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Der Stabilitätsrat hat im Juni 2021 die deutsche Finanzplanung diskutiert. Im Zuge der Corona-Krise ist aufgrund der außergewöhnlichen Notsituation nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG die öffentliche Verschuldung stark ausgeweitet worden. Unter dem Eindruck der Fortdauer der Epidemie gilt die Notsituation auch für 2021. Entsprechend setzt der Staat 2021 massiv öffentliche Mittel zur Bekämpfung der Epidemie und zur Stabilisierung der Wirtschaft ein. Das ist nachvollziehbar und ökonomisch sinnvoll. Erfreulicherweise hat sich mittlerweile die Lage deutlich entspannt und es zeichnet sich 2021 eine kräftige Erholung der Wirtschaft ab. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Produktionslücke 2022 weitgehend geschlossen ist. Schätzungen unabhängiger Institutionen sehen 2022 bereits eine Überauslastung der Kapazitäten. So können die Unterstützungsmaßnahmen auslaufen und die Steuereinnahmen steigen wieder. Wie der Beirat des Stabilitätsrats ausführt, wäre eine Rückkehr zu den in der Schuldenbremse angelegten engen Grenzen für die Neuverschuldung 2022 ohne größere Konsolidierungsanstrengungen möglich und konjunkturpolitisch unbedenklich, nicht zuletzt, weil Bund und Länder über erhebliche Rücklagen und Reserven verfügen. So beträgt allein die Rücklage im Bundeshaushalt 48,2 Mrd. Euro.

Allerdings tut sich die Finanzpolitik schwer, aus dem Krisenmodus auszusteigen, und ist bestrebt 2022 in großem Umfang kreditfinanzierte Ausgabenprogramme zu realisieren. Die vom Stabilitätsrat im Juni 2021 diskutierte Finanzplanung sieht für den Bund 2022 eine Neuverschuldung von 81,5 Mrd. Euro vor. Für die Länder wird ein Defizit in den Kernhaushalten von insgesamt etwa 25,4 Mrd. Euro veranschlagt. Der jüngst vorgelegte Entwurf für den Bundeshaushalt 2022 geht noch deutlich über die Finanzplanung hinaus und plant eine Neuverschuldung von 99,7 Mrd. Euro. Natürlich kann derzeit nicht als sicher gelten, dass die epidemische Lage stabil bleibt. Vielfach wird befürchtet, dass die Fallzahlen wieder ansteigen und dass neue Maßnahmen erforderlich werden, die dann ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse und eine erhöhte Neuverschuldung rechtfertigen. Ein solches Krisenszenario liegt der Finanzplanung aber nicht zugrunde.

Da die Risiken einer höheren öffentlichen Verschuldung angesichts historisch niedriger Zinsen derzeit überschaubar sind, mag die Fortsetzung der Politik hoher Defizite unproblematisch erscheinen. Solange die Finanzpolitik mittelfristig wieder zu nahezu ausgeglichenen Haushalten zurückkehrt, sollte es mit der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung kein Problem geben. Ob es tatsächlich gelingen kann, aus den Schulden herauszuwachsen, ist indes umstritten. Die Wachstumsperspektiven sind aufgrund der Demografie trübe und die Stabilisierung der Sozialversicherungen erfordert schon mittelfristig einen deutlichen Anstieg der Beitragssätze.

Tatsächlich muss der langfristige Budgetausgleich in Deutschland aber nicht nur die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, sondern auch die institutionellen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Die Regelungen zur Schuldenbremse sehen eine explizite Tilgung aller zusätzlich aufgenommenen Kredite vor. Die Tilgungslasten werden dabei auf die zulässige Nettokreditaufnahme angerechnet. Ungeachtet der niedrigen Zinsen verringert daher jeder zusätzliche durch Verschuldung finanzierte Euro den zukünftigen Haushaltspielraum in gleicher Höhe.

Schon für die Tilgung der 2020 und 2021 aufgenommenen Schulden beläuft sich die erwartete jährliche Mehrbelastung des Bundes ab 2026 auf ca. 14,5 Mrd. Euro. Zusätzlich ergeben sich für den Bund Belastungen aufgrund der von der EU aufgenommenen Schulden für Transfers im Rahmen des Aufbauprogramms NGEU. Derzeit ist zu erwarten, dass Deutschland ab 2028 für die Rückzahlung von insgesamt etwa 103 Mrd. Euro EU-Schulden aufkommen muss. Da für die Tilgung 30 Jahre vorgesehen sind, beläuft sich die jährliche Belastung mindestens auf 3,4 Mrd. Euro. Entsprechend summiert sich die zukünftige jährliche Tilgungslast des Bundes durch die Corona-Krise nach derzeitigem Planungsstand auf rund 18 Mrd. Euro. Auch die Länderhaushalte haben bereits signifikante Tilgungslasten zu stemmen.

Wird die Verschuldung trotz der Erholung 2022 weiter ausgeweitet, kommen zusätzliche Tilgungslasten hinzu. Folgt die im Herbst zu bildende Bundesregierung beispielsweise dem aktuellen Regierungsentwurf, käme ab 2026 eine jährliche Belastung von rund 6 Mrd. Euro für den Bund hinzu. Die Finanzpolitik wäre daher gut beraten, sich nicht fiskalischen Illusionen hinzugeben. Sie sollte sich selbst und den Bürgern eingestehen, dass der Verschuldung in Deutschland derzeit enge Grenzen gesetzt sind, und sollte die Rückkehr zu den regulären Verschuldungsgrenzen besser früher als später einleiten.

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© Der/die Autor:in(nen) 2021

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-021-2951-0

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