Der zweite Nachtragshaushalt 2021 auf Bundesebene wurde im November 2023 durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Diese Entscheidung hat auch Auswirkungen auf Baden-Württemberg, da die Regelungen der Schuldenbremse auf Landesebene seit 2020 greifen. Das Land hat in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 insgesamt rund 14,8 Mrd. Euro an Kreditmitteln legitimiert. Dabei hat Baden-Württemberg gegen das Prinzip der Jährigkeit verstoßen, indem nicht benötigte Kreditermächtigungen in der Rücklage für Haushaltsrisiken zwischen den Haushaltsjahren übertragen wurden. Zusätzlich steigt die aufgeschobene Kreditaufnahme in Baden-Württemberg stetig an. Daraus ergibt sich für das Land ein zukünftiger haushaltärischer Handlungsbedarf, um die Verschuldung zu reduzieren und die Haushaltsgrundsätze einzuhalten.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 2023) hat den zweiten Nachtragshaushalt 2021 auf Bundesebene für nichtig erklärt. Diese Entscheidung könnte nicht nur auf Bundesebene, sondern auch für die Kreditentscheidungen auf Landesebene in Baden-Württemberg Konsequenzen haben. Ursächlich für die Nichtigkeit des zweiten Nachtragshaushalts auf Bundesebene sind dort geregelte, nachträgliche Änderungen für das Haushaltsjahr 2021. So wurden im Jahr 2022 dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) 60 Mrd. Euro rückwirkend für das Haushaltsjahr 2021 zugewiesen (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021). Diese Kreditmittel wurden ursprünglich für die Bewältigung der Folgen der Coronapandemie bewilligt. Aufgabe des KTF ist jedoch, Klimaschutzmaßnahmen sowie die Energiewende zu finanzieren. Darüber hinaus wurde die Buchungsregel für Sondervermögen abgeändert. Anstelle der Zurechnung von Krediten in Sondervermögen zu dem Haushaltsjahr, in dem sie verausgabt werden, sieht die Änderung eine Zurechnung im Jahr der Zuweisung vor (Deutscher Bundestag, 2022). Mit Bezug auf diese Änderungen leitete das BVerfG drei eigenständige Gründe ab, aus welchen der zweite Nachtragshaushalt nichtig ist.
Erstens steht die Begründung des Parlaments für die Ausweitung der Kreditaufnahme laut BVerfG nicht im ausreichend engen Zusammenhang mit der Coronapandemie. Das BVerfG erklärt, dass das Auftreten der Coronapandemie einen plötzlichen, externen Schock darstellt, welcher die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung legitimiert. Der Klimawandel und die Energiekrise sind keine plötzlichen exogenen Schocks und stehen nicht in direkter Folge der Coronapandemie. Die Mittelzuweisung an den KTF durch den zweiten Nachtragshaushalt ist daher nach Auffassung des BVerfG im Rahmen der Schuldenbremsenregelung unzulässig.
Zweitens verletzt der zweite Nachtragshaushalt 2021 die Grundsätze der Jährlichkeit und der Jährigkeit. Jährlichkeit besagt, dass in jedem Haushaltsplan die Höhe der Kreditaufnahme für jedes Jahr getrennt ermittelt wird. Nach dem Prinzip der Jährigkeit soll die Kreditaufnahme dem Jahr zugerechnet werden, in welchem sie auch tatsächlich verausgabt wird. Laut dem BVerfG hält sich der zweite Nachtragshaushalt nicht an diese beiden Grundsätze, da, obwohl offen ist, wann an den KTF transferierte Mittel tatsächlich verwendet werden, diese dennoch durch die neu eingeführte Buchungsregel dem Haushaltsjahr 2021 zugerechnet wurden. Zusätzlich ist in der Begründung nach Ansicht des BVerfG nicht ausreichend dargelegt, weshalb der Bund nicht auf bereits existierende Rücklagen zurückgegriffen hat.
Drittens ist der Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes nicht rechtmäßig, da ein Haushaltsgesetz nicht nach Ablauf des Haushaltsjahres verabschiedet werden kann.
Diese Einwände könnten auch für die Haushaltsplanung Baden-Württembergs während der Jahre der Coronapandemie zum Tragen kommen, da sie nicht ausschließlich auf die Situation im Bundeshaushalt anwendbar sind. Daher beauftragte das Land Baden-Württemberg ein Gutachten, welches aus juristischer Sicht die Kreditaufnahme des Landes untersucht und vor dem Hintergrund des Haushaltsurteils auf Bundesebene analysiert (Kube, 2024). Neben der juristischen Perspektive sind jedoch auch ökonomische Gesichtspunkte bei der Beurteilung der baden-württembergischen Haushaltspolitik zu berücksichtigen. Dieser Artikel untersucht die politischen Entscheidungen in Baden-Württemberg während der Coronapandemie aus beiden Perspektiven.
Baden-Württemberg in der Coronapandemie
Baden-Württemberg ist seit dem Doppelhaushalt 2020/2021 an die Schuldenbremse gebunden (StHG 2020/21). In den Haushaltsjahren 2020 und 2021 hat das Land aufgrund der Coronapandemie die Ausnahmekomponente der Schuldenbremse aktiviert (Nachtragshaushaltsgesetz 2020/21; Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020/21; Drittes Nachtragshaushaltsgesetz 2021). Dadurch ist eine Kreditaufnahme zur Bewältigung der Notlage bei gleichzeitiger Verabschiedung eines Tilgungsplans möglich. Insgesamt hat das Land mit seinen Haushaltsplänen und Nachtragshaushalten in den Jahren 2020 und 2021 eine Kreditaufnahme von rund 14,8 Mrd. Euro im Rahmen der Schuldenbremse ermöglicht (Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg [Ministerium für Finanzen], 2021b; Landtag von Baden-Württemberg [Landtag], 2021a). Rund 6,7 Mrd. Euro sind hiervon auf die konjunkturelle Entwicklung bezogen. Zirka 8,1 Mrd. Euro der Kreditaufnahme wurden durch die Ausnahmekomponente bewilligt.
Von den durch die Ausnahmekomponente legitimierten Mitteln hat die Rücklage für Haushaltsrisiken rund 5,9 Mrd. Euro erhalten, während knapp 2,2 Mrd. Euro dem Kommunalen Stabilitäts- und Zukunftspakt zugegangen sind (Landtag, 2021c; 2022c; 2020c). Dieser unterstützt Kommunen bei der Finanzierung von Maßnahmen zur Bewältigung der Coronapandemie (Landtag, 2020c). Von der Kreditaufnahme über die Konjunkturkomponente wurden 4,4 Mrd. Euro dafür verwendet Steuermindereinnahmen zu kompensieren, 1,2 Mrd. Euro flossen der Rücklage „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ zu und 1,1 Mrd. Euro gingen in die Rücklage für Haushaltsrisiken (Landtag, 2021c; 2021a).
Zwei der zwölf Rücklagen des Landes sind Kredite zugeflossen, welche entweder durch die Konjunkturkomponente oder die Ausnahmekomponente legitimiert wurden. Die Rücklage für Haushaltsrisiken wurde mit dem Staatshaushaltsgesetz 2015/16 gebildet und hatte ursprünglich den Zweck der Absicherung von Kosten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise (Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, 2014). Diese Zwecke wurden unter anderem um jene der Coronapandemie erweitert (Ministerium für Finanzen, 2021a).
Im Jahr 2020 gingen der Rücklage für Haushaltsrisiken neben den durch die Nachtragshaushalte beschlossenen Mittel in Höhe von 5,8 Mrd. Euro, Bundesmittel in Höhe von 3,3 Mrd. Euro und die ursprüngliche Zuführung in Höhe von 0,7 Mrd. Euro zu (Landtag, 2021b). Demgegenüber wurden der Rücklage in Verbindung mit der Coronapandemie 5,9 Mrd. Euro und 0,05 Mrd. Euro ohne Pandemiebezug entnommen (Ministerium für Finanzen, 2021b). Im Jahr 2021 floßen der Rücklage für Haushaltsrisiken insgesamt zirka 8,3 Mrd. Euro zu (Landtag, 2022b). Im selben Haushaltsjahr wurden aus der Rücklage rund 7,2 Mrd. Euro für pandemiebezogene Zwecke und rund 0,1 Mrd. Euro ohne Pandemiebezug verausgabt (Landtag, 2022b; Ministerium für Finanzen, 2022).
In der Haushaltsrechnung des Jahres 2022 zeigt sich, dass auch nach Beendigung der Ausnahmesituation in Baden-Württemberg weiterhin durch die Rücklage für Haushaltsrisiken Ausgaben für pandemiebezogene Zwecke in Höhe von rund 4,1 Mrd. Euro getätigt wurden (Ministerium für Finanzen, 2023). Rund 0,5 Mrd. Euro wurden ohne Pandemiebezug aus der Rücklage im Jahr 2022 verausgabt. Die Einlagen in die Rücklage in diesem Jahr belaufen sich auf rund 3,7 Mrd. Euro, welche jedoch keine coronabedingten Kreditaufnahmen darstellen (Kube, 2024). Die Rücklage „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ wurde mit dem zweiten Nachtrag im Jahr 2020 gebildet, welche Investitionen in den Bereichen Gesundheit, Innovationen, Digitalisierung und Klimaschutz mitfinanzieren soll (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020/21). Im Jahr 2020 wurden rund 47.000 Euro, 2021 rund 165 Mio. Euro und 2022 rund 163 Mio. Euro entnommen (Landtag, 2021b; Landtag, 2022b; Ministerium für Finanzen, 2023).
Die Verschuldung des Landes
Seit 2019 ist sowohl die Höhe der Rücklagen als auch der Sondervermögen stetig gestiegen. Gleichzeitig steigt auch die Höhe der Verschuldung des Landes nahezu stetig an. Abbildung 1 stellt die haushaltsmäßige Verschuldung Baden-Württembergs im Zeitraum der letzten 20 Jahre dar. Sie besteht aus valutierten Krediten und der aufgeschobenen Kreditaufnahme. Valutierte Kredite sind jene, welche tatsächlich als Anleihen oder Darlehen in Anspruch genommen wurden. Aufgeschobene bzw. nicht valutierte Kredite sind hingegen am Kreditmarkt nicht in Anspruch genommene Kredite. Sie werden jedoch nach § 18 Abs. 10 Landeshaushaltsordnung dem Haushaltsjahr zugerechnet, in welchem das Haushaltsgesetz die Berechtigung zu Aufnahme erteilt. Wird eine Kreditaufnahme aufgeschoben, bedeutet dies nichts Anderes, als dass das Land die Kreditmittel im veranschlagten Haushaltsjahr nicht beansprucht hat
Abbildung 1
Haushaltsmäßige Verschuldung des Landes Baden-Württemberg
Hinweis: Verschuldung zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres.
Quelle: eigene Darstellung nach Landtag (2022b).
Von 1953 bis 2009 hat Baden-Württemberg wenige bis keine Kredite aufgeschoben (Landtag, 2022b). Seit 2010 steigt der Anteil aufgeschobener Kredite an der gesamten Verschuldung des Landes nahezu kontinuierlich. Bestand die Verschuldung Baden-Württembergs 2010 zu rund 2,7 % (1,2 Mrd. Euro) aus aufgeschobenen Krediten, waren es 2018 bereits 21,1 % (9,7 Mrd. Euro). Resultierend aus einer verpflichtenden Tilgung aus der Schuldenbremsenübergangsregelung sank der Anteil aufgeschobener Kredite an der Gesamtverschuldung 2019 auf zirka 19,8 % (Landtag, 2022b). Mit Ausbruch der Coronapandemie im Jahr 2020 stieg der Anteil um 9,2 Prozentpunkte auf zirka 29 % (16,2 Mrd. Euro) an und wuchs 2021 weiter auf 34,7 % (20,7 Mrd. Euro) an. Es ist zu beobachten, dass dieser starke Anstieg der nicht valutierten Kreditaufnahme zeitlich mit der Ausweitung der Rücklagen des Landes einhergeht. Im Jahr 2022 erreichte der Anteil der aufgeschobenen Verschuldung mit rund 40,3 % (23,6 Mrd. Euro) einen neuen Höchstwert. Der Anstieg ist im Vergleich zum Vorjahr deshalb so deutlich, da die gesamte haushaltsmäßige Verschuldung zurückgegangen ist, während die aufgeschobene Kreditaufnahme nochmals zugenommen hat.
Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils auf Baden-Württemberg
In den Haushaltsjahren 2020 und 2021 wurden durch die Ausnahmekomponente Kreditaufnahmen legitimiert, wodurch die Schuldenbremse in Baden-Württemberg faktisch ausgesetzt wurde. Es ist fraglich, ob die auf Bundesebene durch den BVerfG kritisierten Haushaltsentscheidungen auch in Baden-Württemberg vorgenommen wurden. Eindeutig kann festgestellt werden, dass die Nachtragshaushalte in Baden-Württemberg immer vor Abschluss des entsprechenden Haushaltsjahres verabschiedet wurden. Dadurch hat das Land nicht gegen die Vorherigkeit bei der Verabschiedung der Nachtragshaushalte verstoßen.
Das BVerfG hat in seinem Urteil des Weiteren festgestellt, dass die Notlage, die eine Ausnahme von der Schuldenbremse rechtfertigt, einen höheren Kreditbedarf des öffentlichen Haushalts unmittelbar notwendig machen muss. Aus den Begründungen der Nachtragshaushalte in Baden-Württemberg geht hervor, dass die Coronapandemie als Auslöser der Notlage im Zentrum steht (Landtag, 2020b; Landtag, 2021a). Entscheidend ist jedoch, ob die Mittel auch tatsächlich für die Bewältigung der Pandemie verwendet wurden. Die mit dem zweiten Nachtrag geschaffene Rücklage „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ unterstützt landesseitig Investitionen, beispielsweise in den Ausbau nachhaltiger Energiegewinnung und somit abseits der von der Coronapandemie unmittelbar verursachten Notlage. Der Unterschied zum Vorgehen auf Bundesebene ist jedoch, dass in diese Rücklage ausschließlich durch die Konjunkturkomponente legitimierte Kreditberechtigungen geflossen sind (Landtag, 2021c).
Dennoch steht auch die konjunkturell bedingte Kreditaufnahme im engen Zusammenhang mit der Coronapandemie. Daher ist der Rechnungshof des Landes Baden-Württemberg der Ansicht, dass im Sinne der Schuldenbremse auch die Nettokreditaufnahme in der Konjunkturkomponente zur Bewältigung der Coronapandemie verwendet werden sollte (Landtag, 2020a). Nach ökonomischem Verständnis gehören öffentliche Ausgaben für den Klimaschutz zu den Aufgaben, welche aus dem Kernhaushalt und den regulären Einnahmen des Landes zu finanzieren sind. Haushaltsmittel können nicht nur deswegen für diese Zwecke zur Verfügung stehen, weil die konjunkturelle Verschuldung aufgrund eines Schocks, welcher in keinem Zusammenhang mit den klimatischen Herausforderungen steht, ausgeweitet werden konnte.
Die Rücklage für Haushaltsrisiken ist die weitere Rücklage des Landes, welche Kreditmittel durch die Notlage der Coronapandemie erhalten hat. Da das Land den größten Anteil der Notlagenkredite dieser Rücklage zugeführt hat, überprüfte der Rechnungshof 13 Einzelmaßnahmen mit einem gesamten Volumen von 65,4 Mio. Euro, welche im Jahr 2020 aus dieser Rücklage finanziert wurden (Landtag, 2022a). Der Rechnungshof ist der Ansicht, dass rund 14 Mio. Euro nicht hätten entnommen werden dürfen, da das ursprünglich zugewiesene Ressortbudget ausreichend war, um die notwendigen Maßnahmen zu finanzieren (Landtag, 2022a). Die Mittel sollten daher der Rücklage wieder zurückgeführt werden. Dabei sollte beachtet werden, dass diese Kontrolle keine vollständige Überprüfung darstellt. Insgesamt wurden laut Rechtsgutachten Notlagenkredite in der Rücklage für Haushaltsrisiken von rund 2 Mrd. Euro aus dem Jahr 2020 nach 2021 übertragen und aus 2021 rund 518 Mio. Euro nach 2022 übertragen (Kube, 2024).
Darüber hinaus ist fraglich, ob die einzelnen Haushaltsressorts Kreditmittel nachgelagert in Anspruch genommen haben, wenn die anfänglich zugeteilten Mittel nicht ausreichend waren. Die Notwendigkeit des dritten Nachtragshaushaltes wurde vom Rechnungshof kritisiert, da anderweitig Deckungsmittel aus dem Überschuss des Haushaltsjahres zur Verfügung gestanden hätten (Rechnungshof Baden-Württemberg, 2022). Während dieser Argumentation aus ökonomischer Sicht gefolgt werden kann, hält das Gutachten juristisch dagegen, dass das Parlament die Entscheidungshoheit darüber inne hat, welche Haushaltsmittel wofür verwendet werden. Dass Kredite nachgelagert in Anspruch genommen werden sollen, geht nicht aus den rechtlichen Rahmenbedingungen hervor (Kube, 2024). Im Rahmen der Begrenzung der öffentlichen Verschuldung kann diese rechtliche Einordnung zu politischen Anreizproblemen führen. Das Parlament kann sich auf diese Weise einen höheren Ausgabenspielraum im Kernhaushalt ermöglichen, wenn Kreditmittel vorrangig zu bereits bestehenden Ressorts verwendet werden.
Letztlich verdeutlicht das BVerfG in seinem Haushaltsurteil die Bedeutung des Prinzips der Jährigkeit, wonach auch für Baden-Württemberg gilt, dass die zur Bewältigung der Coronapandemie aufgenommenen Kredite in dem Jahr auch als Ausgaben für Zwecke verbunden mit der Coronapandemie zu verbuchen sind, in dem die Verschuldung erfolgt ist. Das Sammeln von Kreditermächtigungen für zukünftige Jahre, in welchem die Schuldenbremse eine Kreditaufnahme untersagt, soll dadurch verhindert werden. Deshalb ist es aus juristischen Gründen nicht möglich – wie in Baden-Württemberg geschehen – notlagenbedingte Kredite in überjährige Rücklagen zu buchen (Kube, 2024). Auch hätten die Notlagenkredite, wie in den Haushalten 2021 und 2022 geschehen, nicht übertragen werden dürfen, woraus die Verfassungswidrigkeit der Haushalte resultiert (Kube, 2024). Da die Haushalte bereits abgeschlossen sind, ist aus juristischer Perspektive laut Kube (2024) nicht davon auszugehen, dass diese für nichtig erklärt werden, obwohl sie mit der Landesverfassung nicht vereinbar sind. Auch aus ökonomischer Sicht ist die Übertragung von Kreditmitteln zwischen den Jahren kritisch zu hinterfragen, da dadurch das Land den Anreiz hat, mehr Kredite aufzunehmen, als für die Bewältigung einer Krisensituation notwendig ist und infolge dessen der Schuldenstand stärker ansteigt. In Baden-Württemberg kann beobachtet werden, dass die Höhe der aufgeschobenen Kredite seit 2010 nahezu kontinuierlich steigt (Landtag, 2022b). Im Jahr 2022 sind rund 40 % der Kredite des Landes nicht valutiert (Landtag, 2022b). Die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes könnte somit deutlich geringer ausfallen.
Die Haushaltsplanung des Landes Baden-Württemberg ist folglich während der Coronapandemie ebenfalls nicht vollständig im Rahmen der Regelungen der Schuldenbremse erfolgt. Das Land muss zwar mit keinen juristischen Folgen aus der Nichteinhaltung der Schuldenbremse umgehen, jedoch besteht sowohl aus juristischer als auch aus ökonomischer Sicht zukünftiger Handlungsbedarf bei der Haushaltsplanung. Dabei geht es vor allem darum, bestehende aufgeschobene Kredite abzubauen und Rücklagen ohne Kreditermächtigungen zu bilden.
Literatur
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