Der Koalitionsvertrag beinhaltet hinsichtlich der digitalen Infrastrukturen viele Forderungen, die seit längerem von Praktiker:innen in den Ländern und Kommunen erhoben werden. So bekennen sich die Regierungsparteien erstmals zu einem Glasfaserinfrastrukturziel. Damit setzt der Bund um, was Länder wie Schleswig-Holstein und Thüringen schon länger erkannt haben: Die Grundlage einer zukunftsfähigen digitalen Infrastruktur ist ein flächendeckendes Glasfasernetz bis in die Gebäude bzw. Wohnungen (FTTB/FTTH). Bei der Breitbandförderung möchte die Regierung dabei verstärkt auf das Betreibermodell als ordnungspolitisch sinnvolle Alternative zur bisher vorherrschenden Subventionspraxis setzen. Doch Verbände und Unternehmen versuchen dies durch geschickten Lobbyismus zu verhindern.
Mit der Regierungsübernahme durch die Ampelkoalition verbindet sich – zumindest für einen Teil der Wählerschaft – die Hoffnung auf eine umfassende Modernisierung Deutschlands. „Mehr Fortschritt wagen“ – so ist der Koalitionsvertrag überschrieben. Dass gerade in Fragen der Digitalisierung Deutschland eines Modernisierungsimpulses bedarf, hat die Coronapandemie eindrucksvoll gezeigt. Eine „Einarbeitungsphase“ wird es für die neue Regierung kaum geben: Angesichts der langen Vorlaufzeiten vieler Prozesse und Entscheidungen muss die Koalition bereits im ersten Amtsjahr wesentliche strategische Entscheidungen treffen.
Die Regierung scheint erkannt zu haben, dass es um die langfristige, vollständige Erneuerung des vorhandenen Telekommunikationsnetzes aus Kupfer durch Glasfaserkabel bis in Gebäude und Wohnungen geht. Will man die für den Moment noch leistungsfähigen Bestandsinfrastrukturen vollständig durch Glasfaser ersetzen, wäre ein Abschluss des flächendeckenden Überbaus bis 2030 bereits ein hinreichend herausforderndes Ziel (Ilgmann, 2019, 120). So ist es ein Stück politischer Ehrlichkeit und nicht Ausdruck eines fehlenden Ehrgeizes, wenn im Koalitionsvertrag – entgegen schlechter Angewohnheiten vergangener Regierungen – keine Jahreszahl mit einer mehr oder weniger willkürlich gesetzten Downloadrate als Zielmarke vorgeben ist.
Doch hinsichtlich der konkreten Umsetzung, wie dieses Ziel erreicht werden soll, bleibt der Koalitionsvertrag im Ungefähren. Auf der einen Seite wird auf den Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus privater Telekommunikationsunternehmen verwiesen. Was wie eine politische Festlegung klingt, ist dabei nichts anderes als ein Verweis auf den europäischen Rechtsrahmen. Auf der anderen Seite soll dort, wo der Nachholbedarf am größten ist, allen voran in weißen Flecken, durch den Staat investiert werden. Dabei soll das Betreibermodell Vorrang haben, unterstützt durch eine verstärkte Förderung von gemeindeübergreifenden Ausbaugebieten („Clustern“) sowie schnellere und verbindlichere Markterkundungsverfahren.
Wie der damit einhergehende Widerspruch zwischen privaten und öffentlichen Interessen aufgelöst werden soll, dazu äußert sich der Koalitionsvertrag jedoch nicht. Er verweist lediglich abstrakt auf Potenzialanalysen, auf deren Basis die Glasfaserausbauförderung ohne Aufgreifschwelle vorangetrieben werden soll. Insofern muss es nicht verwundern, dass mittlerweile eine erbitterte politische Diskussion darum entbrannt ist, wie die Potenzialanalyse auszugestalten ist und welche Rolle sie hinsichtlich der Priorisierung des geförderten Glasfaserausbaus einnehmen soll (Breitband- und Mobilfunknetz, 2022).
Diese Debatte ist indes für die Allgemeinheit nicht ohne Weiteres verständlich. Auf den ersten Blick handelt es sich um den vermeintlich bekannten Konflikt zwischen Befürwortenden des Glasfaserausbaus durch marktwirtschaftliche Effizienz auf der einen und den Anhänger:innen eines eher auf Daseinsvorsorge gerichteten staatlichen Modells auf der anderen Seite. Beim näheren Hinsehen wird allerdings deutlich, dass es gerade der organisierten Interessenvertretung der Telekommunikationsbranche weniger um Marktwirtschaft, sondern um knallharte Interessenvertretung geht. Würden die Verbände ihre Forderungen durchsetzen, bestünde die konkrete Gefahr, dass die eigentlich begrüßenswerten Festlegungen im Koalitionsvertrag auf Ebene des Fördervollzugs durch geschickten Lobbyismus weitestgehend unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit ad absurdum geführt würden.
Infrastrukturwettbewerb zulasten
des ländlichen Raums
Die Branchenvertretung der Telekommunikationsunternehmen betont gerne und häufig, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau durch den Markt schneller und effizienter sei als das Handeln des Staates. Aufgrund des weltweiten Anlagenotstands sei ausreichend privates Kapital vorhanden und dank kostengünstiger, innovativer Verlegeverfahren verlaufe der Glasfaserausbau auch im ländlichen Raum sehr erfolgreich. Wenn man daher die Förderung auf diejenigen Gebiete beschränke, die nicht wirtschaftlich seien, bedürfe es in allen anderen Regionen keiner aufwändigen Förderverfahren und keiner Steuergelder.
Die Befürwortenden des unbedingten Vorrangs des eigenwirtschaftlichen Ausbaus verweisen auf die vermeintlich segensreichen Wirkungen des Infrastrukturwettbewerbs, der nachhaltiger sei als ein dienstebasierter Wettbewerb, weil die Marktteilnehmenden „unabhängiger voneinander agieren können und mehr Möglichkeiten zur Produktdifferenzierung haben als bei einer gemeinsamen Infrastruktur“ (Monopolkommission, 2017, 62). Nach dieser Lesart sind eigene Infrastrukturen die Vorbedingung für dynamische Effizienz im Sinne von günstigen Verbraucherpreisen und Produktinnovation auf Ebene der Dienste.
Dieser Mythos vom effizienten Infrastrukturwettbewerb entpuppt sich indes bei einer ordnungspolitischen Analyse als Illusion. Denn Glasfasernetze bis in die Gebäude sind aufgrund des hohen Anteils der Tiefbaukosten (je nach Schätzung 80 % bis 90 % der Gesamtausbaukosten) natürliche Monopole.1 Lässt man nun die Infrastruktur im Wettbewerb erstellen, drohen Ineffizienzen. Konkret bedeutet dies, dass in urbanen, dicht besiedelten Gebieten zum Teil mehrere Netze neben- und übereinander entstehen, während Unterversorgung dort herrscht, wo die Bevölkerungsdichte gering und die Anschlusskosten pro Haushalt damit erheblich höher sind. Die flächendeckende Bereitstellung einer solchen Infrastruktur im Wettbewerb ist daher weder volkswirtschaftlich effizient, noch betrifft das Marktversagen nur wenige unwirtschaftliche Adressen (Ilgmann und Störr, 2020, 614).
Tatsächlich ist der Infrastrukturwettbewerb ein aus der Zeit gefallener Begriff. Denn er wurde zu einer Zeit geprägt, in dem die technologische Entwicklung der Netzinfrastruktur angesichts verschiedener, potenziell bedarfsdeckender Technologien (Vectoring, Ertüchtigung HFC-Netze, Glasfaser, Satellit, Mobilfunk) nicht hinreichend klar war. Mithin ging es um einen Wettbewerb zwischen Technologien, nicht um einen zwischen mehr oder weniger baugleichen Glasfasernetzen. Mit dem nun anstehenden Ausbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes verliert der Infrastrukturwettbewerb daher seine Bedeutung – und bei entsprechender „Open-Access-Regulierung“ ohne negative Auswirkungen für die Konsumierenden in Bezug auf Endkundenpreise und Innovationen (Braun et al., 2019).
Aber selbst wenn man gegenüber einer erfolgreichen staatlichen Open-Access-Regulierung sogenannter Bottle-Neck-Infrastrukturen skeptisch ist, bleibt zu konstatieren, dass ein Wettbewerb zwischen Glasfasernetzen nur in dicht besiedelten, urbanen Räumen entstehen wird. Denn das Potenzial für einen eigenwirtschaftlichen Infrastrukturwettbewerb zwischen Glasfasernetzen ist in Deutschland gering (Braun et al., 2019). Von den vermeintlichen Segnungen des Infrastrukturwettbewerbs würde langfristig also nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung profitieren, der dann nicht nur die beste Versorgung, sondern diese auch zum kleinsten Preis erhalten würde.
Dagegen entstehen im ländlichen Raum, wo die Bevölkerungsdichte gering und die tiefbaubedingten Anschlusskosten pro Haushalt damit erheblich höher sind,2 de facto Infrastrukturmonopole einzelner privater Telekommunikationsunternehmen. Es findet also kein Infrastrukturwettbewerb statt, sondern ein Wettlauf um die Errichtung einer dauerhaften, gebietsbezogenen marktbeherrschenden Stellung.3 Im Ergebnis werden Verbraucher:innen im ländlichen Raum absehbar höhere Preise für die gleiche Infrastruktur zahlen, soweit es nicht einen entsprechenden regulatorischen Rahmen gibt.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Politik in den vergangenen Jahren die Verfügbarkeit von Breitband- bzw. Glasfaseranschlüssen dem Bereich der Daseinsvorsorge zuordnet. Denn der Zugang zum Glasfasernetz ist zunehmend angesichts der fortschreitenden Digitalisierung kein normales, privates Gut, auf das potenzielle Nutzende aufgrund fehlender Verfügbarkeit oder hoher Preise einfach so verzichten können. Neben grundsätzlichen Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und Zugang zu öffentlichen, digitalen Gütern spielen aus strukturpolitischer Sicht auch positive Externalitäten zwischen Nutzenden und Anbietenden von glasfaserbasierten Diensten eine Rolle, insbesondere in Form komplementärer Innovationen und neuer Geschäftsmodelle (SVR, 2020, 327). Insofern erreicht ein Festhalten am unbedingten Primat des eigenwirtschaftlichen Ausbaus im Rahmen des Infrastrukturwettbewerbs das genaue Gegenteil von dem, was sich die Politik unter der Überschrift „gleichwertige Lebensverhältnisse“ zum Ziel gesetzt hat.
Das Betreibermodell als Alternative
Angesichts der obenstehenden Nachteile der nur vermeintlich effizienten privaten Bereitstellung von flächendeckenden Glasfaseranschlüssen versuchen der Bund und die Länder seit Jahren, das aus dem falsch gewählten Marktdesign herrührende Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land mit milliardenschweren Fördermitteln auszugleichen. Doch der langsame Fortschritt der Förderprogramme hat die Erwartungen und die selbstgesteckten Ziele bislang nicht erfüllt. Dies liegt indes nicht daran, dass Förderung per se teurer und langsamer ist, sondern hat konkrete verfahrenstechnische Gründe. Beseitigt man diese, wird auch die Geschwindigkeit im geförderten Ausbau zunehmen.
Zunächst ist zu beachten, dass die öffentliche Hand an die beihilferechtlichen Vorgaben der EU-Kommission gebunden ist. Sie sehen vor, dass es Förderung für die Errichtung der Netzinfrastruktur nur bei „unterversorgten“ Anschlüssen gibt, soweit kein Telekommunikationsunternehmen im Rahmen einer Abfrage der Ausbauabsichten (Markterkundungsverfahren) verbindlich zusagt, das Gebiet innerhalb der nächsten drei Jahre auszubauen. Derzeit liegt die „Aufgreifschwelle“, unter der eine Adresse förderfähig wird, bei zuverlässig 100 Mbit/s im Download.4
Was sich zunächst beihilferechtlich plausibel anhört, führt in der Praxis zu absurden Ergebnissen. So können Gemeinden, in denen bereits heute „Supervectoring“ als Übergangstechnologie verfügbar ist, aktuell nur teilweise mit Glasfaser ausgebaut werden. Denn faktisch richtet sich die Förderfähigkeit einzelner Adressen nach der Entfernung zum nächsten Kabelverzweiger. Ursächlich dafür ist das widersinnige Festhalten der EU-Kommission an der Technologieoffenheit von Breitbandnetzen. Die Konsequenz: Sowohl im „weißen“ als auch im „grauen“ Fleckenprogramm wurden bislang im Rahmen der Förderung oftmals Flickenteppiche erschlossen, statt Gemeinden flächendeckend auszubauen. Tatsächlich gibt es Kommunen im ländlichen Raum, die mit jeder Anhebung der Aufgreifschwelle das Förderprogramm erneut durchlaufen mussten – mit allen finanziellen und administrativen Hürden, die damit verbunden sind.
Insofern bietet das faktische Ende der Aufgreifschwelle ab 2023 die Chance, überall dort wo keine HFC-Netze vorhanden sind, ganze Ort bzw. Ortsteile wirklich flächendeckend zu erschließen.5 Dies wird insbesondere im ländlichen Raum den geförderten Ausbau erheblich beschleunigen. Und bietet darüber hinaus die Möglichkeit für öffentliche Gebietskörperschaften, bei der Breitbandförderung im Sinne des Koalitionsvertrags vermehrt auf das „Betreibermodell“ zu setzen. Damit würden die umfangreichen staatlichen Subventionen in wesentlichen Teilen nicht mehr privaten Telekommunikationsunternehmen zugutekommen, sondern langfristig zum Vermögensaufbau der Kommunen beitragen. Denn beim Betreibermodell erfolgt der Glasfaserausbau der passiven, physischen Infrastruktur (insbesondere Rohre und unbeschaltete Glasfaser) durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die dann den Betrieb des Netzes unter einer Open-Access-Verpflichtung ausschreibt. Die Erträge der Verpachtung können somit nicht nur einen Teil der Investitionen der öffentlichen Hand finanzieren, sie können langfristig auch eine sichere, zusätzliche Einnahme für die kommunalen Haushalte generieren. Gleichzeitig ist ein solcher Wettbewerb „auf der Infrastruktur“ für ein natürliches Monopol das deutlich effizientere Marktdesign als ein Infrastrukturwettbewerb.
Im Übrigen sei auch darauf hingewiesen, dass eine solche staatliche Bereitstellung der passiven Infrastruktur positive Effekte auf die dynamische Effizienz der Telekommunikationsmärkte haben kann. So entlastet die staatliche Finanzierung die Bilanzen der Unternehmen im Hinblick auf die damit einhergehende Notwendigkeit, erhebliche Fremdfinanzierung aufzunehmen. Denn Investitionsmittel, die in den wenig innovativen Ausbau von Rohren und unbeschalteter Glasfaser fließen, stehen nicht zur Finanzierung von Produkt- und Dienstinnovationen zur Verfügung. Und nur am Rande sei erwähnt, dass nach Dafürhalten vieler Praktiker:innen aus Ländern und Kommunen eine glaubhafte Förderkulisse den eigenwirtschaftlichen Ausbau durch einen Wettlauf um die Gebietsmonopole deutlich beschleunigt. Somit erlaubt die beihilferechtskonforme Bereitstellung der passiven Infrastruktur durch die öffentliche Hand eine ordnungspolitisch unbedenkliche Unterstützung des Digitalstandortes Deutschland.
Dass indes die meisten Telekommunikationsunternehmen an der integrierten Bereitstellung von Netz, Betrieb und Diensten festhalten, hat handfeste betriebswirtschaftliche Gründe. Denn die einmal auf Grundlage der passiven Infrastruktur errichteten Gebietsmonopole erlauben langfristige und sichere Renditen.6 Insofern darf es nicht verwundern, dass angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfelds in den vergangenen Jahren vermehrt privates Kapital für den eigenwirtschaftlichen Ausbau vorhanden war.
Privatisierung der Netzinfrastruktur in den 1990ern als Fehlentscheidung
Folgerichtig scheint in Teilen von Politik und Öffentlichkeit die Einsicht zu wachsen, dass die Privatisierung der physischen Netzinfrastruktur in den 1990er Jahren ordnungspolitisch eine Fehlentscheidung war. Diese ist aber angesichts der grundgesetzlichen und europarechtlichen Vorgaben mittlerweile kaum mehr zu korrigieren. Auch die Möglichkeit, den Netzausbau in Deutschland analog zu Frankreich mit Hilfe von Konzessionsverfahren effizienter zu gestalten, hat der Bund nicht aufgegriffen. Dies ist umso bedauerlicher, als der Deutsche Landkreistag hierzu bereits vor rund fünf Jahren konkrete Überlegungen vorgelegt hatte (Deutscher Landkreistag, 2017). Daher bleibt die Stärkung des Betreibermodells im Rahmen der Breitbandförderung derzeit das schnellste und pragmatische Mittel, zumindest den geförderten Ausbau zukünftig stärker an den Erfordernissen einer digitalen Daseinsvorsorge auszurichten.
Damit der im Koalitionsvertrag verankerte Strategiewechsel in der Förderung hin zum Betreibermodell aber Erfolg haben kann, müssen die Voraussetzungen stimmen. Insbesondere bedarf es geförderter Gebiete, die sich betriebswirtschaftlich tragen. Dies bedeutet, dass die Netze in den Fördergebieten zumindest so viel Ertrag aus der Verpachtung des Betriebs erwirtschaften, dass die laufenden Kosten – Betrieb, Erhalt und Verwaltung – gedeckt sind. Denn die Förderung von Bund und Ländern beinhaltet im Wesentlichen nur die Investitionskosten über den Zweckbindungszeitraum, der in der Regel sieben Jahre beträgt. Aus den Erfahrungen des Weiße-Flecken-Programms heraus ist dies kein Selbstläufer: So gibt es immer wieder Netztopologien, wo nach einem eigenwirtschaftlichen Ausbau Randlagen übrigbleiben, bei denen sich selbst bei einer 100 %-Förderung der Investition kein Telekommunikationsunternehmen für den Ausbau findet, da die langfristen Betriebskosten über den Erträgen liegen.
Hinzu kommt eine verteilungspolitische Komponente, denn aus fiskalischer Sicht wäre es wünschenswert, dass diese Erlöse aus der Verpachtung auch einen (wesentlichen) Teil der Investitionskosten abdecken würden. Wenn aber gemäß der Forderung der Verbände nur die nachweisbar unwirtschaftlichen Adressen gefördert werden dürfen, wird die Förderung für die öffentliche Hand ungleich teurer, da vergleichsweise renditestarke Lagen nicht mehr zur Finanzierung von Außenlagen herangezogen werden können. Oder der Staat verzichtet auf die Erschließung solcher Adressen, was wiederum der Definition von Glasfaser als Teil der digitalen Daseinsvorsorge widerspricht.
Im Ergebnis wird deutlich, dass der Wegfall der Aufgreifschwelle ab 2023 für Deutschland letztmalig die Chance bietet, zumindest im Rahmen der europarechtlich zulässigen Breitbandförderung dem ineffizienten Marktdesign zumindest beim Ausbau der grauen Flecken einen eigenen konzeptionellen Ansatz entgegenzusetzen. Dies bedarf allerdings der Bereitschaft, die heute unter dem aktuell geltenden beihilferechtlichen Rahmen bestehenden Spielräume bei der Definition von Fördergebieten zu nutzen und hinreichend große und ertragsstarke Gebiete zu definieren. Damit würden die Möglichkeiten der privaten Anbietenden, sich durch „Rosinenpicken“7 möglichst einträglich Gebietsmonopole zu sichern, beschnitten. Kein Wunder also, dass die privaten Telekommunikationsunternehmen, deren Verbände sowie die dahinterstehenden Investierenden eine solche Neuausrichtung der Förderung unbedingt verhindern wollen.
Potenzialanalyse: den geförderten Glasfaserausbau den privaten Interessen unterordnen
Mit der Amtsübernahme der neuen Regierung haben die Verbände begonnen, den Koalitionsvertrag in ihrem Sinne zu interpretieren, um eine effektive Förderung zu verhindern. Im Kern steht die Behauptung, dass die Koalitionsfraktionen mit der Potenzialanalyse ein gutes Werkzeug benannt hätten, mit dem zukünftig eigenwirtschaftlich ausbaubare Gebiete („Potenzialgebiete“) aus den aufwändigen Markterkundungs- und Förderverfahren herausgehalten werden können. Ausgangspunkt der Überlegungen der Unternehmen und ihrer Verbände ist, dass die bislang beihilferechtlich vorgeschriebenen Markterkundungsverfahren allein nicht geeignet seien, um privatwirtschaftliches Ausbaupotenzial festzustellen. Als Begründung wird genannt, dass die Unternehmen nicht für das gesamte Bundesgebiet verbindliche Ausbauzusagen über einen Drei-Jahres-Zeithorizont machen könnten.
Diese vermeintliche Fehlkonstruktion soll durch eine unternehmensfreundliche Ausgestaltung der Potenzialanalyse geheilt werden, sodass nur in Gebieten, die nach festzulegenden Kriterien ohne eigenwirtschaftliches Ausbaupotential sind, Förderverfahren samt beihilferechtlich vorgeschriebenen Markterkundungsverfahren gestartet werden können. Welche Gebiete dabei als eigenwirtschaftliche Potenzialgebiete gelten, soll dabei von einer fachkundigen und neutralen Institution für eine Dauer von 24 bis 36 Monaten bestimmt werden. Dabei sollen objektive Kriterien wie Versorgungssituation, Einwohnerdichte, -struktur, Topologie, aber auch Expertengespräche mit ausbauenden Netzbetreibenden einfließen. Darüber hinaus wird teilweise gefordert, dass in die Analyse auch freiwillige Vorhersagen und Planungsberechnungen der Unternehmen einfließen, wobei diese je nach Vorhersagezeitraum von ein, drei oder bis zu fünf Jahren unterschiedlich verbindlich sein sollen.
Offensichtlich laufen die Vorschläge der Verbände darauf hinaus, die Förderung größerer Gebiete um Jahre zu verzögern. Dahinter steht aber vermutlich noch eine grundsätzlichere Überlegung. Soweit sich Kommunen für das im Koalitionsvertrag präferierte Betreibermodell entscheiden wollen, hängen die wirtschaftlichen Risiken und Chancen der Errichtung der passiven Infrastruktur wesentlich vom Ertragswert der zugehörigen Adressen ab. Würde man per Potenzialanalyse dichter besiedelte Gebiete per se oder aufgrund unverbindlicher Ansagen von Unternehmen für Jahre aus der Förderung herausnehmen, blieben für solche laut Koalitionsvertrag erwünschten Vorhaben nur noch unzusammenhängende Gebiete mit geringem bis negativem Ertragswert. Nicht nur würde die Förderung und damit der flächendeckende Ausbau über Jahre verzögert, sondern auch das Betreibermodell effektiv verhindert. Auf diese Weise würden die Telekommunikationsunternehmen nicht nur einen ordnungspolitischen unbedenklichen, wenn nicht wünschenswerten Wettbewerb mit der öffentlichen Hand um die passive Infrastruktur vermeiden, sondern auch erreichen, dass die staatlichen Subventionen weiterhin ihnen und nicht den Kommunen zufließen.
Dies wird im Übrigen auch daran deutlich, dass die Verbände durchaus eine Förderung in Potenzialgebieten vorsehen wollen. Für den Fall, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau in einem Potenzialgebiet nicht alle Adressen erfasst, sollen ergänzend Förderverfahren für nicht erfasste Adressen möglich sein. Damit soll das Rosinenpicken auch in den für den eigenwirtschaftlichen Ausbau reservierten Gebieten möglich werden und staatliche Subventionen über die Wirtschaftslückenförderung an die Telekommunikationsunternehmen fließen.
Auch ist die Befürchtung der Branche, dass mit dem Wegfall der Aufgreifschwelle ab 2023 flächendeckende Förderverfahren zu erwarten sind, unzutreffend. Zum einen wird der Bund angesichts der geopolitischen Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen zukünftig vermutlich eher weniger als mehr Mittel zur Förderung bereitstellen. Zum anderen sieht das Programm nach wie vor eine erhebliche Mitfinanzierung von Ländern und Kommunen vor. Angesichts der aktuellen Entwicklung sowie der Kosten der Coronapandemie bleibt die Kofinanzierung gerade für strukturschwache Bundesländer eine erhebliche Herausforderung.8 Aus der Verfügbarkeit der öffentlichen Mittel heraus wird es daher ohnehin eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit privaten Telekommunikationsunternehmen sowie eine Priorisierung des geförderten Ausbaus geben müssen.
Insofern bedarf es keiner Potenzialanalyse als einem der Förderung vorgeschalteten Verfahren. Denn das Markterkundungsverfahren bietet den Telekommunikationsunternehmen bereits einen ausreichenden, verbindlichen beihilferechtlichen Schutz vor staatlicher Förderung. Letztlich würde die Umsetzung der Vorschläge der Verbände das Fallen der Aufgreifschwelle ab 2023 – eine der wesentlichen Verhandlungserfolge der alten Bundesregierung in Brüssel – obsolet machen.
Daher ist es zu begrüßen, dass der Bund in seinem nun vorgelegten Eckpunktepapier zur Gigabitstrategie ankündigt, auf ein vorgeschaltetes Verfahren verzichten zu wollen. Kritisch zu bewerten bleibt, dass eine Priorisierung der Förderung zumindest in erster Näherung anhand der Zahl der weißen Flecken in einem Fördergebiet erfolgen soll. Um eine Wiedereinführung der Aufgreifschwelle durch die Hintertür zu vermeiden und tragfähige Betreibermodelle zu ermöglichen, ist es somit entscheidend, dass den Ländern – wie vom Bund angekündigt – tatsächlich der Spielraum eingeräumt wird zu entscheiden, in welchen Gebieten zukünftig gefördert ausgebaut wird (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, 2022).
In den Eckpunkten fehlt es allerdings an Vorschlägen, im Sinne des Koalitionsvertrags das bestehende Markterkundungsverfahren zu stärken. Dreh- und Angelpunkt muss es sein, für die Anerkennung von eigenwirtschaftlichen Ausbauansagen nachvollziehbare, einheitliche Standards gemäß den Vorgaben des Beihilferechts zu entwickeln. Denn die Umsetzung der Weiße-Flecken-Förderung seit 2015 hat gezeigt, dass gerade unterschiedliche rechtliche Bewertungen von Ausbauzusagen von Unternehmen durch Kommunen bzw. deren rechtliche Beratung dazu geführt hat, dass es in vielen Fällen zu Überbau und/oder mitunter mehrjährigen Verzögerungen durch Anpassungen von Fördergebieten gekommen ist. Hierfür kann eine von unabhängiger Seite erstellte Potenzialanalyse in der Tat eine sinnvolle Rolle spielen, gibt sie doch den Kommunen sowie den Bewilligungsbehörden von Bund und Ländern ein weiteres, objektives Kriterium hierfür an die Hand.
Mit der Potenzialanalyse das Markterkundungsverfahren objektivieren
Potenzialanalysen sind bislang nur aus Nordrhein-Westfalen bekannt. Dort wurden auf Basis aktueller Versorgungsdaten anhand objektiver Kriterien Gebiete identifiziert, die über das Potenzial für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau verfügen.9 Eine Adressgruppe wird dabei als Potenzialgebiet ausgewiesen, wenn die Entfernung (Luftlinie) zwischen den Adressen höchsten 100 Meter sowie die Mindestanzahl von Adressen im Ausbaugebiet (Cluster) 200 Adressen bzw. 300 Haushalte beträgt. Die auf diese Weise identifizierten Potenzialgebiete werden anschließend den Kommunen auf Ebene der Kreise bzw. kreisfreien Städte zur Verfügung gestellt. Die Informationen sollen seitens der öffentlichen Verwaltung dazu genutzt werden, im Dialog mit den dort tätigen Netzbetreibenden, eigenwirtschaftliche Lösungen zu entwickeln bzw. zu initiieren, z. B. durch die branchenüblichen Vorvermarktungen. Eine Verbindung zu möglichen Förderverfahren besteht indes nicht.
Inwieweit das Vorgehen geeignet ist, den eigenwirtschaftlichen Ausbau zu beschleunigen, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sicher feststellen. Gleichwohl gibt es zumindest anekdotisch Evidenz, dass das „Matching“ zwischen Kommunen und Netzbetreibenden noch verbessert werden kann. Denn die Unternehmen sind in vielen Fällen auf die Kommunen nicht nur wegen der notwendigen Bau- und Schachtgenehmigungen angewiesen, sondern auch im Hinblick auf die politische Unterstützung bei der Vorvermarktung der Produkte.
Das Modell aus Nordrhein-Westfalen kann zudem auch eine gute Grundlage für eine – wie im Koalitionsvertrag geforderte – Optimierung der Markterkundungsverfahren sein. Denn die Praxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die adressscharfe Abgrenzung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau die größte operationelle Herausforderung in der Breitbandförderung darstellt. Dabei fehlt es bislang an einer einheitlichen Verwaltungspraxis. Dies liegt insbesondere daran, dass die Umsetzung der Förderung in vielen Fällen auf Ebene einzelner Kommunen erfolgt, die bei der Umsetzung wiederum auf spezialisierte technische Beratung mit heterogener Qualität angewiesen sind.
Das Markterkundungsverfahren im Rahmen der Breitbandförderung ist in der sogenannten Gigabit-Rahmenregelung vorgeschrieben, die für die Vereinbarkeit der Fördermaßnahmen von Bund und Ländern mit dem EU-Beihilfenrecht maßgeblich ist. In dessen Rahmen sind alle Telekommunikationsunternehmen hinsichtlich eines potenziellen Fördergebiets über eine zentrale Website aufzufordern, „ihre aktuellen zuverlässig erreichbaren Up- und Downloadgeschwindigkeiten, zugesicherte Maßnahmen zur Aufrüstung von Netzteilen und ihre aktuelle Infrastruktur der öffentlichen Hand offenzulegen sowie substantielle und konkrete Ausbaupläne in Form eines projektspezifischen Meilensteinplans hinsichtlich Zeitpunkt und Umfang des Ausbaus der jeweiligen Gebiete für die nächsten drei Jahre vorzulegen.“10 Die Umsetzung erfolgt in der Förderrichtlinie des Bundes in der Ziffer 5.4 unter Verweis auf durch die Bewilligungsbehörden bereitgestellte Muster über die Vereinbarung einer verbindlichen Ausbauzusage.
Durch die Herkunft aus dem europäischen Beihilferecht werden daher alle Vorschläge zur schnelleren und verbindlicheren Ausgestaltung des Verfahrens den europarechtlichen Anforderungen genügen müssen. Insofern ist es zwar zu begrüßen, dass mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes in § 155 Abs. 5 festgelegt wurde, dass in Förderrichtlinien vorgesehen werden kann, dass Ausbauzusagen privater Unternehmen nur dann berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Unternehmen gegenüber einer Kommune vertraglich verpflichten, den gemeldeten eigenwirtschaftlichen Ausbau vorzunehmen. Allerdings hat diese Änderung einen rein deklaratorischen Charakter, denn bindend sind die Bestimmungen des Beihilferechts. Entscheidend ist daher, dass die Gigabit-Rahmenregelung eine solche Kann-Regelung vorsieht. Dass eine solche Bestimmung europarechtlich möglich ist, stellt keine neue Entwicklung dar. Bereits 2016 hatte die EU-Kommission in einer Entscheidung das italienische Breitbandprogramm betreffend einer solchen Regelung als beihilferechtskonform akzeptiert.11
Unbeschadet der beihilferechtlichen Zulässigkeit greifen die Versuche, eigenwirtschaftliche Ausbauzusagen durch vertragliche Regelungen verbindlich zu gestalten, in der Praxis vielfach ins Leere. Denn die Unternehmen werden verbindliche Zusagen nur sehr selten abgeben wollen, da damit betriebswirtschaftliche Risiken verbunden sind. So ist das Erreichen einer Vorvermarktungsquote bei vielen Anbietenden Vorrausetzung für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau. Die entsprechenden Vertriebsergebnisse liegen aber zum Zeitpunkt des Markterkundungsverfahrens in der Regel noch nicht vor. Auch wenn die Konsequenz aus einem Vertragsbruch letztlich nur die Förderfähigkeit der zuvor gesperrten Adressen bedeutet, fürchten die Unternehmen zu Recht den damit verbundenen Reputationsschaden.
Dass die rechtliche Verbindlichkeit angesichts fehlender Sanktionsmöglichkeiten sich ohnehin als stumpfes Schwert erweist, ist aus dem Vollzug des Weiße-Flecken-Programms bekannt. Zwar kann bei einem Vertragsbruch des Unternehmens das besagte Gebiet ohne ein weiteres Markterkundungsverfahren in die Förderung aufgenommen werden. Dies bedeutet aber für die Kommunen entweder die Anpassung des bestehenden Projekts oder eine vollständige Neubewilligung – beides geht mit erheblichem Zeitverzug sowie finanziellen und administrativen Kosten einher. Dies ist umso gravierender, wenn die Nichterfüllung von Ausbauzusagen nur einzelne Adressgruppen oder Adressen mit negativem Ertragswert betrifft. Dann ist selbst eine geförderte Erschließung oftmals nicht mehr zu vertretbaren Kosten möglich.
Die Kommunen stehen somit vor einem Dilemma. Erkennen sie eine Ausbauzusage trotz fehlender Verbindlichkeit an und der Eigenausbau erfolgt nicht, verbleiben unterversorgte Gebiete, sodass eine langwierige Anpassung des Förderprojekts notwendig wird. Berücksichtigen sie ihn indes nicht und das Telekommunikationsunternehmen baut trotzdem aus, muss wiederum entweder das Förderprojekt aufwändig angepasst werden oder es erfolgt sogar ein staatlich subventionierter Überbau.
Eine Lösung im Sinne eines Allheilmittels gibt es nicht, daher wecken sowohl das Telekommunikationsgesetz als auch der Koalitionsvertrag hinsichtlich der Verbindlichkeit solcher Verfahren falsche Erwartungen. Eine Verbesserung kann nur auf operativer Ebene durch eine Professionalisierung der Förderverfahren auf Seiten der öffentlichen Hand erfolgen. Denn letztlich wird die Frage, ob man einen eigenwirtschaftlichen Ausbau bei mangelnder Verbindlichkeit trotzdem anerkennt, eine Prognoseentscheidung bleiben, die gute Marktkenntnis erfordert. Daher ist es sinnvoll, zukünftig die Förderung über Zusammenschlüsse von Gemeinde und Landkreisen oder sogar wie in Thüringen über landesweit tätige kommunale Gesellschaften abzuwickeln.
Um die Qualität der Prognoseentscheidung zu verbessern und zu objektivieren, kann eine Potenzialanalyse eine wichtige Rolle spielen. Wenn eine Ausbauansage einen hohen Anteil an Adressen enthält, die nach den objektiven Kriterien einer solchen Analyse für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau zugänglich sind, sollte dies die Prognoseentscheidung der Kommune dahingehend beeinflussen, eine solche Ausbauzusage trotz fehlender Verbindlichkeit anzuerkennen. Umfasst die Ausbauzusage indes größere Gebiete mit eigenwirtschaftlich schwierig zu erschließenden Gebieten, wäre dies ein Hinweis darauf, eine solche Ausbauansage nicht anzuerkennen. Dabei kann eine Potenzialanalyse natürlich nicht das einzige Kriterium bei der Prognoseentscheidung sein; so sollte z. B. das Verhalten eines Unternehmens hinsichtlich seiner in der Vergangenheit abgegeben Zusagen ebenso eine Rolle spielen wie die Zusicherung, im Rahmen des eigenwirtschaftlichen Ausbaus durch innerbetriebliche Quersubventionierung auch schwer erschließbare Adressen mitauszubauen.
In letzter Konsequenz wird es darum gehen, im bestehenden Rechtsrahmen in der operativen Umsetzung der Programme einen Interessenausgleich zwischen öffentlichen und privaten Akteur:innen herbeizuführen. Dies wird gerade dann notwendig sein, wenn zukünftig das Betreibermodell Vorrang haben soll. Denn dies bedingt, dass die öffentliche Hand auch solche Adressen erschließt, die einen positiven Ertragswert haben, sodass sich Netze langfristig vermarkten bzw. verpachten lassen. Dafür ist es notwendig, dass der Bund die abschließende Entscheidung über die Priorisierung von Förderung in die Hände der Länder legt.
Für dabei notwendigen Interessenausgleich kann eine Potenzialanalyse für beide Seiten ein geeignetes Instrument sein, um auf Basis objektiver Kriterien zu verhandeln. Dies bedingt aber, dass der Förderverzug auf staatlicher Seite professionalisiert wird. Die Chancen dafür stehen gut: Die bestehenden Verfahren sind mittlerweile eingeübt und die meisten Bundesländer haben die Förderung mittlerweile, wenn nicht auf Landesebene, zumindest auf Ebene der Landkreise konzentriert.
- 1 Die Charakterisierung des Glasfasernetzes als natürliches Monopol bedeutet, dass Gesamtkosten zur flächendeckenden Erschließung dann besonders gering sind, wenn nur ein Unternehmen den Markt versorgt.
- 2 Aus der Praxis der „weißen Fleckenförderung“ ist bekannt, dass die hohen Anschlusskosten pro Haushalt im ländlichen Raum oftmals durch die Zuführung von Glasfaser über weite Strecken in entlegene Ortsteile und den damit verbundenen Tiefbaukosten verursacht werden.
- 3 Diese Monopolisierung ist übrigens der Grund, warum bei der Breitbandförderung des Bundes und der Länder für geförderte Infrastrukturen eine Open-Access-Verpflichtung vorgeschrieben ist, deren Nichtbeachtung zu einer Rückforderung der Subventionen führen würde.
- 4 Zusätzlich sind bereits heute gemäß § 1 Abs. 4 der Gigabitrahmenregelung des Bundes die Erschließung von sozioökonomischen Schwerpunkten im Sinne der EU-Leitlinien förderfähig, wenn das vorhandene NGA-Netz Datenraten von weniger als 200 Mbit/s symmetrisch (Up- und Download) zur Verfügung stellt.
- 5 Gemäß § 1 Abs. 5 der Gigabitrahmenregelung des Bundes gilt ab dem 1.1.2023 für Haushalte dieselbe Aufgreifschwelle von weniger als 200 Mbit/s symmetrisch (Up- und Download) wie für sozio-ökonomische Schwerpunkte. Diese Symmetrieanforderung können in der Regel nur FTTB-Glasfaseranschlüsse erfüllen. Gemäß Abs. 7 sind indes solche Gebiete nicht förderfähig, in denen sich bereits zwei NGA-Netze („schwarze“ Flecken) befinden oder in denen die vorhandene oder innerhalb der nächsten drei Jahren geplante Telekommunikationsinfrastruktur der Endkundschaft eine Datenrate von mehr als 500 Mbit/s zuverlässig im Download zur Verfügung stellen kann. Dies wird vor allem auf HFC-Netze zutreffen, die regelmäßig in auch von Vectoring erschlossenen Gebieten liegen.
- 6 Vgl. beispielhaft die Ausführungen auf https://gigabitbuero.de/interview/investitionen-in-gigabit-infrastruktur-rechnen-sich-interview-mit-der-investmentgesellschaft-ardian/ (17. März 2022).
- 7 Als Rosinenpicken wird die Praxis bezeichnet, im Netzausbau nur diejenigen Adressen mit einem hohen Ertragswert eigenwirtschaftlich auszubauen und die übrigen Adressen entweder nicht oder nur mittels staatlicher Förderung auszubauen, um so die betriebswirtschaftliche Rendite zulasten der flächendeckenden Versorgung zu maximieren.
- 8 Soweit der Bund an der substanziellen Mitfinanzierung der Länder festhält, besteht die Gefahr, dass die Fördermittel zunächst vor allem eher wohlhabenden Regionen zur Verfügung stehen. Dies würde gerade ostdeutsche Flächenländer mit im Bundesvergleich schlechten Versorgungsraten erneut benachteiligen.
- 9 Vgl. https://www.gigabit.nrw.de/breitbandausbau-in-nrw/karte-potenzialgebiete.html (9. März 2022).
- 10 Vgl. hierzu § 4 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen in grauen Flecken, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/DG/Digitales/gigabit-rahmenregelung.pdf?__blob=publicationFile (8. März 2022).
- 11 Zum Teil wurde bis vor kurzem in der Literatur die Auffassung vertreten, dass eine vertragliche Verpflichtung erst dann verlangt werden kann, wenn nach einer Gesamtwürdigung der gemäß NGA-Rahmenregelung vorzulegenden Unterlagen eine unzureichende Glaubhaftmachung besteht (König und Prior, 2019, 80 f.).
Literatur
Braun, M. R., C. Wernick, T. Pflückebaum und M. Ockenfels (2019), Parallele Glasfaserausbauten auf Basis von Mitverlegung und Mitnutzung gemäß DigiNetzG als Möglichkeiten zur Schaffung von Infrastrukturwettbewerb, WIK Diskussionsbeitrag, 456.
Breitband- und Mobilfunknetz (2022), Die Debatte um den künftigen Glasfaserausbau entwickelt sich zum Politikum, Handelsblatt, 14. Februar, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/breitband-und-mobilfunknetz-die-debatte-um-den-kuenftigen-glasfaserausbau-entwickelt-sich-zum-politikum/28066958.html?ticket=ST-808145-tnZHn2p6D09gJnv2OpfK-ap3 (22. Februar 2022).
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (2022), Eckpunkte des BMDV zur Gigabitstrategie, https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/presse/010-eckpunkte-gigabitstrategie.pdf?__blob=publicationFile (17. März 2022).
Deutscher Landkreistag (2017), Flächendeckende Breitbandversorgung zu wirtschaftlichen Bedingungen sicherstellen, https://www.landkreistag.de/images/stories/publikationen/170620_Pospap_Breitband.pdf (28. Februar 2022).
Ilgmann, C. (2019), Breitbandausbau in Deutschland: eine strategische Analyse, Wirtschaftsdienst, 99(2), 119-125, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2019/heft/2/beitrag/breitbandausbau-in-deutschland-eine-strategische-analyse.html (4. April 2022).
Ilgmann, C. und A. Störr (2020), Telekommunikationsnetze in Deutschland – mit einem öffentlichen Unternehmen ausbauen, Wirtschaftsdienst, 100(8), 614-621, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/8/beitrag/telekommunikationsnetze-in-deutschland-mit-einem-oeffentlichen-unternehmen-ausbauen.html (4. April 2022).
König, C. und C. Prior (2019), Zu den EU-beihilferechtlichen Anforderungen an Eigenausbauansagen im Markterkundungsverfahren bei der Förderung des Breitbandausbaus, Netzwirtschaften und Recht, 02, 77-84.
Monopolkommission (2017), Telekommunikation 2017: Auf Wettbewerb bauen!, Sondergutachten 78.
SVR – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2020), Jahresgutachten 2020/21.