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Dieser Beitrag ist Teil von Die Hyperinflation in Deutschland 1923

Fast immer ist die Inflation nicht nur ein ungebetener, sondern auch ein unangekündigter Gast.1 Vor 100 Jahren, in der Zeit der Weimarer Hyperinflation, traf die Inflation die Deutschen derart unvorbereitet, weil sie nicht einmal einen Begriff von ihr hatten. Die letzte Ausgabe vor dem ersten Weltkrieg des Brockhaus Konversationslexikons hat keinen eigenen Eintrag zum Thema Inflation – nur zu der als Kuriosum betrachteten Debatte der „Inflationisten“ in den USA im 19. Jahrhundert.

Wie sah der Gast aus? Hjalmar Schacht, ab November 1923 Reichsbankpräsident, erinnert sich so: „‚Inflationszeit, das ist für alle, die sich noch daran erinnern: Hungerblockade, Ablieferung von Sachwerten an fremde Mächte, politische Rechtlosigkeit. Umschichtung der Bevölkerung, Aufstieg dunkler Gestalten zu plötzlichem Reichtum. Substanzverlust der bisher vermögenden Klassen, Verarmung, … wachsende Kriminalität, rachitische Verkrüppelung der Jungen, früher Tod der Alten“ (Schacht, 1953, 206).

Für die Hyperinflation von 1923 lassen sich viele Gründe benennen, aber welcher von ihnen entscheidend war und im Vordergrund der Analyse stehen sollte, darüber gibt es bis heute keinen Konsens. Dies ist wenig verwunderlich, lässt doch auch für die Gegenwart die Qualität der Inflationsprognosen und der Ursachenforschung zu wünschen übrig. Je nach ökonomischer Sozialisierung wird die wesentliche Ursache für die Weimarer Hyperinflation bei den Alliierten gesehen (die Deutschland im Versailler Vertrag überschuldet haben) oder den Deutschen (die ihren Staatshaushalt lieber von der Zentralbank finanzieren ließen als ihn ordentlich zu führen), im Verfall des Außenwerts der Mark (durch den erzwungenen Kauf von Franc und Pfund zur Begleichung der Reparationen, dem „Transferproblem“), dem Vertrauensverlust in den Staat und seine Währung oder in der faktischen Aufhebung der Goldbindung und der folgenden Aufblähung der Geldbasis seit Kriegsbeginn 1914.

Das Beispiel der Weimarer Hyperinflation ist besonders aufschlussreich, weil hier wie in einem Laborexperiment alle Umstände zusammengekommen sind, die nach gängiger Auffassung eine Inflation in Gang setzen können. Zunächst verschuldete sich das Kaiserreich im Inland, um den Ersten Weltkrieg zu finanzieren. Da die Steuerhoheit im Wesentlichen bei den Ländern lag, während das Reich fast nur von Zöllen lebte, kam kaum ein anderes Mittel der Finanzierung infrage. Vorbild für dieses Verfahren war der Preußisch-Französische Krieg von 1870/1871, der ebenfalls durch Schulden finanziert worden war, die dann den unterlegenen Franzosen aufgebürdet worden waren. Anders als dieser Krieg dauerte der erneute Waffengang aber sehr viel länger, was zu einer zunehmenden Umwidmung von Produktionsstätten für die Kriegswirtschaft und folglich zur Verknappung beinahe aller Konsumgüter führte, denen aber eine kontinuierlich wachsende Geldmenge gegenüberstand. Nach der Niederlage 1918 blieben nicht nur die Zahlungen aus Frankreich aus, es kamen auf das Reich neue Verpflichtungen zu. Die frischgebackene Republik bemühte sich durch eine Vielzahl von Sozialleistungen und Arbeitsbeschaffungsprogrammen bei der vom Krieg ausgelaugten und unzufriedenen Bevölkerung um Akzeptanz. Es bestand die akute Gefahr, dass die Soldaten, die sich vom Staat betrogen fühlten, die Revolution wie in Russland radikalisierten, wo sie in Chaos und Blutvergießen gemündet war. Damit waren die Bedingungen für einen Nachfrageschock erfüllt.

Der erkauften Ruhe stand ein schwaches Steueraufkommen gegenüber, denn die Unternehmen mussten einen über die Jahre vernachlässigten Kapitalstock erneuern und unter hohen Kosten von der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft umstellen, sodass kaum zu versteuernde Gewinne anfielen. Matthias Erzberger gelang zwar eine große Steuerreform, durch die dem Reich nun ein großer Teil der Steuereinnahmen zustand, aber einige handwerkliche Fehler führten dazu, dass die erforderlichen Summen zunächst nicht zusammenkamen, um den Haushalt auszugleichen. Bezeichnend ist etwa die desaströse Konzeption des Reichsnotopfers. Diese einmalige Vermögenssteuer wurde so ausgestaltet, dass die Zahlungen – insbesondere für die großen Vermögen – über viele Jahre gestreckt wurden. Unter den Bedingungen der Inflation hatte dies den Effekt, dass die Zahlungen nominal gleichblieben, sich real aber rapide verringerten. Es wurde versäumt, die Zahlungen an Gold oder Dollar zu binden. Noch vor dem Ende der Inflation wurde die Erhebung der Steuer eingestellt, da die Kosten der Verwaltung die Einnahmen überstiegen.

In dieser Lage blieb der Reichsregierung kaum etwas anderes übrig, als Schulden zu machen – insbesondere bei der Reichsbank, denn anderswo bekam sie kaum Kredit. Der inflationäre Effekt der mit dieser Entscheidung einhergehenden Ausweitung der Geldmenge war der Reichsbank und dem Wirtschaftsministerium bewusst (Holtfrerich, 1980, 48). Wenn der Preis für die Aufrechterhaltung der Ordnung eine schwache Währung und schrumpfende Kaufkraft für die Inhaber von (Staats)anleihen war, so war die sozialdemokratisch geführte Regierung gewillt, ihn zu zahlen – traf er doch hauptsächlich das Besitzbürgertum. Weder dieses, noch die Sparer und die Empfänger nominal konstanter Zahlungen (z. B. Rentner, Beamte, Angestellte) hatten eine nennenswerte Lobby. Und hatte nicht die Arbeiterschaft den Löwenanteil der Opfer in diesem Krieg gebracht? Nun waren, wie Erzberger ausführte, die Gesellschaftsschichten, die bislang deutlich weniger gelitten hatten, an der Reihe, ihr Opfer zu bringen. Auch nach dem Krieg spielte Geld kaum eine Rolle im Denken der Regierung. So wie es im Krieg unpassend war, bei der Ausrüstung der Soldaten zu sparen, war es nun politisch unmöglich vorzuschlagen, bei Invaliden, Witwen und Waisen zu sparen – oder an den Löhnen der Arbeiter.

Eine entscheidende Rolle spielte der Reichsbankpräsident Rudolf Havenstein. Er leitete bereits seit 1908 die deutsche Zentralbank und blieb durch alle Umbrüche hindurch auf seinem Posten, bis zu seinem Tod am Vorabend der Währungsreform im November 1923. Zeitgenossen charakterisierten ihn als einen unbeugsamen preußischen Beamten, „dessen Leben strenger Dienst und reiner Wille gewesen ist“ und der äußerst pflichtbewusst das Interesse des Staates vertrat (Singer, 1923). Als seine Pflichten sah er die Versorgung des Staates und der Wirtschaft mit Geld an. Und der jeweilige Geldbedarf war enorm. Nach seiner Lesart bestand die Ursache der Inflation darin, dass der Außenwert der Mark sich immer weiter abschwächte. Schuld am chronischen Druck auf die Zahlungsbilanz waren danach die Alliierten. Es war nicht nur ein Leistungsbilanzdefizit zu konstatieren, da dringend benötigte Rohstoffe und Nahrungsmittel importiert werden mussten und auf der anderen Seite die Exporte durch die nach dem Waffenstillstand nur langsam gelockerte Blockade stark eingeschränkt blieben. Hinzu kamen Kapitalexporte, die nötig waren, um den Forderungen aus dem Versailler Vertrag nachzukommen. Der so entstehende permanente Verkaufsdruck auf die Mark sorgte nach Ansicht der Reichsbank für ein ständig steigendes Preisniveau, dem sie wenig entgegenzusetzen hatte. Havenstein sah sich also gezwungen, um ein wirtschaftliches Chaos zu vermeiden, Staat und Wirtschaft immer größere Summen zur Verfügung zu stellen. Seine Bekenntnisse zur Geldwertstabilität (heute Inflation-Targeting genannt) klangen bestenfalls hohl und sorgten irgendwann für ungläubiges Kopfschütteln, wenn er behauptete, die Inflation in Deutschland sei nicht real, da die Preise in Goldmark stabil blieben, auch wenn diese aktuell nicht verfügbar war (die Alliierten hatten die Goldbestände der Reichsbank als Reparationsleistung eingezogen). Havenstein wurde in seinem Unwillen, die Regierung zur Haushaltskonsolidierung zu zwingen, zu einer tragischen Figur.

Seine Haltung änderte sich auch nicht, als die Reichsbank auf Druck der Siegermächte formell unabhängig wurde. Er blieb auf Lebenszeit Präsident, gedachte von dieser Freiheit aber keinen Gebrauch zu machen. Er sah sich nach wie vor dem Staat verpflichtet und wartete auf Anweisungen der Regierung, auch wenn diese ihm formell keine mehr geben konnte. Und wenn der Staat immer größere Summen benötigte, so dachte Havenstein nicht daran, diese politischen Entscheidungen durch eine restriktive Geldpolitik zu unterlaufen. Weder forderte er vom Staat einen nachvollziehbaren Finanzplan, in dem sowohl die unvermeidlichen Steuererhöhungen als auch die ebenso unvermeidlichen Einschränkungen der Staatsausgaben vorkamen. Noch hob er die Zinsen so weit an, dass sie jemals ein Hemmnis für die Ausweitung der Kreditvergabe und damit der Geldmenge bedeutet hätten (Holtfrerich, 1980, 15 und 70). Eine Zentralbank kann nur unabhängig agieren, wenn ihre Protagonisten es auch wollen.

Geld spielte von Sommer 1914 bis weit in das Jahr 1923 hinein tatsächlich in den Überlegungen der entscheidenden Akteure kaum eine Rolle. Die Gewerkschaften sahen wohlwollend auf die steigenden Löhne, die sie teilweise an den Wechselkurs zum Dollar zu binden wussten. Das Interesse der Industrie an einer schwachen Währung und an einer Inflationsrate weit über ihren Refinanzierungskosten war offensichtlich. Die Regierung schließlich verfolgte neben der Vollbeschäftigung noch ein weiteres Ziel, das sich unter den Bedingungen der Inflation zumindest zeitweilig gut verfolgen ließ: Die Verschleierung der finanziellen Möglichkeiten des Reichs vor den Alliierten. Die Politik beschloss zwar nicht aktiv die Inflation zu betreiben, aber kein entscheidender Akteur stellte sich ihr ernsthaft entgegen. Geldwertstabilität war auf der Liste der politischen Prioritäten nicht weit oben zu finden. Es blieb, solange die politische Dynamik in die entsprechende Richtung lief, bei Lippenbekenntnissen zur Inflationsbekämpfung. Ein schwacher Staat, der sich weder auf der Einnahmen- noch auf der Ausgabenseite gegen die Interessengruppen durchsetzen kann, kann keine starke Währung haben, so zeigt es die historische Erfahrung.

Die Schwäche der Mark nach dem Krieg mochte Inflation importieren, aber sie ermöglichte auch, die Exporte (die einem löchrigen Sanktionsregime unterlagen) schnell auszuweiten und auf diese Weise die im Krieg verlorengegangenen Exportmärkte wieder zu besetzen und nennenswerte Arbeitslosigkeit zu vermeiden. In Frankreich und England (wohin ein erheblicher Teil der deutschen Warenproduktion, teilweise als Reparationsleistung, geliefert wurde) ergab sich eine spiegelbildliche Situation: Die Währungen blieben verhältnismäßig stabil, dafür stiegen die Arbeitslosenraten bedenklich an. Die Schwäche der Mark spielte der Industrie in die Hände, da die Währung zunächst schneller fiel als die Inflation die Produktion verteuerte und in Deutschland produzierte Waren daher im Ausland immer billiger angeboten werden konnten. Da die Industrie Ihre Gewinne darüber hinaus in Fremdwährung halten konnte, solange sie nicht in Deutschland reinvestiert wurden, war sie von der Geldentwertung weit weniger betroffen als das sparende Bürgertum. Das führte zu einem entspannteren Umgang mit der Inflation. Dieser Drang zum Export war aber nicht nur Selbstzweck, Deutschland benötigte dringend Devisen, um seine Importe zu bezahlen und seine Auslandsschulden zu bedienen.

Konkret wurden die Summe und die Zahlungsmodalitäten der Reparationen erst im Rahmen des Londoner Ultimatums vom Mai 1921 ausbuchstabiert. Eine Zeitlang verfolgte Deutschland den halbherzigen Versuch, den Siegermächten die Unmöglichkeit ihrer Forderungen durch deren Scheitern in der Praxis zu demonstrieren (Erfüllungspolitik). Dabei sollte der gute Wille Deutschlands demonstriert werden, indem das Land alles unternahm, um die Forderungen aus dem Versailler Vertrag zu erfüllen. Die Wirtschafts- und Währungskrise, die sich mit dieser Bemühung einstellen musste, sollte die Alliierten davon überzeugen, die Bedingungen aufzuweichen und in Neuverhandlungen einzutreten. Dabei verschleierte die praktische Unbrauchbarkeit der Währung für eine einigermaßen realistische Buchhaltung gegenüber den Alliierten die tatsächliche Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Und solange darüber keine Klarheit bestand, konnte die Reichsregierung immer behaupten, die Reparationsforderungen gingen über das Machbare hinaus und müssten gesenkt werden. Es findet sich in den Akten des Finanzministeriums kein Hinweis darauf, dass die Regierung jemals ein Planspiel durchgeführt hätte, wie den Verpflichtungen aus dem Londoner Ultimatum nachgekommen werden könnte.

Die gesellschaftliche Ordnung, die nicht zuletzt durch Geld definiert wird, war allen Bemühungen der Weimarer Koalition zum Trotz ins Wanken gekommen. Die politische Instabilität führte im Juni 1922 zur der Ermordung Rathenaus durch Rechtsextremisten. Dieses Datum markiert den Übergang in die Hyperinflation (üblicherweise definiert als eine Inflationsrate von über 50 % pro Monat) mit dem Beginn des freien Falls der Mark an den Devisenmärkten. Die Währung eines Staates, der nicht einmal das Leben seiner Minister schützen konnte (Rathenau war nur der letzte in einer langen Reihe ermordeter Exponenten der Weimarer Republik), wollten weder In- noch Ausländer halten.

Mit der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen im Januar 1923 kamen auf das Reich zusätzliche enorme Kosten für die streikenden Arbeiter:innen zu, während gleichzeitig die Einnahmen aus dem industriellen Herzland ausfielen. Auch im Ruhrkampf, der in Deutschland als eine Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln begriffen wurde, spielte Geld wieder keine Rolle, und das sah man der Mark auch an, sie wertete im ersten Halbjahr 1923 noch einmal um 95 % ab.

Wie enden Inflationszeiten? Thomas Sargent hat in einer Untersuchung der großen Inflationen der Zwischenkriegszeit gezeigt, dass das Zusammenspiel einer strikten Geldpolitik und der glaubhaften Aussicht auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt die entscheidende Rolle spielt (Sargent, 1982). Charles Kindleberger hat argumentiert, dass die strukturellen Bedingungen in der deutschen Gesellschaft und Politik, die weder Steuererhöhungen noch eine Kürzung der Sozialleistungen erlaubten und zu einem permanent defizitären Staatshaushalt führten, der wesentliche Treiber der Inflation waren (Kindleberger, 1984).

Die Erklärungen von Monetarismus und Neukeynesianischer Theorie greifen demnach zu kurz. Obwohl Ökonom:innen bemüht sein sollten, eine deutliche Grenze zur Politik zu ziehen (Zingales, 2020), ist die Einbeziehung der politischen Kosten und Beschränkungen im vorliegenden Fall unvermeidlich. Die politischen Bedingungen, denen sich die Zentralbank nicht entziehen konnte (fiscal dominance) waren nicht der einzige, aber der dominierende Faktor. So scheint hier eine fiskalische Theorie der Inflation am passendsten, wonach die Staatsschulden im Zentrum stehen. Diese können wie das Eigenkapital eines Unternehmens gesehen werde, das auf der Grundlage der zu erwartenden Geldströme abgezinst werden kann. Das Preisniveau hängt vom Verhältnis des Werts der Schulden zu den zu erwartenden abdiskontierten Staatseinnahmen ab. Inflation ist damit weniger von der Geldpolitik abhängig als von der Fähigkeit der Regierung, ihren Haushalt im Gleichgewicht zu halten (Cochrane, 2022). So musste auch die Mark, die nicht mehr durch Gold gedeckt war (die Goldbestände der Reichsbank waren als Reparationen an die Alliierten abgetreten worden), durch das künftige Steueraufkommen gedeckt werden. Die Voraussetzungen dafür waren in den Anfangsjahren der Weimarer Republik aber nicht gegeben. Die Reichsbank konnte nicht glaubwürdig intervenieren, solange das langfristige fiskalische Problem nicht gelöst war.

Im Frühsommer 1923 setzte sich in Berlin die Erkenntnis durch, dass die Weimarer Republik politisch und wirtschaftlich in eine Sackgasse geraten war. Gustav Stresemann beendete den passiven Widerstand im Ruhrgebiet und suchte eine Verständigung mit Frankreich, wo sich die Sinnlosigkeit der Ruhrbesetzung mittlerweile herumgesprochen hatte (anders als Rathenau fand Stresemann also kooperative Gesprächspartner). Den national-konservativen Parteien rang er neben der Zustimmung zum Ausgleich mit den Siegermächten auch Steuererhöhungen ab. Es gelang ihm aber auch, den Sozialdemokraten die Aufweichung des Achtstundentages abzuringen (der eine symbolträchtige Errungenschaft unmittelbar nach dem Krieg war) und ihre Zustimmung zu einem Ermächtigungsgesetz zuzustimmen, auf dessen Grundlage einige Verordnungen erlassen wurden, die sonst keine Mehrheit im Parlament gefunden hätten (wie etwa die Entlassung von 25 % aller Beamten, die Entlassung von 120.000 Arbeiter:innen und Angestellten bei der Bahn und die Einführung einer staatlichen Zwangsschlichtung bei Tarifkonflikten).

Hjalmar Schacht bereitete als Währungskommissar (und später als Reichsbankpräsident) die Währungsreform vor. Im November 1923 starb Havenstein, der sich lange gegen eine Währungsreform gesträubt hatte, und die alte Währung wurde mit einem Umtauschverhältnis von 1 zu 1 Billion auf eine neue, die Rentenmark, umgestellt. Anders als Havenstein konnte Schacht glaubhaft machen, dass es ihm ernst damit war, die Geldmenge stabil zu halten und den Kredithahn zuzudrehen. Im darauffolgenden Sommer wurde im Dawes-Plan ein Umgang mit den deutschen Auslandsschulden gefunden, der nach der Währung auch die politische und wirtschaftliche Situation stabilisierte.

Als Stresemann und Schacht die Fiskal- und Geldpolitik stabilisierten und ein politisch stabiles Regime etablieren konnten, ging die Inflation fast von selbst zurück – so wie es auch in den anderen Ländern mit Hyperinflation gelang. Sobald der Fiskus glaubhaft Ausgaben und Einnahmen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht hatte, waren weder hohe Zinsen noch eine tiefe Rezession nötig, um die Inflationszeit zu beenden. Inflationserwartungen müssen immer durch einen tatsächlichen Regimewechsel in der Haushaltspolitik untermauert werden. Wenn dieser real ist – und die Menschen davon überzeugt sind –, verschwindet die Inflation von allein. So endete die Inflation abrupt im Jahr 1924, als wäre sie ein Spuk gewesen.

    • 1 Die Darstellung der geschichtlichen Ereignisse folgt Wallwitz (2021).

Literatur

Cochrane, J. H. (2022), Inflation past, present and future: Fiscal shocks, Fed response, and fiscal limits, NBER Working Paper, Mai, 30096, http://www.nber.org/papers/w30096 (2. Februar 2023).

Holtfrerich, C-L. (1980), Die Deutsche Inflation 1914-1923, De Gruyter.

Kindleberger, C. (1984), A Structural View of the German Inflation, in Feldman, G. D., C.-L. Holtfrerich, G. A. Ritter und P.-C. Witt (Hrsg.), Die Erfahrung der Inflation im internationalen Zusammenhang und Vergleich, 10-33, De Gruyter.

Sargent, T. (1982), The Ends of Four Big Inflations, in R. Hall (Hrsg.), Inflation: Causes and Effects, 41-98, Chicago University Press, http://www.nber.org/chapters/c11452 (2. Februar 2023).

Schacht, H. (1953), 76 Jahre meines Lebens, Kindler.

Singer, K. (1923), Der Fall Havenstein, Wirtschaftsdienst, 33, 797-798, https://100jahre.wirtschaftsdienst.eu/kurt-singer-artikel-im-wirtschaftsdienst.html (2. Februar 2023).

Wallwitz, G. v. (2021), Die Grosse Inflation – Als Deutschland wirklich pleite war, Berenberg.

Zingales, L. (2020), The Political Limits of Economics, AEA Papers and Proceedings, 110/2020, 378-382.

Title:It’s the Politics, Stupid!

Abstract:The Weimar hyperinflation is a textbook example of how inflation develops. All the factors usually associated with inflation were present during this period. However, besides the quantifiable factors, such as money supply development, the political factors appear dominant in retrospect. There was an unspoken consensus among the economic elites that inflation was the lesser evil. The Reichsbank president rejected its independence. Industry saw the weakness of the currency as a welcome means to capture export markets. Politicians had other priorities than monetary stability. Eliminating domestic debt and maintaining social peace were more important to them. Only when the political wind changed could inflation also be defeated.

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DOI: 10.2478/wd-2023-0030