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Der Ausbruch der Coronapandemie 2020 hat die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von globalen Lieferketten offengelegt. Verzögerungen bei der Zulieferung oder der Ausfall von Vorprodukten infolge eingeschränkter Logistikkapazitäten, geschlossener Grenzen oder einer gestörten Produktion bei Zulieferern hat seitdem bei vielen Betrieben in Deutschland zu Problemen geführt. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wurde deutlich, dass Lieferketten auch erheblichen geopolitischen Risiken ausgesetzt sind. Die Unternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Zulieferketten resilienter gegen solche Risiken zu machen.

Die deutsche Wirtschaft ist von den zurzeit gestörten Lieferketten stark abhängig. Daher untersuchen wir, wie häufig Betriebe in Deutschland von Problemen mit ihren Lieferketten berichten und beleuchten die Ursachen dieser Schwierigkeiten. Zudem gehen wir der Frage nach, ob und wie die Betriebe mit Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen oder Zwischenprodukten ihre Zuliefernetzwerke verändern. In früheren Beiträgen wurde bereits untersucht, wie sich Probleme mit den Lieferketten 2021 dargestellt haben (Moritz et al., 2022) und welche Auswirkungen gestörte Lieferketten seit dem Krieg in der Ukraine auf die Produktion, Preise und die Beschäftigung gehabt haben (Kagerl et al., 2022).

Die Ergebnisse basieren auf der Befragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), in der seit August 2020 regelmäßig rund 2.000 Betriebe interviewt wurden (Backhaus et al., 2022; Bellmann et al., 2022). Für die Analyse verwenden wir die aktuellste Welle 24 der Befragung, an der zwischen dem 13. und 30. Juni 2022 2.000 Betriebe teilgenommen haben und unter anderem zu möglichen Problemen in ihren Lieferketten seit Beginn des Kriegs in der Ukraine befragt wurden. Die Stichprobe wurde aus der Betriebsdatei der Bundesagentur für Arbeit gezogen und ist repräsentativ für die privatwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Welche Betriebe sind von Lieferengpässen betroffen?

Im Jahr 2022 beziehen 55 % der Betriebe Vorleistungen oder Zwischenprodukte aus dem In- oder Ausland. Mit 25 % gibt ein Viertel der Betriebe an, ausschließlich von inländischen Betrieben beliefert zu werden, während 30 % auch oder ausschließlich einen oder mehrere Zulieferbetriebe im Ausland haben. Abbildung 1 zeigt die Lieferstruktur von Vorleistungen nach Wirtschaftszweigen. Im Bereich Sonstige Dienstleistungen beziehen mehr als zwei Drittel der Betriebe nach eigenen Angaben keinerlei Vorleistungen oder Zwischenprodukte. Demgegenüber berichten mehr als die Hälfte der Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe und im Groß- und Einzelhandel von Zulieferbeziehungen zum Ausland.

Abbildung 1
Bezug von Vorleistungen nach Wirtschaftszweigen

in %

Bezug von Vorleistungen nach Wirtschaftszweigen

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=1.938 Betriebe; eigene Berechnungen.

Die Mehrheit der Betriebe, die Vorleistungen oder Zwischenprodukte bezieht, hat eine größere Zahl an Lieferanten. Ungefähr ein Drittel berichtet über bis zu fünf Lieferanten, 25 % haben zwischen sechs und zehn, rund 34 % zwischen elf und 50 Lieferanten und nur 8 % haben mehr als 50 Lieferanten.

Im Fall von Lieferungen aus dem Ausland berichten fast 90 % der Betriebe von Importen aus dem EU-Raum (vgl. Abbildung 2). Mit weitem Abstand folgen China mit 41 % und europäische Länder außerhalb der EU (ohne Vereinigtes Königreich) mit 28 % als Ursprungsland der Zulieferungen. Die USA und das Vereinigte Königreich werden von gut einem Fünftel als Quelle von Vorleistungen oder Zwischenprodukten aus dem Ausland genannt. 27 % der Betriebe haben Lieferbeziehungen zu anderen Ländern und Regionen.

Abbildung 2
Herkunft der Lieferanten bei Bezug aus dem Ausland

in %

Herkunft der Lieferanten bei Bezug aus dem Ausland

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=1.134 Betriebe; 95 % Konfidenzintervalle, eigene Berechnungen.

Rund 73 % aller Betriebe, die Vorleistungen oder Zwischenprodukte beziehen, hatten im Laufe des Jahres 2022 bis zum Zeitpunkt der Befragung im Juni Schwierigkeiten mit Lieferungen (vgl. Abbildung 3).1 Insbesondere waren das Gastgewerbe, das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe mit Werten über 80 % stark von Lieferschwierigkeiten betroffen. Abgesehen vom Gastgewerbe haben andere Dienstleistungsbranchen geringere Engpässe bei Zulieferungen zu beklagen. Ende 2021 berichteten im Durchschnitt rund 70 % der Betriebe, während des Jahres Erfahrungen mit Lieferengpässen gehabt zu haben (Moritz et al., 2022). Betriebe mit Zulieferern ausschließlich aus dem Inland waren im Durchschnitt seltener (66 %) von Lieferengpässen betroffen als Betriebe, die ihre Vorleistungen mindestens zum Teil aus dem Ausland beziehen (79 %).

Abbildung 3
Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen 2022

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Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen 2022

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=657 Betriebe; Mehrfachnennungen möglich; 95 % Konfidenzintervalle, eigene Berechnungen.

Wir haben in unserer Befragung zudem danach gefragt, ob sich die Preise für Vorleistungen oder Zwischenprodukte nach dem Beginn des Kriegs erhöht haben. Hier geht es nicht nur um Preiseffekte, die im Kontext von Lieferengpässen entstehen, sondern auch um andere Verflechtungen wie z. B. die Energie- und Rohstoffpreise, die seit Ende Februar in die Höhe geschnellt sind. Rund 87 % aller Betriebe, die Vorleistungen oder Zwischenprodukte beziehen, berichten über höhere Preise. Besonders hoch sind die Anteile im Gastgewerbe mit rund 99 %. Im Baugewerbe berichten 97 % der Betriebe über Preiserhöhungen und im Verarbeitenden Gewerbe 94 %.

Ursachen für die Lieferengpässe

Der Krieg in der Ukraine wird am häufigsten als Ursache der Lieferengpässe genannt. Ein wesentlicher Teil der Betriebe, rund 30 %, nennt auch andere Gründe wie den Fachkräfte- bzw. Chipmangel, Rohstoffknappheit oder fehlende Transportmittel. Fragt man danach, wie sich die Engpässe konkret darstellen, berichten knapp 90 % der Betriebe, dass die Lieferprobleme wegen einer eingeschränkten Verfügbarkeit von Vorleistungen bei ihren Lieferanten entstehen. Rund 57 % berichten über Probleme mit der Logistik, 13 % von veränderten Regulierungen oder Handelsbedingungen und 19 % nennen andere Gründe.

In unserer Befragung können Betriebe mehr als einen Grund als Ursache für die Lieferprobleme nennen (vgl. Abbildung 4). 38 % der Betriebe geben nur einen Grund an. Alle Betriebe, die mehr als eine Ursache nennen, wurden auch nach der Hauptursache gefragt (vgl. Abbildung 5). Insgesamt ist der Krieg in der Ukraine am häufigsten (ca. 40 %) der Hauptgrund für Lieferprobleme, danach folgt die Pandemie. Betriebe, die nur aus dem Inland Vorleistungen beziehen, ähneln in dieser Hinsicht interessanterweise Betrieben, die über Landesgrenzen hinweg Vorleistungen beziehen. Bei Vorleistungen aus dem Ausland wird lediglich die Pandemie etwas häufiger als Hauptgrund genannt.

Abbildung 4
Ursachen für die Lieferengpässe
Ursachen für die Lieferengpässe

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=883 Betriebe; Mehrfachnennungen möglich; 95 % Konfidenzintervalle, eigene Berechnungen.

Abbildung 5
Hauptursache der Lieferengpässe nach Region der Lieferanten
Hauptursache der Lieferengpässe nach Region der Lieferanten

Betriebe, die nur einen Grund nennen, bekommen diesen als Hauptgrund zugewiesen. Da der Brexit nur von einer kleinen einstelligen Anzahl an Betrieben als Hauptgrund angeführt wird, ist dieser Grund hier bei ‚anderen Gründen‘ enthalten.

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=873 Betriebe; eigene Berechnungen.

Wie reagieren Betriebe auf die Lieferengpässe?

Betriebe verfügen über verschiedene Möglichkeiten, um auf Störungen in ihren Lieferketten zu reagieren. Diese umfassen Personalmaßnahmen, wie beispielsweise die Beantragung von Kurzarbeit, oder Anpassungen der Produktion und der Lagerbestände (Kagerl et al., 2022; Moritz et al., 2022). Eine weitere Möglichkeit, die im Folgenden näher in den Blick genommen wird, besteht darin, das Lieferantennetzwerk selbst zu verändern, also z. B. Lieferanten auszutauschen oder das bestehende Netzwerk durch Hinzunahme neuer Lieferanten zu erweitern. Kleifgen et al. (2022) zeigen auch, dass Betriebe in Deutschland, die zwischen Beginn der Pandemie und Sommer 2020 von Lieferengpässen betroffen waren, eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, ihre Lieferanten ausgetauscht zu haben als Betriebe ohne solche Probleme. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um Pro­bleme beim Bezug aus dem Ausland geht.

Etwa 16 % aller Betriebe mit Vorleistungen oder Zwischenprodukten geben bei der im Juni 2022 durchgeführten Befragung an, dass es zu mindestens einem solchen Wechsel seit Jahresbeginn 2022 gekommen ist (vgl. Abbildung 6). Deutlich häufiger geschieht dies bei Betrieben, die Probleme mit den Zulieferungen haben, hier berichten etwa 21 % der Betriebe davon, dass sie Lieferanten gewechselt haben. Bei Betrieben ohne solche Probleme sind es dagegen nur 3 %.2 Größere Unterschiede zeigen sich dabei auch zwischen den Wirtschaftszweigen. So geben fast 30 % der Betriebe aus dem Verarbeitenden Gewerbe an, Lieferanten ausgetauscht zu haben. Dagegen trifft dies nur auf rund 10 % der Betriebe im Groß- und Einzelhandel zu.

Abbildung 6
Wechsel von einem oder mehreren Lieferanten

in % aller Betriebe, die Vorleistungen oder Zwischenprodukte beziehen

Wechsel von einem oder mehreren Lieferanten

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=1.157 Betriebe; 95 % Konfidenzintervalle, eigene Berechnungen.

Anpassungen der Lieferketten müssen jedoch nicht zwangsläufig erfolgen, indem bestehende Lieferanten ausgetauscht werden. Angesichts von Lieferengpässen können Betriebe ihr Netzwerk auch um neue Lieferanten erweitern. Rund 46 % aller Betriebe, die Probleme mit dem Bezug von Vorleistungen oder Zwischenprodukten angeben, berichten, ihr Lieferantennetzwerk seit Anfang 2022 erweitert zu haben. Von den Betrieben, die auch aus dem Ausland Vorleistungen bekommen, sind es 51 %. Von den Betrieben, die ihr Netzwerk erweitert haben, finden rund 86 % neue Lieferanten in Deutschland, fast 35 % im europäischen Ausland und 15 % im Rest der Welt (Mehrfachnennungen möglich). Dieses erweiterte Netzwerk hat nach Angaben der befragten Betriebe für fast 60 % die Probleme mit dem Bezug von Vorleistungen verkleinert. Bei rund 40 % scheint das dagegen nicht der Fall zu sein.

Moritz et al. (2022) nutzen im Dezember 2021 erhobene Daten der Betriebsbefragung und zeigen, dass von den Betrieben, die im Laufe des Jahres 2021 Lieferengpässen ausgesetzt waren, etwa 28 % vom Austausch mindestens eines Lieferanten berichteten, während 65 % die Hinzunahme weiterer Lieferanten angaben. Auf der Grundlage einer Unternehmensbefragung des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Groß- und Einzelhandels schätzen Aksoy et al. (2022), dass etwa zwei Drittel der Unternehmen in diesen Bereichen ihr Beschaffungswesen diversifiziert haben, indem beispielsweise neue Lieferanten gewonnen wurden.

Im Verlauf der COVID-19-Pandemie ist zunehmend die Frage aufgeworfen worden, ob Betriebe sich vor (internationalen) Lieferkettenproblemen zu schützen versuchen, indem sie Lieferketten verstärkt ins Inland oder das nahegelegene Ausland verlagern (z. B. Bunde, 2021). Auswertungen von Kleifgen et al. (2022) zeigen, dass Betriebe, die infolge pandemiebedingter Lieferengpässe einen Lieferantenwechsel durchgeführt haben, häufiger ferner durch nähergelegene Lieferanten ersetzt haben als Betriebe, deren Lieferantenwechsel nicht im Zusammenhang mit Lieferengpässen stehen. Gleichzeitig schätzten diese Betriebe solche Wechsel häufiger als vorübergehende Anpassung ein.

Um beurteilen zu können, ob die Lieferantenwechsel 2022 mit einer Verlagerung von Zulieferern in geografisch näher gelegene Regionen einhergehen, wurde nach der Art des Wechsels gefragt. Dabei wurde nach der Richtung des Wechsels gefragt und zwischen den folgenden Antwortoptionen unterschieden: „von außerhalb der EU in die EU oder nach Deutschland“, „von der EU nach Deutschland“, „innerhalb Deutschlands“, „aus Deutschland ins Ausland“, „von der EU nach außerhalb der EU“ (alle übrigen Wechsel werden in einer Residualoption zusammengefasst). Wir fassen die ersten beiden Antwortoptionen in der Kategorie „fern-nach-nah“ und die letzten beiden in der Kategorie „nah-nach-fern“ zusammen. Mit rund 76 % hat der Großteil der Betriebe, die einen Lieferantenwechsel vorgenommen haben und Lieferengpässen ausgesetzt sind, Zulieferer aus Deutschland durch andere Lieferanten aus Deutschland ersetzt. Fast jeder zweite Betrieb (46 %) gibt dagegen an, dass ferne durch näher gelegene Lieferanten ersetzt wurden. Wechsel von nah nach fern wurden von jedem fünften Betrieb angegeben.

Veränderungen der Lieferketten müssen jedoch nicht zwangsläufig dauerhaft sein, sondern können auch eine temporäre Anpassung darstellen. Die Betriebe wurden daher auch nach ihrer Einschätzung befragt, ob die vorgenommenen Lieferantenwechsel von Dauer oder nur vorübergehend sein sollen (vgl. Abbildung 7). Etwas mehr als ein Drittel aller Betriebe (34 %), die mindestens einen Lieferanten gewechselt haben und von Lieferengpässen betroffen waren, geben an, dass sie einen dauerhaften Wechsel erwarten, während knapp ein Fünftel (18 %) von einer temporären Anpassung ausgeht. Der Großteil der Betriebe (44 %) gibt jedoch an, beide Arten von Wechseln vorgenommen zu haben (4 % machten keine Angabe bzw. wussten es nicht). Um das Ausmaß dauerhafter oder vorübergehender Wechsel besser einschätzen zu können, wurden die Betriebe zusätzlich noch nach dem letzten vorgenommenen Lieferantenwechsel befragt. Hierbei zeigt sich, dass 52 % der Betriebe den Wechsel als dauerhaft einstufen und 38 % als vorübergehend (10 % der Betriebe konnte keine Antwort geben).

Abbildung 7
Dauerhaftigkeit der Lieferantenwechsel bei Betrieben mit Lieferantenwechsel und mit Zulieferproblemen
Dauerhaftigkeit der Lieferantenwechsel bei Betrieben mit Lieferantenwechsel und mit Zulieferproblemen

Quelle: IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ (Welle 24); N=252 Betriebe; 95 % Konfidenzintervalle, eigene Berechnungen.

Fazit

In unseren Ergebnissen wird deutlich, dass fast drei Viertel aller Betriebe, die Vorleistungen oder Zwischenprodukte beziehen, im Laufe des Jahres 2022 bis zum Zeitpunkt der Befragung im Juni von Schwierigkeiten mit Zulieferungen berichtet haben. Besonders betroffen sind das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe, wohingegen der Dienstleistungsbereich seltener solchen Schwierigkeiten ausgesetzt ist. Eine Ausnahme stellt dabei das Gastgewerbe dar, das mit 94 % sogar den Spitzenplatz einnimmt. In der Wahrnehmung der Betriebe lässt sich die angespannte Lage der Lieferketten vor allem auf den Krieg in der Ukraine und die Coronapandemie zurückführen. Andere Faktoren, wie z. B. Handelshemmnisse die aus insti­tutionellen Anpassungen herrühren, wie beispielsweise der Brexit, spielen nur eine untergeordnete Rolle. In unseren Ergebnissen zeigt sich zudem, dass etwa jeder fünfte Betrieb, der von Störungen mit seinen Lieferketten berichtet, in diesem Zusammenhang Lieferanten gewechselt hat. Mit 46 % kommt es aber doppelt so häufig zu einer Ausweitung des Zulieferernetzwerks. Ein diversifiziertes Netzwerk kann Redundanzen schaffen und so zu einem geringeren Ausfallsrisiko von Zulieferungen führen. Bei Betrieben mit internationalen Lieferketten kann eine weitere Strategie, Ausfallrisiken zu begrenzen, darin bestehen, die Lieferketten auf geografisch näher gelegene Regionen zu beschränken. Dieses sogenannte Re- und Nearshoring dürfte zwar mit erhöhten Kosten verbunden sein, kann aber je nach Problemdruck eine Lösung darstellen, wenn mit der Rückverlagerung beispielsweise politische Risiken reduziert werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn Betriebe ihre Zulieferer vom außereuropäischen Ausland in die EU verlagern. Tatsächlich zeigt sich, dass 46 % der Betriebe, die Lieferanten ausgetauscht haben und Lieferengpässen ausgesetzt sind, solche Rückverlagerungen vorgenommen haben. Ein Fünftel berichtet dagegen von einem Wechsel, bei dem ein nähergelegener durch einen weiter entfernten Zulieferer ersetzt wurde.

Bereits während der Pandemie bestand ein erheblicher Problemdruck in den Zuliefernetzwerken der Betriebe. So berichteten auch für 2021 etwa 70 % der Betriebe, die auf Zulieferungen angewiesen sind, von solchen Schwierigkeiten. Die in diesem Beitrag präsentierten Befunde zeigen, dass die Situation bis Mitte 2022, nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine, schwierig bleibt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Problem der beeinträchtigten Lieferketten recht umfassend ist, d. h. sehr viele Betriebe in der ganzen Breite der Wirtschaft, also in allen Branchen, betroffen sind. Daher dürfte es politischen Entscheidungstragenden schwerfallen, betroffene Betriebe mit allgemeinen Maßnahmen zu unterstützen. Zudem ist zu bedenken, dass Studien (z. B. Flach et al., 2021) auch auf die wohlfahrtsmindernden Effekte von Reshoring hinweisen. Auf der anderen Seite wird eine solche Rückverlagerung auf der Ebene von einzelnen Unternehmen – das zeigen unsere Ergebnisse – aber durchaus als zielführende Strategie im Umgang mit solchen Schwierigkeiten eingesetzt. Vor diesem Hintergrund könnte der Staat die Unternehmen bei der Diversifikation ihrer Lieferketten z. B. durch verbesserte Finanzierungsbedingungen unterstützen.

  • 1 Bei über 85 % dieser Betriebe hielten die in den ersten Monaten 2022 aufgetretenen Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen und Zwischenprodukten im Juni 2022 noch an.
  • 2 Nicht immer ist der Wechsel von Lieferanten ein Ergebnis von Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen, dies ist der Fall bei rund 90 % der Betriebe. Bei den verbleibenden 10 % ergaben sich die Schwierigkeiten erst aus diesem Wechsel.

Literatur

Aksoy, C. G., A. Baur, L. Flach und B. Javorcik (2022), Wie reagieren Unternehmen auf Lieferkettenstörungen? Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, ifo Schnelldienst digital, 3(7), 1-5.

Backhaus, N., L. Bellmann, P. Gleiser, S. Hensgen, C. Kagerl, T. Koch, C. König, E. Kleifgen, U. Leber, M. Moritz, L. Pohlan, S. Robelski, D. Roth, M. Schierholz, S. Sommer, J. Stegmaier, A. Tisch, M. Umkehrer und A. Aminian (2022), Panel „Betriebe in der Covid-19 Krise“ – 20/21/22. Eine Längsschnittstudie in deutschen Betrieben – Wellen 1 - 24, FDZ-Datenreport, 9.

Bellmann, L., P. Gleiser, S. Hensgen, C. Kagerl, U. Leber, D. Roth, J. Stegmaier und M. Umkehrer (2022), Establishments in the Covid-19-Crisis (BeCovid) – A high-frequency establishment survey to monitor the impact of the Covid-19 pandemic, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 242(3), 421-431.

Bunde, N. (2021), Covid-19 und die Industrie: Führt die Krise zum Rückbau globaler Lieferketten?, ifo Schnelldienst, 74(1), 54-57.

Flach, L., J. Gröschl, M. Steininger, F. Teti und A. Baur (2021), Internationale Wertschöpfungsketten – Reformbedarf und Möglichkeiten, ifo-Studie.

Kagerl, C., M. Moritz, D. Roth, J. Stegmaier, I. Stepanok und E. Weber (2022), Energiekrise und Lieferstopp für Gas: Auswirkungen auf die Betriebe in Deutschland, Wirtschaftsdienst, 102(6), 486-491, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/6/beitrag/energiekrise-und-lieferstopp-fuer-gas-auswirkungen-auf-die-betriebe-in-deutschland.html (4. November 2022).

Kleifgen, E., D. Roth und I. Stepanok (2022), The Covid-19 pandemic and international supply chains, IAB-Discussion Paper, 5.

Moritz, M., D. Roth, J. Stegmaier und I. Stepanok (2022), Lieferengpässe in Deutschland im Jahr 2021: Betriebe reagieren mit Anpassungen bei Produktion, Preis und Personal, IAB-Kurzbericht, 13.

Title:Supply Chain Disruptions – How Are Establishments in Germany Responding?

Abstract:The outbreak of the coronavirus pandemic in 2020 and the war in Ukraine since 2022 have exposed Germany’s dependence on global supply chains. Based on “Establishments in the Covid-19 Crisis”, a survey conducted by the Institute for Employment Research (IAB), this paper examines the extent and causes of supply chain disruptions and the responses of establishments in Germany. Our results show that nearly three-quarters of all establishments that report using intermediate inputs have experienced problems with their supply chains in 2022 up until the time of the survey in June. The hospitality, manufacturing, and construction sectors are particularly affected. In response to these problems, establishments are diversifying their supply chains by adding new suppliers or replacing existing ones. New suppliers tend to come from geographically closer regions than their predecesors.

© Der/die Autor:in 2022

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-022-3345-7