanzen wird geschwächt und letztlich durch diesen parallelen Transferweg auch die Systematik des föderalen Finanzausgleichs. Gleichzeitig gibt es bei den KdU jedoch eine relativ klare Aufgaben- und Finanzzuordnung. Im Vergleich zu anderen Sozialleistungen sind die eigenen Gestaltungsspielräume der Länder und Kommunen gering; dies gilt sowohl für die Umsetzung der KdU als auch für die Ermittlung, Verteilung und Verwendung der Finanzierungsbeteiligung des Bundes.
Eine zweite grundsätzliche Debatte berührt die Frage, ob die KdU überhaupt sinnvoll auf kommunaler Ebene verortet sind. Die ökonomische Theorie des Föderalismus befürwortet eine dezentrale Leistungserbringung, wenn regional divergierende Präferenzen und erhebliche örtliche Spielräume in der Leistungsumsetzung gegeben sind (Blankart, 2008, 536 f.; Zimmermann, 2009, 13 ff.). Divergierende Präferenzen hinsichtlich der Wohnraumversorgung sind nicht zu erkennen. Auch eine dezentrale Aufgabenautonomie ist im Falle der KdU nicht gegeben, da der Anspruch an die Wohnraumversorgung bundesweit relativ ähnlich definiert ist und die sich für die Kommunen ergebenden Kosten fast vollständig aus nicht kontrollierbaren Faktoren resultieren (Arnold et al., 2015, 78 f.). Die kommunale Autonomie an dieser Aufgabe liegt (zumindest bis 2019) zweifellos weit unter dem kommunalen Finanzierungsanteil. Diese Problematik ist nicht nur theoretisch relevant, sondern hat auch praktische Auswirkungen. Denn bei den KdU handelt es sich um eine Aufgabe von erheblichem finanziellem Gewicht (kommunaler Anteil 2019 ca. 8 Mrd. Euro), und die Ausgabe selbst streut lokal konträr zur Einnahmekraft der Kommune (Arnold et al., 2015, 80 f.). Die fragwürdige Verortung der KdU bindet somit in finanzschwachen Kommunen überproportional Mittel.
Abbildung 1 zeigt die Beteiligung des Bundes an den KdU von 2005 bis 2019. Seit 2016 setzt sich diese aus vier Komponenten zusammen. Die Komponenten traten zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft, haben unterschiedliches Gewicht, und somit schwankt die Bundesbeteiligung erheblich über den Zeitraum. Insgesamt bewegte sie sich zwischen 23,6 % (2010) und 49 % (2018). Im Kern lassen sich drei Entwicklungsphasen unterscheiden. Die erste Phase umfasst 2005 bis 2010, als nur die Sockelbeteiligung des Bundes existierte. In der zweiten Phase 2011 bis 2014 trat mit der Erstattung der kommunalen Ausgaben für das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) eine zweite Beteiligungskomponente hinzu. In der dritten Phase 2015 bis 2019 wurden zwei Komponenten ergänzt: Eine Komponente mit dem Zweck der Kommunalentlastung und eine weitere für die Erstattung der KdU für Flüchtlinge (Asyl-KdU). 2020 tritt die KdU-Bundesbeteiligung in eine neue Phase ein.
Abbildung 1
Bundesbeteiligung an den KdU nach Komponenten
in %
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des § 46 SGB II sowie der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnungen 2013 bis 2020.
2005 und 2006 lag die Beteiligungsquote des Bundes für alle Länder einheitlich unter 30 %. 2007 wurde die Bundesbeteiligung auf 31,8 % erhöht. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ab 2007 höhere KdU-Beteiligungsquoten erhalten.4 Die Einführung dieser Sonderquoten wurde damit begründet, dass beide Länder aufgrund ihrer spezifischen Sozialstruktur durch die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) per Saldo nicht entlastet worden wären.5 Damit begann der auch 2021 noch anhaltende Umstand unterschiedlicher Beteiligungsquoten nach Ländern.
Ab 2008 wurde die Herleitung der Bundesbeteiligungsquote geändert. Basierte sie in den ersten Jahren auf Prognosen, so wurde nun eine Berechnungsformel zur jährlichen Anpassung eingeführt. Die Höhe der Bundesbeteiligung orientierte sich an der Entwicklung der Anzahl der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Diese Formel hatte bis 2010 einen deutlichen – seitens der Länder und Kommunen stark kritisierten – Rückgang der Bundesbeteiligung zur Folge. Ursache war die Erholung am Arbeitsmarkt und die damit sinkende Zahl der Bedarfsgemeinschaften. Gleichwohl schlug dieser Effekt aufgrund steigender Mieten und Energiepreise nicht in vollem Maße auf die kommunalen KdU-Ausgaben durch. Im Ergebnis betrug die Beteiligungsquote des Bundes 2010 im Bundesdurchschnitt nur noch 23,6 %.
2011 wurde die Berechnungsweise erneut geändert. Die Höhe der Bundesbeteiligung bemisst sich seither – überwiegend – wieder an den kommunalen KdU-Ausgaben. Zudem wurde die Quote auf 31 % angehoben.6 2011 begann zudem die Geschichte zusätzlicher Beteiligungskomponenten: Die nun zweite Beteiligungskomponente diente der Finanzierung der 2011 neu geschaffenen Bildungs- und Teilhabeleistungen (BuT-Leistungen). Über die Aufstockung der Bundesbeteiligung sollten Ausgaben für diese neue Sozialleistung erstattet werden. Die Beteiligungskomponente BuT wird seit 2013 jährlich auf Grundlage der sogenannten Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung für jedes Land definiert. Die Festlegung erfolgt dabei auf Basis der Ist-Ausgaben, welche die Kommunen für BuT-Leistungen im Vorjahr getätigt haben. Daher divergiert die BuT-Beteiligungsquote sowohl zwischen den Ländern als auch im Zeitverlauf. Die Bundesbeteiligung für die BuT-Leistungen stellt eine Besonderheit unter den verschiedenen Komponenten der KdU-Bundesbeteiligung dar: Sie ist lediglich ein Transferweg für Bundesmittel, weist aber keinen inhaltlichen Bezug zu den KdU auf. Alle anderen Komponenten werden hingegen zweckgebunden für die KdU-Ausgaben gewährt und entlasten die Kommunen von dieser Finanzierungslast.
Die dritte Komponente der Bundesbeteiligung (Kommunalentlastung) resultiert aus dem politischen Versprechen der damaligen Bundesregierung, die Kommunen „im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von 5 Mrd. Euro jährlich von der Eingliederungshilfe“ zu entlasten (CDU, CSU, SPD, 2013, 63). Eine Vorabentlastung von 1 Mrd. Euro floss 2015 und 2016 je hälftig über die Aufstockung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und über eine erhöhte Bundesbeteiligung der KdU. Die Kommunalentlastung hatte 2015 und 2016 einen Wert von 3,7 Prozentpunkten.7 2017 wurde die Quote auf 7,4 % der KdU-Ausgaben verdoppelt.8 Die im Koalitionsvertrag angekündigte Entlastung von 5 Mrd. Euro gilt seit 2018, wurde jedoch nach mehrjähriger Diskussion letztlich vollständig vom Bundesteilhabegesetz entkoppelt. Gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung erfolgt die Verteilung der Entlastungsmittel wie folgt: 2,4 Mrd. Euro durch eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer, 1,6 Mrd. Euro über eine Aufstockung der Bundesbeteiligung an den KdU sowie 1 Mrd. Euro über eine Erhöhung des Länderanteils an der Umsatzsteuer, die an die Kommunen weitergeleitet werden soll. 2018 belief sich die Entlastungsbeteiligung auf 5,8 %9, und 2019 betrug sie 3,3 %.
Vor dem Hintergrund des starken Zuzugs von Asylbewerber:innen und der damit verbundenen wachsenden finanziellen Belastung der Kommunen hat der Bund 2016 beschlossen, die KdU-Ausgaben dieser Bedarfsgemeinschaften (Asyl-KdU) bis einschließlich 2018 vollständig zu erstatten.10 Die Regelung wurde seither zweimal verlängert und wird nach der derzeitigen Rechtslage 2022 entfallen. Das Verfahren zur Festlegung der für die Asyl-KdU erforderlichen Beteiligungsquote entspricht im Grundsatz demjenigen bei der Kompensation der BuT-Leistungen. Analog divergiert daher auch die Beteiligung für die Asyl-KdU zwischen den Ländern und Jahren.
Bundesbeteiligung nach Ländern 2019
Die Bundesbeteiligung an den KdU setzt sich somit aus vier Komponenten zusammen. Wie Abbildung 2 zeigt, belief sich die Bundesbeteiligung 2019 im Bundesdurchschnitt auf 47,2 %. Über die „Sockel-Beteiligung“ wurden im Bundesdurchschnitt 28,3 Prozentpunkte der KdU-Ausgaben erstattet. Die Beteiligung zur Erstattung der Asyl-KdU entsprach im Bundesdurchschnitt 10,9 % und war fiskalisch die zweitwichtigste Komponente. Die Beteiligung zur Erstattung der kommunalen BuT-Leistungen belief sich im Bundesdurchschnitt auf 4,7 %. Die Beteiligung zur finanziellen Entlastung der Kommunen hatte 2019 mit einem KdU-Ausgabenanteil von 3,3 % das geringste Gewicht. In Summe wies die Bundesbeteiligung 2019 zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede auf. Der Anteilswert reichte von 41,3 % in Brandenburg bis zu 56,1 % in Rheinland-Pfalz. Die Sockelbeteiligung privilegiert zwei Länder. Die Unterschiede bei Asyl-KdU und BuT resultieren aus unterschiedlichen Ausgabenniveaus in den Ländern und sind somit sachlich begründet. Nur die Beteiligung zur Kommunalentlastung belief sich auf einen in allen Ländern konstanten Wert von 3,3 Prozentpunkten.
Abbildung 2
Bundesbeteiligung an den KdU 2019 nach Ländern und Beteiligungskomponenten
in %
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des § 46 SGB II sowie der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnungen 2019 und 2020.
Aufstockung der Bundesbeteiligung 2020
2020 wurde die Bundesbeteiligung an den KdU für alle Länder um 25 Prozentpunkte aufgestockt.11 Mit dieser Entscheidung ist der Bund einer langjährigen Forderung von Ländern, Kommunen und Wissenschaft gefolgt.12 Diese Entscheidung war Teil des am 3. Juni 2020 verkündeten Maßnahmenprogramms zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie und zur Konjunkturförderung. Der Schritt sollte die Kommunen insgesamt finanziell stärken. Vor dem Hintergrund des krisenbedingt drohenden Anstiegs der kommunalen KdU-Ausgabenbelastung entschied sich der Bund mit der Anhebung für eine gezielte und nachhaltige Entlastung struktur- und finanzschwacher Kommunen. Im Gegensatz zu anderen Punkten des Konjunkturprogramms (z. B. Erstattung der Gewerbesteuerausfälle 2020), ist die Maßnahme zeitlich unbefristet. Eine Erklärung für diesen, öffentlich teils als überraschend bezeichneten Beschluss liefern die Beschlüsse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, die sich mit großer Mehrheit 2019 hierfür aussprach. Die Anhebung der KdU-Bundesbeteiligung wurde dergestalt umgesetzt, dass die seit 2015 existierende Beteiligungskomponente „Kommunalentlastung“ um 25 Prozentpunkte erhöht wurde. Für 2020 bedeutete dies einen Anstieg von bis dato berechneten 2,7 Prozentpunkten auf 27,7 Prozentpunkte. Zusammen mit den übrigen drei Komponenten belief sich die Bundesbeteiligung 2020 damit im Durchschnitt auf 72,5 %. Abweichend von dem medial teils entstandenen Eindruck, wurde die KdU-Bundesbeteiligung 2020 somit nicht auf 75 % angehoben, sondern um 25 Prozentpunkte auf bis zu 75 %.13 Diese 75 % beziehen sich auf die im Grundgesetz genannte Obergrenze, die im Zusammenhang mit der Entlastungsmaßnahme ebenfalls angehoben werden musste, um die Bundesauftragsverwaltung zu vermeiden (104a Abs. 3 GG).
Abbildung 3 zeigt, auf welche Werte sich die vier Komponenten des Bundes 2020 im Ländervergleich summierten. Demnach reichte die Spanne von 66,4 % in Brandenburg bis zu 81,2 % in Rheinland-Pfalz. Auch in Baden-Württemberg sowie im Saarland lag die KdU-Bundesbeteiligung 2020 bei mehr als 75 %. In vier der fünf ostdeutschen Länder war die Beteiligung demgegenüber geringer als 70 %.
Abbildung 3
Bundesbeteiligung an den KdU 2020 nach Ländern und Beteiligungskomponenten
in %
Anmerkung: Bei den dargestellten Beteiligungsquoten nach Absatz 9 (Asyl-KdU) handelt es sich noch nicht um endgültige Werte. Auf der Grundlage der 2020 von den Kommunen getätigten Ist-Ausgaben für die Asyl-KdU wird mit der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2021 eine rückwirkende Anpassung der Beteiligungsquote erfolgen.
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des § 46 SGB II sowie der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2020.
Nachdem Höhe, Zusammensetzung und Entwicklung der KdU-Beteiligungsquote im Mittelpunkt standen, gibt Abbildung 4 einen nach Ländern differenzierten Überblick über die Höhe der fiskalischen Entlastung aus der ab 2020 geltenden Aufstockung um 25 Prozentpunkte. Bezogen auf die 2020 von den Kommunen getätigten KdU-Ausgaben14 belief sich die bundesweite Entlastung (einschließlich der Stadtstaaten) auf 3,6 Mrd. Euro. Der Entlastungseffekt war dabei in den Stadtstaaten um mehr als das 1,5-Fache höher als in den Flächenländern.15 Unter den Flächenländern profitierten die Kommunen in Nordrhein-Westfalen am stärksten, gefolgt von jenen im Saarland und in Sachsen-Anhalt. Auf der anderen Seite ist der Entlastungseffekt in Bayern und Baden-Württemberg besonders gering. Die Gründe für die Unterschiede bei der Entlastung je Einwohner:in liegen auf der Hand: Die Pro-Kopf-Entlastung korrespondiert unmittelbar mit der Pro-Kopf-Höhe der KdU-Ausgaben, die wiederum im Wesentlichen von der Höhe der SGB-II-Quote abhängt.
Abbildung 4
Entlastung durch Anhebung der Bundesbeteiligung an KdU um 25 Prozentpunkte 2020
in Euro je Einwohner:in
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des § 46 SGB II sowie der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2020.
Nach der derzeitigen Rechtslage wird die Beteiligungsquote des Bundes in den kommenden beiden Jahren wieder unter das Niveau von 2020 sinken (vgl. Abbildung 5). Auf Basis der aktuellen Regelungen ergibt sich für 2021 im Durchschnitt eine Beteiligungsquote von 71 %. Ursächlich für den leichten Rückgang gegenüber 2020 ist die Absenkung der Komponente „Entlastung“ um 1,5 Prozentpunkte in allen Ländern. Die aktuell noch 10,9 % betragende Asyl-KdU soll nach aktueller Rechtslage 2022 ersatzlos wegfallen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bundesbeteiligung im gleichen Ausmaß sinkt. Denn mit dem Wegfall besteht ab 2022 erstmals Freiraum, die seit 2018 durch den Bund gewährte Entlastung der Kommunen um bundesweit 5 Mrd. Euro jährlich planmäßig über eine entsprechende Anhebung der KdU-Bundesbeteiligung zu verwirklichen. Die Kommunalentlastung wird daher 2022 um 9 Prozentpunkte auf 35,2 % angehoben. Mit dann 69 % liegt die KdU-Beteiligungsquote des Bundes voraussichtlich16 dennoch unter dem Niveau von 2020 und 2021. Somit wird der grundgesetzlich mögliche Entlastungsspielraum von 74,9 % ab 2022 nicht vollständig ausgeschöpft. Wie hoch die Beteiligungsquote tatsächlich ausfallen wird, hängt von der Entwicklung der BuT ab. Aufgrund der 2019 beschlossenen Leistungsausweitungen ist mit steigenden Ausgaben der Kommunen und daraus mit einem Anstieg dieser Beteiligungskomponente zu rechnen.
Abbildung 5
Bundesbeteiligung an den KdU1 nach Komponenten
in %
1 Für die Abschätzung der Bundesbeteiligungsquote 2021 und 2022 wurden für die Beteiligungen nach Abs. 8 und 9 die Beträge aus 2020 überrollt.
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des § 46 SGB II sowie der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2020.
Spiegelbildlich zur Entwicklung der Bundesbeteiligung zeigt Abbildung 6 die Höhe und Entwicklung des kommunalen Finanzierungsanteils.17 Die Zeitreihenbetrachtung verdeutlicht, in welchem Maße der Bund die Kommunen im Laufe des vergangenen Jahrzehnts entlastet hat.18 Zwischen 2005 und 2010 trugen die Kommunen in fast allen Jahren mehr als 70 % der KdU-Ausgaben. Seit 2015 ist der kommunale Finanzierungsanteil an den KdU erkennbar gesunken. Aufgrund der Anhebung der Bundesbeteiligung 2020 mussten die Kommunen im Bundesdurchschnitt nur noch 33,1 % der KdU-Ausgaben aus eigenen Finanzmitteln bestreiten.
Abbildung 6
Netto-KdU-Finanzierungsanteil der Kommunen
in %; Minimum und Maximum beziehen sich auf die Länderwerte
Quelle: eigene Berechnungen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des § 46 SGB II sowie der Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnungen 2013 bis 2020.
Diskussion und Handlungsempfehlungen
Die Bundesbeteiligung an den KdU hat sich zu einem zentralen Element der Kommunalentlastung entwickelt, da sie überproportional strukturschwachen Kommunen zugutekommt. In Summe sind die KdU damit auch Spiegelbild einer kommunalfreundlichen Bundespolitik und des Bedeutungszuwachses der Kommunen in der vergangenen Dekade. Gleichwohl muss dieser „pragmatischen“ Politik auch Kritik entgegengehalten werden. Die große Zahl der Änderungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Bundespolitik über 15 Jahre nicht zu einer angemessenen Finanzierungsbeteiligung an den von kommunaler Seite kaum gestaltbaren KdU-Ausgaben durchringen konnte. Die zahlreichen Rechtsänderungen und teils geringfügigen sowie befristeten Anhebungen spiegeln auch eine „Entlastungspolitik der kleinen Schritte“ wider. Hierdurch ist zudem der Eindruck entstanden, dass die KdU-Bundesbeteiligung durch Bund und Länder als Transferkanal instrumentalisiert wird: Dies ist insofern nachvollziehbar, als unmittelbare Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen grundgesetzlich nicht vorgesehen sind und die – für die finanzielle Ausstattung der Kommunen zuständigen – Länder bei diesem Thema am Rande stehen. In den vergangenen 15 Jahren hat sich ein Nebenschauplatz des Finanzföderalismus entwickelt mit geringer Transparenz und Ad-hoc-Entscheidungen des Bundes. Dieser Nebenschauplatz verursacht allerdings im Vergleich zu anderen Transfers (z. B. Kita-Ausbau) geringe politische und administrative Transaktionskosten. Zugleich ist der Eindruck der Zweckentfremdung insofern falsch, als keine „Wohltaten“ an die Kommunen verteilt, sondern tatsächliche Ausgabenlasten kofinanziert werden. Die Erhöhung der Bundesbeteiligung dient der politisch gewünschten, zielgerichteten Entlastung der besonders betroffenen Kommunen.
Jenseits der kleinteiligen und befristeten Anpassungen der Bundesbeteiligung sind zwei weitere überkommene Regelungen kritikwürdig. Die Finanzierung der BuT ist sachfremd und bindet wertvolle Spielräume der Kommunalentlastung. Diese Leistung ließe sich besser über zusätzliche Umsatzsteuerpunkte der Länder kompensieren. Die Privilegierung von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist, sofern sie jemals gerechtfertigt war, nicht mehr vertretbar.19 Mit dem Auslaufen dieser Sonderregelung sowie der Komponenten Asyl-KdU und BuT ginge ein erheblicher Mehrwert in Bezug auf die Transparenz der Bundesbeteiligung einher. Die Komponenten Sockelbeteiligung und Kommunalentlastung sollten zusammengeführt werden. Am Ende stünde eine bundesweit einheitliche und dauerhaft gewährte Quote, wie sie einst 2005 bei Einführung der Bundesbeteiligung an den KdU auch beschlossen wurde.
Fazit
Die Beteiligung des Bundes an den KdU-Ausgaben der Kommunen ist seit 2005 Gegenstand politischer Forderungen und akademischer Debatten. Durch die Vielzahl der rechtlichen Änderungen stieg nicht allein die Höhe, sondern auch die Komplexität der Regelungen. Im Ergebnis steht 2021 eine Bundesbeteiligung von mehr als 70 %, die mit Blick auf die Entlastung strukturschwacher Kommunen zu begrüßen ist und die Problematik der eigentlichen falschen Verortung dieser Aufgabe auf kommunaler Ebene mindert. Im Gegenzug entstand ein neuer Tatbestand der Finanzverflechtung. Trotz des bedeutenden Entlastungsschrittes 2020 wird die Debatte um weitere Bundesbeteiligungen in den kommenden Jahren anhalten. So ist das Auslaufen der Asyl-KdU mitnichten sicher. Es stehen sowohl regionale Privilegien als auch die Finanzierung der BuT zur Debatte, und Forderungen werden sich mehren, den politisch versprochenen Finanzierungsanteil von 75 % auch tatsächlich auszuschöpfen.
* Die Autoren danken der Bertelsmann Stiftung für die Förderung. Die Bertelsmann Stiftung hat keinen Einfluss auf die Inhalte des Beitrags genommen. Alle Aussagen sind die persönlichen Ansichten und Erkenntnisse der Autoren und nicht die ihrer Anstellungsbehörden.
- 1 Die Umsetzung erfolgte mit Art. 2 des Gesetzes zur finanziellen Entlastung der Kommunen und der neuen Länder vom 6.10.2020 (BGBl. I 2020, S. 2072).
- 2 Weitere Faktoren sind das örtliche Mietniveau und die Energiepreise, wobei das Mietniveau, im Gegensatz zu den Energiepreisen, teils große regionale Unterschiede aufweist. Arnold et al. (2015) zeigen, dass sich die lokalen KdU zu 96 % mit der Zahl der Bedarfsgemeinschaften und der Einwohnerdichte (als Proxy für das Mietpreisniveau) erklärt.
- 3 Deutscher Bundestag (2005). Den Kommunen wurde zugesichert, dass sie infolge der Arbeitsmarkt- und Sozialhilfereform per Saldo um jährlich 2,5 Mrd. Euro entlastet werden (Hassel und Schiller, 2010).
- 4 So betrug die KdU-Beteiligungsquote des Bundes 2007 in Rheinland-Pfalz 41,2 %, in Baden-Württemberg 35,2 % und in den übrigen Ländern einheitlich 31,2 %.
- 5 Eine ähnliche zusätzliche Begünstigung existierte von 2005 bis 2019 in Form der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen an die ostdeutschen Länder. Doch anders als die Sonderquoten bei der KdU-Bundesbeteiligung wurde dieser Transfer regelmäßig überprüft und der Höhe nach angepasst.
- 6 Die „Sockel-Beteiligungsquote“ wurde für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit 37,6 % bzw. 31,6 % und für die übrigen Länder mit 27,6 % festgelegt. Von 2011 bis 2013 wurde diese Quote um 5,9 Prozentpunkte aufgestockt (Wixforth, 2016, 503).
- 7 Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung sowie zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom 22.12.2014 (BGBl. I 2014 S. 2411).
- 8 Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern vom 24. 6.2015, BGBl. I S. 974.
- 9 Die Quote von 5,8 % wurde durch eine rückwirkende Anpassung 2019 festgelegt. Mit Art. 2 des Gesetzes zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen vom 1.12.2016 (BGBl. I 2016 S. 275) wurde der Wert für 2018 in § 46 Absatz 7 Nr. 2 SGB II zuvor auf 7,9 % festgelegt.
- 10 BGBl. I 2016 S. 2755. Mit diesem Schritt folgte die Bundesregierung einer Forderung des Deutschen Städtetages (2016, 4).
- 11 Die Änderung erfolgte mit Art. 2 des BGBl. I 2020 S. 2072.
- 12 Geißler und Niemann (2015); Beznoska und Kauder (2020); Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (2020); Deutscher Städtetag (2019).
- 13 Die Änderung erfolgte mit Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 29.9.2020, BGBl. I 2020 S. 2048.
- 14 Die Berechnung basiert auf Ist-Ausgaben der ersten neun Monate sowie einer Fortschreibung der Ausgabenentwicklung.
- 15 Mit 105 Euro je Einwohner:in war der Entlastungseffekt in Berlin am größten, gefolgt von Bremen (96 Euro je Einwohner:in) und Hamburg (87 Euro je Einwohner:in).
- 16 Höhe, Struktur und Entwicklung der KdU-Bundesbeteiligung 2020 bis 2022 basieren zum Teil auf vorläufigen Daten. Für 2021 wurden in Bezug auf die Beteiligungen nach BuT und Asyl für alle Länder die Beteiligungsquoten des Vorjahres überrollt. Dasselbe gilt für die BuT-Quote für 2022.
- 17 Da die Bundesbeteiligung an den BuT keinen Beitrag zur Finanzierung der KdU leistet, ist sie in Abbildung 6 nicht enthalten.
- 18 Vgl. Fussnote 16.
- 19 Inzwischen ist eine strukturelle Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen in Kraft getreten, die Bundesbeteiligung an den KdU wurde substanziell aufgestockt und die fiskalische Erforderlichkeit der Sonderquoten wurde nie überprüft.
Literatur
Arnold, F., F. Boettcher, R. Freier, R. Geißler und B. Holler (2015), Kommunaler Finanzreport 2015, Bertelsmann Stiftung.
Beznoska, M. und B. Kauder (2020), Verschuldung und Investitionsschwäche der Kommunen – Dynamiken der Kommunalfinanzen am Beispiel Nordrhein-Westfalens, Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 21(4), 403-421.
Blankart, C. (2008), Öffentliche Finanzen in der Demokratie, 7. Aufl., Vahlen Verlag.
CDU, CSU, SPD (2013), Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode, https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-cdu-csu-und-spd-195906 (5. März 2021).
Deutscher Bundestag (2005), Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 16/162, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/001/1600162.pdf. (29. Januar 2021).
Deutscher Städtetag (2016), Städtetag aktuell (1).
Deutscher Städtetag (2019), Stadtfinanzen 2019.
Geißler, R. und F.-S. Niemann (2015), Kommunale Sozialausgaben. Wie der Bund sinnvoll helfen kann, Bertelsmann Stiftung.
Hassel, A. und C. Schiller (2010), Hartz-IV als Antwort auf die Krise der Kommunalfinanzen, Politische Vierteljahresschrift, 51(1), 95-117.
Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (2020), Öffentliche Infrastruktur in Deutschland: Probleme und Reformbedarf, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bundesministerium für Wirtschaft.
Wixforth, J. (2016), Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft als Sammelbecken der Kommunalentlastung?, Wirtschaftsdienst, 96(7), 501-509, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2016/heft/7/beitrag/bundesbeteiligung-an-den-kosten-der-unterkunft-als-sammelbecken-der-kommunalentlastung.html (18. Mai 2021).
Zimmermann, H. (2009), Kommunalfinanzen. Eine Einführung in die finanzwissenschaftliche Analyse der kommunalen Finanzwirtschaft, 2. Aufl., BWV-Verlag.