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Das Statistische Bundesamt hat turnusgemäß 2023 das Wägungsschema für den Verbraucherpreisindex von dem bisherigen Basisjahr 2015 auf das Jahr 2020 umgestellt. Aus diesem Warenkorb gehen die Gewichte hervor, mit denen aus den beobachteten Güterpreisen der Verbraucherpreisindex berechnet wird. Der Verbraucherpreisindex ist anhand des neuen Wägungsschemas rückwirkend bis 2020 neu berechnet worden. Damit ist die ausgewiesene Verbraucherpreisinflation nun deutlich niedriger. Während die monatliche Inflationsrate nach dem alten Wägungsschema im Oktober 2022 ihren bisherigen Höchstwert von 10,4 % erreicht hatte, lag die höchste Inflationsrate mit dem neuen Schema bei 8,8 %. Für das Gesamtjahr 2022 ergibt sich nun ein Anstieg der Verbraucherpreise von 6,9 %, während sich nach dem alten Wägungsschema 7,9 % ergeben hatten.

Zu größeren Anpassungen im Wägungsschema kam es bei den Energiepreisen, die 2022 wesentlich zum starken Anstieg der Inflation beigetragen haben. So hat sich das Gewicht der Gaspreise von zuvor 2,5 % auf nun 1,1 % mehr als halbiert.1 Angesichts der stark gestiegenen Gaspreise kann alleine durch das niedrigere Gewicht rund die Hälfte der Revision der Inflationsrate für 2022 erklärt werden (vgl. Abbildung 1). Auch das Gewicht von Heizöl, das sich 2022 ebenfalls spürbar verteuert hatte, ist deutlich von 1,2 % auf 0,4 % gesunken, sodass der Beitrag zur Inflation ebenfalls um rund 0,5 Prozentpunkte gesunken ist. Das Gewicht von Strom, das angesichts der sprunghaften Anstiege bei den Großhandelspreisen 2022 ebenfalls im Fokus stand, blieb mit 2,5 % nahezu unverändert. Insgesamt hat das Gewicht der Energiekomponente von 10,4 % auf 7,4 % abgenommen, sodass sich Energiepreisschwankungen, die in der Vergangenheit ein wesentlicher Treiber für die Schwankungen der Inflationsrate waren, künftig weniger stark auf die Verbraucherpreise auswirken werden. Freilich haben die Anpassungen bei anderen Gütern in unterschiedliche Richtungen auf den Verbraucherpreisindex gewirkt. So ist das Gewicht von Nahrungsmitteln, deren Preise zuletzt ebenfalls deutlich aufwärtsgerichtet waren, von 8,5 % auf 10,5 % gestiegen.

Abbildung 1
Beiträge zur Inflation 2022 nach neuem (2020) und altem (2015) Wägungsschema
Beiträge zur Inflation 2022 nach neuem (2020) und altem (2015) Wägungsschema

Quelle: Destatis; eigene Berechnungen.

Innerhalb der Energiepreise stehen weiterhin besonders die Gas- und Strompreise im Fokus. Aufgrund sprunghaft gestiegener Großhandelspreise wurden 2022 sogenannte Preisbremsen beschlossen (Jannsen und Sonnenberg, 2022), die die Belastungen für die privaten Haushalte und Unternehmen abfedern sollen. Die Preisbremsen sind so ausgestaltet, dass sie die Gas- und Strompreise nicht unmittelbar beeinflussen, damit hohe Preise weiterhin Anreize für Einsparungen liefern.2 So erhalten die privaten Haushalte Zahlungen, die die Differenz zwischen den laufenden Preisen und den Referenzwerten von 12 Cent je kWh (Gas) bzw. 40 Cent je kWh (Strom) auf 80 % ihres bisherigen Verbrauchs ausgleichen; diese Zahlungen erfolgen unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch. Gleichwohl werden die Preisbremsen im Verbraucherpreisindex berücksichtigt. Demnach hat die Einmalzahlung für Gaskunden im Dezember den Gaspreis im Verbraucherpreisindex gedrückt. Die Zahlung wurde nur für Direktkunden berücksichtigt, deren Abschlagzahlung im Dezember entfiel; Zahlungen speziell an Mieter, die erst nachträglich mit der jährlichen Betriebskostenabrechnung erfolgen, blieben dagegen unberücksichtigt. Ein Vergleich mit den Erzeugerpreisen für Gas bei Abgabe an private Haushalte oder bei Abgabe an Handel und Gewerbe, die jeweils einen recht engen Gleichlauf mit den Verbraucherpreisen für Gas aufweisen, spricht dafür, dass durch die Dezemberzahlung die Gaspreise im Verbraucherpreisindex um etwa 25 % gesenkt worden sind.

Die Preisbremsen fließen seit Januar 2023 in die Berechnung des Verbraucherpreisindex ein. Gleichwohl sind die Gas- und Strompreise im Januar gegenüber dem Dezember gestiegen. Ein Grund dafür ist, dass recht viele Verträge im Januar angepasst werden, sodass die gestiegenen Großhandelspreise aus 2022 erst im Januar 2023 stärker zum Tragen gekommen sind und viele dieser alten Verträge noch Preise unterhalb der Referenzwerte vorsahen. Beim Gaspreis kam hinzu, dass die Dezemberzahlung entfiel. Die Wirkung der Preisbremsen auf den Verbraucherpreisindex ist nicht direkt beobachtbar. Ein Vergleich mit Erzeugerpreisen für Gas und Strom, die eine ähnliche Entwicklung wie die Verbraucherpreise aufweisen, sprechen dafür, dass die Gas- bzw. Strompreise im Januar um etwa 15 % bzw. 5 % gedrückt wurden. Die Inflationsrate ist demzufolge im Januar durch die Preisbremsen unmittelbar um etwa 0,5 Prozentpunkte gesenkt worden. Gas und Strom haben zu Jahresbeginn für sich genommen noch 1,4 Prozentpunkte zur Inflation beigetragen.

Die Wirkung der Preisbremsen hängt davon ab, wie sich die Marktpreise für Gas und Strom entwickeln. Im Oktober und November 2022, als die Preisbremsen konzipiert und die Gesetzesentwürfe vorgelegt worden sind, deuteten die Großhandelspreise an den Spot- und Future-Märkten darauf hin, dass die Gas- und Strompreise stark steigen und die Preisbremsen dementsprechend große Effekte haben würden (Jannsen und Sonnenberg, 2022). Prognosen basierend auf den Großhandelspreisen aus Oktober und November legten nahe (vgl. Abbildung 2), dass die Preise für Gas im laufenden Jahr ohne Preisbremsen um 56 % und die für Strom um 51 % steigen würden. Die Preisbremsen hätten diese Preisanstiege wohl auf rund 28 % (Gas) bzw. 8 % (Strom) gedämpft und die Verbraucherpreisinflation für sich genommen um 1,6 Prozentpunkte reduziert (2,4 Prozentpunkte nach altem Wägungsschema). Freilich können die Preisbremsen die Verbraucherpreise über diese direkten Effekte hinaus beeinflussen, da z. B. die Kosten von Unternehmen durch die Preisbremsen gesenkt werden oder die Zahlungen an die privaten Haushalte die Nachfrage nach anderen Gütern erhöhen.

Abbildung 2
Terminmarktpreise für Gas und Strom
Median der Tagesdaten der Quartalsfutures
Terminmarktpreise für Gas und Strom

Quellen: Refinitiv, EEX.

Mittlerweile sind die Großhandelspreise deutlich gesunken (vgl. Abbildung 2). Neukunden konnten zuletzt sogar Verträge abschließen, die unter den Referenzwerten der Preisbremsen liegen. Insgesamt dürften die Gas- und Strompreise im Bestand jedoch noch für einige Zeit über diesen Referenzwerten notieren, da die Versorger über die Future-Märkte in der Vergangenheit Lieferverträge zu höheren Preisen abgeschlossen hatten, sodass die nun wieder niedrigeren Großhandelspreise erst mit einiger Verzögerung vollständig an die privaten Haushalte weitergereicht werden (Sonnenberg, 2022). Insgesamt werden die Gas- und Strompreise voraussichtlich aber nur noch etwas oberhalb der Referenzwerte liegen, sodass die Wirkung auf die Verbraucherpreise deutlich geringer ausfällt. Für 2023 zeichnet sich ein Anstieg der Gaspreise von etwa 20 % ab (nach rund 50 % 2022); der Strompreis wird wohl um 5 % zulegen (nach rund 20 % 2022). Ohne Preisbremsen wären die Preise voraussichtlich um jeweils 30 % gestiegen. Der Beitrag der Gas- und Stromkomponente zur Verbraucherpreisinflation wird durch die Preisbremsen wohl um 0,8 Prozentpunkte gesenkt. Im kommenden Frühjahr, wenn die Preisbremsen enden sollen, dürften die Gas- und Strompreise unterhalb der Referenzwerte notieren. Vor diesem Hintergrund werden die öffentlichen Ausgaben für die Preisbremsen voraussichtlich deutlich geringer ausfallen, als zu ihrer Konzeption erwartet worden war.

  • 1 Das Wägungsschema 2015 orientierte sich an Haushaltsbefragungen. Das Gewicht für Gas war dabei deutlich höher als bei den privaten Konsumausgaben gemäß der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Das Wägungsschema 2020 orientiert sich stärker an den Ausgabenanteilen beim privaten Konsum. 2022 ist der Ausgabenanteil von Gas an den gesamten privaten Konsumausgaben nur geringfügig von 1,15 % auf 1,19 % gestiegen. Die Preise für Gas haben zwar kräftig zugelegt, gleichzeitig haben die privaten Haushalte aber ihren Verbrauch stark zurückgefahren.
  • 2 Es wurde auch eine Wärmepreisbremse eingeführt. Fernwärme hat jedoch nur einen Anteil von 0,3 % im Wägungsschema.

Literatur

Jannsen, N. und N. Sonnenberg (2022), Gas- und Strompreise, Wirtschaftsdienst, 102(11), 907-908.

Sonnenberg, N. (2022), Zum Einfluss der jüngsten Gas- und Strompreisanstiege auf die Verbraucherpreise, Kiel Insight, 7.

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0058

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