Die Causa COSCO erinnert an das Betasten eines Elefanten mit verbundenen Augen durch mehrere Beteiligte, die je nach Standort zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Im Gesamtbild wäre der Elefant so kaum noch zu erkennen. Die Hamburger Hafenwirtschaft braucht Finanzmittel für den Terminal Tollerort, betont die Bedeutung des Containerverkehrs mit China für die Auslastung des Hafens (etwa 30 %) und verweist auf langjährige gute Beziehungen. COSCO als zweiter Akteur sagte zu (noch unter der ursprünglichen Beteiligung von 35 %), Hamburg zum preferred hub zu machen, eine Zusage, die wegen der schwierigen Bedingungen des Tidehafens Hamburg und der unsicheren Zukunft des Weltgüterhandels ein kommerziell agierendes Unternehmen kaum abgeben könnte. Die chinesische Regierung lässt durchklingen, dass ein halbes Jahrhundert diplomatische Beziehungen mit Deutschland zum beiderseitigen Vorteil beachtet werden sollten. Die mit der Prüfung beauftragten Ministerien in Berlin lehnten die 35 %-Beteiligung mit dem Verweis auf die Gefährdung der Sicherheit kritischer Infrastruktur ab und stellten sich damit gegen das Kanzleramt.
Die nun angestrebte 24,9 %-Lösung ist für alle gesichtswahrend, rückt sie doch COSCO herunter auf die Ebene eines Finanzinvestors ohne strategischen Einfluss. Sie verringert aber für Hamburg die Möglichkeit, eine höhere Beteiligung an transparente Auflagen zu binden und diese zu überprüfen. Und darauf kommt es an, wenn man eine über Hamburg hinausreichende gesamtwirtschaftliche Sicht ins Auge fasst. Bisher befinden sich die chinesischen Investitionen in Deutschland noch auf einem überschaubaren Niveau. Die Diskussion um den wachsenden chinesischen Einfluss wurde immer wieder befeuert durch aufsehenerregende Transaktionen wie die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch Midea 2016 oder den Einstieg von Geely bei Daimler 2018. Von einem Ausverkauf der deutschen Wirtschaft kann hingegen keine Rede sein. So entfielen von den ca. 300 Kontrollen ausländischer Direktinvestitionen durch das BMWK 2021 nur ca. 10 % auf potenzielle Übernahmen aus China.
Trotzdem bietet der geplante Deal Anlass zum Nachdenken. COSCO agiert als zentraler staatlicher Arm bei der Verknüpfung von globalem Güter- und Dienstleistungshandel mit hoher IT-Kompetenz. Dies geschieht innerhalb der strategischen maritimen Seidenstraße (Beteiligung an Häfen entlang des Seewegs von China bis Europa) und der digitalen Seidenstraße mit chinesischer Hardware- und Software-Technologie zur Digitalisierung der Abwicklung des globalen Seetransports. Im Dienstleistungshandel stellen sich Fragen nach Kontrolle kritischer Infrastruktur und marktbeherrschender IT-Kompetenz drängender als im Güterhandel.
Die Diskussion um COSCO steht stellvertretend für viele Abhängigkeiten Deutschlands von China. Daher wäre es ein Fehler, sich nur auf Einzeltransaktionen zu konzentrieren, ohne das Ganze zu betrachten. So sind die Handelsverflechtungen mit China viel ausgeprägter als die der Investitionen. 2021 bezog Deutschland knapp 12 % seiner Importe aus China, während 7,5 % der deutschen Exporte nach China gingen. China ist damit nicht nur der größte Beschaffungsstandort, sondern auch einer der bedeutendsten Absatzmärkte für deutsche Unternehmen. Die aggregierten Zahlen verschleiern zudem Abhängigkeiten bei einzelnen Produkten. So kamen 2021 ca. 80 % der nach Deutschland importierten Laptops und 70 % der Mobiltelefone aus China. Zudem scheint China für die Realisierung der deutschen Energiewende unverzichtbar, gehört das Land doch zu den wichtigsten Exporteuren diverser Rohstoffe wie z.B. Lithium und seltener Erden, die für die Transformation der Energiewirtschaft dringend benötigt werden.
Der Güterhandel wird aus zyklischen, strukturellen und politischen Gründen künftig nicht mehr die treibende Kraft der Globalisierung sein: zyklisch, weil angesichts der erwarteten rezessiven Entwicklung der Welthandel 2023 nur noch um 1 % statt der erwarteten mehr als 3 % wachsen soll; strukturell, weil in alternden Hocheinkommensländern Dienstleistungen mehr als Güter nachgefragt werden; politisch, weil die drei großen Akteure (USA, China, EU) aus sicherheits- wie nachhaltigkeitspolitischen Gründen lieber ausländische Anbietende einladen, bei ihnen zu produzieren, als sich von ihnen über Importe beliefern zu lassen, um so die globalen Lieferketten verkürzen würden. Zudem setzen sie durch Auflagen Anreize für Unternehmen, Lieferketten regional auf Standorte mit vergleichbaren Sicherheits- und Nachhaltigkeitsstandards umzulenken. Für den EU-Handel mit China sind das schlechte Aussichten.
Die Hamburger Hafenwirtschaft konzentriert sich zu Recht auf ihre eigenen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen. Dabei darf sie nicht blind für die Rolle sein, die COSCO vor dem Hintergrund des bislang schlechtesten Stands der wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen der EU und China zu spielen hat: die langfristigen Interessen eines autokratisch regierten und wirtschaftlich potenten Chinas zu vertreten. Das Bild des Elefanten kann nur deutlich werden, wenn alle Beteiligten die Augenklappen abnehmen.